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Das Heller-Blatt. Nr. 37. Breslau, 13. September 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] Schicksal, sondern sie kommen, ohne selbst etwas da-
von zu wissen, durch einen Schlag aus der Welt."

Bei aller Barbarei dieses verschwundenen Gebrauchs
liegt noch etwas Menschliches in der Hinrichtung.



Rachsucht der Kukies.

Die Kukies in Hinter=Jndien sind von sehr rach-
gieriger Natur; stets muß Blut für Blut fließen.
Tödtet ein Tiger einen aus ihrer Mitte, so greift die
ganze Familie zu den Waffen, und begiebt sich auf den
Weg, das Thier zu verfolgen. Jst das Thier erlegt,
so geben die Verwandten des Verstorbenen ein Fest, bei
welchem das Fleisch des Tigers verzehrt wird. Jst die
Jagd das erste Mal ohne Erfolg, so darf die Familie
des Getödteten dieselbe nicht aufgeben, denn so lang
sie nicht diesen oder einen andern Tiger erlegt und von
seinem Fleische einen Schmaus gegeben hat, steht sie
in dem ganzen Dorfe in Unehren, und darf mit den
übrigen Bewohnern keinen Verkehr haben. Eben so
darf, wenn ein Tiger Einen auf der Jagd getödtet hat,
die ganze Gesellschaft nicht eher zurückkehren, als bis
das Raubthier erlegt worden. Eine noch seltsamere
Aeußerung der Rachsucht ist es, daß, wenn ein Mann
durch zufälligen Fall von einem Baume getödtet wird,
alle seine Verwandten sich versammeln und den Baum
gemeinschaftlich fällen; und so groß er auch seyn mag -
sie hauen ihn in kleine Späne - welche sie in alle
Winde streuen, weil er - wie sie sagen - die Ursache
des Todes von einem ihrer Brüder gewesen ist.



Das Stricken.

Wenn eine Kunst einmal erfunden ist? Wer achtet
dann ihres Urhebers? Je leichter dieser die Mittel
machte, je mehr er den Weg ebnete, auf dem man zum
Ziele gelangt, desto weniger darf er darauf rechnen,
seines Namens Gedächtniß in das Herz der undankba-
ren, gleichgültigen Nachkommen gegraben zu haben.

Das Stricken ist Sache jedes Altagsmenschen,
die Erfindung gehörte, wie der gelehrte Schlötzer sich
ausdrückt, einem Göttergenie an. Spinnen und We-
ben war dem grauen Alterthum jeder Nation bekannt,
der Deutsche selbst ließ vor 1000 Jahren schon durch
seine Weber weben, aber stricken? - Etwas über
300 Jahre sind es, seitdem sich Spuren seiner Existenz
finden. Wie schade, daß Niemand dankbar den Namen
des, der es erfand bewahrte. Alle neuern Völker strei-
ten um die Ehre, es erfunden zu haben, doch keines kann
es darthun, daß sie ihm gebühre.

Eine lange Zeit war das Stricken eine Beschäfti-
gung der Männer. Jn Paris ward 1527 den Strik-
kern das Recht einer Jnnung gewährt, sie führten den
[Spaltenumbruch] Namen Maitres bonetiers au tricot. Ein Beweis,
daß man damals wohl in Frankreich mehr Mützen als
Strümpfe strickte.

Dagegen ward in Deutschland 1550 der Hosen-
Stricker Eewähnung gethan. Wahrscheinlich strickten
sie eine Art Pantalons.

Die Stricker verwandelten sich nach und nach in
Strickerinnen, und schon 1577 war in England wenig-
stens das Stricken eine Arbeit alter Bauernweiber.



Woche.

14. September 1792. Die Franzosen unter Dümouriez
werden von den Preußen unter Herzog Ferdinand
von Braunschweig bei Grandpr e geschlagen.

- September 1793. Die Preußen unter Karl Wil-
helm Ferdinand von Braunschweig schlagen die
Franzosen unter Moreau, bei Pirmasens.

14. und 15. September 1812. Moskau wird auf Be-
fehl des Statthalters Rostopschin an 500 Orten
in Brand gesteckt. Von 9200 Häusern bleiben
nur 2626 stehen. Die Franzosen räumen die
Stadt.

17. September 1809. Friede zwischen Rußland und
Schweden, in welchem das erstere Finnland er-
wirbt.

20. September 1788. General Lascy wird von den
Türken bei Zlatina in der Slavonischen Militair-
grenze geschlagen.



Die Juden in Persien.

Jn keinem Lande auf Erden leben die Juden so
gedrückt, wie in Persien. Jhre Häuser gleichen von
Außen mehr den Höhlen wilder Thiere, als Menschen-
wohnungen, und in dem Stadtviertel, das sie bewoh-
nen, lebt kein anderer Mensch. Sie machen ihre Haus-
thüren so niedrig, daß die kleinste Person sich bücken
muß, wenn sie hinein will.

Dies schützt sie vor den lästigen Besuchen persischer
Reiter, die sonst kein Bedenken tragen würden, sammt
ihren Pferden in das Haus einzudringen. Kein Mensch
schont ihrer, und niemals ist ein persischer Jude zu
einem höhern Amte befördert worden.

"Wir besuchten eines Sonnabends," erzählt der
Reisende Conolly, "die jüdische Synagoge, und die
Rabbi's waren so gutherzig, daß sie uns Alles zeigten,
wovon sie glaubten, es würde uns interessant seyn.
Die Synagoge war ein viereckiges Gebäude. An zwei
Seiten derselben befand sich eine Gallerie mit einer Ver-
gitterung, hinter welcher die Frauen saßen. Jm Mit-
telpunkt des Raumes standen vier Pfeiler, hinter denen
man auf Stufen zum Altar kam. Der sehr unharmo-
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] Schicksal, sondern sie kommen, ohne selbst etwas da-
von zu wissen, durch einen Schlag aus der Welt.“

Bei aller Barbarei dieses verschwundenen Gebrauchs
liegt noch etwas Menschliches in der Hinrichtung.



Rachsucht der Kukies.

Die Kukies in Hinter=Jndien sind von sehr rach-
gieriger Natur; stets muß Blut für Blut fließen.
Tödtet ein Tiger einen aus ihrer Mitte, so greift die
ganze Familie zu den Waffen, und begiebt sich auf den
Weg, das Thier zu verfolgen. Jst das Thier erlegt,
so geben die Verwandten des Verstorbenen ein Fest, bei
welchem das Fleisch des Tigers verzehrt wird. Jst die
Jagd das erste Mal ohne Erfolg, so darf die Familie
des Getödteten dieselbe nicht aufgeben, denn so lang
sie nicht diesen oder einen andern Tiger erlegt und von
seinem Fleische einen Schmaus gegeben hat, steht sie
in dem ganzen Dorfe in Unehren, und darf mit den
übrigen Bewohnern keinen Verkehr haben. Eben so
darf, wenn ein Tiger Einen auf der Jagd getödtet hat,
die ganze Gesellschaft nicht eher zurückkehren, als bis
das Raubthier erlegt worden. Eine noch seltsamere
Aeußerung der Rachsucht ist es, daß, wenn ein Mann
durch zufälligen Fall von einem Baume getödtet wird,
alle seine Verwandten sich versammeln und den Baum
gemeinschaftlich fällen; und so groß er auch seyn mag –
sie hauen ihn in kleine Späne – welche sie in alle
Winde streuen, weil er – wie sie sagen – die Ursache
des Todes von einem ihrer Brüder gewesen ist.



Das Stricken.

Wenn eine Kunst einmal erfunden ist? Wer achtet
dann ihres Urhebers? Je leichter dieser die Mittel
machte, je mehr er den Weg ebnete, auf dem man zum
Ziele gelangt, desto weniger darf er darauf rechnen,
seines Namens Gedächtniß in das Herz der undankba-
ren, gleichgültigen Nachkommen gegraben zu haben.

Das Stricken ist Sache jedes Altagsmenschen,
die Erfindung gehörte, wie der gelehrte Schlötzer sich
ausdrückt, einem Göttergenie an. Spinnen und We-
ben war dem grauen Alterthum jeder Nation bekannt,
der Deutsche selbst ließ vor 1000 Jahren schon durch
seine Weber weben, aber stricken? – Etwas über
300 Jahre sind es, seitdem sich Spuren seiner Existenz
finden. Wie schade, daß Niemand dankbar den Namen
des, der es erfand bewahrte. Alle neuern Völker strei-
ten um die Ehre, es erfunden zu haben, doch keines kann
es darthun, daß sie ihm gebühre.

Eine lange Zeit war das Stricken eine Beschäfti-
gung der Männer. Jn Paris ward 1527 den Strik-
kern das Recht einer Jnnung gewährt, sie führten den
[Spaltenumbruch] Namen Maitres bonetiers au tricot. Ein Beweis,
daß man damals wohl in Frankreich mehr Mützen als
Strümpfe strickte.

Dagegen ward in Deutschland 1550 der Hosen-
Stricker Eewähnung gethan. Wahrscheinlich strickten
sie eine Art Pantalons.

Die Stricker verwandelten sich nach und nach in
Strickerinnen, und schon 1577 war in England wenig-
stens das Stricken eine Arbeit alter Bauernweiber.



Woche.

14. September 1792. Die Franzosen unter Dümouriez
werden von den Preußen unter Herzog Ferdinand
von Braunschweig bei Grandpr é geschlagen.

– September 1793. Die Preußen unter Karl Wil-
helm Ferdinand von Braunschweig schlagen die
Franzosen unter Moreau, bei Pirmasens.

14. und 15. September 1812. Moskau wird auf Be-
fehl des Statthalters Rostopschin an 500 Orten
in Brand gesteckt. Von 9200 Häusern bleiben
nur 2626 stehen. Die Franzosen räumen die
Stadt.

17. September 1809. Friede zwischen Rußland und
Schweden, in welchem das erstere Finnland er-
wirbt.

20. September 1788. General Lascy wird von den
Türken bei Zlatina in der Slavonischen Militair-
grenze geschlagen.



Die Juden in Persien.

Jn keinem Lande auf Erden leben die Juden so
gedrückt, wie in Persien. Jhre Häuser gleichen von
Außen mehr den Höhlen wilder Thiere, als Menschen-
wohnungen, und in dem Stadtviertel, das sie bewoh-
nen, lebt kein anderer Mensch. Sie machen ihre Haus-
thüren so niedrig, daß die kleinste Person sich bücken
muß, wenn sie hinein will.

Dies schützt sie vor den lästigen Besuchen persischer
Reiter, die sonst kein Bedenken tragen würden, sammt
ihren Pferden in das Haus einzudringen. Kein Mensch
schont ihrer, und niemals ist ein persischer Jude zu
einem höhern Amte befördert worden.

„Wir besuchten eines Sonnabends,“ erzählt der
Reisende Conolly, „die jüdische Synagoge, und die
Rabbi's waren so gutherzig, daß sie uns Alles zeigten,
wovon sie glaubten, es würde uns interessant seyn.
Die Synagoge war ein viereckiges Gebäude. An zwei
Seiten derselben befand sich eine Gallerie mit einer Ver-
gitterung, hinter welcher die Frauen saßen. Jm Mit-
telpunkt des Raumes standen vier Pfeiler, hinter denen
man auf Stufen zum Altar kam. Der sehr unharmo-
[Ende Spaltensatz]

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[295/0007] Das Heller=Blatt. Schicksal, sondern sie kommen, ohne selbst etwas da- von zu wissen, durch einen Schlag aus der Welt.“ Bei aller Barbarei dieses verschwundenen Gebrauchs liegt noch etwas Menschliches in der Hinrichtung. Rachsucht der Kukies. Die Kukies in Hinter=Jndien sind von sehr rach- gieriger Natur; stets muß Blut für Blut fließen. Tödtet ein Tiger einen aus ihrer Mitte, so greift die ganze Familie zu den Waffen, und begiebt sich auf den Weg, das Thier zu verfolgen. Jst das Thier erlegt, so geben die Verwandten des Verstorbenen ein Fest, bei welchem das Fleisch des Tigers verzehrt wird. Jst die Jagd das erste Mal ohne Erfolg, so darf die Familie des Getödteten dieselbe nicht aufgeben, denn so lang sie nicht diesen oder einen andern Tiger erlegt und von seinem Fleische einen Schmaus gegeben hat, steht sie in dem ganzen Dorfe in Unehren, und darf mit den übrigen Bewohnern keinen Verkehr haben. Eben so darf, wenn ein Tiger Einen auf der Jagd getödtet hat, die ganze Gesellschaft nicht eher zurückkehren, als bis das Raubthier erlegt worden. Eine noch seltsamere Aeußerung der Rachsucht ist es, daß, wenn ein Mann durch zufälligen Fall von einem Baume getödtet wird, alle seine Verwandten sich versammeln und den Baum gemeinschaftlich fällen; und so groß er auch seyn mag – sie hauen ihn in kleine Späne – welche sie in alle Winde streuen, weil er – wie sie sagen – die Ursache des Todes von einem ihrer Brüder gewesen ist. Das Stricken. Wenn eine Kunst einmal erfunden ist? Wer achtet dann ihres Urhebers? Je leichter dieser die Mittel machte, je mehr er den Weg ebnete, auf dem man zum Ziele gelangt, desto weniger darf er darauf rechnen, seines Namens Gedächtniß in das Herz der undankba- ren, gleichgültigen Nachkommen gegraben zu haben. Das Stricken ist Sache jedes Altagsmenschen, die Erfindung gehörte, wie der gelehrte Schlötzer sich ausdrückt, einem Göttergenie an. Spinnen und We- ben war dem grauen Alterthum jeder Nation bekannt, der Deutsche selbst ließ vor 1000 Jahren schon durch seine Weber weben, aber stricken? – Etwas über 300 Jahre sind es, seitdem sich Spuren seiner Existenz finden. Wie schade, daß Niemand dankbar den Namen des, der es erfand bewahrte. Alle neuern Völker strei- ten um die Ehre, es erfunden zu haben, doch keines kann es darthun, daß sie ihm gebühre. Eine lange Zeit war das Stricken eine Beschäfti- gung der Männer. Jn Paris ward 1527 den Strik- kern das Recht einer Jnnung gewährt, sie führten den Namen Maitres bonetiers au tricot. Ein Beweis, daß man damals wohl in Frankreich mehr Mützen als Strümpfe strickte. Dagegen ward in Deutschland 1550 der Hosen- Stricker Eewähnung gethan. Wahrscheinlich strickten sie eine Art Pantalons. Die Stricker verwandelten sich nach und nach in Strickerinnen, und schon 1577 war in England wenig- stens das Stricken eine Arbeit alter Bauernweiber. Woche. 14. September 1792. Die Franzosen unter Dümouriez werden von den Preußen unter Herzog Ferdinand von Braunschweig bei Grandpr é geschlagen. – September 1793. Die Preußen unter Karl Wil- helm Ferdinand von Braunschweig schlagen die Franzosen unter Moreau, bei Pirmasens. 14. und 15. September 1812. Moskau wird auf Be- fehl des Statthalters Rostopschin an 500 Orten in Brand gesteckt. Von 9200 Häusern bleiben nur 2626 stehen. Die Franzosen räumen die Stadt. 17. September 1809. Friede zwischen Rußland und Schweden, in welchem das erstere Finnland er- wirbt. 20. September 1788. General Lascy wird von den Türken bei Zlatina in der Slavonischen Militair- grenze geschlagen. Die Juden in Persien. Jn keinem Lande auf Erden leben die Juden so gedrückt, wie in Persien. Jhre Häuser gleichen von Außen mehr den Höhlen wilder Thiere, als Menschen- wohnungen, und in dem Stadtviertel, das sie bewoh- nen, lebt kein anderer Mensch. Sie machen ihre Haus- thüren so niedrig, daß die kleinste Person sich bücken muß, wenn sie hinein will. Dies schützt sie vor den lästigen Besuchen persischer Reiter, die sonst kein Bedenken tragen würden, sammt ihren Pferden in das Haus einzudringen. Kein Mensch schont ihrer, und niemals ist ein persischer Jude zu einem höhern Amte befördert worden. „Wir besuchten eines Sonnabends,“ erzählt der Reisende Conolly, „die jüdische Synagoge, und die Rabbi's waren so gutherzig, daß sie uns Alles zeigten, wovon sie glaubten, es würde uns interessant seyn. Die Synagoge war ein viereckiges Gebäude. An zwei Seiten derselben befand sich eine Gallerie mit einer Ver- gitterung, hinter welcher die Frauen saßen. Jm Mit- telpunkt des Raumes standen vier Pfeiler, hinter denen man auf Stufen zum Altar kam. Der sehr unharmo-

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 37. Breslau, 13. September 1834, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller37_1834/7>, abgerufen am 28.11.2024.