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Das Heller-Blatt. Nr. 38. Breslau, 20. September 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] sonen zogen Armuth, Beschimpfung und Tod den
Vortheilen des Abfalles von ihrem Glauben vor.
Mahmud hat aber sein Unrecht bald wieder eingesehen,
die Exilirten zurückberufen, und alles Geraubte ihnen
zurückstellen lassen. Besonders unter den häretischen
Armeniern, finden sich manche, die ein unermeßliches
Vermögen besitzen, so daß die ersten türkischen Minister
und der Sultan selbst, in Geldesnöthen bei ihnen Zu-
flucht suchen. Jhre Paläste - es giebt deren viele -
sind äußerlich einfach und anspruchslos; von Jnnen
aber mit fürstlicher Pracht und Eleganz geschmückt.
Die armenischen Häretiker huldigen in allen Dingen
der türkischen, die Katholiken der fränkischen Sitte.
Die Ersteren haben einen Patriarchen, einen Vikarius
und verschiedene Bischöfe, die eine Synode bilden, in
welcher man über Angelegenheiten des Ehestandes, der
Religion, des bürgerlichen und Kriminalrechts entschei-
det. Diese Synode kann Strafen auflegen, die Todes-
Strafe ausgenommen. Der häretische Patriarch resi-
dirt in dem Stadtviertel Samatia, zunächst den Sie-
ben=Thürmen. Den katholischen Armeniern hat Mah-
mud einen andern Patriarchen bewilligt, der in Galata
residirt, und dieselbe Gerichtsbarkeit ausübt.

Die ursprünglich Rumelischen Griechen ( Rume-
lioten ) waren in Konstantinopel sehr zahlreich. Vor
dem griechischen Freiheitskampfe nahmen sie Theil
an der Regierung und besaßen große Reichthümer
Jetzt wird der Fanale ( Fanar ) , eine Vorstadt am Meere,
wo die griechische Noblesse zu wohnen pflegte, wieder
bevölkert. Die Ausgewanderten kehren freiwillig nach
Konstantinopel zurück. Mit dem Kalpak ( einer großen
orientalischen Feldmütze ) und dem Patente von Rajas
zogen sie aus, und mit Pariser Modehüten und einem
Passe, der sie für Russen, Engländer oder Franzosen
erklärt, kommen sie wieder. Die Türken lächeln darü-
ber, ignoriren die Mummerei, und rächen sich durch
freundliche Behandlung. Die Griechen sind im aus-
schließlichen Besitze der Malerkunst; sie beobachten ihre
nationalen Gebräuche mit Strenge und werden, gleich
den Armeniern, von einem Patriarchen geleitet, der in
Fanale residirt, wo auch ihre alte Kathedrale steht.

Es giebt sehr viele Juden in Konstantinopel.
Sie haben eine nationale Gerichtsbehörde, und öffent-
liche Synagoge. Die reichsten sind Handelsleute; die
weniger Bemittelten qualifiziren sich als Mäkler, Tröd-
ler Jhr Oberhaupt führt den halb hebräischen, halb
türkischen Titel Kakan Baschi. Die Umgangssprache
der konstantinopolitanischen Juden ist ein mit türki-
schen, griechischen und hebräischen Brocken gemengtes
Spanisch. Die meisten wohnen in Balata, in Has-
Kioi, am Hafen, in Galata, und in Orta=Kioi am
Kanale. Jn religiöser Hinsicht hängen sie stark am
Hergebrachten; in bürgerlichen und gleichgültigen Din-
gen aber bequemen sie sich mehr den Türken als jedem
anderen Volke an.

[Spaltenumbruch]

Jnsulaner nennt man die Griechen aus einigen
kleinen Jnseln des Archipels, wie Timo, Syra, San-
torin , welchen die Pforte gegen einen winzigen Tri-
but, ihr eignes Regiment überließ. Die Türken nen-
nen sie Tavschan ( Hasen ) . Jhre Zahl ist sehr klein,
und übersteigt gewöhnlich nicht 600 Seelen. Wenig-
stens dreiviertel derselben sind äuß rst geschickte Handar-
beiter in Allem, was mit Axt, Nagel und Brettern aus-
geführt werden kann. Die Uebrigen sind Kleidermacher,
Koffeewirthe u. dgl. Jhre Religion ist theils die katho-
lische ( diese heißen Lateiner ) , theils die orientalisch-
griechische ( Schismatische ) . Sie stehen im Rufe sehr
thätiger und ehrbarer Leute, und ihre Arbeiten finden
in Pera und Galata starken Absatz.

Unter Franken versteht man alle ansäßige Fami-
lien von ausländischer ( europäischer ) Abkunft. Die
Franken von Konstantinopel wohnen fast alle in Pera,
und in Galata. Sie treiben vorzüglich Handel, und
machen oft ein glänzendes Glück. Viele widmen sich
auch den freien Künsten und jeder Art von Handarbeit.

Zu den Franken in Konstantinopel gehören auch
die sogenannten Peroten, eine gewisse Anzahl Familien,
die schon geraume Zeit in Pera einheimisch sind, und
aus deren Mitte die europäischen Mächte ihre Drago-
mane und einen Theil ihrer höheren oder niederen Re-
präsentanten wählen.

Die Franken, obgleich in der Türkei eingebürgert,
stehen kraft gewisser Verträge mit der Pforte, noch
immer unter der Oberhoheit ihrer natürlichen Souve-
raine, die dort vermittelst ihrer Gesandten und Konsuln
eine vollkommene extraterritoriale Gerichtsbarkeit üben.
Jn ihren Gewohnheiten und Sitten haben die Franken
viel Europäisches, mit ein Paar Tropfen türkischer und
griechischer Tinktur.

Den Franken zunächst kommen die Schützlinge
( Protetti ) , natürliche Unterthanen der Pforte, die aus
persönlichen Rücksichten von einer der europäischen in
der Levante ansäßigen Autoritäten ein Schutzpatent er-
halten haben. Anfänglich bezweckten diese Patente
Sicherung der Christen vor zu großer Beeinträchtigung.
Nachmals aber wurde mit denselben ein offener Miß-
brauch getrieben, der den euröpäischen Kanzlein eben
so unrühmlich war, als der Pforte, die ihre Unterthanen
ungestraft einbüßte. Heut zu Tage sind solche bürger-
liche Zwittergeschöpfe fast ganz überflüßig geworden.

Alleppiner giebt es in Konstantinopel nicht
viele. Man rühmt ihre Reichthümer, ihre Ehrlichkeit
und Biederkeit. Sie sind mehrentheils Kaufleute und
haben Kleidung und Sitten mit den Armeniern gemein.

Die katholische Religion genießt jetzt in Konstanti-
nopel denselben Schutz, den ihr die tolerantesten euro-
päischen Staaten zugestehen. Die Glocken laden die
Gläubigen zur Kirche, die Todten werden bei hellem
Tage, unter Vortragung eines Kreuzes und begleitet
von Priestern, die mit lauter Stimme Psalmen singen,
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] sonen zogen Armuth, Beschimpfung und Tod den
Vortheilen des Abfalles von ihrem Glauben vor.
Mahmud hat aber sein Unrecht bald wieder eingesehen,
die Exilirten zurückberufen, und alles Geraubte ihnen
zurückstellen lassen. Besonders unter den häretischen
Armeniern, finden sich manche, die ein unermeßliches
Vermögen besitzen, so daß die ersten türkischen Minister
und der Sultan selbst, in Geldesnöthen bei ihnen Zu-
flucht suchen. Jhre Paläste – es giebt deren viele –
sind äußerlich einfach und anspruchslos; von Jnnen
aber mit fürstlicher Pracht und Eleganz geschmückt.
Die armenischen Häretiker huldigen in allen Dingen
der türkischen, die Katholiken der fränkischen Sitte.
Die Ersteren haben einen Patriarchen, einen Vikarius
und verschiedene Bischöfe, die eine Synode bilden, in
welcher man über Angelegenheiten des Ehestandes, der
Religion, des bürgerlichen und Kriminalrechts entschei-
det. Diese Synode kann Strafen auflegen, die Todes-
Strafe ausgenommen. Der häretische Patriarch resi-
dirt in dem Stadtviertel Samatia, zunächst den Sie-
ben=Thürmen. Den katholischen Armeniern hat Mah-
mud einen andern Patriarchen bewilligt, der in Galata
residirt, und dieselbe Gerichtsbarkeit ausübt.

Die ursprünglich Rumelischen Griechen ( Rume-
lioten ) waren in Konstantinopel sehr zahlreich. Vor
dem griechischen Freiheitskampfe nahmen sie Theil
an der Regierung und besaßen große Reichthümer
Jetzt wird der Fanale ( Fanar ) , eine Vorstadt am Meere,
wo die griechische Noblesse zu wohnen pflegte, wieder
bevölkert. Die Ausgewanderten kehren freiwillig nach
Konstantinopel zurück. Mit dem Kalpak ( einer großen
orientalischen Feldmütze ) und dem Patente von Rajas
zogen sie aus, und mit Pariser Modehüten und einem
Passe, der sie für Russen, Engländer oder Franzosen
erklärt, kommen sie wieder. Die Türken lächeln darü-
ber, ignoriren die Mummerei, und rächen sich durch
freundliche Behandlung. Die Griechen sind im aus-
schließlichen Besitze der Malerkunst; sie beobachten ihre
nationalen Gebräuche mit Strenge und werden, gleich
den Armeniern, von einem Patriarchen geleitet, der in
Fanale residirt, wo auch ihre alte Kathedrale steht.

Es giebt sehr viele Juden in Konstantinopel.
Sie haben eine nationale Gerichtsbehörde, und öffent-
liche Synagoge. Die reichsten sind Handelsleute; die
weniger Bemittelten qualifiziren sich als Mäkler, Tröd-
ler Jhr Oberhaupt führt den halb hebräischen, halb
türkischen Titel Kakan Baschi. Die Umgangssprache
der konstantinopolitanischen Juden ist ein mit türki-
schen, griechischen und hebräischen Brocken gemengtes
Spanisch. Die meisten wohnen in Balata, in Has-
Kioi, am Hafen, in Galata, und in Orta=Kioi am
Kanale. Jn religiöser Hinsicht hängen sie stark am
Hergebrachten; in bürgerlichen und gleichgültigen Din-
gen aber bequemen sie sich mehr den Türken als jedem
anderen Volke an.

[Spaltenumbruch]

Jnsulaner nennt man die Griechen aus einigen
kleinen Jnseln des Archipels, wie Timo, Syra, San-
torin , welchen die Pforte gegen einen winzigen Tri-
but, ihr eignes Regiment überließ. Die Türken nen-
nen sie Tavschan ( Hasen ) . Jhre Zahl ist sehr klein,
und übersteigt gewöhnlich nicht 600 Seelen. Wenig-
stens dreiviertel derselben sind äuß rst geschickte Handar-
beiter in Allem, was mit Axt, Nagel und Brettern aus-
geführt werden kann. Die Uebrigen sind Kleidermacher,
Koffeewirthe u. dgl. Jhre Religion ist theils die katho-
lische ( diese heißen Lateiner ) , theils die orientalisch-
griechische ( Schismatische ) . Sie stehen im Rufe sehr
thätiger und ehrbarer Leute, und ihre Arbeiten finden
in Pera und Galata starken Absatz.

Unter Franken versteht man alle ansäßige Fami-
lien von ausländischer ( europäischer ) Abkunft. Die
Franken von Konstantinopel wohnen fast alle in Pera,
und in Galata. Sie treiben vorzüglich Handel, und
machen oft ein glänzendes Glück. Viele widmen sich
auch den freien Künsten und jeder Art von Handarbeit.

Zu den Franken in Konstantinopel gehören auch
die sogenannten Peroten, eine gewisse Anzahl Familien,
die schon geraume Zeit in Pera einheimisch sind, und
aus deren Mitte die europäischen Mächte ihre Drago-
mane und einen Theil ihrer höheren oder niederen Re-
präsentanten wählen.

Die Franken, obgleich in der Türkei eingebürgert,
stehen kraft gewisser Verträge mit der Pforte, noch
immer unter der Oberhoheit ihrer natürlichen Souve-
raine, die dort vermittelst ihrer Gesandten und Konsuln
eine vollkommene extraterritoriale Gerichtsbarkeit üben.
Jn ihren Gewohnheiten und Sitten haben die Franken
viel Europäisches, mit ein Paar Tropfen türkischer und
griechischer Tinktur.

Den Franken zunächst kommen die Schützlinge
( Protetti ) , natürliche Unterthanen der Pforte, die aus
persönlichen Rücksichten von einer der europäischen in
der Levante ansäßigen Autoritäten ein Schutzpatent er-
halten haben. Anfänglich bezweckten diese Patente
Sicherung der Christen vor zu großer Beeinträchtigung.
Nachmals aber wurde mit denselben ein offener Miß-
brauch getrieben, der den euröpäischen Kanzlein eben
so unrühmlich war, als der Pforte, die ihre Unterthanen
ungestraft einbüßte. Heut zu Tage sind solche bürger-
liche Zwittergeschöpfe fast ganz überflüßig geworden.

Alleppiner giebt es in Konstantinopel nicht
viele. Man rühmt ihre Reichthümer, ihre Ehrlichkeit
und Biederkeit. Sie sind mehrentheils Kaufleute und
haben Kleidung und Sitten mit den Armeniern gemein.

Die katholische Religion genießt jetzt in Konstanti-
nopel denselben Schutz, den ihr die tolerantesten euro-
päischen Staaten zugestehen. Die Glocken laden die
Gläubigen zur Kirche, die Todten werden bei hellem
Tage, unter Vortragung eines Kreuzes und begleitet
von Priestern, die mit lauter Stimme Psalmen singen,
[Ende Spaltensatz]

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Der häretische Patriarch resi- dirt in dem Stadtviertel Samatia, zunächst den Sie- ben=Thürmen. Den katholischen Armeniern hat Mah- mud einen andern Patriarchen bewilligt, der in Galata residirt, und dieselbe Gerichtsbarkeit ausübt. Die ursprünglich Rumelischen Griechen ( Rume- lioten ) waren in Konstantinopel sehr zahlreich. Vor dem griechischen Freiheitskampfe nahmen sie Theil an der Regierung und besaßen große Reichthümer Jetzt wird der Fanale ( Fanar ) , eine Vorstadt am Meere, wo die griechische Noblesse zu wohnen pflegte, wieder bevölkert. Die Ausgewanderten kehren freiwillig nach Konstantinopel zurück. Mit dem Kalpak ( einer großen orientalischen Feldmütze ) und dem Patente von Rajas zogen sie aus, und mit Pariser Modehüten und einem Passe, der sie für Russen, Engländer oder Franzosen erklärt, kommen sie wieder. Die Türken lächeln darü- ber, ignoriren die Mummerei, und rächen sich durch freundliche Behandlung. 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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 38. Breslau, 20. September 1834, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller38_1834/6>, abgerufen am 24.11.2024.