Mährisches Tagblatt. Nr. 132, Olmütz, 12.06.1891.[Spaltenumbruch]
Das Abonnement für Olmütz: Zustellung ins Haus monat- Auswärts durch die Post: Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. [Spaltenumbruch] Mährisches Tagblatt. [Spaltenumbruch] Insertionsgebühren Außerhalb Olmütz überneh- Manuscripte werden nicht Telephon Nr. 9. Nr. 132. Olmütz, Freitag den 12. Juni 1891. 12. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Die Freundschaft mit Italien. Olmütz, 12. Juni. Die Antwort des italienischen leitenden Mi- [Spaltenumbruch] Die irredentistischen Stänkereien in Italien Und da kommt nun Rudini, der Nachfol- [Spaltenumbruch] Feuilleton. Der Postbeutel. (Aus dem Russischen.) Wer einmal auf der Poststraße zwischen Noch eine andere Ruine stützt die Weide -- Dreißig Jahre möge es her sein ... es war Archipp hörte das Geklingel, legte die Angel -- Hilfe! Mord!" schrie antwortend das Nach etwa sechs Tagen kam eine Untersuchungs- Man zeigte ihm ein großes gelbes Gebäude [Spaltenumbruch]
Das Abonnement für Olmütz: Zuſtellung ins Haus monat- Auswärts durch die Poſt: Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. [Spaltenumbruch] Mähriſches Tagblatt. [Spaltenumbruch] Inſertionsgebühren Außerhalb Olmütz überneh- Manuſcripte werden nicht Telephon Nr. 9. Nr. 132. Olmütz, Freitag den 12. Juni 1891. 12. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Die Freundſchaft mit Italien. Olmütz, 12. Juni. Die Antwort des italieniſchen leitenden Mi- [Spaltenumbruch] Die irredentiſtiſchen Stänkereien in Italien Und da kommt nun Rudini, der Nachfol- [Spaltenumbruch] Feuilleton. Der Poſtbeutel. (Aus dem Ruſſiſchen.) Wer einmal auf der Poſtſtraße zwiſchen Noch eine andere Ruine ſtützt die Weide — Dreißig Jahre möge es her ſein ... es war Archipp hörte das Geklingel, legte die Angel — Hilfe! Mord!“ ſchrie antwortend das Nach etwa ſechs Tagen kam eine Unterſuchungs- Man zeigte ihm ein großes gelbes Gebäude <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Das<lb/><hi rendition="#b">„Mähriſche Tagblatt“</hi><lb/> erſcheint mit Ausnahme der<lb/> Sonn- und Feiertage täglich.<lb/> Ausgabe 2 Uhr Nachmittag<lb/> im Adminiſtrationslocale<lb/><hi rendition="#b">Niederring Nr. 41 neu.</hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#b">Abonnement für Olmütz:</hi><lb/> Ganzjährig fl. 10.—<lb/> Halbjährig „ 5.—<lb/> Vierteljährig „ 2.50<lb/> Monatlich „ —.90</p><lb/> <p>Zuſtellung ins Haus monat-<lb/> lich 10 kr.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Auswärts durch die Poſt:</hi><lb/> Ganzjährig fl. 14.—<lb/> Halbjährig „ 7.—<lb/> Vierteljährig „ 3.50</p><lb/> <p>Einzelne Nummern 5 kr.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telephon Nr. 9.</hi> </p> </div><lb/> <cb/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Mähriſches<lb/> Tagblatt.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Inſertionsgebühren</hi><lb/> nach aufliegendem <hi rendition="#b">Tarif.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Außerhalb <hi rendition="#b">Olmütz</hi> überneh-<lb/> men Inſertions-Aufträge:<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Heinrich Schalek,</hi></hi> Annon-<lb/> cen-Exped in Wien, <hi rendition="#aq">I.</hi> Woll-<lb/> zeile Nr. 11, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Haasenstein &<lb/> Vogler,</hi></hi> in Wien, Prag, Buda-<lb/> peſt, Berlin, Frankfurt a. 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Längſt wäre die Mühle eingefal-<lb/> len, wenn ſie nicht an einer alten Weide eine<lb/> Stütze hätte — einer Oſterpalme, wie ſie in<lb/> Rußland ſagen. So breit iſt dieſe Weide, daß<lb/> nicht zwei Männer den wuchtigen Stamm zu<lb/> umſchlingen vermögen. Ihr glänzendes Laub be-<lb/> ſchattet das Dach der Mühle und berührt den<lb/> Fahrweg, während die unterſten Zweige im<lb/> Waſſer ſich baden. Auch ſie iſt alt und gebückt;<lb/> den höckrigen Stamm verunſtaltet eine große<lb/> dunkle Höhlung; ſteckſt Du Deine Hand hinein,<lb/> ſo glitſcht ſie in ſchwarzem Honig; wilde Bie-<lb/> nen umſummen und ſtechen Dich. Wie alt mag<lb/> ſie wohl ſein? 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Mosse, in Wien, München u.
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Telephon Nr. 9.
Nr. 132. Olmütz, Freitag den 12. Juni 1891. 12. Jahrgang.
Die Freundſchaft mit Italien.
Olmütz, 12. Juni.
Die Antwort des italieniſchen leitenden Mi-
niſters Marcheſe di Rudini auf die Interpellation
des Irredenſiſten Barzilai über das Andreas
Hofer-Denkmal in Mantua, hat in Oeſterreich
den beſten Eindruck gemacht und die Freunde
Italiens in Oeſterreich, zu denen vor Allem die
Deutſchen in Oeſterreich zählen, haben ihrer Ge-
nugthuung über die Antwort Rudini’s lauten
Ausdruck gegeben. Bei den Clericalen und Sla-
ven, den Gegnern des Dreibundes konnte natür-
lich darüber keine große Freude aufkommen und
ſie begnügten ſich daher, von dieſer Antwort nur
Kenntniß zu nehmen. Das iſt erklärlich — denn
Rudini hat nicht nur der Treue des Volkshelden
Andreas Hofer ein herrliches Zeugniß ausgeſtellt,
er hat auch die Bundestreue Oeſterreich Italien
gegenüber hervorgehoben und das Wort geſpro-
chen: „Unſere Freundſchaft mit Oeſterreich-Ungarn
iſt eine ſolche, daß ein Uebelwollen unſeres Allir-
ten gegenüber Italien ausgeſchloſſen iſt.“ Das iſt
gar nicht nach dem Geſchmacke der Clericalen in
Oeſterreich, welche ſich unausgeſetzt bemühen,
Italien in Oeſterreich herabzuſetzen, Streitfälle
zwiſchen den beiden Verbündeten zu ſuchen und
wenn ſie ſolche gefunden, aufzubauſchen, Italien
überhaupt als einen Raubſtaat hinzuſtellen, der das
Mißfallen des Himmels erregt hat und darum
auch dem Fluche der Menſchen verfallen müſſe.
Die irredentiſtiſchen Stänkereien in Italien
werden von Niemand ſorgſamer beachtet, als von
unſeren Clericalen; fleißig wird darüber in den
clericalen Blättern Bericht erſtattet. Es ſoll da-
mit gezeigt werden, daß Oeſterreich an Italien
keinen aufrichtigen, verläßlichen Bundesgenoſſen
habe. Die Finanzlage Italiens und ſeine Schwie-
rigkeiten in Afrika finden in unſeren Clericalen
aufmerkſame Beobachter und jedes clericale Blätt-
chen, das man zur Hand nimmt, iſt mit irgend
einer Schauermähr ausgeſtattet, welche den
italieniſchen Nationalſtaat verkleinert, herabſetzt,
verdächtigt. Ganze Neſter von clericalen Corre-
ſpondenten ſitzen in Rom und in den größeren
italieniſchen Städten und machen aus jeder ver-
bogenen Stecknadel einen Zwiſchenfall, welcher
auf den baldigen Untergang Italiens ſchließen
läßt. Damit wird natürlich nur dem Irredentis-
mus in die Hände gearbeitet, der es auf einen
Umſturz in Italien abgeſehen hat — und der
franzöſiſchen Politik, welche die größten Anſtren-
gungen macht, Italien vom Dreibunde loszu-
reißen. So ſind unſere Clericalen durch ihr
Treiben gegen Italien die auswätigen Bundes-
genoſſen der Irredenta und der Französlinge
in Italien geworden und die Schädiger des
Dreibundes, auf welchem der Friede in Europa
beruht.
Und da kommt nun Rudini, der Nachfol-
ger des von den Clericalen über Alles gehaßten
Crispi, läßt Andreas Hofers-Gedenktafel aus
Staatsmitteln erneuern und hält dem deutſchen
und tiroliſchen Helden, der ſeine Vaterlandsliebe
zu Mantua mit dem Blute beſiegelt hat, eine
Ehrenrede, nennt ihn einen „edlen Helden“, der
ſchlicht und treu für die Unabhängigkeit ſeines
Landes gekämpft hat und gefallen iſt. Aber er
geht noch weiter: er ſtellt die Bundesgenoſſen-
ſchaft zwiſchen Oeſterreich und Deutſchland thurm-
hoch über den Krakehl, welchen anzuzetteln die
Irredentiſten und Französlinge jederzeit befließen
ſind. Hat er damit nicht auch dieſe Bundesge-
noſſenſchaft über die Nergeleien und Zwietrachts-
bemühungen unſerer Clericalen hinausgerückt?
Gewiß — und eben darum finden weder
dieſe noch ihre Verbündeten, die anderen
Widerſacher des Dreibundes, die Slaven,
Worte der Anerkennung für die mehr als ver-
bindlichen, für die aufrichtig freundſchaftlichen
Aeußerungen des Miniſterpräſidenten Rudini für
Oeſterreich. Was er gegen den Irredentiſten
Barzilai geſagt hat, das kehrt ſich auch gegen
die öſterreichiſchen Widerſacher des Dreibundes
und der Freundſchaft mit dem von ihnen ſo ge-
ſchmähten Italien. Freilich zu Barzilai ſagte
Rudini: Sie ſind jung und werden weiſer wer-
den. Das hätte er von unſeren Clericalen nicht
ſagen können, die ihre Verbohrtheiten auf Be-
ſtimmungen von Ewigkeit zurückführen und ihren
Willen als Geſetze für alle kommenden Ewig-
keiten betrachten. Bei ihnen iſt jeder Fortſchritt
in ihren Anſchauungen ausgeſchloſſen.
Feuilleton.
Der Poſtbeutel.
(Aus dem Ruſſiſchen.)
Wer einmal auf der Poſtſtraße zwiſchen
B ... und T ... gefahren iſt, entſinnt ſich
wohl der Andrejev’ſchen Mühle, welche einſam
am Ufer des Flüßchens Koſavka ſteht — einer
kleinen Mühle mit zwei Gängen. Aelter als
hundert Jahre, ſeit langer Zeit nicht mehr im
Betrieb, ähnelt ſie einer kleinen gebückten Alten
in veſchliſſenem Kleid, die ſich kaum noch auf
den Füßen hält. Längſt wäre die Mühle eingefal-
len, wenn ſie nicht an einer alten Weide eine
Stütze hätte — einer Oſterpalme, wie ſie in
Rußland ſagen. So breit iſt dieſe Weide, daß
nicht zwei Männer den wuchtigen Stamm zu
umſchlingen vermögen. Ihr glänzendes Laub be-
ſchattet das Dach der Mühle und berührt den
Fahrweg, während die unterſten Zweige im
Waſſer ſich baden. Auch ſie iſt alt und gebückt;
den höckrigen Stamm verunſtaltet eine große
dunkle Höhlung; ſteckſt Du Deine Hand hinein,
ſo glitſcht ſie in ſchwarzem Honig; wilde Bie-
nen umſummen und ſtechen Dich. Wie alt mag
ſie wohl ſein? Archipp, ihr Freund, ſagt, ſchon
damals ſei ſie alt geweſen, als er noch bei dem
Herrn als „Franzoſe“ und bei der Herrin als
„Neger“ diente; und das iſt ſchon ſehr lang her.
Noch eine andere Ruine ſtützt die Weide —
den alten Archipp, welcher an ihrer Wurzel von
Anfang bis Niedergang der Sonne ſitzt und
angelt. Gebückt iſt er wie die Weide, und ſein
zahnloſer Mund ähnelt einer Höhlung. Tagüber
angelt er, in der Nacht ſitzt er am Fuße des
Baumes und gibt ſich ſeinen Gedanken hin.
Tag und Nacht haben die alte Weide und der
alte Archipp zu raunen und zu flüſtern ....
Manches erlebten ſie gemeinſam in ihrem langen
Leben.
Dreißig Jahre möge es her ſein ... es war
Palmſonntag, der Namenstag der Weide, der
Oſterpalme ... der Alte hockte auf ſeinem Platz,
ſah auf den jungen Frühling und angelte. Stille
ringsum ... nur das Flüſtern der beiden Alten
war zu hören und mitunter das Plätſchern eines
Fiſches. Um die Mittagsſtunde kochte Archipp
ſeine Fiſchſuppe. Wich der Schatten der Weide
vom Ufer zurück ſo war Mittag ... auch am
Geklingel der Poſt, welche am Mittag über den
Damm fuhr, erkannte er die rechte Zeit.
Archipp hörte das Geklingel, legte die Angel
bei Seite und lugte auf den Damm. Hügelauf
jagte das Dreigeſpann und fuhr im Schritt herab.
Der Conducteur ſchlief. Auf dem Damm ange-
kommen, hielt der Poſtwagen plötzlich ſtill. Schon
ſeit Langem wunderte ſich Archipp über nichts
mehr, dieſes Halten aber kam ihm höchſt ſonder-
bar vor. Außerordentliches mußte geſchehen ſein.
Unruhig ſchaute der Kutſcher umher, vom Ge-
ſichte des Conducteurs zog er haſtig ein Tuch
ab und ſchwang einen Riemen mit eiſerner
Wurfkugel. Der Conducteur gab kein Lebenszei-
chen von ſich; auf ſeiner Stirn klaffte eine breite
Wunde. Der Kutſcher ſprang ab und führte noch
einen wuchtigen Schlag. Nach etwa einer Minute
hörte Archipp nahende Schritte; der Kutſcher kam
gerade auf ihn zu ... die Augen in dem ſonn-
verbrannten Geſichte ſtierten, der Himmel weiß,
wohin. Bebend am ganzen Körper lief er zur
Weide und warf, ohne Archipp zu bemerken, den
Poſtſack in die Höhlung; dann eilte er wieder
zurück und ſchwang ſich auf den Wagen. Archipp,
welcher die Augen nicht von dem Mörder ließ,
ſchauerte zuſammen, als derſelbe jetzt einen Schlag
gegen die eigene Schläfe führte, ſo daß Blut
ſein Geſicht überrieſelte, dann „Hilfe! Mord!“
ſchrie und auf die Pferde einhieb ...
— Hilfe! Mord!“ ſchrie antwortend das
Echo ... noch lange hörte Archipp den grau-
ſen Ruf.
Nach etwa ſechs Tagen kam eine Unterſuchungs-
commiſſion; man nahm den Plan von der Mühle
auf und maß aus irgend einem Grunde die Tiefe
des Fluſſes; nachdem die Herren unter der
Weide ihr Mittagsmahl eingenommen, fuhren ſie
wieder fort. Während der ganzen Zeit der Un-
terſuchung ſaß Archipp am Mühlrade und ſah
zitternd vor Grauen, auf den zerriſſenen Poſt-
beutel in der Höhlung ... er ſah die Umſchläge
der Geldbriefe mit ihren fünf Siegeln ... und
nun ſaß er ruhelos Tag und Nacht ... blickte
auf die Siegel ... blickte auf die Weide, die
tagsüber ſchwieg und in der Nacht ſeufzte.
Närrin! dachte er und horchte auf. Nach einer
Woche nahm er den Poſtbeutel aus der Höhlung
ging in die nahegelegene Kreisſtadt und erkun-
digte ſich nach dem Sitz der Behörde.
Man zeigte ihm ein großes gelbes Gebäude
mit einem Schilderhäuschen an der Pforte. Im
Vorzimmer traf er einen Beamten in Uniform
mit blanken Knöpfen, welcher den Thürwächter
herunterzankte, wobei er dicke Wolken aus ſeiner
Pfeife dampfte, Aengſtlich näherte ſich ihm Archipp
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(2018-01-26T15:49:55Z)
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