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Mährisches Tagblatt. Nr. 118, Olmütz, 22.05.1896.

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des russischen Reiches und des mit diesem un-
trennbar verbundenen Czarenthums Polen- und
Großfürstenthums Finnland bestiegen, dem Bei-
spiele der sehr gottesfürchtigen Herrscher seiner
Ahnen, folgend, anzubefehlen geruht: die aller-
heiligste Krönung und die heilige Salbung hat
unter Gottes Beistand am 14. (26.) Mai statt-
zufinden, welche heilige Handlung auch auf seine
Gemahlin, die großmächtige Kaiserin Alexandra
Feodorowna, zu übertragen ist. Von dieser Feier
wird allen treuen Unterthanen hiemit Kunde ge-
geben, damit sie an dem ersehnten Tage ihre in-
brünstigen Gebete zum Könige aller Könige
emporsenden; er möge in seiner allmächtigen
Gnade die Regierung Sr. Majestät segnen und
Friede und Ruhe festigen zu seinem heiligen
Ruhme und zum unerschütterlichen Wohlergehen
des Reiches." An den beiden Pfingsttagen wird
die Verlesung dieser Kundmachung wiederholt.

(Die Italiener in Afrika.)

Aus einer
vom "Corriere de la Sera" veröffentlichten
Depesche aus Massauah geht hervor, daß Menelik
zur Zeit, als Major Salsa im Süden des
Aschangi-Sees erschien, um mit dem Negus zu
sprechen, sich gezwungen sah, in aller Hast auf-
zubrechen, um die rebellischen Amharas und
Gallas zu züchtigen. Menelik erlitt hiebei schwere
Verluste und wendete sich an Ras Mangascha um
Unterstützung, der sich aber, als er von der Con-
centrirung der italienischen Truppen bei Adi-
Kaje erfuhr, sofort wieder nach rückwärts wen-
dete. Die Schnelligkeit des Anmarsches der Ita-
liener verhinderte ihn jedoch, dieselben anzugreifen.
Major Salsa wurde bei seiner Rückkehr aus dem
Lager von Schoa auf Befehl des Ras Mangascha
verhaftet, an welchen der Negus ein Schreiben
gerichtet hatte, er möge es verhindern, daß Salsa
den General Baldifsera von den trostlosen Zu-
ständen in Abyssinien, wo überdieß Hungersnoth
herrscht, unterrichte. In Folge dessen gebrauchte
man den Vorwand, Salsa werde als Geisel zurück-
gehalten bis zur Zurückstellung der Handschreiben
Meneliks's mit dem Siegel Salomon's. Die
energische Proclamation des Generals Baldissera,
in welcher die Ausrottung der Tigriner angedroht
wurde, jagte ihnen aber großen Schrecken ein und
bewog sie, die Gefangenen freizugeben.




Reichsrath.
Sitzung des Abgeordnetenhauses vom
21. Mai.


In der heutigen Sitzung des Abgeordneten-
hauses wurde die Verhandlung über die Grund-
[Spaltenumbruch] steuergesetze
fortgesetzt, nachdem in der
gestrigen Abendsitzung die ersten sechs Paragraphe
unverändert angenommen worden waren.

In Verhandlung stehen die §§ 7 bis 17
des Gesetzes betreffend die Revision des Grund-
steuercatasters.

Abg. Kaiser stellt einen Abänderungsan-
trag zu § 14, wonach sowohl die Gemeinden
als auch sämmtliche Grundbesitzer das Reclama-
tionsrecht erhalten sollen und die Reclamations-
frist von sechs auf acht Wochen verlängert wird.

Abg. Graf Falkenhayn beantragt, im
§ 11 die Frist für die Reclamation bezüglich
solcher Parcellen, die im Grundsteuercataster als
Waldungen eingetragen sind, in dem vorange-
gangenen Grundsteueroperat jedoch einer anderen
Culturgattung zugeschrieben waren, statt mit
Ende December 1896 mit Ende Juni 1897
festzusetzen. Er verweist darauf, daß die Sanction
für die vorliegenden Gesetze voraussichtlich erst
im Spätherbste dieses Jahres erfolgen dürfte
und dann die Durchführung der im § 11 vor-
gesehenen Veränderungen bis Ende December
1896 nicht möglich wäre.

Auf Antrag des Abg. Edler v. Burg-
staller
wird die Debatte geschlossen.

Abg. Purghart (Generalredner contra)
spricht tschechisch und kritisirt dann, in deutscher
Sprache fortfahrend, einzelne Bestimmungen der
in Verhandlung stehenden Paragraphe.

Abg. Nabergoj vertritt die Anschauung,
daß das Küstenland, insbesondere aber die Gegend
von Triest, bei der letzten Grundsteuer-Regulirung
sehr schlecht wegkam. In der Gegend von Triest
wurden Leute in die Bezirkscommissionen berufen,
welche Gerste vom Weizen und die Kuh nicht vom
Stier unterscheiden konnten. (Lebhafte Heiterkeit.)
Redner bittet die Regierung, bei der bevorstehen-
den Beseitigung der Prägravationen insbesondere
das Küstenland und die Umgebung von Triest
zu berücksichtigen.

Nach dem Schlußworte des Berichterstatters
werden die §§ 7 bis 10 unverändert, § 11 mit
dem Amendement Falkenhayn und die §§ 12 bis
17 unverändert angenommen. Die beantragten
Resolutionen werden zum Beschlusse erhoben.

Sodann werden die §§ 18 bis 20 (Ver-
fahren bei den Centralcommission) in Verhand-
lung gezogen.

Der Präsident erklärt, daß hiebei die
Summe von 1·5 Millionen im § 19 bis zur
Entscheidung über die Höhe des Nachlasses, welche
bei § 21 erfolgt, in suspenso bleibt.

Abg. Adamek führt an der Hand eines
großen Ziffernmateriales den Nachweis, daß man
von einer Sublevirung Böhmens bei der letzten
[Spaltenumbruch] Grundsteuerregulirung nicht sprechen könne. D[ie]
Entlastung sei keine ausreichende gewesen. Es s[ei]
der Schade nicht ersetzt worden, der Böhmen
durch die Mehrbelastung in Folge der Unrichtigkeiten
des Catasters zugefügt wurde. Redner schildert den
Rückgang der Landwirthfchaft in Böhmen und
erklärt schließlich, die dortigen Landwirthe seien
der Ansicht, daß von dieser Regierung und diesem
Parlamente nichts zu erwarten sei. (Beifall bei
den Jungtschechen.)

Abg. Graf Falkenhayn weist darauf
hin, daß den Landwirthen durch die Bildung
von Berufsgenossenschaften aus ihrer Mitte am
besten zu helfen wäre. Die Regierung und das
Haus mögen darauf dringen, damit das betref-
fende Gesetz, welches eine große Wohlthat für
die Landwirthschaft bedeute, recht bald zustande
komme. (Beifall.)

Abg. Oberndorfer fordert den Finanz-
minister auf, bei den Nachlässen herunter-, bei
der Aufsuchung neuer Steuerquellen hinaufzu-
schauen. Er erklärt die Einschätzung Niederöster-
reichs als zu hoch und verlangt hier neuerliche
Erhebungen an Ort und Stelle.

Abg. Ritter v. Strnszkiewicz erklärt,
man könne seiner Partei nicht vorwerfen, daß sie
für die Staatsfinanzen etwa nicht opferwillig
genug sei, aber es müsse auch verlangt werden,
daß der Staat bei einer solchen Lage, wie sie
jetzt die Landwirthschaft durchmacht, Opfer nicht
scheue, um ihr über diese schwere Zeit hinwegzu-
helfen. Galizien besonders sei übel daran und
durchaus nicht zu niedrig eingeschätzt.

Abg. Dötz erklärt, die Grundsteuer müsse
wenigstens auf 25 Millionen herabgesetzt werden,
sonst könne von einer Regulirung keine Rede
sein. Er bespricht die Bevorzugung Galiziens.
Der Finanzminister erklärt, gar nicht in die
Lage zu kommen, die 10percentigen Nachlässe bei
der Grundsteuer in Folge der Personaleinkom-
mensteuer zu gewähren, weil alle Mehreinkünfte
durch die gesteigerten Militärforderungen in An-
spruch genommen werden. Redner stellt den An-
trag, das letzte Alinea des § 19, wonach die auf
die einzelnen Länder und Rayons dermalen ent-
fallenden Reinertragssummen nicht erhöht werden
dürfen, zu streichen.

Abg. R. v. Czaykowski sagt, der Fi-
nanzminister sei mißverstanden worden; denn ein
Mann, dem die Bedürfnisse aller Bevölkerungs-
schichten immer warm am Herzen lagen und der
Finanzmittel genug hat, um den Nothleidenden
zu Hilfe zu kommen, werde doch auch die Land-
wirthschaft, die von einer großen Krisis heimge-
sucht sei, nicht verlassen. Mehrere Redner haben
Galizien als reiches Land dargestellt, welches die




[Spaltenumbruch]

sie in der Verwirrung ihr eigenes, lichtes
Kattunkleid.

"Nein! Was für e ung'schickte Person ich
bin!" sagte sie erschrocken. Dann aber mir frank
und frei in die Augen sehend: "Nehmet Sie's
nur nit übel, Herr Doctor, ich bitt' Sie
wirklich --"

"Aber mein verehrtes Fräulein, was soll ich
Ihnen denn nicht übel nehmen?"

"Daß ich gestern Abend, -- ich hab' doch
natürlich geglaubt, es sei mein Schwager, der
da gestanden hat -- --"

"Und mit dem Sie ein Vielliebchen gegessen
hatten? Nein, liebes Fräulein, das nehme ich
Ihnen wahrhaftig nicht übel. Im Gegentheil,
für den Wiederholungsfall stelle ich mich gern
zur Disposition."

Sie lachte jetzt; es war dasselbe quellende,
naturfrische Lachen wie in der Eisenbahn.

"Es scheint fast, daß unser' Bekanntschaft
sich unter lauter kleine Unsterne vollzieht. Erst
habe Sie in Cassel das Unglück gehabt, dann ich
gestern im Hausgang, und vorhin mit dem
Begieße -- hoffentlich hat es jetzt we[n]igstens en
End' mit dem Pech!"

Dabei streckte sie mir ganz kameradschaftlich
die Hand entgegen.

Woher ich die Kühnheit nahm, weiß ich
nicht. Thatsächlich aber ergriff ich das Händchen
und küßte es herzhaft. Sie riß es mir weg und
sah mich richtig erschrocken an.

"Jesses, ischt das aber e Mod!"

Ich beeilte mich, ihr zu versichern, daß das
allerdings "e Mod" in Berlin sei, aber daß ich
selbst ihr nur damit hätte meine -- Pfingstfreude
ausdrücken wollen. Wie kann ein Mensch solche
[Spaltenumbruch] Dummheit reden! -- Sie hielt es jedoch augen-
scheinlich für keine Dummheit, sondern sah mich
wieder ganz zutraulich und fröhlich an. --

Der Tag verging mir wie im Fluge. Hel-
mer und seine Frau überließen mich fast bestän-
dig der Führung des Schwesterchens, die zu
allem Ueberfluß auch noch Mareile beißt. Den
jüngeren Bruder hatte sie zum Glück bei jenen
Verwandten "eine Stunde hinter Cassel" gelassen,
so daß e[r] uns nicht störte.

Wir gingen in dem geräumigen Garten hin
und her, ich erzählte Fräulein Mareile von
meinem einsamen, zur Hypochondrie treibenden
Junggesellendasein in Berlin, und sie plauderte
in ihrer reizenden Offenheit von sich und ihrem
harmlosen Leben. Am Nachmittag war ich schon
so weit verzaubert, daß ich mit einem Seufzer
sagte:

"Ach, Fräulein Mareile, hätte doch Sie
meine gute Mutter noch kennen gelernt!"

Sie sah mich verwundert an, wurde aber
dann plötzlich roth und begann mir allerhand
Allotria zu erzählen; wie in ihrem Heimatsstädt-
chen zu Pfingsten ein Bursche, der natürlich von
gutem Humor sein müsse, als "Pfingstöchsele"
maskirt und durch die Stadt geführt werde, von
allerhand Neckereien und Spottreden begleitet.
Wie er dann aber zuletzt vor der "Baumkönigin"
niederkniee, von dieser symbolisch getödtet werde
und dann, die Maskerade abwerfend, mit ihr
den Ehrentanz bei dem nun beginnenden Tanz
anführe.

"Die Baumkönigin?" fragte ich, "das ist
wohl die Schönste im Ort?"

"Ah nein! Blos die wo man am liebste hat."


[Spaltenumbruch]

"Dann waren Sie gewiß schon öfters
Baumkönigin, nicht wahr?"

Sie lachte über mein plumpes Compliment,
aber sie nahm es nicht übel. Die Schwester er-
zählte mir nachher, daß Mareile in der That
das letzte Mal Baumkönigin gewesen sei, aber
in ihrer Bescheidenheit nicht gern davon spreche.

Welche Fülle von Tugenden verbirgt sich
hinter diesem lieblichen Aeußeren! Nachgerade
fange ich an, diese Pfingstfahrt für ein Verhäng-
niß, aber -- für ein freundliches zu halten.

Marburg, 3. Pfingsttag.

Heute Abend oder spätestens morgen Früh
muß ich abreisen. Nein, ich reise auf alle Fälle
morgen Früh; weshalb soll ich mir die Tage,
die der Götter Gunst mir hier freundlich be-
scheert, verkürzen? Und außerdem: Fräulein
Mareile fährt bis Gießen mit mir zusammen.
(Ich habe ein Rundreisebillet über Frankfurt.)
Sie soll dort eine andere Professorsfrau besuchen.

"Aber sie geht garnit gern hin," sagte mir
Frau Helmer, "weil meine Tante, -- was wir
e Menge Tante' habe', das glaube Sie garnit!
-- das Mareile gar so gern verheirate' möcht'."

"Sooo?? Mit wem denn, wenn ich fragen
darf?"

"Ach, da sind Mehrere, die sie gern habe'
wolle', lieber Herr Doctor."

"Wenn sie aber nicht gern hinfährt, so
lassen Sie sie doch hier."

"Geht nit, geht nit! Das sind halt so colle-
giale Rücksichte, die mir nehme' müsse! --"

Ich begreife so etwas nicht! Was hat die
Collegialität mit dem Mädchen zu schaffen? ..
Ueberhaupt, -- wegschnappen möchte ich sie mir
denn doch nicht lassen! Aber ich finde den Muth


[Spaltenumbruch]

des ruſſiſchen Reiches und des mit dieſem un-
trennbar verbundenen Czarenthums Polen- und
Großfürſtenthums Finnland beſtiegen, dem Bei-
ſpiele der ſehr gottesfürchtigen Herrſcher ſeiner
Ahnen, folgend, anzubefehlen geruht: die aller-
heiligſte Krönung und die heilige Salbung hat
unter Gottes Beiſtand am 14. (26.) Mai ſtatt-
zufinden, welche heilige Handlung auch auf ſeine
Gemahlin, die großmächtige Kaiſerin Alexandra
Feodorowna, zu übertragen iſt. Von dieſer Feier
wird allen treuen Unterthanen hiemit Kunde ge-
geben, damit ſie an dem erſehnten Tage ihre in-
brünſtigen Gebete zum Könige aller Könige
emporſenden; er möge in ſeiner allmächtigen
Gnade die Regierung Sr. Majeſtät ſegnen und
Friede und Ruhe feſtigen zu ſeinem heiligen
Ruhme und zum unerſchütterlichen Wohlergehen
des Reiches.“ An den beiden Pfingſttagen wird
die Verleſung dieſer Kundmachung wiederholt.

(Die Italiener in Afrika.)

Aus einer
vom „Corriere de la Sera“ veröffentlichten
Depeſche aus Maſſauah geht hervor, daß Menelik
zur Zeit, als Major Salſa im Süden des
Aſchangi-Sees erſchien, um mit dem Negus zu
ſprechen, ſich gezwungen ſah, in aller Haſt auf-
zubrechen, um die rebelliſchen Amharas und
Gallas zu züchtigen. Menelik erlitt hiebei ſchwere
Verluſte und wendete ſich an Ras Mangaſcha um
Unterſtützung, der ſich aber, als er von der Con-
centrirung der italieniſchen Truppen bei Adi-
Kaje erfuhr, ſofort wieder nach rückwärts wen-
dete. Die Schnelligkeit des Anmarſches der Ita-
liener verhinderte ihn jedoch, dieſelben anzugreifen.
Major Salſa wurde bei ſeiner Rückkehr aus dem
Lager von Schoa auf Befehl des Ras Mangaſcha
verhaftet, an welchen der Negus ein Schreiben
gerichtet hatte, er möge es verhindern, daß Salſa
den General Baldifſera von den troſtloſen Zu-
ſtänden in Abyſſinien, wo überdieß Hungersnoth
herrſcht, unterrichte. In Folge deſſen gebrauchte
man den Vorwand, Salſa werde als Geiſel zurück-
gehalten bis zur Zurückſtellung der Handſchreiben
Meneliks’s mit dem Siegel Salomon’s. Die
energiſche Proclamation des Generals Baldiſſera,
in welcher die Ausrottung der Tigriner angedroht
wurde, jagte ihnen aber großen Schrecken ein und
bewog ſie, die Gefangenen freizugeben.




Reichsrath.
Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom
21. Mai.


In der heutigen Sitzung des Abgeordneten-
hauſes wurde die Verhandlung über die Grund-
[Spaltenumbruch] ſteuergeſetze
fortgeſetzt, nachdem in der
geſtrigen Abendſitzung die erſten ſechs Paragraphe
unverändert angenommen worden waren.

In Verhandlung ſtehen die §§ 7 bis 17
des Geſetzes betreffend die Reviſion des Grund-
ſteuercataſters.

Abg. Kaiſer ſtellt einen Abänderungsan-
trag zu § 14, wonach ſowohl die Gemeinden
als auch ſämmtliche Grundbeſitzer das Reclama-
tionsrecht erhalten ſollen und die Reclamations-
friſt von ſechs auf acht Wochen verlängert wird.

Abg. Graf Falkenhayn beantragt, im
§ 11 die Friſt für die Reclamation bezüglich
ſolcher Parcellen, die im Grundſteuercataſter als
Waldungen eingetragen ſind, in dem vorange-
gangenen Grundſteueroperat jedoch einer anderen
Culturgattung zugeſchrieben waren, ſtatt mit
Ende December 1896 mit Ende Juni 1897
feſtzuſetzen. Er verweiſt darauf, daß die Sanction
für die vorliegenden Geſetze vorausſichtlich erſt
im Spätherbſte dieſes Jahres erfolgen dürfte
und dann die Durchführung der im § 11 vor-
geſehenen Veränderungen bis Ende December
1896 nicht möglich wäre.

Auf Antrag des Abg. Edler v. Burg-
ſtaller
wird die Debatte geſchloſſen.

Abg. Purghart (Generalredner contra)
ſpricht tſchechiſch und kritiſirt dann, in deutſcher
Sprache fortfahrend, einzelne Beſtimmungen der
in Verhandlung ſtehenden Paragraphe.

Abg. Nabergoj vertritt die Anſchauung,
daß das Küſtenland, insbeſondere aber die Gegend
von Trieſt, bei der letzten Grundſteuer-Regulirung
ſehr ſchlecht wegkam. In der Gegend von Trieſt
wurden Leute in die Bezirkscommiſſionen berufen,
welche Gerſte vom Weizen und die Kuh nicht vom
Stier unterſcheiden konnten. (Lebhafte Heiterkeit.)
Redner bittet die Regierung, bei der bevorſtehen-
den Beſeitigung der Prägravationen insbeſondere
das Küſtenland und die Umgebung von Trieſt
zu berückſichtigen.

Nach dem Schlußworte des Berichterſtatters
werden die §§ 7 bis 10 unverändert, § 11 mit
dem Amendement Falkenhayn und die §§ 12 bis
17 unverändert angenommen. Die beantragten
Reſolutionen werden zum Beſchluſſe erhoben.

Sodann werden die §§ 18 bis 20 (Ver-
fahren bei den Centralcommiſſion) in Verhand-
lung gezogen.

Der Präſident erklärt, daß hiebei die
Summe von 1·5 Millionen im § 19 bis zur
Entſcheidung über die Höhe des Nachlaſſes, welche
bei § 21 erfolgt, in suspenso bleibt.

Abg. Adamek führt an der Hand eines
großen Ziffernmateriales den Nachweis, daß man
von einer Sublevirung Böhmens bei der letzten
[Spaltenumbruch] Grundſteuerregulirung nicht ſprechen könne. D[ie]
Entlaſtung ſei keine ausreichende geweſen. Es ſ[ei]
der Schade nicht erſetzt worden, der Böhmen
durch die Mehrbelaſtung in Folge der Unrichtigkeiten
des Cataſters zugefügt wurde. Redner ſchildert den
Rückgang der Landwirthfchaft in Böhmen und
erklärt ſchließlich, die dortigen Landwirthe ſeien
der Anſicht, daß von dieſer Regierung und dieſem
Parlamente nichts zu erwarten ſei. (Beifall bei
den Jungtſchechen.)

Abg. Graf Falkenhayn weiſt darauf
hin, daß den Landwirthen durch die Bildung
von Berufsgenoſſenſchaften aus ihrer Mitte am
beſten zu helfen wäre. Die Regierung und das
Haus mögen darauf dringen, damit das betref-
fende Geſetz, welches eine große Wohlthat für
die Landwirthſchaft bedeute, recht bald zuſtande
komme. (Beifall.)

Abg. Oberndorfer fordert den Finanz-
miniſter auf, bei den Nachläſſen herunter-, bei
der Aufſuchung neuer Steuerquellen hinaufzu-
ſchauen. Er erklärt die Einſchätzung Niederöſter-
reichs als zu hoch und verlangt hier neuerliche
Erhebungen an Ort und Stelle.

Abg. Ritter v. Strnszkiewicz erklärt,
man könne ſeiner Partei nicht vorwerfen, daß ſie
für die Staatsfinanzen etwa nicht opferwillig
genug ſei, aber es müſſe auch verlangt werden,
daß der Staat bei einer ſolchen Lage, wie ſie
jetzt die Landwirthſchaft durchmacht, Opfer nicht
ſcheue, um ihr über dieſe ſchwere Zeit hinwegzu-
helfen. Galizien beſonders ſei übel daran und
durchaus nicht zu niedrig eingeſchätzt.

Abg. Dötz erklärt, die Grundſteuer müſſe
wenigſtens auf 25 Millionen herabgeſetzt werden,
ſonſt könne von einer Regulirung keine Rede
ſein. Er beſpricht die Bevorzugung Galiziens.
Der Finanzminiſter erklärt, gar nicht in die
Lage zu kommen, die 10percentigen Nachläſſe bei
der Grundſteuer in Folge der Perſonaleinkom-
menſteuer zu gewähren, weil alle Mehreinkünfte
durch die geſteigerten Militärforderungen in An-
ſpruch genommen werden. Redner ſtellt den An-
trag, das letzte Alinea des § 19, wonach die auf
die einzelnen Länder und Rayons dermalen ent-
fallenden Reinertragsſummen nicht erhöht werden
dürfen, zu ſtreichen.

Abg. R. v. Czaykowski ſagt, der Fi-
nanzminiſter ſei mißverſtanden worden; denn ein
Mann, dem die Bedürfniſſe aller Bevölkerungs-
ſchichten immer warm am Herzen lagen und der
Finanzmittel genug hat, um den Nothleidenden
zu Hilfe zu kommen, werde doch auch die Land-
wirthſchaft, die von einer großen Kriſis heimge-
ſucht ſei, nicht verlaſſen. Mehrere Redner haben
Galizien als reiches Land dargeſtellt, welches die




[Spaltenumbruch]

ſie in der Verwirrung ihr eigenes, lichtes
Kattunkleid.

„Nein! Was für e ung’ſchickte Perſon ich
bin!“ ſagte ſie erſchrocken. Dann aber mir frank
und frei in die Augen ſehend: „Nehmet Sie’s
nur nit übel, Herr Doctor, ich bitt’ Sie
wirklich —“

„Aber mein verehrtes Fräulein, was ſoll ich
Ihnen denn nicht übel nehmen?“

„Daß ich geſtern Abend, — ich hab’ doch
natürlich geglaubt, es ſei mein Schwager, der
da geſtanden hat — —“

„Und mit dem Sie ein Vielliebchen gegeſſen
hatten? Nein, liebes Fräulein, das nehme ich
Ihnen wahrhaftig nicht übel. Im Gegentheil,
für den Wiederholungsfall ſtelle ich mich gern
zur Dispoſition.“

Sie lachte jetzt; es war dasſelbe quellende,
naturfriſche Lachen wie in der Eiſenbahn.

„Es ſcheint faſt, daß unſer’ Bekanntſchaft
ſich unter lauter kleine Unſterne vollzieht. Erſt
habe Sie in Caſſel das Unglück gehabt, dann ich
geſtern im Hausgang, und vorhin mit dem
Begieße — hoffentlich hat es jetzt we[n]igſtens en
End’ mit dem Pech!“

Dabei ſtreckte ſie mir ganz kameradſchaftlich
die Hand entgegen.

Woher ich die Kühnheit nahm, weiß ich
nicht. Thatſächlich aber ergriff ich das Händchen
und küßte es herzhaft. Sie riß es mir weg und
ſah mich richtig erſchrocken an.

„Jeſſes, iſcht das aber e Mod!“

Ich beeilte mich, ihr zu verſichern, daß das
allerdings „e Mod“ in Berlin ſei, aber daß ich
ſelbſt ihr nur damit hätte meine — Pfingſtfreude
ausdrücken wollen. Wie kann ein Menſch ſolche
[Spaltenumbruch] Dummheit reden! — Sie hielt es jedoch augen-
ſcheinlich für keine Dummheit, ſondern ſah mich
wieder ganz zutraulich und fröhlich an. —

Der Tag verging mir wie im Fluge. Hel-
mer und ſeine Frau überließen mich faſt beſtän-
dig der Führung des Schweſterchens, die zu
allem Ueberfluß auch noch Mareile beißt. Den
jüngeren Bruder hatte ſie zum Glück bei jenen
Verwandten „eine Stunde hinter Caſſel“ gelaſſen,
ſo daß e[r] uns nicht ſtörte.

Wir gingen in dem geräumigen Garten hin
und her, ich erzählte Fräulein Mareile von
meinem einſamen, zur Hypochondrie treibenden
Junggeſellendaſein in Berlin, und ſie plauderte
in ihrer reizenden Offenheit von ſich und ihrem
harmloſen Leben. Am Nachmittag war ich ſchon
ſo weit verzaubert, daß ich mit einem Seufzer
ſagte:

„Ach, Fräulein Mareile, hätte doch Sie
meine gute Mutter noch kennen gelernt!“

Sie ſah mich verwundert an, wurde aber
dann plötzlich roth und begann mir allerhand
Allotria zu erzählen; wie in ihrem Heimatsſtädt-
chen zu Pfingſten ein Burſche, der natürlich von
gutem Humor ſein müſſe, als „Pfingſtöchſele“
maskirt und durch die Stadt geführt werde, von
allerhand Neckereien und Spottreden begleitet.
Wie er dann aber zuletzt vor der „Baumkönigin“
niederkniee, von dieſer ſymboliſch getödtet werde
und dann, die Maskerade abwerfend, mit ihr
den Ehrentanz bei dem nun beginnenden Tanz
anführe.

„Die Baumkönigin?“ fragte ich, „das iſt
wohl die Schönſte im Ort?“

„Ah nein! Blos die wo man am liebſte hat.“


[Spaltenumbruch]

„Dann waren Sie gewiß ſchon öfters
Baumkönigin, nicht wahr?“

Sie lachte über mein plumpes Compliment,
aber ſie nahm es nicht übel. Die Schweſter er-
zählte mir nachher, daß Mareile in der That
das letzte Mal Baumkönigin geweſen ſei, aber
in ihrer Beſcheidenheit nicht gern davon ſpreche.

Welche Fülle von Tugenden verbirgt ſich
hinter dieſem lieblichen Aeußeren! Nachgerade
fange ich an, dieſe Pfingſtfahrt für ein Verhäng-
niß, aber — für ein freundliches zu halten.

Marburg, 3. Pfingſttag.

Heute Abend oder ſpäteſtens morgen Früh
muß ich abreiſen. Nein, ich reiſe auf alle Fälle
morgen Früh; weshalb ſoll ich mir die Tage,
die der Götter Gunſt mir hier freundlich be-
ſcheert, verkürzen? Und außerdem: Fräulein
Mareile fährt bis Gießen mit mir zuſammen.
(Ich habe ein Rundreiſebillet über Frankfurt.)
Sie ſoll dort eine andere Profeſſorsfrau beſuchen.

„Aber ſie geht garnit gern hin,“ ſagte mir
Frau Helmer, „weil meine Tante, — was wir
e Menge Tante’ habe’, das glaube Sie garnit!
— das Mareile gar ſo gern verheirate’ möcht’.“

„Sooo?? Mit wem denn, wenn ich fragen
darf?“

„Ach, da ſind Mehrere, die ſie gern habe’
wolle’, lieber Herr Doctor.“

„Wenn ſie aber nicht gern hinfährt, ſo
laſſen Sie ſie doch hier.“

„Geht nit, geht nit! Das ſind halt ſo colle-
giale Rückſichte, die mir nehme’ müſſe! —“

Ich begreife ſo etwas nicht! Was hat die
Collegialität mit dem Mädchen zu ſchaffen? ..
Ueberhaupt, — wegſchnappen möchte ich ſie mir
denn doch nicht laſſen! Aber ich finde den Muth


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[[3]/0003] des ruſſiſchen Reiches und des mit dieſem un- trennbar verbundenen Czarenthums Polen- und Großfürſtenthums Finnland beſtiegen, dem Bei- ſpiele der ſehr gottesfürchtigen Herrſcher ſeiner Ahnen, folgend, anzubefehlen geruht: die aller- heiligſte Krönung und die heilige Salbung hat unter Gottes Beiſtand am 14. (26.) Mai ſtatt- zufinden, welche heilige Handlung auch auf ſeine Gemahlin, die großmächtige Kaiſerin Alexandra Feodorowna, zu übertragen iſt. Von dieſer Feier wird allen treuen Unterthanen hiemit Kunde ge- geben, damit ſie an dem erſehnten Tage ihre in- brünſtigen Gebete zum Könige aller Könige emporſenden; er möge in ſeiner allmächtigen Gnade die Regierung Sr. Majeſtät ſegnen und Friede und Ruhe feſtigen zu ſeinem heiligen Ruhme und zum unerſchütterlichen Wohlergehen des Reiches.“ An den beiden Pfingſttagen wird die Verleſung dieſer Kundmachung wiederholt. (Die Italiener in Afrika.) Aus einer vom „Corriere de la Sera“ veröffentlichten Depeſche aus Maſſauah geht hervor, daß Menelik zur Zeit, als Major Salſa im Süden des Aſchangi-Sees erſchien, um mit dem Negus zu ſprechen, ſich gezwungen ſah, in aller Haſt auf- zubrechen, um die rebelliſchen Amharas und Gallas zu züchtigen. Menelik erlitt hiebei ſchwere Verluſte und wendete ſich an Ras Mangaſcha um Unterſtützung, der ſich aber, als er von der Con- centrirung der italieniſchen Truppen bei Adi- Kaje erfuhr, ſofort wieder nach rückwärts wen- dete. Die Schnelligkeit des Anmarſches der Ita- liener verhinderte ihn jedoch, dieſelben anzugreifen. Major Salſa wurde bei ſeiner Rückkehr aus dem Lager von Schoa auf Befehl des Ras Mangaſcha verhaftet, an welchen der Negus ein Schreiben gerichtet hatte, er möge es verhindern, daß Salſa den General Baldifſera von den troſtloſen Zu- ſtänden in Abyſſinien, wo überdieß Hungersnoth herrſcht, unterrichte. In Folge deſſen gebrauchte man den Vorwand, Salſa werde als Geiſel zurück- gehalten bis zur Zurückſtellung der Handſchreiben Meneliks’s mit dem Siegel Salomon’s. Die energiſche Proclamation des Generals Baldiſſera, in welcher die Ausrottung der Tigriner angedroht wurde, jagte ihnen aber großen Schrecken ein und bewog ſie, die Gefangenen freizugeben. Reichsrath. Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 21. Mai. Wien, 21. Mai. In der heutigen Sitzung des Abgeordneten- hauſes wurde die Verhandlung über die Grund- ſteuergeſetze fortgeſetzt, nachdem in der geſtrigen Abendſitzung die erſten ſechs Paragraphe unverändert angenommen worden waren. In Verhandlung ſtehen die §§ 7 bis 17 des Geſetzes betreffend die Reviſion des Grund- ſteuercataſters. Abg. Kaiſer ſtellt einen Abänderungsan- trag zu § 14, wonach ſowohl die Gemeinden als auch ſämmtliche Grundbeſitzer das Reclama- tionsrecht erhalten ſollen und die Reclamations- friſt von ſechs auf acht Wochen verlängert wird. Abg. Graf Falkenhayn beantragt, im § 11 die Friſt für die Reclamation bezüglich ſolcher Parcellen, die im Grundſteuercataſter als Waldungen eingetragen ſind, in dem vorange- gangenen Grundſteueroperat jedoch einer anderen Culturgattung zugeſchrieben waren, ſtatt mit Ende December 1896 mit Ende Juni 1897 feſtzuſetzen. Er verweiſt darauf, daß die Sanction für die vorliegenden Geſetze vorausſichtlich erſt im Spätherbſte dieſes Jahres erfolgen dürfte und dann die Durchführung der im § 11 vor- geſehenen Veränderungen bis Ende December 1896 nicht möglich wäre. Auf Antrag des Abg. Edler v. Burg- ſtaller wird die Debatte geſchloſſen. Abg. Purghart (Generalredner contra) ſpricht tſchechiſch und kritiſirt dann, in deutſcher Sprache fortfahrend, einzelne Beſtimmungen der in Verhandlung ſtehenden Paragraphe. Abg. Nabergoj vertritt die Anſchauung, daß das Küſtenland, insbeſondere aber die Gegend von Trieſt, bei der letzten Grundſteuer-Regulirung ſehr ſchlecht wegkam. In der Gegend von Trieſt wurden Leute in die Bezirkscommiſſionen berufen, welche Gerſte vom Weizen und die Kuh nicht vom Stier unterſcheiden konnten. (Lebhafte Heiterkeit.) Redner bittet die Regierung, bei der bevorſtehen- den Beſeitigung der Prägravationen insbeſondere das Küſtenland und die Umgebung von Trieſt zu berückſichtigen. Nach dem Schlußworte des Berichterſtatters werden die §§ 7 bis 10 unverändert, § 11 mit dem Amendement Falkenhayn und die §§ 12 bis 17 unverändert angenommen. Die beantragten Reſolutionen werden zum Beſchluſſe erhoben. Sodann werden die §§ 18 bis 20 (Ver- fahren bei den Centralcommiſſion) in Verhand- lung gezogen. Der Präſident erklärt, daß hiebei die Summe von 1·5 Millionen im § 19 bis zur Entſcheidung über die Höhe des Nachlaſſes, welche bei § 21 erfolgt, in suspenso bleibt. Abg. Adamek führt an der Hand eines großen Ziffernmateriales den Nachweis, daß man von einer Sublevirung Böhmens bei der letzten Grundſteuerregulirung nicht ſprechen könne. Die Entlaſtung ſei keine ausreichende geweſen. Es ſei der Schade nicht erſetzt worden, der Böhmen durch die Mehrbelaſtung in Folge der Unrichtigkeiten des Cataſters zugefügt wurde. Redner ſchildert den Rückgang der Landwirthfchaft in Böhmen und erklärt ſchließlich, die dortigen Landwirthe ſeien der Anſicht, daß von dieſer Regierung und dieſem Parlamente nichts zu erwarten ſei. (Beifall bei den Jungtſchechen.) Abg. Graf Falkenhayn weiſt darauf hin, daß den Landwirthen durch die Bildung von Berufsgenoſſenſchaften aus ihrer Mitte am beſten zu helfen wäre. Die Regierung und das Haus mögen darauf dringen, damit das betref- fende Geſetz, welches eine große Wohlthat für die Landwirthſchaft bedeute, recht bald zuſtande komme. (Beifall.) Abg. Oberndorfer fordert den Finanz- miniſter auf, bei den Nachläſſen herunter-, bei der Aufſuchung neuer Steuerquellen hinaufzu- ſchauen. Er erklärt die Einſchätzung Niederöſter- reichs als zu hoch und verlangt hier neuerliche Erhebungen an Ort und Stelle. Abg. Ritter v. Strnszkiewicz erklärt, man könne ſeiner Partei nicht vorwerfen, daß ſie für die Staatsfinanzen etwa nicht opferwillig genug ſei, aber es müſſe auch verlangt werden, daß der Staat bei einer ſolchen Lage, wie ſie jetzt die Landwirthſchaft durchmacht, Opfer nicht ſcheue, um ihr über dieſe ſchwere Zeit hinwegzu- helfen. Galizien beſonders ſei übel daran und durchaus nicht zu niedrig eingeſchätzt. Abg. Dötz erklärt, die Grundſteuer müſſe wenigſtens auf 25 Millionen herabgeſetzt werden, ſonſt könne von einer Regulirung keine Rede ſein. Er beſpricht die Bevorzugung Galiziens. Der Finanzminiſter erklärt, gar nicht in die Lage zu kommen, die 10percentigen Nachläſſe bei der Grundſteuer in Folge der Perſonaleinkom- menſteuer zu gewähren, weil alle Mehreinkünfte durch die geſteigerten Militärforderungen in An- ſpruch genommen werden. Redner ſtellt den An- trag, das letzte Alinea des § 19, wonach die auf die einzelnen Länder und Rayons dermalen ent- fallenden Reinertragsſummen nicht erhöht werden dürfen, zu ſtreichen. Abg. R. v. Czaykowski ſagt, der Fi- nanzminiſter ſei mißverſtanden worden; denn ein Mann, dem die Bedürfniſſe aller Bevölkerungs- ſchichten immer warm am Herzen lagen und der Finanzmittel genug hat, um den Nothleidenden zu Hilfe zu kommen, werde doch auch die Land- wirthſchaft, die von einer großen Kriſis heimge- ſucht ſei, nicht verlaſſen. Mehrere Redner haben Galizien als reiches Land dargeſtellt, welches die ſie in der Verwirrung ihr eigenes, lichtes Kattunkleid. „Nein! Was für e ung’ſchickte Perſon ich bin!“ ſagte ſie erſchrocken. Dann aber mir frank und frei in die Augen ſehend: „Nehmet Sie’s nur nit übel, Herr Doctor, ich bitt’ Sie wirklich —“ „Aber mein verehrtes Fräulein, was ſoll ich Ihnen denn nicht übel nehmen?“ „Daß ich geſtern Abend, — ich hab’ doch natürlich geglaubt, es ſei mein Schwager, der da geſtanden hat — —“ „Und mit dem Sie ein Vielliebchen gegeſſen hatten? Nein, liebes Fräulein, das nehme ich Ihnen wahrhaftig nicht übel. Im Gegentheil, für den Wiederholungsfall ſtelle ich mich gern zur Dispoſition.“ Sie lachte jetzt; es war dasſelbe quellende, naturfriſche Lachen wie in der Eiſenbahn. „Es ſcheint faſt, daß unſer’ Bekanntſchaft ſich unter lauter kleine Unſterne vollzieht. Erſt habe Sie in Caſſel das Unglück gehabt, dann ich geſtern im Hausgang, und vorhin mit dem Begieße — hoffentlich hat es jetzt wenigſtens en End’ mit dem Pech!“ Dabei ſtreckte ſie mir ganz kameradſchaftlich die Hand entgegen. Woher ich die Kühnheit nahm, weiß ich nicht. Thatſächlich aber ergriff ich das Händchen und küßte es herzhaft. Sie riß es mir weg und ſah mich richtig erſchrocken an. „Jeſſes, iſcht das aber e Mod!“ Ich beeilte mich, ihr zu verſichern, daß das allerdings „e Mod“ in Berlin ſei, aber daß ich ſelbſt ihr nur damit hätte meine — Pfingſtfreude ausdrücken wollen. Wie kann ein Menſch ſolche Dummheit reden! — Sie hielt es jedoch augen- ſcheinlich für keine Dummheit, ſondern ſah mich wieder ganz zutraulich und fröhlich an. — Der Tag verging mir wie im Fluge. Hel- mer und ſeine Frau überließen mich faſt beſtän- dig der Führung des Schweſterchens, die zu allem Ueberfluß auch noch Mareile beißt. Den jüngeren Bruder hatte ſie zum Glück bei jenen Verwandten „eine Stunde hinter Caſſel“ gelaſſen, ſo daß er uns nicht ſtörte. Wir gingen in dem geräumigen Garten hin und her, ich erzählte Fräulein Mareile von meinem einſamen, zur Hypochondrie treibenden Junggeſellendaſein in Berlin, und ſie plauderte in ihrer reizenden Offenheit von ſich und ihrem harmloſen Leben. Am Nachmittag war ich ſchon ſo weit verzaubert, daß ich mit einem Seufzer ſagte: „Ach, Fräulein Mareile, hätte doch Sie meine gute Mutter noch kennen gelernt!“ Sie ſah mich verwundert an, wurde aber dann plötzlich roth und begann mir allerhand Allotria zu erzählen; wie in ihrem Heimatsſtädt- chen zu Pfingſten ein Burſche, der natürlich von gutem Humor ſein müſſe, als „Pfingſtöchſele“ maskirt und durch die Stadt geführt werde, von allerhand Neckereien und Spottreden begleitet. Wie er dann aber zuletzt vor der „Baumkönigin“ niederkniee, von dieſer ſymboliſch getödtet werde und dann, die Maskerade abwerfend, mit ihr den Ehrentanz bei dem nun beginnenden Tanz anführe. „Die Baumkönigin?“ fragte ich, „das iſt wohl die Schönſte im Ort?“ „Ah nein! Blos die wo man am liebſte hat.“ „Dann waren Sie gewiß ſchon öfters Baumkönigin, nicht wahr?“ Sie lachte über mein plumpes Compliment, aber ſie nahm es nicht übel. Die Schweſter er- zählte mir nachher, daß Mareile in der That das letzte Mal Baumkönigin geweſen ſei, aber in ihrer Beſcheidenheit nicht gern davon ſpreche. Welche Fülle von Tugenden verbirgt ſich hinter dieſem lieblichen Aeußeren! Nachgerade fange ich an, dieſe Pfingſtfahrt für ein Verhäng- niß, aber — für ein freundliches zu halten. Marburg, 3. Pfingſttag. Heute Abend oder ſpäteſtens morgen Früh muß ich abreiſen. Nein, ich reiſe auf alle Fälle morgen Früh; weshalb ſoll ich mir die Tage, die der Götter Gunſt mir hier freundlich be- ſcheert, verkürzen? Und außerdem: Fräulein Mareile fährt bis Gießen mit mir zuſammen. (Ich habe ein Rundreiſebillet über Frankfurt.) Sie ſoll dort eine andere Profeſſorsfrau beſuchen. „Aber ſie geht garnit gern hin,“ ſagte mir Frau Helmer, „weil meine Tante, — was wir e Menge Tante’ habe’, das glaube Sie garnit! — das Mareile gar ſo gern verheirate’ möcht’.“ „Sooo?? Mit wem denn, wenn ich fragen darf?“ „Ach, da ſind Mehrere, die ſie gern habe’ wolle’, lieber Herr Doctor.“ „Wenn ſie aber nicht gern hinfährt, ſo laſſen Sie ſie doch hier.“ „Geht nit, geht nit! Das ſind halt ſo colle- giale Rückſichte, die mir nehme’ müſſe! —“ Ich begreife ſo etwas nicht! Was hat die Collegialität mit dem Mädchen zu ſchaffen? .. Ueberhaupt, — wegſchnappen möchte ich ſie mir denn doch nicht laſſen! Aber ich finde den Muth

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 118, Olmütz, 22.05.1896, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches118_1896/3>, abgerufen am 21.11.2024.