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Das Heller-Blatt. Nr. 14. Breslau, 5. April 1834.

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800 Buchhandlungen, 360 Leihbibliotheken, 150 Spiel-
häuser, 13 Gefängnisse, 49 Schuldgefängnisse, 13 Thea-
ter, 90 religios=wissenschaftliche Jnstitute, 98 Spitä-
ler, 73 Versorgungshäuser, 200 Brauereien, 18 eng-
lische Weinfabricken, 5,200 Bier= und 9,000 Kaffee-
häuser. Ferner 800 Aerzte, 1780 Wundärzte, 580 Apo-
theker, 131 Notare, 1,150 Advocaten, 3,480 Agenten,
1,560 Negozianten, 1,200 Wechselagenten, 60 Ban-
quiers, 3,900 Männer=Kleidermacher, 2,880 Schuh-
machermeister, 2,100 Bäcker, 1,800 Fleischer u. s. w.

Der Handelsstand hat 3 Fünftheile des ungeheuern
englischen Handels in seinen Händen. Die Stadt besitzt
5,000 Schiffe, und zu Lande fahren 40,000 Wagen
und Karren mit Gütern ab und zu. Die Stadt besitzt
schon seit dem Jahre 1683 eine eigene Post, genannt
die Pfennig=Post, und ihre Volksmenge vermehrt sich
jährlich um 25,000 Seelen. Schon Tacitus erwähnt
der Stadt unter dem Namen Londinum und sagt, daß
der Ort zwar den Ehrentittel einer römischen Kolonie
nicht erhalten habe, aber doch als ein Hauptsitz des
Handels zu betrachten sei. Konstantin führte Mauern
um die Stadt und errichtete dort den ersten Bischofssitz
in England. Später Residenz des Königs der Ost-
sachsen ( Essex ) wurde sie gegen das Ende des neunten
Jahrhunderts von Alfred dem Großen zur Hauptstadt
von ganz England erhoben, und mit Freiheiten begna-
digt. Die Stadt wuchs durch die folgenden Jahrhun-
derte, trotz Pest und den bürgerlichen Unruhen. Die
letzte Pest 1665 kostete der Stadt 160,000 Einwohner,
und das große Feuer am 2. Septbr. 1666 ( von Sonn-
tag Nachts bis zum Donnerstage ) verzehrte 87 Kirchen,
26 Hospitäler und 13,200 Häuser.

London wird so lange anwachsen an Größe und
Volksmenge, als England als erste See= und Handels-
macht blüht und glänzt. Trotz seiner Größe sind die
Vergnügungen in London mangelhaft und einförmig,
und der Ernst seiner Bewohner dem Frohsinn und der
Umgänglichkeit abhold.



Die Schneelawinen des Kaukasus.

Der Kaukasus, der in weltgeschichtlicher Hinsicht
so merkwürdig ist, weil auf keinem Flecke der Erde so
viele verschiedene Nationen zusammengedrängt leben,
als auf und in diesem Berge, gewährt auch eines der
fürchterlichsten Schauspiele durch die Schneelawinen,
die bisweilen von seinen Gipfeln herabstürzen und
schreckliche Verheerungen anrichten. Dies geschieht so-
wohl im Winter, als im Sommer, wenn entweder die
Macht der Sonne oder das Gewicht des Schnees die
überwiegende Last von ihrem Stützpunkte losreißet.
Eine solche Schneelawine verstopfte im Jahre 1776 den
Lauf des Terek, wodurch das aufgehaltene Wasser
[Spaltenumbruch] 258 Fuß hoch stieg, sich plötzlich einen Weg durch die
Felsenschranke dieses furchtbaren Passes mit einem Ge-
töse bahnte, das stärker krachte, als der stärkste Don-
ner, den tausend Echos wiederholen, und in einer ver-
heerenden Fluth dahin tobte. Die Bewohner der hoch-
gelegenen Thäler des Berges warteten in schrecklicher
Angst und beobachteten das furchtbar zunehmende
Schneevorgebirge, bis es in einem Augenblicke zerriß
und unten alles in Trümmer begrub. Nach einer lang-
jährigen Beobachtung stürzen solche zerstörende Schnee-
lawinen alle 7 bis 9 Jahre herab.

Als sich der englische Reisende, der Maler Ker
Porter,
im Jahre 1817 zu Tiflis aufhielt, wo man
den Kaukasus und seine höchsten Gipfel, den Elborus
und Kasibek, alle Tage vor Augen hat, ereignete sich
im November desselben Jahres ein so schrecklicher Auf-
tritt mit einer Schneelawine. Man sah den blassen
Gipfel des Berges Kasibek sich auf einmal auf der Seite
in Bewegung setzen, welche in das dunkle Thal zwischen
Derial und dem Dorfe herabgeht, das den Namen des
Berges führt. Jn einem Augenblicke schoß er vor-
wärts, und vor dem herumgeschleuderten Schnee und
dem furchtbaren Schatten der herabstürzenden Vernich-
tung sah man nichts mehr. Das Getöse, das damit
verbunden war, war das betäubendste und schrecklichste,
das alles sicher dem Tode weihet. Als die Schneela-
wine vorrückte, wurden ungeheuere Felsenmassen von
der Seite des Berges losgerissen und vor ihr hergetrie-
ben; der Schnee und das Eis von Jahrhunderten stürz-
ten in unendlich zerstreuten Gestalten herab, bildeten
Haufen und erregten ein Toben, wie bei einem Erdbe-
ben; sie bedeckten Dörfer, Thäler und Menschen. Was
für ein schrecklicher Augenblick war es, als man das
fürchterliche Schreien der Menschen und Thiere nicht
mehr hörte und die furchtbare Schneelawine ein großes,
bewegungsloses und weißes Leichentuch rings umher
ausbreitete! Man wird sich leicht von der Größe der
Verheerung eine Vorstellung machen können, wenn man
bedenkt, daß die Tiefe des Schnees, der auf diese Art
im Angesichte der erblaßten Einwohner des Thales her-
abstürzte, 186 Fuß betrug und sein Umfang ungefähr
eine deutsche Meile ausmachte. Er hielt sogleich den
Lauf des Terek auf, dessen gescherrte Wasser in großen
Wogen in die Höhe schlugen, schäumten und wider dies
plötzliche Hinderniß anprallten, und es bisweilen zu be-
siegen im Begriffe zu seyn schienen, aber immer wurde
der Fluß wieder von der Festigkeit und der Höhe des
Schnees zurückgeworfen und das Wasser fiel in sein
Bette mit einem Gebrülle zurück, welches das schreck-
liche Ereigniß in weiter Ferne verkündigte. Die Was-
sermasse bildete dann einen See, welcher das ganze Thal
auf der Flußseite seiner furchtbaren Schranke einnahm;
auf diese Art war alle Verbindung mit Wlady=Kau-
kasus gänzlich abgeschnitten. Es vergingen beinahe
12 Tage, ehe sich der Fluß einen Weg durch eine so
[Ende Spaltensatz]

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lische Weinfabricken, 5,200 Bier= und 9,000 Kaffee-
häuser. Ferner 800 Aerzte, 1780 Wundärzte, 580 Apo-
theker, 131 Notare, 1,150 Advocaten, 3,480 Agenten,
1,560 Negozianten, 1,200 Wechselagenten, 60 Ban-
quiers, 3,900 Männer=Kleidermacher, 2,880 Schuh-
machermeister, 2,100 Bäcker, 1,800 Fleischer u. s. w.

Der Handelsstand hat 3 Fünftheile des ungeheuern
englischen Handels in seinen Händen. Die Stadt besitzt
5,000 Schiffe, und zu Lande fahren 40,000 Wagen
und Karren mit Gütern ab und zu. Die Stadt besitzt
schon seit dem Jahre 1683 eine eigene Post, genannt
die Pfennig=Post, und ihre Volksmenge vermehrt sich
jährlich um 25,000 Seelen. Schon Tacitus erwähnt
der Stadt unter dem Namen Londinum und sagt, daß
der Ort zwar den Ehrentittel einer römischen Kolonie
nicht erhalten habe, aber doch als ein Hauptsitz des
Handels zu betrachten sei. Konstantin führte Mauern
um die Stadt und errichtete dort den ersten Bischofssitz
in England. Später Residenz des Königs der Ost-
sachsen ( Essex ) wurde sie gegen das Ende des neunten
Jahrhunderts von Alfred dem Großen zur Hauptstadt
von ganz England erhoben, und mit Freiheiten begna-
digt. Die Stadt wuchs durch die folgenden Jahrhun-
derte, trotz Pest und den bürgerlichen Unruhen. Die
letzte Pest 1665 kostete der Stadt 160,000 Einwohner,
und das große Feuer am 2. Septbr. 1666 ( von Sonn-
tag Nachts bis zum Donnerstage ) verzehrte 87 Kirchen,
26 Hospitäler und 13,200 Häuser.

London wird so lange anwachsen an Größe und
Volksmenge, als England als erste See= und Handels-
macht blüht und glänzt. Trotz seiner Größe sind die
Vergnügungen in London mangelhaft und einförmig,
und der Ernst seiner Bewohner dem Frohsinn und der
Umgänglichkeit abhold.



Die Schneelawinen des Kaukasus.

Der Kaukasus, der in weltgeschichtlicher Hinsicht
so merkwürdig ist, weil auf keinem Flecke der Erde so
viele verschiedene Nationen zusammengedrängt leben,
als auf und in diesem Berge, gewährt auch eines der
fürchterlichsten Schauspiele durch die Schneelawinen,
die bisweilen von seinen Gipfeln herabstürzen und
schreckliche Verheerungen anrichten. Dies geschieht so-
wohl im Winter, als im Sommer, wenn entweder die
Macht der Sonne oder das Gewicht des Schnees die
überwiegende Last von ihrem Stützpunkte losreißet.
Eine solche Schneelawine verstopfte im Jahre 1776 den
Lauf des Terek, wodurch das aufgehaltene Wasser
[Spaltenumbruch] 258 Fuß hoch stieg, sich plötzlich einen Weg durch die
Felsenschranke dieses furchtbaren Passes mit einem Ge-
töse bahnte, das stärker krachte, als der stärkste Don-
ner, den tausend Echos wiederholen, und in einer ver-
heerenden Fluth dahin tobte. Die Bewohner der hoch-
gelegenen Thäler des Berges warteten in schrecklicher
Angst und beobachteten das furchtbar zunehmende
Schneevorgebirge, bis es in einem Augenblicke zerriß
und unten alles in Trümmer begrub. Nach einer lang-
jährigen Beobachtung stürzen solche zerstörende Schnee-
lawinen alle 7 bis 9 Jahre herab.

Als sich der englische Reisende, der Maler Ker
Porter,
im Jahre 1817 zu Tiflis aufhielt, wo man
den Kaukasus und seine höchsten Gipfel, den Elborus
und Kasibek, alle Tage vor Augen hat, ereignete sich
im November desselben Jahres ein so schrecklicher Auf-
tritt mit einer Schneelawine. Man sah den blassen
Gipfel des Berges Kasibek sich auf einmal auf der Seite
in Bewegung setzen, welche in das dunkle Thal zwischen
Derial und dem Dorfe herabgeht, das den Namen des
Berges führt. Jn einem Augenblicke schoß er vor-
wärts, und vor dem herumgeschleuderten Schnee und
dem furchtbaren Schatten der herabstürzenden Vernich-
tung sah man nichts mehr. Das Getöse, das damit
verbunden war, war das betäubendste und schrecklichste,
das alles sicher dem Tode weihet. Als die Schneela-
wine vorrückte, wurden ungeheuere Felsenmassen von
der Seite des Berges losgerissen und vor ihr hergetrie-
ben; der Schnee und das Eis von Jahrhunderten stürz-
ten in unendlich zerstreuten Gestalten herab, bildeten
Haufen und erregten ein Toben, wie bei einem Erdbe-
ben; sie bedeckten Dörfer, Thäler und Menschen. Was
für ein schrecklicher Augenblick war es, als man das
fürchterliche Schreien der Menschen und Thiere nicht
mehr hörte und die furchtbare Schneelawine ein großes,
bewegungsloses und weißes Leichentuch rings umher
ausbreitete! Man wird sich leicht von der Größe der
Verheerung eine Vorstellung machen können, wenn man
bedenkt, daß die Tiefe des Schnees, der auf diese Art
im Angesichte der erblaßten Einwohner des Thales her-
abstürzte, 186 Fuß betrug und sein Umfang ungefähr
eine deutsche Meile ausmachte. Er hielt sogleich den
Lauf des Terek auf, dessen gescherrte Wasser in großen
Wogen in die Höhe schlugen, schäumten und wider dies
plötzliche Hinderniß anprallten, und es bisweilen zu be-
siegen im Begriffe zu seyn schienen, aber immer wurde
der Fluß wieder von der Festigkeit und der Höhe des
Schnees zurückgeworfen und das Wasser fiel in sein
Bette mit einem Gebrülle zurück, welches das schreck-
liche Ereigniß in weiter Ferne verkündigte. Die Was-
sermasse bildete dann einen See, welcher das ganze Thal
auf der Flußseite seiner furchtbaren Schranke einnahm;
auf diese Art war alle Verbindung mit Wlady=Kau-
kasus gänzlich abgeschnitten. Es vergingen beinahe
12 Tage, ehe sich der Fluß einen Weg durch eine so
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Schon Tacitus erwähnt der Stadt unter dem Namen Londinum und sagt, daß der Ort zwar den Ehrentittel einer römischen Kolonie nicht erhalten habe, aber doch als ein Hauptsitz des Handels zu betrachten sei. Konstantin führte Mauern um die Stadt und errichtete dort den ersten Bischofssitz in England. Später Residenz des Königs der Ost- sachsen ( Essex ) wurde sie gegen das Ende des neunten Jahrhunderts von Alfred dem Großen zur Hauptstadt von ganz England erhoben, und mit Freiheiten begna- digt. Die Stadt wuchs durch die folgenden Jahrhun- derte, trotz Pest und den bürgerlichen Unruhen. Die letzte Pest 1665 kostete der Stadt 160,000 Einwohner, und das große Feuer am 2. Septbr. 1666 ( von Sonn- tag Nachts bis zum Donnerstage ) verzehrte 87 Kirchen, 26 Hospitäler und 13,200 Häuser. London wird so lange anwachsen an Größe und Volksmenge, als England als erste See= und Handels- macht blüht und glänzt. Trotz seiner Größe sind die Vergnügungen in London mangelhaft und einförmig, und der Ernst seiner Bewohner dem Frohsinn und der Umgänglichkeit abhold. Die Schneelawinen des Kaukasus. Der Kaukasus, der in weltgeschichtlicher Hinsicht so merkwürdig ist, weil auf keinem Flecke der Erde so viele verschiedene Nationen zusammengedrängt leben, als auf und in diesem Berge, gewährt auch eines der fürchterlichsten Schauspiele durch die Schneelawinen, die bisweilen von seinen Gipfeln herabstürzen und schreckliche Verheerungen anrichten. Dies geschieht so- wohl im Winter, als im Sommer, wenn entweder die Macht der Sonne oder das Gewicht des Schnees die überwiegende Last von ihrem Stützpunkte losreißet. 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Man sah den blassen Gipfel des Berges Kasibek sich auf einmal auf der Seite in Bewegung setzen, welche in das dunkle Thal zwischen Derial und dem Dorfe herabgeht, das den Namen des Berges führt. Jn einem Augenblicke schoß er vor- wärts, und vor dem herumgeschleuderten Schnee und dem furchtbaren Schatten der herabstürzenden Vernich- tung sah man nichts mehr. Das Getöse, das damit verbunden war, war das betäubendste und schrecklichste, das alles sicher dem Tode weihet. Als die Schneela- wine vorrückte, wurden ungeheuere Felsenmassen von der Seite des Berges losgerissen und vor ihr hergetrie- ben; der Schnee und das Eis von Jahrhunderten stürz- ten in unendlich zerstreuten Gestalten herab, bildeten Haufen und erregten ein Toben, wie bei einem Erdbe- ben; sie bedeckten Dörfer, Thäler und Menschen. Was für ein schrecklicher Augenblick war es, als man das fürchterliche Schreien der Menschen und Thiere nicht mehr hörte und die furchtbare Schneelawine ein großes, bewegungsloses und weißes Leichentuch rings umher ausbreitete! Man wird sich leicht von der Größe der Verheerung eine Vorstellung machen können, wenn man bedenkt, daß die Tiefe des Schnees, der auf diese Art im Angesichte der erblaßten Einwohner des Thales her- abstürzte, 186 Fuß betrug und sein Umfang ungefähr eine deutsche Meile ausmachte. Er hielt sogleich den Lauf des Terek auf, dessen gescherrte Wasser in großen Wogen in die Höhe schlugen, schäumten und wider dies plötzliche Hinderniß anprallten, und es bisweilen zu be- siegen im Begriffe zu seyn schienen, aber immer wurde der Fluß wieder von der Festigkeit und der Höhe des Schnees zurückgeworfen und das Wasser fiel in sein Bette mit einem Gebrülle zurück, welches das schreck- liche Ereigniß in weiter Ferne verkündigte. Die Was- sermasse bildete dann einen See, welcher das ganze Thal auf der Flußseite seiner furchtbaren Schranke einnahm; auf diese Art war alle Verbindung mit Wlady=Kau- kasus gänzlich abgeschnitten. Es vergingen beinahe 12 Tage, ehe sich der Fluß einen Weg durch eine so

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 14. Breslau, 5. April 1834, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller14_1834/6>, abgerufen am 22.11.2024.