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Das Heller-Blatt. Nr. 25. Breslau, 21. Juni 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] eine Art Schleppkleid, nach hinten große aufgesteifte
Bauschen, die vorn durch strickartig gewundene Faden
festgehalten wurden. Der Kopfputz bestand aus einem
Strohhut, in welchem Blumen staken, und die Brust
war mit kleinen Fellen züchtig bedeckt. Dergleichen
Tänze sind heut noch in diesem Jnsellande gebräuchlich
und häufig, da das Volk zu den gemüthlichsten der
Südsee=Jnseln gehört.



Die türkischen Visitatoren.

Ein Engländer, der in Kars mit einer Türkin Lieb-
schaft angesponnen hatte, und deshalb fliehen mußte,
ließ sein Gepäck in den Händen seiner Verfolger. Die
türkischen Beamten gruppirten sich, um den Nachlaß
zu visitiren.

Zuvörderst ward der ganze Jnhalt des Mantelsacks
ausgeleert. Er enthielt vornehmlich die Kleider des
Flüchtlings. So dann wickelte man Alles auseinander,
Leibröcke, Ueberröcke, Hemden und Strümpfe, wel-
ches Alles die Gegenwärtigen mit einem stummen Er-
staunen erfüllte. Man sah nicht ein, wie es möglich
sei, daß ein Mann so viel Sachen mit sich führen
könne, deren Gebrauch man nicht zu errathen ver-
mochte. Besonders bewunderten die Türken die glän-
zenden Schönheiten einer Uniform, in welcher ihr Ei-
genthümer bei Hofe zu erscheinen pflegte; aber als sie
gar ein Paar lederne Beinkleider gewahrten, war es
auch für den Witz der Gelehrtesten unter ihnen eine zu
schwere Aufgabe, die mögliche Bestimmung dieses nie
geschauten Dinges zu enträthseln. Denn ihre eigenen
Pumphosen, die wie zwei weite Müller=Säcke mit Lö-
chern am Ende aussehen, durch die sie die Füße stecken,
gleichen diesen engen ledernen Schläuchen in keiner
Weise. Man wandte das Ding nach hinten und vorn,
nach allen Seiten. Der Mufti kam zuerst auf den Ge-
danken, es müsse ein Luxus=Artikel ganz eigener Art
seyn, und forderte einen bärtigen Schochadar auf, seine
Ansicht darüber mitzutheilen. Dieser aber stand still,
in den Anblick des seltsamen Dinges versunken, und
wußte nicht aus noch ein. Der Mufti kam auf den
Einfall, es möchte ein Kopfputz seyn, und somit stülpte
er dem alten Mann die Lederhosen über den Kopf. Die
langen Theile fielen ihm zu beiden Seiten herab, und
der Mann mit dem bärtigen Antlitz mochte wie Herku-
les aussehn, als er die Löwenhaut um seine Schultern
warf. "Barikallah! gelobt sei Allah!" rief der
Mufti aus, "ich hab' es gefunden, vielleicht sind dies
Jnsignien eines englischen Paschas von zwei Roßschwei-
fen." "Alferin! wohlgesprochen!" pflichteten die
Gerichtspersonen bei, die zugegen waren. Aber der
Pascha war anderer Ansicht; er betrachtete die Bein-
kleider von einem ganz andern Standpunkte, und mit-
hin mußten sie ihm in durchaus verschiedenem Lichte er-
[Spaltenumbruch] scheinen. "Wozu kann das Ding anders bestimmt
seyn," sagte er, indem sein träges Auge sich erleuch-
tete, "wozu anders, als zu Weinen? dies ist vielleicht
die Haut eines europäischen Thieres. Die Franken
trinken Wein, und bewahren ihren Wein in Häuten
oder Schläuchen auf, wie unsere eigenen Ungläubigen
ebenfalls zu thun pflegen. Jst es nicht so?" fragte
er, sich zu Bogos, dem Armenier, wendend. "Ganz,
wie Eure Hoheit es befohlen haben, so ist es!" sagte
dieser. "Wohlan denn," fuhr der Pascha, über seine
Entdeckung vergnügt, fort: "Diese Haut hat bis jetzt
Wein enthalten, wir wollen sie zu Wasser benutzen.
Geht und laßt den Saka sie mit Wasser füllen." Ge-
sagt, gethan. Nach wenigen Tagen sah man die eng-
lischen Beinkleider auf dem Rücken eines Wasserträgers
durch die Stadt paradiren. Heimlich flüsterte man
sich jedoch zu, daß sie nicht lange nachher zu dem Ge-
brauche, zu dem sie der Pascha gleich anfangs bestimmt
hatte, verwendet, und Sr. Hoheit Lieblingsweine
darin transportirt würden.

Jn dem Deckel=Behälter des Mantelsacks entdeck-
ten die türkischen Visitatoren außerdem einen Stiefel-
knecht und ein Paar stählerne Stiefelanzieher. Diese
Artikel setzten den türkischen Witz abermals auf eine
harte Probe. Wie wäre es auch möglich gewesen, daß
sie so seltsame Maschinerien mit einem Paar Stiefeln
nach ihrer Art in Verbindung gebracht hätten, da sie
in ihr Schuhwerk mit den Füßen so leicht hinein= und
herausfahren, wie man eine bequeme Schlafmütze auf-
und absetzt. Sie wähnten anfangs, die Dinge seyen
Jnstrumente für nekromantischen oder astrologischen
Gebrauch, zuletzt meinte man, es seyen Werkzeuge zur
Tortur, und was scheint passender als die Stiefel-
hacken, um den Daumen zu quetschen, die Fingerge-
lenke zu zerbrechen oder die Augen auszuhöhlen? So
mußte es seyn, es blieb kein Zweifel übrig, und der
Pascha befahl seinem Lieblings=Schreiber, die Faust
zwischen die hervortretenden Spitzen des Stiefelknechts
versuchsweise zu legen, was er auch mit innerlichem
Widerstreben that. Zugleich schrie er aber laut auf,
als wenn die Gabel zusammenfaßte, und lautes Ge-
lächter belohnte seinen Heldenmuth. Die Jnstrumente
selbst wurden dann dem Scharfrichter übergeben, sie
bei nächster Gelegenheit praktisch zu prüfen. Darauf
begann man, den Jnhalt eines Garderobe=Kästchens
zu untersuchen. Jedermann glaubte beim Anblick der
vielen Flaschen, er fände Delikatessen für den Gaumen.
Man versuchte Eau de Cologne, Eau de Lavande,
und konnten sich nicht denken, wie die Franken hieran
Wohlgeschmack finden könnten. Aber wer möchte das
Gesicht beschreiben, das der Pascha machte, als er,
durch die glänzende Farbe angelockt, aus einer Flasche
voll Myrrhen=Tinktur einen kräftigen Zug that! Der
Mufti, ein Mann, der nie lachte, außer wenn er sei-
nen Amtsgenossen in Verlegenheit sah, konnte den
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] eine Art Schleppkleid, nach hinten große aufgesteifte
Bauschen, die vorn durch strickartig gewundene Faden
festgehalten wurden. Der Kopfputz bestand aus einem
Strohhut, in welchem Blumen staken, und die Brust
war mit kleinen Fellen züchtig bedeckt. Dergleichen
Tänze sind heut noch in diesem Jnsellande gebräuchlich
und häufig, da das Volk zu den gemüthlichsten der
Südsee=Jnseln gehört.



Die türkischen Visitatoren.

Ein Engländer, der in Kars mit einer Türkin Lieb-
schaft angesponnen hatte, und deshalb fliehen mußte,
ließ sein Gepäck in den Händen seiner Verfolger. Die
türkischen Beamten gruppirten sich, um den Nachlaß
zu visitiren.

Zuvörderst ward der ganze Jnhalt des Mantelsacks
ausgeleert. Er enthielt vornehmlich die Kleider des
Flüchtlings. So dann wickelte man Alles auseinander,
Leibröcke, Ueberröcke, Hemden und Strümpfe, wel-
ches Alles die Gegenwärtigen mit einem stummen Er-
staunen erfüllte. Man sah nicht ein, wie es möglich
sei, daß ein Mann so viel Sachen mit sich führen
könne, deren Gebrauch man nicht zu errathen ver-
mochte. Besonders bewunderten die Türken die glän-
zenden Schönheiten einer Uniform, in welcher ihr Ei-
genthümer bei Hofe zu erscheinen pflegte; aber als sie
gar ein Paar lederne Beinkleider gewahrten, war es
auch für den Witz der Gelehrtesten unter ihnen eine zu
schwere Aufgabe, die mögliche Bestimmung dieses nie
geschauten Dinges zu enträthseln. Denn ihre eigenen
Pumphosen, die wie zwei weite Müller=Säcke mit Lö-
chern am Ende aussehen, durch die sie die Füße stecken,
gleichen diesen engen ledernen Schläuchen in keiner
Weise. Man wandte das Ding nach hinten und vorn,
nach allen Seiten. Der Mufti kam zuerst auf den Ge-
danken, es müsse ein Luxus=Artikel ganz eigener Art
seyn, und forderte einen bärtigen Schochadar auf, seine
Ansicht darüber mitzutheilen. Dieser aber stand still,
in den Anblick des seltsamen Dinges versunken, und
wußte nicht aus noch ein. Der Mufti kam auf den
Einfall, es möchte ein Kopfputz seyn, und somit stülpte
er dem alten Mann die Lederhosen über den Kopf. Die
langen Theile fielen ihm zu beiden Seiten herab, und
der Mann mit dem bärtigen Antlitz mochte wie Herku-
les aussehn, als er die Löwenhaut um seine Schultern
warf. „Barikallah! gelobt sei Allah!“ rief der
Mufti aus, „ich hab' es gefunden, vielleicht sind dies
Jnsignien eines englischen Paschas von zwei Roßschwei-
fen.“ „Alferin! wohlgesprochen!“ pflichteten die
Gerichtspersonen bei, die zugegen waren. Aber der
Pascha war anderer Ansicht; er betrachtete die Bein-
kleider von einem ganz andern Standpunkte, und mit-
hin mußten sie ihm in durchaus verschiedenem Lichte er-
[Spaltenumbruch] scheinen. „Wozu kann das Ding anders bestimmt
seyn,“ sagte er, indem sein träges Auge sich erleuch-
tete, „wozu anders, als zu Weinen? dies ist vielleicht
die Haut eines europäischen Thieres. Die Franken
trinken Wein, und bewahren ihren Wein in Häuten
oder Schläuchen auf, wie unsere eigenen Ungläubigen
ebenfalls zu thun pflegen. Jst es nicht so?“ fragte
er, sich zu Bogos, dem Armenier, wendend. „Ganz,
wie Eure Hoheit es befohlen haben, so ist es!“ sagte
dieser. „Wohlan denn,“ fuhr der Pascha, über seine
Entdeckung vergnügt, fort: „Diese Haut hat bis jetzt
Wein enthalten, wir wollen sie zu Wasser benutzen.
Geht und laßt den Saka sie mit Wasser füllen.“ Ge-
sagt, gethan. Nach wenigen Tagen sah man die eng-
lischen Beinkleider auf dem Rücken eines Wasserträgers
durch die Stadt paradiren. Heimlich flüsterte man
sich jedoch zu, daß sie nicht lange nachher zu dem Ge-
brauche, zu dem sie der Pascha gleich anfangs bestimmt
hatte, verwendet, und Sr. Hoheit Lieblingsweine
darin transportirt würden.

Jn dem Deckel=Behälter des Mantelsacks entdeck-
ten die türkischen Visitatoren außerdem einen Stiefel-
knecht und ein Paar stählerne Stiefelanzieher. Diese
Artikel setzten den türkischen Witz abermals auf eine
harte Probe. Wie wäre es auch möglich gewesen, daß
sie so seltsame Maschinerien mit einem Paar Stiefeln
nach ihrer Art in Verbindung gebracht hätten, da sie
in ihr Schuhwerk mit den Füßen so leicht hinein= und
herausfahren, wie man eine bequeme Schlafmütze auf-
und absetzt. Sie wähnten anfangs, die Dinge seyen
Jnstrumente für nekromantischen oder astrologischen
Gebrauch, zuletzt meinte man, es seyen Werkzeuge zur
Tortur, und was scheint passender als die Stiefel-
hacken, um den Daumen zu quetschen, die Fingerge-
lenke zu zerbrechen oder die Augen auszuhöhlen? So
mußte es seyn, es blieb kein Zweifel übrig, und der
Pascha befahl seinem Lieblings=Schreiber, die Faust
zwischen die hervortretenden Spitzen des Stiefelknechts
versuchsweise zu legen, was er auch mit innerlichem
Widerstreben that. Zugleich schrie er aber laut auf,
als wenn die Gabel zusammenfaßte, und lautes Ge-
lächter belohnte seinen Heldenmuth. Die Jnstrumente
selbst wurden dann dem Scharfrichter übergeben, sie
bei nächster Gelegenheit praktisch zu prüfen. Darauf
begann man, den Jnhalt eines Garderobe=Kästchens
zu untersuchen. Jedermann glaubte beim Anblick der
vielen Flaschen, er fände Delikatessen für den Gaumen.
Man versuchte Eau de Cologne, Eau de Lavande,
und konnten sich nicht denken, wie die Franken hieran
Wohlgeschmack finden könnten. Aber wer möchte das
Gesicht beschreiben, das der Pascha machte, als er,
durch die glänzende Farbe angelockt, aus einer Flasche
voll Myrrhen=Tinktur einen kräftigen Zug that! Der
Mufti, ein Mann, der nie lachte, außer wenn er sei-
nen Amtsgenossen in Verlegenheit sah, konnte den
[Ende Spaltensatz]

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Diese Artikel setzten den türkischen Witz abermals auf eine harte Probe. Wie wäre es auch möglich gewesen, daß sie so seltsame Maschinerien mit einem Paar Stiefeln nach ihrer Art in Verbindung gebracht hätten, da sie in ihr Schuhwerk mit den Füßen so leicht hinein= und herausfahren, wie man eine bequeme Schlafmütze auf- und absetzt. Sie wähnten anfangs, die Dinge seyen Jnstrumente für nekromantischen oder astrologischen Gebrauch, zuletzt meinte man, es seyen Werkzeuge zur Tortur, und was scheint passender als die Stiefel- hacken, um den Daumen zu quetschen, die Fingerge- lenke zu zerbrechen oder die Augen auszuhöhlen? So mußte es seyn, es blieb kein Zweifel übrig, und der Pascha befahl seinem Lieblings=Schreiber, die Faust zwischen die hervortretenden Spitzen des Stiefelknechts versuchsweise zu legen, was er auch mit innerlichem Widerstreben that. Zugleich schrie er aber laut auf, als wenn die Gabel zusammenfaßte, und lautes Ge- lächter belohnte seinen Heldenmuth. 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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 25. Breslau, 21. Juni 1834, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller25_1834/6>, abgerufen am 06.06.2024.