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Das Heller-Blatt. Nr. 11. Breslau, 15. März 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] vor ihm stehn zu bleiben, und nur auf ein gegebenes
Zeichen zu fliehn.

Ohne den mindesten Vorrath von Lebensmitteln
beginnt der Gautscho seine Reise durch die unermeßli-
chen Wüsten, deren Boden kaum einige Gewächse für
das Vieh hervorbringt. Der Hunger setzt ihn in keine
Verlegenheit. Er stößt bald auf unzählbare Heerden
von wilden Pferden, fängt eins, wirft es zu Boden,
schneidet ihm ein Stück Fleisch aus dem Leibe und läßt
es wieder laufen. - Er hört das Brüllen des Tigers,
erreicht ihn und ein schreckliches Gefecht beginnt. Nicht
die Stärke verschafft hier den Sieg, sondern die Ge-
schicklichkeit. Der Gautscho setzt seine Schlinge in
Bewegung; er spricht, er schreit. Jhm gegenüber
liegt der Tiger auf dem Boden und betrachtet mit Er-
staunen das verwegene Geschöpf, das ihn herausfordert.
Furchtbar rollen die Augen in seinem Kopfe; er öffnet
den noch von der letzten Mahlzeit blutigen Rachen, und
späht gierig eine Stelle aus, auf welche er seiner
Seits einen Angriff machen könne. Der Gautscho
bleibt auf seinem Pferde ganz ruhig und besonnen, läßt
es zwar zurückweichen, behält aber den Feind im Auge,
welcher Schritt für Schritt vorwärts schleicht und auf
die erste Blöße lauert, die ihm das Pferd geben wird.
Der Gautscho weiß dieses; er läßt das Pferd sich
bäumen; der Tiger wagt einen Sprung und ist in der
Schlinge gefangen. Aus Leibeskräften rennt das Pferd
fort und schleppt das Raubthier hinter sich her. Zu-
weilen hält der Gautscho an. Hat die erste Schlinge
nur den Hals gefaßt, so wirft er ihm noch eine zweite
um die Beine, und ist nun vollkommner Sieger. Er
steigt ab, bewaffnet sich mit dem Messer, das er im
Stiefel trägt, und macht dem Tiger den Garaus. Sein
Tagewerk ist vollendet und das schöne Tigerfell sein
Lohn.



Der Schlangenkampf.

Der Verfasser der Briefe eines amerikanischen
Landmanns erzählt unter andern Folgendes. Jch be-
fand mich eines Tages in meiner wilden Laube, als mit
einem Mal meine Aufmerksamkeit durch ein rauschendes
Getöse erregt wurde, das nur wenig entfernt schien,
was ich aber, als ich mich überall umsah, dennoch nicht
entdecken konnte. Endlich kletterte ich in die Höhe,
und erblickte zu meinem größten Erstaunen zwei Schlan-
gen von beträchtlicher Größe, deren eine die andere mit
vieler Geschwindigkeit durch das freie Hanf=Stoppel-
Feld verfolgte. Die Angreifende war von der schwar-
zen Gattung, und sicherlich 6 Fuß lang; die Fliehende
war eine Wasserschlange von ziemlich gleicher Größe.
Sie trafen sich bald, und die Wuth ihres ersten Angrif-
fes war so heftig, daß sie augenblicklich fest in einander
verschlungen schienen, mit ihren verschränkten Schwän-
[Spaltenumbruch] zen heftig gegen den Boden schlugen, und mit fürchter-
lich aufgesperrten Rachen einander gegenseitig zu zer-
fleischen suchten. Jhre Köpfe schienen ganz klein zu-
sammengedrückt, und ihre Augen schossen Feuer. Nach-
dem dies Gefecht ungefähr 5 Minuten gedauert hatte,
glückte es der Letztern, sich von der Schwarzen los
zu machen, worauf sie sogleich nach dem Graben zu
schlüpfte. Jhre Gegnerin nahm alsbald eine andere
Stellung an, verfolgte, halb aufgerichtet, halb krie-
chend, mit sichtbarem Uebermuthe, die Flüchtige, er-
reichte und griff sie von neuem, jedoch nicht unerwartet,
an, denn diese hatte nicht sobald ihre Feindin sich nahen
gesehen, als sie derselben augenblicklich in gleicher Stel-
lung entgegenrückte. Es war ein fürchterlicher Anblick,
beide in dieser Lage mit aufgesperrten Rachen gegen ein-
ander kämpfen, und sich wechselsweise die grimmigsten
Bisse versetzen zu sehen. Wiewohl beide anfangs gleich
muthig und erbittert schienen, so verriethen doch die
Bewegungen der Wasserschlange, daß sie sich in ihr na-
türliches Element, nämlich den Teich, zurückzuziehen
wünschte. Die scharfsichtige Schwarze merkte nicht so bald
ihr Vorhaben, als sie ihren Schwanz zweimal um einen
der dort befindlichen Hanfstengel wand, ihre Gegnerin
bei der Gurgel faßte - und zwar nicht mit ihren Zäh-
nen, sondern durch dreimaliges Umschlingen um ihren
Nacken - und sie so vom Teiche zurückzog. Jene, eine
gewisse Niederlage zu vermeiden, faßte hierauf gleich-
falls einen in der Nähe stehenden ähnlichen Strunk, und
sah sich nun, durch diesen gewonnenen Widerhalt, in
den Stand gesetzt, den Kampf mit ihrem trotzigen Geg-
ner wieder muthig zu erneuen. Der Anblick war höchst
sonderbar. Man denke sich zwei große Schlangen mit
dem Schwanze auf den Boden geheftet, und mannig-
faltig in einander verschlungen, die sich in ihrer ganzen
Länge ausstrecken, und gegenseitig vergeblich ringen,
einander aus ihrer vortheilhaften Stellung zu bringen.
Jn den Augenblicken der höchsten Anstrengung, schien
der umwundene Theil ihres Körpers ganz dünn, indeß
der übrige sichtbar aufschwoll, und bisweilen von einem
überhin rollenden wellenförmigen Zucken in zitternde
Bewegung gesetzt wurde. Jhre Augen brannten wie
Feuer, und schienen ihnen aus dem Kopfe springen zu
wollen. Einmal schien der Streit entschieden. Die
Wasserschlange zog sich in zwei große Ringe zusammen,
durch welche Veränderung es ihr denn gelang, ihre
Gegnerin ungewöhnlich auszudehnen. Allein in dem
nächsten Augenblicke erhielten die erneuerten Bestrebun-
gen der Schwarzen unerwartet wieder die Oberhand,
sie schmiegte sich gleichfalls in zwei große Krümmun-
gen, und verlängerte dadurch die Ausdehnung der Was-
serschlange wieder in eben dem Maße, als sie die ihrige
verkürzte. Auf diese Art kämpften beide geraume Zeit
mit abwechselndem Erfolge, und der ungewisse Sieg
schien sich bald auf diese, bald auf jene Seite zu neigen,
bis endlich der Strunk, an welchem sich die schwarze
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] vor ihm stehn zu bleiben, und nur auf ein gegebenes
Zeichen zu fliehn.

Ohne den mindesten Vorrath von Lebensmitteln
beginnt der Gautscho seine Reise durch die unermeßli-
chen Wüsten, deren Boden kaum einige Gewächse für
das Vieh hervorbringt. Der Hunger setzt ihn in keine
Verlegenheit. Er stößt bald auf unzählbare Heerden
von wilden Pferden, fängt eins, wirft es zu Boden,
schneidet ihm ein Stück Fleisch aus dem Leibe und läßt
es wieder laufen. – Er hört das Brüllen des Tigers,
erreicht ihn und ein schreckliches Gefecht beginnt. Nicht
die Stärke verschafft hier den Sieg, sondern die Ge-
schicklichkeit. Der Gautscho setzt seine Schlinge in
Bewegung; er spricht, er schreit. Jhm gegenüber
liegt der Tiger auf dem Boden und betrachtet mit Er-
staunen das verwegene Geschöpf, das ihn herausfordert.
Furchtbar rollen die Augen in seinem Kopfe; er öffnet
den noch von der letzten Mahlzeit blutigen Rachen, und
späht gierig eine Stelle aus, auf welche er seiner
Seits einen Angriff machen könne. Der Gautscho
bleibt auf seinem Pferde ganz ruhig und besonnen, läßt
es zwar zurückweichen, behält aber den Feind im Auge,
welcher Schritt für Schritt vorwärts schleicht und auf
die erste Blöße lauert, die ihm das Pferd geben wird.
Der Gautscho weiß dieses; er läßt das Pferd sich
bäumen; der Tiger wagt einen Sprung und ist in der
Schlinge gefangen. Aus Leibeskräften rennt das Pferd
fort und schleppt das Raubthier hinter sich her. Zu-
weilen hält der Gautscho an. Hat die erste Schlinge
nur den Hals gefaßt, so wirft er ihm noch eine zweite
um die Beine, und ist nun vollkommner Sieger. Er
steigt ab, bewaffnet sich mit dem Messer, das er im
Stiefel trägt, und macht dem Tiger den Garaus. Sein
Tagewerk ist vollendet und das schöne Tigerfell sein
Lohn.



Der Schlangenkampf.

Der Verfasser der Briefe eines amerikanischen
Landmanns erzählt unter andern Folgendes. Jch be-
fand mich eines Tages in meiner wilden Laube, als mit
einem Mal meine Aufmerksamkeit durch ein rauschendes
Getöse erregt wurde, das nur wenig entfernt schien,
was ich aber, als ich mich überall umsah, dennoch nicht
entdecken konnte. Endlich kletterte ich in die Höhe,
und erblickte zu meinem größten Erstaunen zwei Schlan-
gen von beträchtlicher Größe, deren eine die andere mit
vieler Geschwindigkeit durch das freie Hanf=Stoppel-
Feld verfolgte. Die Angreifende war von der schwar-
zen Gattung, und sicherlich 6 Fuß lang; die Fliehende
war eine Wasserschlange von ziemlich gleicher Größe.
Sie trafen sich bald, und die Wuth ihres ersten Angrif-
fes war so heftig, daß sie augenblicklich fest in einander
verschlungen schienen, mit ihren verschränkten Schwän-
[Spaltenumbruch] zen heftig gegen den Boden schlugen, und mit fürchter-
lich aufgesperrten Rachen einander gegenseitig zu zer-
fleischen suchten. Jhre Köpfe schienen ganz klein zu-
sammengedrückt, und ihre Augen schossen Feuer. Nach-
dem dies Gefecht ungefähr 5 Minuten gedauert hatte,
glückte es der Letztern, sich von der Schwarzen los
zu machen, worauf sie sogleich nach dem Graben zu
schlüpfte. Jhre Gegnerin nahm alsbald eine andere
Stellung an, verfolgte, halb aufgerichtet, halb krie-
chend, mit sichtbarem Uebermuthe, die Flüchtige, er-
reichte und griff sie von neuem, jedoch nicht unerwartet,
an, denn diese hatte nicht sobald ihre Feindin sich nahen
gesehen, als sie derselben augenblicklich in gleicher Stel-
lung entgegenrückte. Es war ein fürchterlicher Anblick,
beide in dieser Lage mit aufgesperrten Rachen gegen ein-
ander kämpfen, und sich wechselsweise die grimmigsten
Bisse versetzen zu sehen. Wiewohl beide anfangs gleich
muthig und erbittert schienen, so verriethen doch die
Bewegungen der Wasserschlange, daß sie sich in ihr na-
türliches Element, nämlich den Teich, zurückzuziehen
wünschte. Die scharfsichtige Schwarze merkte nicht so bald
ihr Vorhaben, als sie ihren Schwanz zweimal um einen
der dort befindlichen Hanfstengel wand, ihre Gegnerin
bei der Gurgel faßte – und zwar nicht mit ihren Zäh-
nen, sondern durch dreimaliges Umschlingen um ihren
Nacken – und sie so vom Teiche zurückzog. Jene, eine
gewisse Niederlage zu vermeiden, faßte hierauf gleich-
falls einen in der Nähe stehenden ähnlichen Strunk, und
sah sich nun, durch diesen gewonnenen Widerhalt, in
den Stand gesetzt, den Kampf mit ihrem trotzigen Geg-
ner wieder muthig zu erneuen. Der Anblick war höchst
sonderbar. Man denke sich zwei große Schlangen mit
dem Schwanze auf den Boden geheftet, und mannig-
faltig in einander verschlungen, die sich in ihrer ganzen
Länge ausstrecken, und gegenseitig vergeblich ringen,
einander aus ihrer vortheilhaften Stellung zu bringen.
Jn den Augenblicken der höchsten Anstrengung, schien
der umwundene Theil ihres Körpers ganz dünn, indeß
der übrige sichtbar aufschwoll, und bisweilen von einem
überhin rollenden wellenförmigen Zucken in zitternde
Bewegung gesetzt wurde. Jhre Augen brannten wie
Feuer, und schienen ihnen aus dem Kopfe springen zu
wollen. Einmal schien der Streit entschieden. Die
Wasserschlange zog sich in zwei große Ringe zusammen,
durch welche Veränderung es ihr denn gelang, ihre
Gegnerin ungewöhnlich auszudehnen. Allein in dem
nächsten Augenblicke erhielten die erneuerten Bestrebun-
gen der Schwarzen unerwartet wieder die Oberhand,
sie schmiegte sich gleichfalls in zwei große Krümmun-
gen, und verlängerte dadurch die Ausdehnung der Was-
serschlange wieder in eben dem Maße, als sie die ihrige
verkürzte. Auf diese Art kämpften beide geraume Zeit
mit abwechselndem Erfolge, und der ungewisse Sieg
schien sich bald auf diese, bald auf jene Seite zu neigen,
bis endlich der Strunk, an welchem sich die schwarze
[Ende Spaltensatz]

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Der Verfasser der Briefe eines amerikanischen Landmanns erzählt unter andern Folgendes. Jch be- fand mich eines Tages in meiner wilden Laube, als mit einem Mal meine Aufmerksamkeit durch ein rauschendes Getöse erregt wurde, das nur wenig entfernt schien, was ich aber, als ich mich überall umsah, dennoch nicht entdecken konnte. Endlich kletterte ich in die Höhe, und erblickte zu meinem größten Erstaunen zwei Schlan- gen von beträchtlicher Größe, deren eine die andere mit vieler Geschwindigkeit durch das freie Hanf=Stoppel- Feld verfolgte. Die Angreifende war von der schwar- zen Gattung, und sicherlich 6 Fuß lang; die Fliehende war eine Wasserschlange von ziemlich gleicher Größe. Sie trafen sich bald, und die Wuth ihres ersten Angrif- fes war so heftig, daß sie augenblicklich fest in einander verschlungen schienen, mit ihren verschränkten Schwän- zen heftig gegen den Boden schlugen, und mit fürchter- lich aufgesperrten Rachen einander gegenseitig zu zer- fleischen suchten. 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Die scharfsichtige Schwarze merkte nicht so bald ihr Vorhaben, als sie ihren Schwanz zweimal um einen der dort befindlichen Hanfstengel wand, ihre Gegnerin bei der Gurgel faßte – und zwar nicht mit ihren Zäh- nen, sondern durch dreimaliges Umschlingen um ihren Nacken – und sie so vom Teiche zurückzog. Jene, eine gewisse Niederlage zu vermeiden, faßte hierauf gleich- falls einen in der Nähe stehenden ähnlichen Strunk, und sah sich nun, durch diesen gewonnenen Widerhalt, in den Stand gesetzt, den Kampf mit ihrem trotzigen Geg- ner wieder muthig zu erneuen. Der Anblick war höchst sonderbar. Man denke sich zwei große Schlangen mit dem Schwanze auf den Boden geheftet, und mannig- faltig in einander verschlungen, die sich in ihrer ganzen Länge ausstrecken, und gegenseitig vergeblich ringen, einander aus ihrer vortheilhaften Stellung zu bringen. Jn den Augenblicken der höchsten Anstrengung, schien der umwundene Theil ihres Körpers ganz dünn, indeß der übrige sichtbar aufschwoll, und bisweilen von einem überhin rollenden wellenförmigen Zucken in zitternde Bewegung gesetzt wurde. Jhre Augen brannten wie Feuer, und schienen ihnen aus dem Kopfe springen zu wollen. Einmal schien der Streit entschieden. Die Wasserschlange zog sich in zwei große Ringe zusammen, durch welche Veränderung es ihr denn gelang, ihre Gegnerin ungewöhnlich auszudehnen. Allein in dem nächsten Augenblicke erhielten die erneuerten Bestrebun- gen der Schwarzen unerwartet wieder die Oberhand, sie schmiegte sich gleichfalls in zwei große Krümmun- gen, und verlängerte dadurch die Ausdehnung der Was- serschlange wieder in eben dem Maße, als sie die ihrige verkürzte. 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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 11. Breslau, 15. März 1834, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller11_1834/6>, abgerufen am 23.11.2024.