Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Heller-Blatt. Nr. 25. Breslau, 21. Juni 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Heller=Blatt.
verspricht dieselbe fortwährende Verbesserung in äußerer und innerer Ausstattung, da der Beifall, welcher
dem Blatte seit seinem Entstehen zu Theil geworden, das Dankgefühl anspornt, den erstern in allen
Stücken zu verdienen. Breslau.

    Die Expedition des Heller=Blattes.



[Beginn Spaltensatz]
Die Westmünsterhalle.

Die Westmünsterhalle in London wurde in den
Jahren 1097 - 98 von William Rufus erbaut, der,
1099 aus der Normandie zurückkehrend, hier das
Pfingstfest königlich feierte; sie war ursprünglich zu
Banketten bestimmt, später kam sie in Verfall. Kö-
nig Richard II. führte 1397 das jetzige Gebäude
( man sehe das Bild ) auf und ordnete ein Weihnachts-
fest hier an, an welchem über 10,000 Personen Theil
nahmen.

Die Halle oder der ungeheuere gothische Saal, ist
270 Fuß lang, 74 Fuß tief und 90 Fuß hoch. Die
Decke ist von Kastanienholz sehr kunstreich gearbeitet;
überall halten Engel die Wappen Richards II. oder
Eduards des Bekenners. Die nördlich liegende Haupt-
fa cade hat seit 1820 bedeutende Veränderungen erlitten.
Das große Fenster, so wie das Thürmchen auf dem
Dache sind neu. Hier waren in den Nischen schöne
Statuen von Stein, in natürlicher Größe.

Früher saß das Parlament öfter in dieser Halle;
seit Heinrich III. Zeit waren in verschiedenen Gemä-
chern hier die Sitzungen der Kanzlei, der Schatzkam-
mer und mehrerer Gerichte; man benutzte sie ferner zu
Verhören der Pairs und andrer vornehmer Personen,
die des Hochverraths angeklagt waren. Auch wird
hier das Krönungsfest der Könige von England be-
gangen.

Das größte Mahl, was in diesem Gebäude gegeben
wurde, war das bei der Krönung Georg IV. Es
wurden dazu geliefert 7442 Pfund Ochsenfleisch,
3133 Pfund Kalbfleisch, 2474 Pfund Hammelfleisch,
270 Pfund Nierenfett, 1730 Pfund Speck, 1400 Pfund
Lammfleisch, 160 Gänse, 720 Hühner und Kapaunen,
1610 junge Hahnen, 520 Vögel, 8400 Eier, 160 Schüs-
seln Fleischbrühe, 160 Schüsseln Fische, 160 Gemüse,
80 Wildprett, 640 Pasteten, 400 Creme und Gelee,
160 Schüsseln Schellfisch, 1200 Flaschen Champagner,
300 Burgunder, 240 Klaret, 600 Rheinwein, 600 Mo-
selwein, 600 Madeira, 4200 Port und Xeres,
400 Maas Eispunsch und 100 Fässer Ale und Porter.



Die Baukunst der Wespen.

Die Wespe, welche in Gemeinschaft lebt, die so-
genannte republikanische Wespe, ist bisher kein Gegen-
stand so fleißiger Beobachtungen gewesen, wie die
Biene, welche den Honig macht. Dies ist aber eine
[Spaltenumbruch] ungerechte Zurücksetzung. Die Wespen=Mutter, ein-
zige Gründerin ihres Hauses, arbeitsam, immer thä-
tig und im Anfang ihres Unternehmens ganz allein,
hat ein Recht auf größere Achtung als die Bienen=Kö-
nigin, welche faul, von gehorsamen Dienern umgeben
und inmitten sehr fleißiger Bürger unthätig ist. So-
bald die Temperatur sich erwärmt, sucht die Wespen-
Mutter eine schon vorhandene Aushöhlung im Boden;
wenn sie eine solche nicht finden kann, so gebraucht sie
zu diesem Zweck ihre kräftigen Kiefern. Eine umlau-
fende Gallerie, deren äußere Thür ein oder zwei Zoll
breit ist, führt zu einer Kammer von ungefähr zwei
Fuß im Durchmesser, wo das Jnsekt eiligst die Grund-
lagen zu seiner neuen Stadt wirft. Die Baumfasern
der Länge nach durch ihre zangenartigen Fühlhörner
gespalten und zu einer Art von Charpie verwandelt,
dann mit Speichel benetzt, bilden eine feste Masse, wel-
ches das Jnsekt mit seiner Zunge und mit seinen Bein-
chen ausdehnt, und woraus es die äußere Wand seines
Stockes bildet; aber dieser dünne Stoff würde den
Larven noch keinen hinreichenden Schutz gewähren.
Man verdoppelt also die Mauern, man verdreifacht sie,
ohne sie indessen mit einander zu verbinden, so daß im-
mer ein Raum zwischen den Wänden bleibt. Wenn
diese erste Arbeit beendigt und der Platfond gemacht ist,
dann macht die Wespe aus demselben Stoffe in dem
Gewölbe eine erste Terrasse; zwölf oder fünfzehn leichte
zierliche, in der Mitte dünn zulaufende, Pfeiler stützen
diese kreisförmige Terrasse, welche aus einer Masse
sechseckiger Zellen besteht, die unten eine Oeffnung ha-
ben und geometrisch genau gebaut sind. Zwischen der
ersten und zweiten Terrasse laufen mehrrre Reihen von
Pfeilern, welche eine mit der andern verbinden. Alle
folgenden Terrassen sind nach demselben System gebaut
und gewähren einen zierlichen Anblick.

Die Wespen machen keinen Honig, und jene Zel-
len dienen nur zu Auferziehung der Jungen. Die An-
zahl der Zellen ist bedeutend. Jn dem Maße, in dem
die Bevölkerung zunimmt, bereichert man den Stock
mit neuen Terrassen, jede aus 1600 Zellen bestehend.
Nach einer ungefähren Berechnung kann man anneh-
men, daß jährlich aus einem solchen Wespenstocke
30,000 Wespen hervorgehn. Jm Winter verfällt das
Gebäude beinahe gänzlich und dient einer kleinen An-
zahl vor Kälte halbtodter weiblicher Wespen zum Zu-
fluchtsort, den sie im Frühjahr verlassen, um nie-
mals wieder dahin zurückzukehren. So viel sinnreiche
Geschicklichkeit ist also fast gänzlich umsonst verschwen-
det: ein verlassener Wespenstock ist eine ewige Ruine.

[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
verspricht dieselbe fortwährende Verbesserung in äußerer und innerer Ausstattung, da der Beifall, welcher
dem Blatte seit seinem Entstehen zu Theil geworden, das Dankgefühl anspornt, den erstern in allen
Stücken zu verdienen. Breslau.

    Die Expedition des Heller=Blattes.



[Beginn Spaltensatz]
Die Westmünsterhalle.

Die Westmünsterhalle in London wurde in den
Jahren 1097 – 98 von William Rufus erbaut, der,
1099 aus der Normandie zurückkehrend, hier das
Pfingstfest königlich feierte; sie war ursprünglich zu
Banketten bestimmt, später kam sie in Verfall. Kö-
nig Richard II. führte 1397 das jetzige Gebäude
( man sehe das Bild ) auf und ordnete ein Weihnachts-
fest hier an, an welchem über 10,000 Personen Theil
nahmen.

Die Halle oder der ungeheuere gothische Saal, ist
270 Fuß lang, 74 Fuß tief und 90 Fuß hoch. Die
Decke ist von Kastanienholz sehr kunstreich gearbeitet;
überall halten Engel die Wappen Richards II. oder
Eduards des Bekenners. Die nördlich liegende Haupt-
fa çade hat seit 1820 bedeutende Veränderungen erlitten.
Das große Fenster, so wie das Thürmchen auf dem
Dache sind neu. Hier waren in den Nischen schöne
Statuen von Stein, in natürlicher Größe.

Früher saß das Parlament öfter in dieser Halle;
seit Heinrich III. Zeit waren in verschiedenen Gemä-
chern hier die Sitzungen der Kanzlei, der Schatzkam-
mer und mehrerer Gerichte; man benutzte sie ferner zu
Verhören der Pairs und andrer vornehmer Personen,
die des Hochverraths angeklagt waren. Auch wird
hier das Krönungsfest der Könige von England be-
gangen.

Das größte Mahl, was in diesem Gebäude gegeben
wurde, war das bei der Krönung Georg IV. Es
wurden dazu geliefert 7442 Pfund Ochsenfleisch,
3133 Pfund Kalbfleisch, 2474 Pfund Hammelfleisch,
270 Pfund Nierenfett, 1730 Pfund Speck, 1400 Pfund
Lammfleisch, 160 Gänse, 720 Hühner und Kapaunen,
1610 junge Hahnen, 520 Vögel, 8400 Eier, 160 Schüs-
seln Fleischbrühe, 160 Schüsseln Fische, 160 Gemüse,
80 Wildprett, 640 Pasteten, 400 Crème und Gelèe,
160 Schüsseln Schellfisch, 1200 Flaschen Champagner,
300 Burgunder, 240 Klaret, 600 Rheinwein, 600 Mo-
selwein, 600 Madeira, 4200 Port und Xeres,
400 Maas Eispunsch und 100 Fässer Ale und Porter.



Die Baukunst der Wespen.

Die Wespe, welche in Gemeinschaft lebt, die so-
genannte republikanische Wespe, ist bisher kein Gegen-
stand so fleißiger Beobachtungen gewesen, wie die
Biene, welche den Honig macht. Dies ist aber eine
[Spaltenumbruch] ungerechte Zurücksetzung. Die Wespen=Mutter, ein-
zige Gründerin ihres Hauses, arbeitsam, immer thä-
tig und im Anfang ihres Unternehmens ganz allein,
hat ein Recht auf größere Achtung als die Bienen=Kö-
nigin, welche faul, von gehorsamen Dienern umgeben
und inmitten sehr fleißiger Bürger unthätig ist. So-
bald die Temperatur sich erwärmt, sucht die Wespen-
Mutter eine schon vorhandene Aushöhlung im Boden;
wenn sie eine solche nicht finden kann, so gebraucht sie
zu diesem Zweck ihre kräftigen Kiefern. Eine umlau-
fende Gallerie, deren äußere Thür ein oder zwei Zoll
breit ist, führt zu einer Kammer von ungefähr zwei
Fuß im Durchmesser, wo das Jnsekt eiligst die Grund-
lagen zu seiner neuen Stadt wirft. Die Baumfasern
der Länge nach durch ihre zangenartigen Fühlhörner
gespalten und zu einer Art von Charpie verwandelt,
dann mit Speichel benetzt, bilden eine feste Masse, wel-
ches das Jnsekt mit seiner Zunge und mit seinen Bein-
chen ausdehnt, und woraus es die äußere Wand seines
Stockes bildet; aber dieser dünne Stoff würde den
Larven noch keinen hinreichenden Schutz gewähren.
Man verdoppelt also die Mauern, man verdreifacht sie,
ohne sie indessen mit einander zu verbinden, so daß im-
mer ein Raum zwischen den Wänden bleibt. Wenn
diese erste Arbeit beendigt und der Platfond gemacht ist,
dann macht die Wespe aus demselben Stoffe in dem
Gewölbe eine erste Terrasse; zwölf oder fünfzehn leichte
zierliche, in der Mitte dünn zulaufende, Pfeiler stützen
diese kreisförmige Terrasse, welche aus einer Masse
sechseckiger Zellen besteht, die unten eine Oeffnung ha-
ben und geometrisch genau gebaut sind. Zwischen der
ersten und zweiten Terrasse laufen mehrrre Reihen von
Pfeilern, welche eine mit der andern verbinden. Alle
folgenden Terrassen sind nach demselben System gebaut
und gewähren einen zierlichen Anblick.

Die Wespen machen keinen Honig, und jene Zel-
len dienen nur zu Auferziehung der Jungen. Die An-
zahl der Zellen ist bedeutend. Jn dem Maße, in dem
die Bevölkerung zunimmt, bereichert man den Stock
mit neuen Terrassen, jede aus 1600 Zellen bestehend.
Nach einer ungefähren Berechnung kann man anneh-
men, daß jährlich aus einem solchen Wespenstocke
30,000 Wespen hervorgehn. Jm Winter verfällt das
Gebäude beinahe gänzlich und dient einer kleinen An-
zahl vor Kälte halbtodter weiblicher Wespen zum Zu-
fluchtsort, den sie im Frühjahr verlassen, um nie-
mals wieder dahin zurückzukehren. So viel sinnreiche
Geschicklichkeit ist also fast gänzlich umsonst verschwen-
det: ein verlassener Wespenstock ist eine ewige Ruine.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jExpedition" n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0002" n="194"/>
          <fw type="header" place="top"> <hi rendition="#g">Das Heller=Blatt.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">verspricht dieselbe fortwährende Verbesserung in äußerer und innerer Ausstattung, da der Beifall, welcher<lb/>
dem Blatte seit seinem Entstehen zu Theil geworden, das Dankgefühl anspornt, den erstern in allen<lb/>
Stücken zu verdienen. <hi rendition="#g">Breslau</hi>.</hi> </p><lb/>
        <p>
          <space dim="horizontal"/> <hi rendition="#fr">Die Expedition des Heller=Blattes.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="start"/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Die Westmünsterhalle</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Die Westmünsterhalle in London wurde in den<lb/>
Jahren 1097 &#x2013; 98 von William Rufus erbaut, der,<lb/>
1099 aus der Normandie zurückkehrend, hier das<lb/>
Pfingstfest königlich feierte; sie war ursprünglich zu<lb/>
Banketten bestimmt, später kam sie in Verfall. Kö-<lb/>
nig <hi rendition="#g">Richard</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>. führte 1397 das jetzige Gebäude<lb/>
( man sehe das Bild ) auf und ordnete ein Weihnachts-<lb/>
fest hier an, an welchem über 10,000 Personen Theil<lb/>
nahmen.</p><lb/>
        <p>Die Halle oder der ungeheuere gothische Saal, ist<lb/>
270 Fuß lang, 74 Fuß tief und 90 Fuß hoch. Die<lb/>
Decke ist von Kastanienholz sehr kunstreich gearbeitet;<lb/>
überall halten Engel die Wappen Richards <hi rendition="#aq">II</hi>. oder<lb/>
Eduards des Bekenners. Die nördlich liegende Haupt-<lb/>
fa <hi rendition="#aq">ç</hi>ade hat seit 1820 bedeutende Veränderungen erlitten.<lb/>
Das große Fenster, so wie das Thürmchen auf dem<lb/>
Dache sind neu. Hier <hi rendition="#g">waren</hi> in den Nischen schöne<lb/>
Statuen von Stein, in natürlicher Größe.</p><lb/>
        <p>Früher saß das Parlament öfter in dieser Halle;<lb/>
seit Heinrich <hi rendition="#aq">III</hi>. Zeit waren in verschiedenen Gemä-<lb/>
chern hier die Sitzungen der Kanzlei, der Schatzkam-<lb/>
mer und mehrerer Gerichte; man benutzte sie ferner zu<lb/>
Verhören der Pairs und andrer vornehmer Personen,<lb/>
die des Hochverraths angeklagt waren. Auch wird<lb/>
hier das Krönungsfest der Könige von England be-<lb/>
gangen.</p><lb/>
        <p>Das größte Mahl, was in diesem Gebäude gegeben<lb/>
wurde, war das bei der Krönung Georg <hi rendition="#aq">IV</hi>. Es<lb/>
wurden dazu geliefert 7442 Pfund Ochsenfleisch,<lb/>
3133 Pfund Kalbfleisch, 2474 Pfund Hammelfleisch,<lb/>
270 Pfund Nierenfett, 1730 Pfund Speck, 1400 Pfund<lb/>
Lammfleisch, 160 Gänse, 720 Hühner und Kapaunen,<lb/>
1610 junge Hahnen, 520 Vögel, 8400 Eier, 160 Schüs-<lb/>
seln Fleischbrühe, 160 Schüsseln Fische, 160 Gemüse,<lb/>
80 Wildprett, 640 Pasteten, 400 Cr<hi rendition="#aq">è</hi>me und Gel<hi rendition="#aq">è</hi>e,<lb/>
160 Schüsseln Schellfisch, 1200 Flaschen Champagner,<lb/>
300 Burgunder, 240 Klaret, 600 Rheinwein, 600 Mo-<lb/>
selwein, 600 Madeira, 4200 Port und Xeres,<lb/>
400 Maas Eispunsch und 100 Fässer Ale und Porter.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Die Baukunst der Wespen</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Die Wespe, welche in Gemeinschaft lebt, die so-<lb/>
genannte republikanische Wespe, ist bisher kein Gegen-<lb/>
stand so fleißiger Beobachtungen gewesen, wie die<lb/>
Biene, welche den Honig macht. Dies ist aber eine<lb/><cb n="2"/>
ungerechte Zurücksetzung. Die Wespen=Mutter, ein-<lb/>
zige Gründerin ihres Hauses, arbeitsam, immer thä-<lb/>
tig und im Anfang ihres Unternehmens ganz allein,<lb/>
hat ein Recht auf größere Achtung als die Bienen=Kö-<lb/>
nigin, welche faul, von gehorsamen Dienern umgeben<lb/>
und inmitten sehr fleißiger Bürger unthätig ist. So-<lb/>
bald die Temperatur sich erwärmt, sucht die Wespen-<lb/>
Mutter eine schon vorhandene Aushöhlung im Boden;<lb/>
wenn sie eine solche nicht finden kann, so gebraucht sie<lb/>
zu diesem Zweck ihre kräftigen Kiefern. Eine umlau-<lb/>
fende Gallerie, deren äußere Thür ein oder zwei Zoll<lb/>
breit ist, führt zu einer Kammer von ungefähr zwei<lb/>
Fuß im Durchmesser, wo das Jnsekt eiligst die Grund-<lb/>
lagen zu seiner neuen Stadt wirft. Die Baumfasern<lb/>
der Länge nach durch ihre zangenartigen Fühlhörner<lb/>
gespalten und zu einer Art von Charpie verwandelt,<lb/>
dann mit Speichel benetzt, bilden eine feste Masse, wel-<lb/>
ches das Jnsekt mit seiner Zunge und mit seinen Bein-<lb/>
chen ausdehnt, und woraus es die äußere Wand seines<lb/>
Stockes bildet; aber dieser dünne Stoff würde den<lb/>
Larven noch keinen hinreichenden Schutz gewähren.<lb/>
Man verdoppelt also die Mauern, man verdreifacht sie,<lb/>
ohne sie indessen mit einander zu verbinden, so daß im-<lb/>
mer ein Raum zwischen den Wänden bleibt. Wenn<lb/>
diese erste Arbeit beendigt und der Platfond gemacht ist,<lb/>
dann macht die Wespe aus demselben Stoffe in dem<lb/>
Gewölbe eine erste Terrasse; zwölf oder fünfzehn leichte<lb/>
zierliche, in der Mitte dünn zulaufende, Pfeiler stützen<lb/>
diese kreisförmige Terrasse, welche aus einer Masse<lb/>
sechseckiger Zellen besteht, die unten eine Oeffnung ha-<lb/>
ben und geometrisch genau gebaut sind. Zwischen der<lb/>
ersten und zweiten Terrasse laufen mehrrre Reihen von<lb/>
Pfeilern, welche eine mit der andern verbinden. Alle<lb/>
folgenden Terrassen sind nach demselben System gebaut<lb/>
und gewähren einen zierlichen Anblick.</p><lb/>
        <p>Die Wespen machen keinen Honig, und jene Zel-<lb/>
len dienen nur zu Auferziehung der Jungen. Die An-<lb/>
zahl der Zellen ist bedeutend. Jn dem Maße, in dem<lb/>
die Bevölkerung zunimmt, bereichert man den Stock<lb/>
mit neuen Terrassen, jede aus 1600 Zellen bestehend.<lb/>
Nach einer ungefähren Berechnung kann man anneh-<lb/>
men, daß jährlich aus einem solchen Wespenstocke<lb/>
30,000 Wespen hervorgehn. Jm Winter verfällt das<lb/>
Gebäude beinahe gänzlich und dient einer kleinen An-<lb/>
zahl vor Kälte halbtodter weiblicher Wespen zum Zu-<lb/>
fluchtsort, den sie im Frühjahr verlassen, um nie-<lb/>
mals wieder dahin zurückzukehren. So viel sinnreiche<lb/>
Geschicklichkeit ist also fast gänzlich umsonst verschwen-<lb/>
det: ein verlassener Wespenstock ist eine ewige Ruine.</p><lb/>
        <cb type="end"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0002] Das Heller=Blatt. verspricht dieselbe fortwährende Verbesserung in äußerer und innerer Ausstattung, da der Beifall, welcher dem Blatte seit seinem Entstehen zu Theil geworden, das Dankgefühl anspornt, den erstern in allen Stücken zu verdienen. Breslau. Die Expedition des Heller=Blattes. Die Westmünsterhalle. Die Westmünsterhalle in London wurde in den Jahren 1097 – 98 von William Rufus erbaut, der, 1099 aus der Normandie zurückkehrend, hier das Pfingstfest königlich feierte; sie war ursprünglich zu Banketten bestimmt, später kam sie in Verfall. Kö- nig Richard II. führte 1397 das jetzige Gebäude ( man sehe das Bild ) auf und ordnete ein Weihnachts- fest hier an, an welchem über 10,000 Personen Theil nahmen. Die Halle oder der ungeheuere gothische Saal, ist 270 Fuß lang, 74 Fuß tief und 90 Fuß hoch. Die Decke ist von Kastanienholz sehr kunstreich gearbeitet; überall halten Engel die Wappen Richards II. oder Eduards des Bekenners. Die nördlich liegende Haupt- fa çade hat seit 1820 bedeutende Veränderungen erlitten. Das große Fenster, so wie das Thürmchen auf dem Dache sind neu. Hier waren in den Nischen schöne Statuen von Stein, in natürlicher Größe. Früher saß das Parlament öfter in dieser Halle; seit Heinrich III. Zeit waren in verschiedenen Gemä- chern hier die Sitzungen der Kanzlei, der Schatzkam- mer und mehrerer Gerichte; man benutzte sie ferner zu Verhören der Pairs und andrer vornehmer Personen, die des Hochverraths angeklagt waren. Auch wird hier das Krönungsfest der Könige von England be- gangen. Das größte Mahl, was in diesem Gebäude gegeben wurde, war das bei der Krönung Georg IV. Es wurden dazu geliefert 7442 Pfund Ochsenfleisch, 3133 Pfund Kalbfleisch, 2474 Pfund Hammelfleisch, 270 Pfund Nierenfett, 1730 Pfund Speck, 1400 Pfund Lammfleisch, 160 Gänse, 720 Hühner und Kapaunen, 1610 junge Hahnen, 520 Vögel, 8400 Eier, 160 Schüs- seln Fleischbrühe, 160 Schüsseln Fische, 160 Gemüse, 80 Wildprett, 640 Pasteten, 400 Crème und Gelèe, 160 Schüsseln Schellfisch, 1200 Flaschen Champagner, 300 Burgunder, 240 Klaret, 600 Rheinwein, 600 Mo- selwein, 600 Madeira, 4200 Port und Xeres, 400 Maas Eispunsch und 100 Fässer Ale und Porter. Die Baukunst der Wespen. Die Wespe, welche in Gemeinschaft lebt, die so- genannte republikanische Wespe, ist bisher kein Gegen- stand so fleißiger Beobachtungen gewesen, wie die Biene, welche den Honig macht. Dies ist aber eine ungerechte Zurücksetzung. Die Wespen=Mutter, ein- zige Gründerin ihres Hauses, arbeitsam, immer thä- tig und im Anfang ihres Unternehmens ganz allein, hat ein Recht auf größere Achtung als die Bienen=Kö- nigin, welche faul, von gehorsamen Dienern umgeben und inmitten sehr fleißiger Bürger unthätig ist. So- bald die Temperatur sich erwärmt, sucht die Wespen- Mutter eine schon vorhandene Aushöhlung im Boden; wenn sie eine solche nicht finden kann, so gebraucht sie zu diesem Zweck ihre kräftigen Kiefern. Eine umlau- fende Gallerie, deren äußere Thür ein oder zwei Zoll breit ist, führt zu einer Kammer von ungefähr zwei Fuß im Durchmesser, wo das Jnsekt eiligst die Grund- lagen zu seiner neuen Stadt wirft. Die Baumfasern der Länge nach durch ihre zangenartigen Fühlhörner gespalten und zu einer Art von Charpie verwandelt, dann mit Speichel benetzt, bilden eine feste Masse, wel- ches das Jnsekt mit seiner Zunge und mit seinen Bein- chen ausdehnt, und woraus es die äußere Wand seines Stockes bildet; aber dieser dünne Stoff würde den Larven noch keinen hinreichenden Schutz gewähren. Man verdoppelt also die Mauern, man verdreifacht sie, ohne sie indessen mit einander zu verbinden, so daß im- mer ein Raum zwischen den Wänden bleibt. Wenn diese erste Arbeit beendigt und der Platfond gemacht ist, dann macht die Wespe aus demselben Stoffe in dem Gewölbe eine erste Terrasse; zwölf oder fünfzehn leichte zierliche, in der Mitte dünn zulaufende, Pfeiler stützen diese kreisförmige Terrasse, welche aus einer Masse sechseckiger Zellen besteht, die unten eine Oeffnung ha- ben und geometrisch genau gebaut sind. Zwischen der ersten und zweiten Terrasse laufen mehrrre Reihen von Pfeilern, welche eine mit der andern verbinden. Alle folgenden Terrassen sind nach demselben System gebaut und gewähren einen zierlichen Anblick. Die Wespen machen keinen Honig, und jene Zel- len dienen nur zu Auferziehung der Jungen. Die An- zahl der Zellen ist bedeutend. Jn dem Maße, in dem die Bevölkerung zunimmt, bereichert man den Stock mit neuen Terrassen, jede aus 1600 Zellen bestehend. Nach einer ungefähren Berechnung kann man anneh- men, daß jährlich aus einem solchen Wespenstocke 30,000 Wespen hervorgehn. Jm Winter verfällt das Gebäude beinahe gänzlich und dient einer kleinen An- zahl vor Kälte halbtodter weiblicher Wespen zum Zu- fluchtsort, den sie im Frühjahr verlassen, um nie- mals wieder dahin zurückzukehren. So viel sinnreiche Geschicklichkeit ist also fast gänzlich umsonst verschwen- det: ein verlassener Wespenstock ist eine ewige Ruine.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller25_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller25_1834/2
Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 25. Breslau, 21. Juni 1834, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller25_1834/2>, abgerufen am 23.11.2024.