Mährisches Tagblatt. Nr. 118, Olmütz, 22.05.1896.[Spaltenumbruch]
Bahnen in der Ebene. Die Staatseisenbahnver- (Zur Hauptversammlung des Deutschen Schulvereins.) Der erschütternde Trauerfall in der (Todesfall.) Am 20. d. M. Nachmittags, (Sonderzüge auf der Nordbahn zu den Pfingstfeiertagen.) Um den ungewöhnlich großen (Das städt. Geschichtsmuseum) in der (Auszeichnung.) Fräulein Dima, unsere (Kammer-Concert.) Wir erlauben uns (Austellung eines Wanderlehrers.) Der (Circus Henry.) Unser Publicum hatte [Spaltenumbruch] Schein und Schuld. Kriminalroman von A. K. Green. (Nachdruck verboten.) (85. Fortsetzung.) Wieder flog jenes wilde Heer von Worten, "Wenn Eleonore ihre Cousine für schuldig Das mußte ich zugeben. "Sie verbarg auch den berüchtigten Schlüssel, "Gewiß nicht!" "Und trotz der Haltung, welche Eleonore "Aber," entgegnete ich, nur mit Wider- "Sie scheinen in Ihrem Glauben an Cla- Ich zuckte zusammen. War ich wirklich aber- "Und Sie mögen auch darin recht haben," "Bis auf den Umstand, daß er sie ver- "Er hat sie ja nicht verlassen." [Spaltenumbruch] "Was wollen Sie damit sagen?" Herr Clavering hat sich nur den Anschein "Aber man sagte mir doch im "Hoffmann- "Ganz richtig." "Und Clavering hat sich darauf wieder nach "Ja; in einem andern Wagen und nach "Und dennoch behaupten Sie, der Mann "Das gerade nicht," antwortete er, "ich Ich erhob mich von meinem Sitz und schritt (Fortsetzung folgt.) [Spaltenumbruch]
Bahnen in der Ebene. Die Staatseiſenbahnver- (Zur Hauptverſammlung des Deutſchen Schulvereins.) Der erſchütternde Trauerfall in der (Todesfall.) Am 20. d. M. Nachmittags, (Sonderzüge auf der Nordbahn zu den Pfingſtfeiertagen.) Um den ungewöhnlich großen (Das ſtädt. Geſchichtsmuſeum) in der (Auszeichnung.) Fräulein Dima, unſere (Kammer-Concert.) Wir erlauben uns (Auſtellung eines Wanderlehrers.) Der (Circus Henry.) Unſer Publicum hatte [Spaltenumbruch] Schein und Schuld. Kriminalroman von A. K. Green. (Nachdruck verboten.) (85. Fortſetzung.) Wieder flog jenes wilde Heer von Worten, „Wenn Eleonore ihre Couſine für ſchuldig Das mußte ich zugeben. „Sie verbarg auch den berüchtigten Schlüſſel, „Gewiß nicht!“ „Und trotz der Haltung, welche Eleonore „Aber,“ entgegnete ich, nur mit Wider- „Sie ſcheinen in Ihrem Glauben an Cla- Ich zuckte zuſammen. War ich wirklich aber- „Und Sie mögen auch darin recht haben,“ „Bis auf den Umſtand, daß er ſie ver- „Er hat ſie ja nicht verlaſſen.“ [Spaltenumbruch] „Was wollen Sie damit ſagen?“ Herr Clavering hat ſich nur den Anſchein „Aber man ſagte mir doch im „Hoffmann- „Ganz richtig.“ „Und Clavering hat ſich darauf wieder nach „Ja; in einem andern Wagen und nach „Und dennoch behaupten Sie, der Mann „Das gerade nicht,“ antwortete er, „ich Ich erhob mich von meinem Sitz und ſchritt (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="f1d" prev="#f1c" type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0005" n="[5]"/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="a4b" prev="#a4a" type="jArticle" n="2"> <p>Bahnen in der Ebene. Die Staatseiſenbahnver-<lb/> waltung habe principiell gegen die Führung der<lb/> dritten Wagenclaſſe bei Schnellzügen nichts ein-<lb/> zuwenden. Wo eine Auflaſſung dieſer Wagenclaſſe<lb/> erfolgt iſt, war ſie lediglich durch betriebstech-<lb/> niſche Rückſichten, beziehungsweiſe durch die<lb/> Bedachtnahme auf die Einhaltung der Fahrzeit<lb/> bedingt. Nach Maßgabe der Möglichkeit werde<lb/> die dritte Claſſe bei den Schnellzügen aufrecht<lb/> erhalten werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Zur Hauptverſammlung des Deutſchen<lb/> Schulvereins.)</hi> </head> <p>Der erſchütternde Trauerfall in der<lb/> Familie unſeres Kaiſers iſt ſelbſtverſtändlich nicht<lb/> ohne Einfluß auf das bevorſtehende Schulvereins-<lb/> feſt geblieben. Wie wir bereits mitgetheilt haben,<lb/> werden laut Beſchluſſes des Feſtausſchuſſes die<lb/> Decorirung der Stadt B<supplied>r</supplied>ünn und alle lärmenden Feſt-<lb/> lichkeiten entfallen. Der Empfang der Feſtgäſt:<lb/> wird in aller Stille vor ſich gehen, das projec-<lb/> tirte Spalier deutſcher Turner vom Bahnhofe<lb/> zum Hauptquartier (Hotel Padowetz) entfällt<lb/> ebenfalls. Die Theater-Vorſtellung erfährt keine<lb/> Aenderung, nur wird dieſelbe nicht als Feſtvor-<lb/> ſtellung, ſondern als eine Wohlthätigkeits-Vor-<lb/> ſtellung zu Gunſten der Brünner Armen arran-<lb/> girt. Das Programm dieſes Begrüßungsabends<lb/> bleibt auf die Begrüßungsreden, ernſte Geſänge<lb/> und Concertſtücke beſchränkt. Die Fanfarenmuſik<lb/> am Montag Früh entfällt. Die Hauptverſamm-<lb/> lung findet programmgemäß ſtatt, hingegen ent-<lb/> fällt das Volksfeſt im Schreibwalde und ſelbſt-<lb/> verſtändlich auch die feſtliche Auffahrt der Ehren-<lb/> gäſte. Dafür wird in den <choice><sic>Nachmittagsſflunden</sic><corr>Nachmittagsſſtunden</corr></choice> in<lb/> allen Räumen des Deutſchen Hauſes ein Prome-<lb/> nadeconcert abgehalten, mit welchem auch die<lb/> Tombola, das Schauturnen und der Verkauf der<lb/> dem Feſt-Ausſchuſſe gewidmeten Gaben durch<lb/> deutſche Frauen und Mädchen verbunden ſind.<lb/> Der Feſt-Commers am Montag findet programm-<lb/> gemäß, jedoch mit Hinweglaſſung heiterer Vor-<lb/> träge und des geplanten Tanzkränzchens, ſtatt.<lb/> Der Ausflug nach Znaim erfährt keine Aenderung.<lb/> Für dieſen Ausflug hat die Staats-Eiſenbahn<lb/> eine erhebliche Fahrpreisermäßigung für die<lb/> Hin- und Rückfahrt bewilligt, und zwar für die<lb/> Strecke Brünn—Znaim und zurück zweiter Claſſe<lb/> 3 fl. 60 kr., dritter Claſſe 1 fl. 80 kr.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Todesfall.)</hi> </head> <p>Am 20. d. M. Nachmittags,<lb/> ſtarb in Brünn nach kurzer Krankheit im 67ſten<lb/> Lebensjahre Herr Dr. Wilhelm <hi rendition="#g">Wolf,</hi> k. k.<lb/> Sanitätsrath und Bezirksarzt i. R., Ehrenbürger<lb/> von Mähr.-Weißkirchen ꝛc. Das Leichenbegängniß<lb/> findet heute Freitag, Nachmittags 4 Uhr, auf<lb/> dem iſrael. Friedhofe in M.-Weißkirchen ſtatt,<lb/> wohin die Leiche auf Wunſch des Verblichenen<lb/> überführt wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Sonderzüge auf der Nordbahn zu den<lb/> Pfingſtfeiertagen.)</hi> </head> <p>Um den ungewöhnlich großen<lb/> Perſonenverkehr in den Pfingſtfeiertagen ohne Ver-<lb/> ſpätung der regelmäßigen Züge und ohne Ge-<lb/><cb/> fährdung der Anſchlüſſe brwältigen zu können,<lb/> hat die Nordbahn-Direction den Berkehr folgen-<lb/> der Sonderzüge von Olmütz ab angeordnet: Am<lb/><hi rendition="#g">Pfingſtſamſtag</hi> den 23. 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Am<lb/><hi rendition="#g">Pfingſtdienſtag</hi> den 26. Mai 1896 Zug<lb/> Nr. 1028 V. nach <hi rendition="#g">Proßnitz-Nezamislitz<lb/> Abfahrt</hi> von <hi rendition="#g">Olmütz</hi> um 10 Uhr 15 M.<lb/> Vorm</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Das ſtädt. Geſchichtsmuſeum)</hi> </head> <p>in der<lb/> Rathhauscapelle wird an den beiden <hi rendition="#g">Pfingſt-<lb/> tagen</hi> (Sonntag und Montag) von 10 bis<lb/> 12 Uhr Vormittags zur allgemeinen Beſichtigung<lb/> geöffnet ſein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Auszeichnung.)</hi> </head> <p>Fräulein <hi rendition="#g">Dima,</hi> unſere<lb/> Primadonna vom Vorjahre, hat vom <hi rendition="#g">Prinz-<lb/> Regenten von Bayern</hi> anläßlich ſeiner<lb/> Anweſenheit in Nürnberg ein prachtvolles Bril-<lb/> lantenarmband erhalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Kammer-Concert.)</hi> </head> <p>Wir erlauben uns<lb/> darauf aufmerkſam zu machen, daß das heute<lb/> im deutſchen Caſino ſtattfindende Kammerconcert<lb/> des Quartettes: Hans Tſchauner, Carl Klob,<lb/> Oscar Löſchenauer und Carl Lafite präciſe um<lb/> 8 Uhr Abends beginnt. Nur Caſino-Mitglieder<lb/> und geladene Gäſte haben zu dieſem Concerte,<lb/> das bei freiem Eintritt ſtattfindet, Zutritt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Auſtellung eines Wanderlehrers.)</hi> </head> <p>Der<lb/> „Bund der Deutſchen Nordmährens“ beabſichtigt<lb/> einen „Wanderlehrer“ anzuſtellen, der die Bun-<lb/> desgruppen zu beſuchen, daſelbſt Vorträge nati-<lb/> onalen und wirthſchaftlichen Inhaltes zu halten,<lb/> bei Feſtveranſtaltungen die Bundesleitung zu<lb/> vertreten und überhaupt zur Hebung der Bun-<lb/> desthätigkeit ſeine Kraft einzuſetzen hätte. Jahres-<lb/> gehalt 1000 fl. und Reiſevergütung nach Ueber-<lb/> einkommen. Anträge wollen an die Bundesleitung<lb/> in Olmütz gerichtet werden.</p> </div><lb/> <div xml:id="a5a" next="#a5b" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Circus Henry.)</hi> </head> <p>Unſer Publicum hatte<lb/> geſtern Abends Gelegenheit, die Leiſtungen des<lb/> Circus Henry, der erſt morgens von Troppau<lb/> hier eingetroffen war, kennen zu lernen und ſich<lb/> zu überzeugen, daß der vortreffliche Ruf, der<lb/> dem Unternehmen des Herrn Henry voranging,<lb/> vollkommen gerechtfertigt war. Es war dieß um<lb/><cb/> ſo erfreulicher, als unſere Stadt im Vorjahre<lb/> von einem Circus-Unternehmen heimgeſucht wurde,<lb/> das mit großer Reclame angeprieſen, ſich als echt<lb/> amerikaniſcher Humbug erwes. Der Beſuch der<lb/> geſtrigen Abendvorſtellung im Circus Henry war<lb/> ein maſſenhafter und mochten wohl an 1400<lb/> Perſonen in dem geräumigen, ſehr elegant aus-<lb/> geſtatteten Zuſchauerraume Platz gefunden haben.<lb/> Was in der geſtrigen Vorſtellung dem Publicum<lb/> in reicher Fülle und Abwechslung geboten wurde,<lb/> überragt Alles, was wir hier in den letzten Jahren<lb/> ſahen. Das ganze Unternehmen des Hrn. Henry,<lb/> der übrigens bei unſerem Publicum von ſeiner<lb/> früheren Anweſenheit in Olmütz noch in beſter<lb/> Erinnerung ſteht, trägt den Stempel ſtrenger<lb/> Solidität und guten Geſchmackes. Das Programm<lb/> wickelt ſich in glatter Weiſe ab, die Darbietun-<lb/> gen der Reitkünſtler, Radfahrer und Akrobaten<lb/> ſind exquiſite und das Pferdematerialr iſt that-<lb/> ſächlich ein prächtiges. Herr <hi rendition="#g">Henry,</hi> der ſich<lb/> zu Beginn der Vorſtellung, umgeben von<lb/> einer ſtattlichen Zahl von hübſch coſtümirten<lb/> Stallmeiſtern dem Publicum vorſtellte, wurde<lb/> mit lautem Beifalle begrüßt. Den Beginn der<lb/> Productionen machte ein Pas de deux, vortrefflich<lb/> geritten von Mr. Jean <hi rendition="#g">Bono</hi> und Miß<lb/><hi rendition="#g">Michaelitta,</hi> ihnen folgte Mlle. <hi rendition="#g">Mercedes,</hi><lb/> eine vorzügliche Parforce-Touren-Reiterin. Sehr<lb/> günſtig führte ſich der Clown <hi rendition="#g">Alexander</hi><lb/> ein, der auf der Stuhlpyramide Productionen<lb/> veranſtaltete, die von Kraft und Gewandtheit<lb/> zeigen. Mit leicht begreiflicher Spannung wurde<lb/> der nächſten Nummer, der Vorführung von<lb/> fünf ungariſchen Fuchsſtuten und der Spring-<lb/> pferde „Rheingold“ und „Blitzmädel“ durch<lb/> Herrn Director <hi rendition="#g">Henry</hi> entgegengeſehen. Sowol<lb/> die prächtigen Thiere wie die vorzügliche Dreſſur<lb/> welche dieſelben zeigten, erregten einen Sturm<lb/> von Applaus. Die größte Heiterkeit erregte<lb/> die nächſte Nummer unter dem Titel „Madame<lb/> Pompadours Spazierfahrt“; es war in der That<lb/> höchſt drollig einen in einem Wagen ſitzenden<lb/> Ponyhengſt, angethan mit Frauenhut und roth-<lb/> ſei<supplied>d</supplied>enem Vorhemd, zu ſehen, während auf dem<lb/> Trittbrette zwei andere Ponyhengſte Stellung<lb/> genommen hatten und Lakaiendienſte verſahen.<lb/> Die nun folgende Kraftproduction: „Die geheim-<lb/> nißvolle Leiter“, wurde von Signor <hi rendition="#g">Mon-<lb/> tovane</hi> und Signoritta <hi rendition="#g">Eliſa</hi> mit<lb/> größter Eleganz und ſtaunenswerther Sicherheit<lb/> ausgeführt. In Mr. <hi rendition="#g">Joſefi,</hi> der hierauf an<lb/> die Reihe kam, lernten wir einen Jokey-Reiter<lb/> von großer Bravour kennen; er bewegt ſich auf<lb/> ungeſatteltem Pferde mit einer Gewandtheit, die<lb/> auch nicht auf einen Augenblick das Gefühl der<lb/> Unſicherheit aufkommen läßt. Sein Sprung aus<lb/> der Manege auf den Rücken des galoppirenden<lb/> Pferdes iſt ſehenswerth. Den Schluß der erſten<lb/> Abtheilung bildete die Production der Kunſtrad-<lb/> fahrer-Familie <hi rendition="#g">Klein.</hi> In kaum mehr zu über-</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head><hi rendition="#b">Schein und Schuld.</hi><lb/> Kriminalroman von <bibl><hi rendition="#b">A. K. Green.</hi></bibl><lb/><hi rendition="#b">(Nachdruck verboten.)</hi><lb/><ref>(85. Fortſetzung.)</ref> </head><lb/> <p>Wieder flog jenes wilde Heer von Worten,<lb/> Blicken und Ereigniſſen an mir vorüber: Marys<lb/> wiederholte Verſicherung von der Unſchuld ihrer<lb/> Couſine, Eleonores ſtolzes Schweigen bezüglich<lb/> gewiſſer Puncte, die auf den vermuthlichen<lb/> Mörder hätten hinleiten können. „Ihre Anſicht<lb/> muß die richtige ſein,“ ſagte ich endlich; „un-<lb/> zweifelhaft war es Eleonore, die jene Worte<lb/> ſprach. Sie glaubt an Marys Schuld, und ich<lb/> bin wirklich blind geweſen, daß ich dies nicht<lb/> vom erſten Augenblick an bemerkt habe.“</p><lb/> <p>„Wenn Eleonore ihre Couſine für ſchuldig<lb/> hält, ſo muß ſie wohl ihre Gründe dafür haben.“</p><lb/> <p>Das mußte ich zugeben.</p><lb/> <p>„Sie verbarg auch den berüchtigten Schlüſſel,<lb/> den ſie — der Himmel weiß wo? — gefunden<lb/> haben mag, in ihren Buſen nicht ſo ohne wei-<lb/> teres, noch ſuchte ſie den Brief, der ihre Couſine<lb/> bloßgeſtellt haben würde, der Vernichtung preis-<lb/> zugeben, ohne ein beſtimmtes Ziel dabei <hi rendition="#g">zu</hi><lb/> verfolgen.“</p><lb/> <p>„Gewiß nicht!“</p><lb/> <p>„Und trotz der Haltung, welche Eleonore<lb/> von vornherein angenommen und bewahrt hat,<lb/> verharren Sie bei Ihrer Anſicht, daß Mary<lb/> unſchuldig iſt? Bedenken Sie doch, daß Sie<lb/> mit den Verhältniſſen im Leavenworthſchen Hauſe<lb/><cb/> erſt jetzt bekannt geworden ſind und Mary nur<lb/> in dem Lichte geſehen haben, in dem ſie für gut<lb/> fand, ſich darzuſtellen.“</p><lb/> <p>„Aber,“ entgegnete ich, nur mit Wider-<lb/> willen ſeinen Beweisgründen und Schlüſſen fol-<lb/> gend, „Eleonore iſt doch nur auch eine Sterbliche<lb/> und kann ſich in ihren Bermuthungen leicht<lb/> irren; ſie hat ſich niemals geäußert, worauf ſich<lb/> ihr Verdacht gründet. Clavering kann ebenſogut<lb/> der Mörder ſein als Mary, nach dem zu ur-<lb/> theilen, was wir von ihm in Erfahrung gebracht<lb/> haben.“</p><lb/> <p>„Sie ſcheinen in Ihrem Glauben an Cla-<lb/> verings Schuld faſt abergläublich zu ſein.“</p><lb/> <p>Ich zuckte zuſammen. War ich wirklich aber-<lb/> gläubiſch? — War es möglich, daß Harwells<lb/> phantaſtiſche Mittheilungen über dieſen Mann<lb/> mein beſſeres Urtheil beeinflußt hatten?</p><lb/> <p>„Und Sie mögen auch darin recht haben,“<lb/> fuhr Gryce fort, „ich will meine Folgerungen<lb/> keineswegs als Gewißheit hinſtellen; die bevor-<lb/> ſtehende Unterſuchung muß uns ja Aufſchluß<lb/> darüber geben, obgleich ich ſeine Theilnahme an<lb/> dem Verbrechen für kaum wahrſcheinlich halte.<lb/> Daß ſein Benehmen in allen Einzelheiten genau<lb/> ſo geweſen iſt, wie man es von dem heimlichen<lb/> Gatten einer Frau, welche Beweggründe zur<lb/> Verübung eines Mordes beſitzt, erwarten würde,<lb/> läßt ſich freilich nicht in Abrede ſtellen.“</p><lb/> <p>„Bis auf den Umſtand, daß er ſie ver-<lb/> laſſen hat.“</p><lb/> <p>„Er hat ſie ja nicht verlaſſen.“</p><lb/> <cb/> <p>„Was wollen Sie damit ſagen?“</p><lb/> <p>Herr Clavering hat ſich nur den Anſchein<lb/> gegeben, von New-York abzureiſen; er iſt nicht<lb/> auf Marys Geheiß nach Europa gegangen,<lb/> ſondern hat nur ſein Quartier gewechſelt und<lb/> wohnt jetzt in einem Hauſe, welches demjenigen<lb/> ſeiner Frau gegenüber liegt, wo er Tag für<lb/> Tag an einem beſtimmten Fenſter ſitzt und acht<lb/> gibt, wer drüben aus- und eingeht.“</p><lb/> <p>„Aber man ſagte mir doch im „Hoffmann-<lb/> Hauſe,“ warf ich nach einigem Nachdenken ein,<lb/> „er ſei nach Europa zurückgekehrt, und ich ſelbſt<lb/> ſprach den Mann, der ihn nach dem Dampfer<lb/> gefahren hatte.“</p><lb/> <p>„Ganz richtig.“</p><lb/> <p>„Und Clavering hat ſich darauf wieder nach<lb/> der Stadt begeben?“</p><lb/> <p>„Ja; in einem andern Wagen und nach<lb/> einem andern Hauſe.“</p><lb/> <p>„Und dennoch behaupten Sie, der Mann<lb/> ſei unverdächtig?“ fragte ich erſtaunt.</p><lb/> <p>„Das gerade nicht,“ antwortete er, „ich<lb/> meine nur, es ruht auf ihm auch nicht der<lb/> Schatten eines Verdachtes, daß er es iſt, welcher<lb/> Leavenworth erſchoſſen hat.“</p><lb/> <p>Ich erhob mich von meinem Sitz und ſchritt<lb/> einige Male durch das Zimmer, während wir<lb/> beide ſchwiegen; dann aber erinnerte mich das<lb/> Schlagen der Uhr, wie ſehr die Zeit drängte;<lb/> ich blieb ſtehen und fragte Gryce, was er zu<lb/> thun gedächte.</p><lb/> <p> <ref>(Fortſetzung folgt.)</ref> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[5]/0005]
Bahnen in der Ebene. Die Staatseiſenbahnver-
waltung habe principiell gegen die Führung der
dritten Wagenclaſſe bei Schnellzügen nichts ein-
zuwenden. Wo eine Auflaſſung dieſer Wagenclaſſe
erfolgt iſt, war ſie lediglich durch betriebstech-
niſche Rückſichten, beziehungsweiſe durch die
Bedachtnahme auf die Einhaltung der Fahrzeit
bedingt. Nach Maßgabe der Möglichkeit werde
die dritte Claſſe bei den Schnellzügen aufrecht
erhalten werden.
(Zur Hauptverſammlung des Deutſchen
Schulvereins.) Der erſchütternde Trauerfall in der
Familie unſeres Kaiſers iſt ſelbſtverſtändlich nicht
ohne Einfluß auf das bevorſtehende Schulvereins-
feſt geblieben. Wie wir bereits mitgetheilt haben,
werden laut Beſchluſſes des Feſtausſchuſſes die
Decorirung der Stadt Brünn und alle lärmenden Feſt-
lichkeiten entfallen. Der Empfang der Feſtgäſt:
wird in aller Stille vor ſich gehen, das projec-
tirte Spalier deutſcher Turner vom Bahnhofe
zum Hauptquartier (Hotel Padowetz) entfällt
ebenfalls. Die Theater-Vorſtellung erfährt keine
Aenderung, nur wird dieſelbe nicht als Feſtvor-
ſtellung, ſondern als eine Wohlthätigkeits-Vor-
ſtellung zu Gunſten der Brünner Armen arran-
girt. Das Programm dieſes Begrüßungsabends
bleibt auf die Begrüßungsreden, ernſte Geſänge
und Concertſtücke beſchränkt. Die Fanfarenmuſik
am Montag Früh entfällt. Die Hauptverſamm-
lung findet programmgemäß ſtatt, hingegen ent-
fällt das Volksfeſt im Schreibwalde und ſelbſt-
verſtändlich auch die feſtliche Auffahrt der Ehren-
gäſte. Dafür wird in den Nachmittagsſſtunden in
allen Räumen des Deutſchen Hauſes ein Prome-
nadeconcert abgehalten, mit welchem auch die
Tombola, das Schauturnen und der Verkauf der
dem Feſt-Ausſchuſſe gewidmeten Gaben durch
deutſche Frauen und Mädchen verbunden ſind.
Der Feſt-Commers am Montag findet programm-
gemäß, jedoch mit Hinweglaſſung heiterer Vor-
träge und des geplanten Tanzkränzchens, ſtatt.
Der Ausflug nach Znaim erfährt keine Aenderung.
Für dieſen Ausflug hat die Staats-Eiſenbahn
eine erhebliche Fahrpreisermäßigung für die
Hin- und Rückfahrt bewilligt, und zwar für die
Strecke Brünn—Znaim und zurück zweiter Claſſe
3 fl. 60 kr., dritter Claſſe 1 fl. 80 kr.
(Todesfall.) Am 20. d. M. Nachmittags,
ſtarb in Brünn nach kurzer Krankheit im 67ſten
Lebensjahre Herr Dr. Wilhelm Wolf, k. k.
Sanitätsrath und Bezirksarzt i. R., Ehrenbürger
von Mähr.-Weißkirchen ꝛc. Das Leichenbegängniß
findet heute Freitag, Nachmittags 4 Uhr, auf
dem iſrael. Friedhofe in M.-Weißkirchen ſtatt,
wohin die Leiche auf Wunſch des Verblichenen
überführt wurde.
(Sonderzüge auf der Nordbahn zu den
Pfingſtfeiertagen.) Um den ungewöhnlich großen
Perſonenverkehr in den Pfingſtfeiertagen ohne Ver-
ſpätung der regelmäßigen Züge und ohne Ge-
fährdung der Anſchlüſſe brwältigen zu können,
hat die Nordbahn-Direction den Berkehr folgen-
der Sonderzüge von Olmütz ab angeordnet: Am
Pfingſtſamſtag den 23. Zug Nr. 1028 V.
nach Proßnitz-Nezamislitz. Abfahrt von
Olmütz 11 Uhr 15 M. Vorm., Zug Nr. 1016
V. nach Prerau Abfahrt 1 Uhr 7 M. Nachm.,
Zug Nr. 1025 V. nach Sternberg Abfahrt
3 Uhr 50 M. Nachm., Zug Nr. 1018 V. nach
Proßnitz, Nezamislitz Abf. 6 Uhr 3 M.
Abend, Zug Nr. 1118 V. nach Prerau Abf.
9 Uhr 30 Min. Abends. Am Pfingſtſonn-
tage den 24. Mai 1896. Zug Nr. 1045 nach
Sternberg Abf. 1 Uhr 56 M. Nachm. Am
Pfingſtmontage den 25. Mai 1896: Zug
Nr. 1028 V. nach Proßnitz-Nezamislitz
Abf. von Olmütz 11 Uhr 15 M. Vorm. Zug
Nr. 1116 nach Prerau Abf. von Olmütz 1 Uhr
7 M. Nachm. Zug Nr. 1045 nach Sternberg
Abf. von Olmütz 1 Uhr 56 M. Nachm. Am
Pfingſtdienſtag den 26. Mai 1896 Zug
Nr. 1028 V. nach Proßnitz-Nezamislitz
Abfahrt von Olmütz um 10 Uhr 15 M.
Vorm
(Das ſtädt. Geſchichtsmuſeum) in der
Rathhauscapelle wird an den beiden Pfingſt-
tagen (Sonntag und Montag) von 10 bis
12 Uhr Vormittags zur allgemeinen Beſichtigung
geöffnet ſein.
(Auszeichnung.) Fräulein Dima, unſere
Primadonna vom Vorjahre, hat vom Prinz-
Regenten von Bayern anläßlich ſeiner
Anweſenheit in Nürnberg ein prachtvolles Bril-
lantenarmband erhalten.
(Kammer-Concert.) Wir erlauben uns
darauf aufmerkſam zu machen, daß das heute
im deutſchen Caſino ſtattfindende Kammerconcert
des Quartettes: Hans Tſchauner, Carl Klob,
Oscar Löſchenauer und Carl Lafite präciſe um
8 Uhr Abends beginnt. Nur Caſino-Mitglieder
und geladene Gäſte haben zu dieſem Concerte,
das bei freiem Eintritt ſtattfindet, Zutritt.
(Auſtellung eines Wanderlehrers.) Der
„Bund der Deutſchen Nordmährens“ beabſichtigt
einen „Wanderlehrer“ anzuſtellen, der die Bun-
desgruppen zu beſuchen, daſelbſt Vorträge nati-
onalen und wirthſchaftlichen Inhaltes zu halten,
bei Feſtveranſtaltungen die Bundesleitung zu
vertreten und überhaupt zur Hebung der Bun-
desthätigkeit ſeine Kraft einzuſetzen hätte. Jahres-
gehalt 1000 fl. und Reiſevergütung nach Ueber-
einkommen. Anträge wollen an die Bundesleitung
in Olmütz gerichtet werden.
(Circus Henry.) Unſer Publicum hatte
geſtern Abends Gelegenheit, die Leiſtungen des
Circus Henry, der erſt morgens von Troppau
hier eingetroffen war, kennen zu lernen und ſich
zu überzeugen, daß der vortreffliche Ruf, der
dem Unternehmen des Herrn Henry voranging,
vollkommen gerechtfertigt war. Es war dieß um
ſo erfreulicher, als unſere Stadt im Vorjahre
von einem Circus-Unternehmen heimgeſucht wurde,
das mit großer Reclame angeprieſen, ſich als echt
amerikaniſcher Humbug erwes. Der Beſuch der
geſtrigen Abendvorſtellung im Circus Henry war
ein maſſenhafter und mochten wohl an 1400
Perſonen in dem geräumigen, ſehr elegant aus-
geſtatteten Zuſchauerraume Platz gefunden haben.
Was in der geſtrigen Vorſtellung dem Publicum
in reicher Fülle und Abwechslung geboten wurde,
überragt Alles, was wir hier in den letzten Jahren
ſahen. Das ganze Unternehmen des Hrn. Henry,
der übrigens bei unſerem Publicum von ſeiner
früheren Anweſenheit in Olmütz noch in beſter
Erinnerung ſteht, trägt den Stempel ſtrenger
Solidität und guten Geſchmackes. Das Programm
wickelt ſich in glatter Weiſe ab, die Darbietun-
gen der Reitkünſtler, Radfahrer und Akrobaten
ſind exquiſite und das Pferdematerialr iſt that-
ſächlich ein prächtiges. Herr Henry, der ſich
zu Beginn der Vorſtellung, umgeben von
einer ſtattlichen Zahl von hübſch coſtümirten
Stallmeiſtern dem Publicum vorſtellte, wurde
mit lautem Beifalle begrüßt. Den Beginn der
Productionen machte ein Pas de deux, vortrefflich
geritten von Mr. Jean Bono und Miß
Michaelitta, ihnen folgte Mlle. Mercedes,
eine vorzügliche Parforce-Touren-Reiterin. Sehr
günſtig führte ſich der Clown Alexander
ein, der auf der Stuhlpyramide Productionen
veranſtaltete, die von Kraft und Gewandtheit
zeigen. Mit leicht begreiflicher Spannung wurde
der nächſten Nummer, der Vorführung von
fünf ungariſchen Fuchsſtuten und der Spring-
pferde „Rheingold“ und „Blitzmädel“ durch
Herrn Director Henry entgegengeſehen. Sowol
die prächtigen Thiere wie die vorzügliche Dreſſur
welche dieſelben zeigten, erregten einen Sturm
von Applaus. Die größte Heiterkeit erregte
die nächſte Nummer unter dem Titel „Madame
Pompadours Spazierfahrt“; es war in der That
höchſt drollig einen in einem Wagen ſitzenden
Ponyhengſt, angethan mit Frauenhut und roth-
ſeidenem Vorhemd, zu ſehen, während auf dem
Trittbrette zwei andere Ponyhengſte Stellung
genommen hatten und Lakaiendienſte verſahen.
Die nun folgende Kraftproduction: „Die geheim-
nißvolle Leiter“, wurde von Signor Mon-
tovane und Signoritta Eliſa mit
größter Eleganz und ſtaunenswerther Sicherheit
ausgeführt. In Mr. Joſefi, der hierauf an
die Reihe kam, lernten wir einen Jokey-Reiter
von großer Bravour kennen; er bewegt ſich auf
ungeſatteltem Pferde mit einer Gewandtheit, die
auch nicht auf einen Augenblick das Gefühl der
Unſicherheit aufkommen läßt. Sein Sprung aus
der Manege auf den Rücken des galoppirenden
Pferdes iſt ſehenswerth. Den Schluß der erſten
Abtheilung bildete die Production der Kunſtrad-
fahrer-Familie Klein. In kaum mehr zu über-
Schein und Schuld.
Kriminalroman von A. K. Green.
(Nachdruck verboten.)
(85. Fortſetzung.)
Wieder flog jenes wilde Heer von Worten,
Blicken und Ereigniſſen an mir vorüber: Marys
wiederholte Verſicherung von der Unſchuld ihrer
Couſine, Eleonores ſtolzes Schweigen bezüglich
gewiſſer Puncte, die auf den vermuthlichen
Mörder hätten hinleiten können. „Ihre Anſicht
muß die richtige ſein,“ ſagte ich endlich; „un-
zweifelhaft war es Eleonore, die jene Worte
ſprach. Sie glaubt an Marys Schuld, und ich
bin wirklich blind geweſen, daß ich dies nicht
vom erſten Augenblick an bemerkt habe.“
„Wenn Eleonore ihre Couſine für ſchuldig
hält, ſo muß ſie wohl ihre Gründe dafür haben.“
Das mußte ich zugeben.
„Sie verbarg auch den berüchtigten Schlüſſel,
den ſie — der Himmel weiß wo? — gefunden
haben mag, in ihren Buſen nicht ſo ohne wei-
teres, noch ſuchte ſie den Brief, der ihre Couſine
bloßgeſtellt haben würde, der Vernichtung preis-
zugeben, ohne ein beſtimmtes Ziel dabei zu
verfolgen.“
„Gewiß nicht!“
„Und trotz der Haltung, welche Eleonore
von vornherein angenommen und bewahrt hat,
verharren Sie bei Ihrer Anſicht, daß Mary
unſchuldig iſt? Bedenken Sie doch, daß Sie
mit den Verhältniſſen im Leavenworthſchen Hauſe
erſt jetzt bekannt geworden ſind und Mary nur
in dem Lichte geſehen haben, in dem ſie für gut
fand, ſich darzuſtellen.“
„Aber,“ entgegnete ich, nur mit Wider-
willen ſeinen Beweisgründen und Schlüſſen fol-
gend, „Eleonore iſt doch nur auch eine Sterbliche
und kann ſich in ihren Bermuthungen leicht
irren; ſie hat ſich niemals geäußert, worauf ſich
ihr Verdacht gründet. Clavering kann ebenſogut
der Mörder ſein als Mary, nach dem zu ur-
theilen, was wir von ihm in Erfahrung gebracht
haben.“
„Sie ſcheinen in Ihrem Glauben an Cla-
verings Schuld faſt abergläublich zu ſein.“
Ich zuckte zuſammen. War ich wirklich aber-
gläubiſch? — War es möglich, daß Harwells
phantaſtiſche Mittheilungen über dieſen Mann
mein beſſeres Urtheil beeinflußt hatten?
„Und Sie mögen auch darin recht haben,“
fuhr Gryce fort, „ich will meine Folgerungen
keineswegs als Gewißheit hinſtellen; die bevor-
ſtehende Unterſuchung muß uns ja Aufſchluß
darüber geben, obgleich ich ſeine Theilnahme an
dem Verbrechen für kaum wahrſcheinlich halte.
Daß ſein Benehmen in allen Einzelheiten genau
ſo geweſen iſt, wie man es von dem heimlichen
Gatten einer Frau, welche Beweggründe zur
Verübung eines Mordes beſitzt, erwarten würde,
läßt ſich freilich nicht in Abrede ſtellen.“
„Bis auf den Umſtand, daß er ſie ver-
laſſen hat.“
„Er hat ſie ja nicht verlaſſen.“
„Was wollen Sie damit ſagen?“
Herr Clavering hat ſich nur den Anſchein
gegeben, von New-York abzureiſen; er iſt nicht
auf Marys Geheiß nach Europa gegangen,
ſondern hat nur ſein Quartier gewechſelt und
wohnt jetzt in einem Hauſe, welches demjenigen
ſeiner Frau gegenüber liegt, wo er Tag für
Tag an einem beſtimmten Fenſter ſitzt und acht
gibt, wer drüben aus- und eingeht.“
„Aber man ſagte mir doch im „Hoffmann-
Hauſe,“ warf ich nach einigem Nachdenken ein,
„er ſei nach Europa zurückgekehrt, und ich ſelbſt
ſprach den Mann, der ihn nach dem Dampfer
gefahren hatte.“
„Ganz richtig.“
„Und Clavering hat ſich darauf wieder nach
der Stadt begeben?“
„Ja; in einem andern Wagen und nach
einem andern Hauſe.“
„Und dennoch behaupten Sie, der Mann
ſei unverdächtig?“ fragte ich erſtaunt.
„Das gerade nicht,“ antwortete er, „ich
meine nur, es ruht auf ihm auch nicht der
Schatten eines Verdachtes, daß er es iſt, welcher
Leavenworth erſchoſſen hat.“
Ich erhob mich von meinem Sitz und ſchritt
einige Male durch das Zimmer, während wir
beide ſchwiegen; dann aber erinnerte mich das
Schlagen der Uhr, wie ſehr die Zeit drängte;
ich blieb ſtehen und fragte Gryce, was er zu
thun gedächte.
(Fortſetzung folgt.)
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