[N. N.]: Fortgesetzte und erweiterte Beschreibung des entsetzlichen Erdbebens. [s. l.], 1756.
gall, so nicht von den erschrecklichen Erschütterungen, die sich bey dem Erdbeben geäussert, viel gelit- P. S. Nachstehendes ihnen zu berichten, kan nicht umhin. Ein gewisser fremder Schiffs- [Abbildung]
gall, ſo nicht von den erſchrecklichen Erſchuͤtterungen, die ſich bey dem Erdbeben geaͤuſſert, viel gelit- P. S. Nachſtehendes ihnen zu berichten, kan nicht umhin. Ein gewiſſer fremder Schiffs- [Abbildung]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <hi rendition="#fr #smaller"><pb facs="#f0004"/> gall, ſo nicht von den erſchrecklichen Erſchuͤtterungen, die ſich bey dem Erdbeben geaͤuſſert, viel gelit-<lb/> ten haben ſollte. Die Staͤdte, Porto, Santariem, Guimaraens, Viana, Bragantza, Villareal, Ca-<lb/> ſtello, Beja, Branco, Portalegre, und verſchiedene andere, die ich ihnen aufuͤhren koͤnnte, weiſen die er-<lb/> ſtaunlichen Denckmahle des ſchrecklichen Schickſaals, das dieſes Koͤnigreich in die groͤßte Kuͤmmernuͤß<lb/> geſetzet hat. Jndem der Umſturtz der Gebaͤude uͤberall in der Stadt Schrecken und den Tod brachte,<lb/> war ich ſo gluͤcklich, mich auf freyen Felde zu befinden. Jch merckte daß das Erdreich bis in ſeinen<lb/> innern Grund erreget ward. Jch ſahe daſſelbe ſich an verſchiedenen Orten oͤfnen, und ungeſtuͤme Feuer<lb/> mit einem ſchwartzen dicken Rauche daraus aufſteigen. Das Schrecken uͤber einen ſo fuͤrchterlichen An-<lb/> blick wird niemahls aus meinen Gedaͤchtniſſe kommen, und es ſchien mir alle Augenblick, als wenn ich<lb/> unter den Feuern in das Centrum der Erde geſtuͤrtzet werden wuͤrde. Nachdem ich der Gefahr entgan-<lb/> gen, richtete ich meinen Weg traurig gegen Liſſabon, wobey mein Sinn mit dem erſchrecklichen Bilde,<lb/> das ich jetzo geſehen hatte, beſchaͤfftiget war. Jch machte mir gar den Vorwurff, warum ich nicht in<lb/> der Stadt geblieben, wo ich glaubte daß man in Sicherheit geweſen waͤre, als ich vernahm, daß eben<lb/> dieſe Stadt Liſſabon, wohin ich fliehen wollte, nicht mehr verhanden waͤre; ich erfuhr, daß mein Ver-<lb/> moͤgen und meine Freunde unter den Ruinen begraben laͤgen. Stellen ſie ſich, wenn ſie es vermoͤgend<lb/> ſind, vor, wie ſehr ich bey vernehmung einer ſo betruͤbten Nachricht nieder geſchlagen worden ſeyn muͤſſe.<lb/> Jch blieb gantz auſſer mir, und der hefftige Schmertz geſtattete mir nicht, daß ich ein eintziges Wort<lb/> vorbringen konnte. Jch folgte der Menge nach, und ward in das Lager gebracht. Die 3. erſten Tage<lb/> gebrach es daſelbſt an Lebens-Mitteln; allein die Vorſicht unſers Monarchen iſt zu dem Zwecke gelan-<lb/> get, einen Ueberfluß davon zu verſchaffen. Seit dieſer Zeit iſt faſt kein Tag vergangen, da wir nicht einige<lb/> Erſchuͤtterungen verſpuͤret haͤtten. Jeden Tag haben wir auch von den Ueberbleibſeln der Stadt Liſſa-<lb/> bon Nachrichten empfangen. Wuͤrde man ſich wohl jemahls eingebildet haben, daß Boͤſewichter ſich die-<lb/> ſes Ungluͤck zu Nutze machen ſollten, um die wenige Haͤuſer, welche nicht eingeſtuͤrtzt, in Brand zu ſte-<lb/> cken? gleichwohl aber iſt ſolches geſchehen; der Koͤnigl. Palaſt, das Hotel von Bragantza, die Juwe-<lb/> len und die Diamanten der Crone, ſind durch dieſe Feuers-Brunſt darauf gegangen. Der Koͤnig hat<lb/> die Boͤſewichter, welche uͤberzeuget worden, das Feuer angeleget zu haben, aufknuͤpffen, und diejenigen<lb/> ſchuͤchtern zu machen, welche etwa Luſt bekommen moͤchten, einen ſo abſcheulichen Exempel zu folgen,<lb/> um die Ruinen der Stadt Galgen ſetzen laſſen. Ob wir gleich ſeit dem 1. Nov. bis zum 24. als an<lb/> dem Tage, da ich ihnen ſchreibe, Erd-Erſchuͤtterungen gehabt; ſo zehlen wir doch darunter 2. hefftige,<lb/> nehmlich die erſtere, und die in der Nacht vom 18. zum 19. Wir wohnen unter Zelten, welche uns<lb/> aber bey dem beſtaͤndig anhaltenden Regen-Wetter nicht voͤllig decken koͤnnen. Es gehet faſt keine Nacht<lb/> voruͤber, da die Waͤrme unſers Leibes zu etlichen mahlen unſere Decken und Tuͤcher trocknet. So un-<lb/> angenehm ſind unſere gegenwaͤrtigen Umſtaͤnde.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#aq">P. S.</hi> <hi rendition="#fr">Nachſtehendes ihnen zu berichten, kan nicht umhin. Ein gewiſſer fremder Schiffs-<lb/> Capitain, wollte ohne Vorwiſſen der Admiralitaͤt unſern Hafen verlaſſen. Bey genauer Unterſuchung<lb/> des Koͤnigl. Zoll-Amtes, fand es ſich, daß er eine ſtarcke Ladung, an Silber-Geſchirr, Juwelen, Gold,<lb/> Barren und Silber-Kuchen hatte, welche von ihm aus den Ruinen unſerer Stadt, in denen Tagen<lb/> unſers Schreckens geraubet worden. Da er nun der That uͤberwieſen, ſo ließ das Koͤnigl. Zoll-Amt<lb/><hi rendition="#c">allſo bald an dem Capitain, ſeinen Subalternen Officiers und Matroſen die Gerechtigkeit<lb/> ergehen, und ſie alle durch den Stranck vom Leben zum To-<lb/> de bringen.</hi></hi> </p><lb/> <figure/> </div> </body> </text> </TEI> [0004]
gall, ſo nicht von den erſchrecklichen Erſchuͤtterungen, die ſich bey dem Erdbeben geaͤuſſert, viel gelit-
ten haben ſollte. Die Staͤdte, Porto, Santariem, Guimaraens, Viana, Bragantza, Villareal, Ca-
ſtello, Beja, Branco, Portalegre, und verſchiedene andere, die ich ihnen aufuͤhren koͤnnte, weiſen die er-
ſtaunlichen Denckmahle des ſchrecklichen Schickſaals, das dieſes Koͤnigreich in die groͤßte Kuͤmmernuͤß
geſetzet hat. Jndem der Umſturtz der Gebaͤude uͤberall in der Stadt Schrecken und den Tod brachte,
war ich ſo gluͤcklich, mich auf freyen Felde zu befinden. Jch merckte daß das Erdreich bis in ſeinen
innern Grund erreget ward. Jch ſahe daſſelbe ſich an verſchiedenen Orten oͤfnen, und ungeſtuͤme Feuer
mit einem ſchwartzen dicken Rauche daraus aufſteigen. Das Schrecken uͤber einen ſo fuͤrchterlichen An-
blick wird niemahls aus meinen Gedaͤchtniſſe kommen, und es ſchien mir alle Augenblick, als wenn ich
unter den Feuern in das Centrum der Erde geſtuͤrtzet werden wuͤrde. Nachdem ich der Gefahr entgan-
gen, richtete ich meinen Weg traurig gegen Liſſabon, wobey mein Sinn mit dem erſchrecklichen Bilde,
das ich jetzo geſehen hatte, beſchaͤfftiget war. Jch machte mir gar den Vorwurff, warum ich nicht in
der Stadt geblieben, wo ich glaubte daß man in Sicherheit geweſen waͤre, als ich vernahm, daß eben
dieſe Stadt Liſſabon, wohin ich fliehen wollte, nicht mehr verhanden waͤre; ich erfuhr, daß mein Ver-
moͤgen und meine Freunde unter den Ruinen begraben laͤgen. Stellen ſie ſich, wenn ſie es vermoͤgend
ſind, vor, wie ſehr ich bey vernehmung einer ſo betruͤbten Nachricht nieder geſchlagen worden ſeyn muͤſſe.
Jch blieb gantz auſſer mir, und der hefftige Schmertz geſtattete mir nicht, daß ich ein eintziges Wort
vorbringen konnte. Jch folgte der Menge nach, und ward in das Lager gebracht. Die 3. erſten Tage
gebrach es daſelbſt an Lebens-Mitteln; allein die Vorſicht unſers Monarchen iſt zu dem Zwecke gelan-
get, einen Ueberfluß davon zu verſchaffen. Seit dieſer Zeit iſt faſt kein Tag vergangen, da wir nicht einige
Erſchuͤtterungen verſpuͤret haͤtten. Jeden Tag haben wir auch von den Ueberbleibſeln der Stadt Liſſa-
bon Nachrichten empfangen. Wuͤrde man ſich wohl jemahls eingebildet haben, daß Boͤſewichter ſich die-
ſes Ungluͤck zu Nutze machen ſollten, um die wenige Haͤuſer, welche nicht eingeſtuͤrtzt, in Brand zu ſte-
cken? gleichwohl aber iſt ſolches geſchehen; der Koͤnigl. Palaſt, das Hotel von Bragantza, die Juwe-
len und die Diamanten der Crone, ſind durch dieſe Feuers-Brunſt darauf gegangen. Der Koͤnig hat
die Boͤſewichter, welche uͤberzeuget worden, das Feuer angeleget zu haben, aufknuͤpffen, und diejenigen
ſchuͤchtern zu machen, welche etwa Luſt bekommen moͤchten, einen ſo abſcheulichen Exempel zu folgen,
um die Ruinen der Stadt Galgen ſetzen laſſen. Ob wir gleich ſeit dem 1. Nov. bis zum 24. als an
dem Tage, da ich ihnen ſchreibe, Erd-Erſchuͤtterungen gehabt; ſo zehlen wir doch darunter 2. hefftige,
nehmlich die erſtere, und die in der Nacht vom 18. zum 19. Wir wohnen unter Zelten, welche uns
aber bey dem beſtaͤndig anhaltenden Regen-Wetter nicht voͤllig decken koͤnnen. Es gehet faſt keine Nacht
voruͤber, da die Waͤrme unſers Leibes zu etlichen mahlen unſere Decken und Tuͤcher trocknet. So un-
angenehm ſind unſere gegenwaͤrtigen Umſtaͤnde.
P. S. Nachſtehendes ihnen zu berichten, kan nicht umhin. Ein gewiſſer fremder Schiffs-
Capitain, wollte ohne Vorwiſſen der Admiralitaͤt unſern Hafen verlaſſen. Bey genauer Unterſuchung
des Koͤnigl. Zoll-Amtes, fand es ſich, daß er eine ſtarcke Ladung, an Silber-Geſchirr, Juwelen, Gold,
Barren und Silber-Kuchen hatte, welche von ihm aus den Ruinen unſerer Stadt, in denen Tagen
unſers Schreckens geraubet worden. Da er nun der That uͤberwieſen, ſo ließ das Koͤnigl. Zoll-Amt
allſo bald an dem Capitain, ſeinen Subalternen Officiers und Matroſen die Gerechtigkeit
ergehen, und ſie alle durch den Stranck vom Leben zum To-
de bringen.
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