Das Heller-Blatt. Nr. 35. Breslau, 30. August 1834.Das Heller=Blatt. [Beginn Spaltensatz]
so sehr in Barbarei verfallen, daß sie von ihrem eignenUrsprunge nichts angeben können, den man nie er- gründen konnte, und der selbst für die gebildeteren Cingalesen ein Gegenstand der Forschung ist. Diese Bedah's meiden jeden V[e]rkehr, außer mit denen ihrer eignen Stämme; daher ist es ein seltner Zufall, wenn man mit einem von ihnen in Berührung kommt; und wenn einige von den englischen Soldaten gefangen wur- den, welches zuweilen geschah, so zeigten sie sich so äußerst verstockt oder dumm, daß man nichts aus ihnen machen konnte. Sie sprechen einen Dialekt der einga- lesischen Sprache, und haben eine Art von Religion, die aber im höchsten Grade abgöttisch, einfältig und abergläubisch ist. Diese Barbaren findet man mehr oder weniger in allen den Theilen der Jnsel, die von menschlichen Wohnsitzen entfernt sind, doch bewohnen sie vorzüglich die Berge, die folglich weniger zugäng- lich und den Europäern weniger bekannt sind. Jhr einziges Subsistenzmittel ist die Jagd, in welcher sie außerordentlich geschickt sind, indem sie mit besonderer Behendigkeit Rothwild und anderes Wildpret fangen, woran ihre Wälder Ueberfluß haben. Jhre Geschick- lichkeit in dieser Uebung setzt wirklich in Erstaunen. Wenn die Jagd nicht gut geht, so stillen sie ihren Hun- ger mit den Früchten, die wild umher wachsen. Einige, die schon weniger wild sind, handeln mit den Candiern, indem sie Elfenbein, Honig und Wachs gegen Tuch, Eisen und Messer austauschen. Doch die Rambah- Bedah 's, die unbändigsten unter ihnen, lassen sich selt- ner sehen, als die wildesten Thiere. Sie schlafen un- ter Bäumen, und klettern bei drohenden Gefahren so furchtlos und schnell, wie die wilden Katzen. Eine portugiesische Hochzeit zu Kalkutta. Bei den Hochzeiten der Portugiesen in Kalkutta Die Witterung in England. Das Klima zu London zeichnet sich durch Feuchtig- [Ende Spaltensatz] Das Heller=Blatt. [Beginn Spaltensatz]
so sehr in Barbarei verfallen, daß sie von ihrem eignenUrsprunge nichts angeben können, den man nie er- gründen konnte, und der selbst für die gebildeteren Cingalesen ein Gegenstand der Forschung ist. Diese Bedah's meiden jeden V[e]rkehr, außer mit denen ihrer eignen Stämme; daher ist es ein seltner Zufall, wenn man mit einem von ihnen in Berührung kommt; und wenn einige von den englischen Soldaten gefangen wur- den, welches zuweilen geschah, so zeigten sie sich so äußerst verstockt oder dumm, daß man nichts aus ihnen machen konnte. Sie sprechen einen Dialekt der einga- lesischen Sprache, und haben eine Art von Religion, die aber im höchsten Grade abgöttisch, einfältig und abergläubisch ist. Diese Barbaren findet man mehr oder weniger in allen den Theilen der Jnsel, die von menschlichen Wohnsitzen entfernt sind, doch bewohnen sie vorzüglich die Berge, die folglich weniger zugäng- lich und den Europäern weniger bekannt sind. Jhr einziges Subsistenzmittel ist die Jagd, in welcher sie außerordentlich geschickt sind, indem sie mit besonderer Behendigkeit Rothwild und anderes Wildpret fangen, woran ihre Wälder Ueberfluß haben. Jhre Geschick- lichkeit in dieser Uebung setzt wirklich in Erstaunen. Wenn die Jagd nicht gut geht, so stillen sie ihren Hun- ger mit den Früchten, die wild umher wachsen. Einige, die schon weniger wild sind, handeln mit den Candiern, indem sie Elfenbein, Honig und Wachs gegen Tuch, Eisen und Messer austauschen. Doch die Rambah- Bedah 's, die unbändigsten unter ihnen, lassen sich selt- ner sehen, als die wildesten Thiere. Sie schlafen un- ter Bäumen, und klettern bei drohenden Gefahren so furchtlos und schnell, wie die wilden Katzen. Eine portugiesische Hochzeit zu Kalkutta. Bei den Hochzeiten der Portugiesen in Kalkutta Die Witterung in England. Das Klima zu London zeichnet sich durch Feuchtig- [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="275"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Heller=Blatt.</hi></fw><cb type="start"/> so sehr in Barbarei verfallen, daß sie von ihrem eignen<lb/> Ursprunge nichts angeben können, den man nie er-<lb/> gründen konnte, und der selbst für die gebildeteren<lb/> Cingalesen ein Gegenstand der Forschung ist. Diese<lb/> Bedah's meiden jeden V<supplied cert="high">e</supplied>rkehr, außer mit denen ihrer<lb/> eignen Stämme; daher ist es ein seltner Zufall, wenn<lb/> man mit einem von ihnen in Berührung kommt; und<lb/> wenn einige von den englischen Soldaten gefangen wur-<lb/> den, welches zuweilen geschah, so zeigten sie sich so<lb/> äußerst verstockt oder dumm, daß man nichts aus ihnen<lb/> machen konnte. 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Alle Freunde des jungen<lb/> Paares geben ihr Scherflein her, oder stellen sich we-<lb/> nigstens zum Schmause ein, und eine alte Frau, der<lb/> ein Kind irgend eine Gefälligkeit erwiesen hat, pflegt<lb/> sich mit den Worten zu bedanken: „Möchte ich nur so<lb/> lange leben, daß ich den Pillau ( ein Reisgericht ) zu Dei-<lb/> ner Hochzeit kochen kann!“ Ein großes Haus wird<lb/> auf drei Tage gemiethet, und so prächtig als möglich<lb/> ausgeschmückt. Den Eingang ziert ein Triumphbogen<lb/> aus Plantanen=Stämmen und Palmyrablättern, und<lb/> nicht weit vom Hause st<supplied cert="high">e</supplied>ht eine ähnliche Ehrenpforte,<lb/> die der Zug zu passiren hat, wenn er sich nach der<lb/> Kirche oder von da zurückbewegt. Am Trauungstage<lb/><cb n="2"/> wird die Braut gewöhnlich in einer Sänfte nach der<lb/> Kirche getragen. Sie selbst trägt so vielen Schmuck,<lb/> als ihre Freunde herbeischaffen können. Den ganzen<lb/> Tag zeigt sie, der Etikette gemäß, eine musterhafte Zu-<lb/> rückhaltung und mädchenhafte Verschämtheit. Am<lb/> Thor der Kirche empfängt der Priester das Paar; er<lb/> knüpft während der Trauung die Hand der Braut mit<lb/> der des Bräutigams zusammen. Auf dem Heimwege<lb/> stößt ein Trupp indischer Sänger, den uralten Hymnus<lb/><hi rendition="#g">Scheddi mubarek</hi> ( gesegnete Vereinigung ) singend,<lb/> zur Prozession. Jn diesem Augenblicke muß die Mut-<lb/> ter der Braut ein klägliches Geheul anstimmen, und so<lb/> lange fortsetzen, bis die Hymne zu Ende ist. Es lautet<lb/> dies ungefähr, wie eine, mit Hundegeheul begleitete<lb/> lä<supplied cert="high">rm</supplied>ende Musik. Endlich kommt Alles zur Ruhe und<lb/> die Hochzeitfeier nimmt ihren Anfang. Die Braut sitzt<lb/> in Galla unter einem Baldachin aus Bambusstäben,<lb/> der mit Goldpapier überzogen ist. Jeder Freund er-<lb/> hält beim Hereintreten einen Strauß und einen Blumen-<lb/> kran<supplied cert="high">z</supplied>, und wird dem jungen Paare vorgestellt. Alle<lb/> anwesenden Frauenzimmer küssen den Bräutigam zärt-<lb/> lich. Erscheint eine ehrenwerthe weibliche Verwandte,<lb/> so küßt ihr die Braut die Hände und bittet um ihren<lb/> Segen, welcher mit dem Zeichen des Kreuzes ertheilt<lb/> wird. Wenn alle Gäste sich niedergelassen haben, so<lb/> reicht man Thee und Zuckerwerk herum. Die Possen-<lb/> reißer und Sänger bleiben immer in Thätigkeit, und<lb/> verschwinden erst, wenn der nächste Tag graut. Beim<lb/> Abendessen sitzen Braut und Bräutigam an entgegenge-<lb/> setzten Enden des Tisches, und wenn es Zeit ist, so<lb/> trinken sie einander zu. Dann bringt ein beredter Gast<lb/> die erste und letzte Gesundheit der Neuvermählten aus.<lb/> Ehe die ganze Gesellschaft aufbricht, darf Niemand<lb/> nach Hause gehen; die Thüren werden doppelt verrie-<lb/> gelt, und Jeder muß froher Laune seyn, er stelle sich<lb/> nun wie er wolle.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Die Witterung in England</hi>.</hi> </head><lb/> <p>Das Klima zu London zeichnet sich durch Feuchtig-<lb/> keit und große Veränderlichkeit aus. Jn der Regel<lb/> werden 65 Schnee= oder Regentage, 120 heitere und<lb/> 180 vermischte und trockene gezählt. Unter den letztern<lb/> sind 50 bis 60, wo die Sonne gar nicht, und 120 bis<lb/> 130, wo sie nur auf kurze Zeit zum Vorschein kommt.<lb/> Die Winde wechseln, besonders in den Herbst= und<lb/> Wintermonaten wohl zwanzigmal des Tages ab, die<lb/> herrschendsten sind der Nord= und Südwest. Die<lb/> Winter sind gewöhnlich ziemlich mild, die Felder, die<lb/> Wiesen bleiben fast immer grün, und die kleinen Flüsse<lb/> frieren sehr selten zu. Der Frühling zeigt sich schon<lb/> im Februar, die Temperatur ist sehr angenehm. Der<lb/> Sommer ist abwechselnd und oft sehr heiß. Die erste<lb/> Hälfte des Herbstes aber außerordentlich lieblich.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [275/0003]
Das Heller=Blatt.
so sehr in Barbarei verfallen, daß sie von ihrem eignen
Ursprunge nichts angeben können, den man nie er-
gründen konnte, und der selbst für die gebildeteren
Cingalesen ein Gegenstand der Forschung ist. Diese
Bedah's meiden jeden Verkehr, außer mit denen ihrer
eignen Stämme; daher ist es ein seltner Zufall, wenn
man mit einem von ihnen in Berührung kommt; und
wenn einige von den englischen Soldaten gefangen wur-
den, welches zuweilen geschah, so zeigten sie sich so
äußerst verstockt oder dumm, daß man nichts aus ihnen
machen konnte. Sie sprechen einen Dialekt der einga-
lesischen Sprache, und haben eine Art von Religion,
die aber im höchsten Grade abgöttisch, einfältig und
abergläubisch ist. Diese Barbaren findet man mehr
oder weniger in allen den Theilen der Jnsel, die von
menschlichen Wohnsitzen entfernt sind, doch bewohnen
sie vorzüglich die Berge, die folglich weniger zugäng-
lich und den Europäern weniger bekannt sind. Jhr
einziges Subsistenzmittel ist die Jagd, in welcher sie
außerordentlich geschickt sind, indem sie mit besonderer
Behendigkeit Rothwild und anderes Wildpret fangen,
woran ihre Wälder Ueberfluß haben. Jhre Geschick-
lichkeit in dieser Uebung setzt wirklich in Erstaunen.
Wenn die Jagd nicht gut geht, so stillen sie ihren Hun-
ger mit den Früchten, die wild umher wachsen. Einige,
die schon weniger wild sind, handeln mit den Candiern,
indem sie Elfenbein, Honig und Wachs gegen Tuch,
Eisen und Messer austauschen. Doch die Rambah-
Bedah 's, die unbändigsten unter ihnen, lassen sich selt-
ner sehen, als die wildesten Thiere. Sie schlafen un-
ter Bäumen, und klettern bei drohenden Gefahren so
furchtlos und schnell, wie die wilden Katzen.
Eine portugiesische Hochzeit zu
Kalkutta.
Bei den Hochzeiten der Portugiesen in Kalkutta
wählt sich jeder Theil vor dem Tage der Trauung seine
Brautführer und Brautführerinnen, welche den Pomp
und alle Lustbarkeiten anordnen. Oft liefern sie auch
Beiträge zum Feste, ein paar Dutzend Flaschen Wein,
den Hochzeitschmuck der Braut, oder z. B. die Blumen,
die beim Feste nöthig sind. Alle Freunde des jungen
Paares geben ihr Scherflein her, oder stellen sich we-
nigstens zum Schmause ein, und eine alte Frau, der
ein Kind irgend eine Gefälligkeit erwiesen hat, pflegt
sich mit den Worten zu bedanken: „Möchte ich nur so
lange leben, daß ich den Pillau ( ein Reisgericht ) zu Dei-
ner Hochzeit kochen kann!“ Ein großes Haus wird
auf drei Tage gemiethet, und so prächtig als möglich
ausgeschmückt. Den Eingang ziert ein Triumphbogen
aus Plantanen=Stämmen und Palmyrablättern, und
nicht weit vom Hause steht eine ähnliche Ehrenpforte,
die der Zug zu passiren hat, wenn er sich nach der
Kirche oder von da zurückbewegt. Am Trauungstage
wird die Braut gewöhnlich in einer Sänfte nach der
Kirche getragen. Sie selbst trägt so vielen Schmuck,
als ihre Freunde herbeischaffen können. Den ganzen
Tag zeigt sie, der Etikette gemäß, eine musterhafte Zu-
rückhaltung und mädchenhafte Verschämtheit. Am
Thor der Kirche empfängt der Priester das Paar; er
knüpft während der Trauung die Hand der Braut mit
der des Bräutigams zusammen. Auf dem Heimwege
stößt ein Trupp indischer Sänger, den uralten Hymnus
Scheddi mubarek ( gesegnete Vereinigung ) singend,
zur Prozession. Jn diesem Augenblicke muß die Mut-
ter der Braut ein klägliches Geheul anstimmen, und so
lange fortsetzen, bis die Hymne zu Ende ist. Es lautet
dies ungefähr, wie eine, mit Hundegeheul begleitete
lärmende Musik. Endlich kommt Alles zur Ruhe und
die Hochzeitfeier nimmt ihren Anfang. Die Braut sitzt
in Galla unter einem Baldachin aus Bambusstäben,
der mit Goldpapier überzogen ist. Jeder Freund er-
hält beim Hereintreten einen Strauß und einen Blumen-
kranz, und wird dem jungen Paare vorgestellt. Alle
anwesenden Frauenzimmer küssen den Bräutigam zärt-
lich. Erscheint eine ehrenwerthe weibliche Verwandte,
so küßt ihr die Braut die Hände und bittet um ihren
Segen, welcher mit dem Zeichen des Kreuzes ertheilt
wird. Wenn alle Gäste sich niedergelassen haben, so
reicht man Thee und Zuckerwerk herum. Die Possen-
reißer und Sänger bleiben immer in Thätigkeit, und
verschwinden erst, wenn der nächste Tag graut. Beim
Abendessen sitzen Braut und Bräutigam an entgegenge-
setzten Enden des Tisches, und wenn es Zeit ist, so
trinken sie einander zu. Dann bringt ein beredter Gast
die erste und letzte Gesundheit der Neuvermählten aus.
Ehe die ganze Gesellschaft aufbricht, darf Niemand
nach Hause gehen; die Thüren werden doppelt verrie-
gelt, und Jeder muß froher Laune seyn, er stelle sich
nun wie er wolle.
Die Witterung in England.
Das Klima zu London zeichnet sich durch Feuchtig-
keit und große Veränderlichkeit aus. Jn der Regel
werden 65 Schnee= oder Regentage, 120 heitere und
180 vermischte und trockene gezählt. Unter den letztern
sind 50 bis 60, wo die Sonne gar nicht, und 120 bis
130, wo sie nur auf kurze Zeit zum Vorschein kommt.
Die Winde wechseln, besonders in den Herbst= und
Wintermonaten wohl zwanzigmal des Tages ab, die
herrschendsten sind der Nord= und Südwest. Die
Winter sind gewöhnlich ziemlich mild, die Felder, die
Wiesen bleiben fast immer grün, und die kleinen Flüsse
frieren sehr selten zu. Der Frühling zeigt sich schon
im Februar, die Temperatur ist sehr angenehm. Der
Sommer ist abwechselnd und oft sehr heiß. Die erste
Hälfte des Herbstes aber außerordentlich lieblich.
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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
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