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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905.

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Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan.
auch natürlich in verschleierter Weise, durch die Tat gestützt habe, waren zwar
verspätet, weil die Situation sich inzwischen geändert hat, beruhten aber auf
tatsächlichen unbestreitbaren Unterlagen. Und was beweist es, daß die japa-
nische Regierung erklärt, sie habe den deutschfeindlichen Ausstreuungen niemals
Glauben geschenkt. Soll sie sich etwa das Geschäft, das so kurz vor dem Ab-
schluß steht, verderben, indem sie die Stimmung verbittert durch Hinweis auf
all die diplomatischen Reden, Handlungen und kaiserlichen Handschreiben, durch
die die deutsche Regierung ihre Sympathie für die russische bis vor kurzem
bewiesen hat? Soll sie in diesem Augenblick vielleicht schon in ihr Herz sehen
lassen, in dem sicher das Mißtrauen und die Erbitterung noch stark genug sind,
und an Port Arthur erinnern, an Port Arthur, um das tausende von
Japanern und Russen in diesem Kriege haben ihr Leben lassen müssen, weil
diese Frucht des Sieges im chinesisch=japanischen Kriege hauptsächlich mit durch
Deutschland den Japanern wieder entrissen wurde?

Jn der Rede des Reichskanzlers zur Etatsdebatte steht noch ein Satz,
der sich auf das Verhältnis Deutschlands zu Japan bezieht. Der Reichskanzler
versicherte, daß die deutsche Regierung auch gegen eine japanische Anleihe in
Deutschland nichts einzuwenden habe. Sonderbarerweise steht hinter diesem Satz
in den Zeitungsberichten "Heiterkeit" verzeichnet. Daß jene Worte aber eine
sehr ernste Bedeutung hatten, hat sich unterdessen herausgestellt. Schon lesen
wir in den Tageszeitungen, daß die deutsch=asiatische Bank, die bekanntermaßen
nichts ohne vorherige Verständigung mit dem Auswärtigen Amte tut, eine
japanische Anleihe vorbereitet. Und sollte das etwa dementiert werden, so
bleibt es deshalb doch ganz sicherlich wahr. Dies ist der zweite Vorfall, von
dem ich vorher sprach und der beweist, daß die Jnformationen, die ich über
die Schwenkung der deutschen äußeren Politik erhalten hatte, richtig waren.
Und deshalb möge man auch beachten, was ich jetzt weiter
sage. Es wird seit einiger Zeit zwischen Japan und Deutsch-
land intensiv verhandelt und diese Verhandlungen können zwar
unter Umständen noch längere Zeit andauern, über die Grundzüge des neuen
Einverständnisses aber soll man bereits einig sein. Es kann noch einige Zeit
dauern, es kann aber auch sehr schnell kommen, daß die Ergebnisse der Ver-
handlungen aller Welt sichtbar werden. Was die deutsche Regierung haupt-
sächlich erstrebt, ist die Erweiterung ihrer Jnteressensphäre über Schantung
hinaus.

Weil aber der Erfolg dieser Bestrebungen unsere Reibungsfläche in Ost-
asien unerhört vergrößern würde, noch dazu in einer Zeit, in der man durch
die vorhergegangene Politik das Verhältnis Deutschlands gegenüber mehreren
anderen europäischen Staaten, besonders England, außerordentlich verschlechtert
hat, weil man dies alles auch in den leitenden Kreisen fühlt und weiß, und
weil wir deshalb schneller, als man es noch bis vor kurzem ahnte, eine Flotten-
vorlage erhalten werden, entsprechend der von sehr hoher Stelle dirigierten
Propaganda des Flottenvereins, ist es Pflicht, hier nicht zu schweigen, sondern
beizeiten auf das Kommende aufmerksam zu machen.

Nicht genug, daß die Leiter von Deutschlands äußerer Politik in unverant-
wortlicher Weise dem größenwahnsinnig gewordenen russischen Autokratismus
stillschweigend geholfen haben, die Mittel zur Befriedigung seiner Gelüste

Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan.
auch natürlich in verschleierter Weise, durch die Tat gestützt habe, waren zwar
verspätet, weil die Situation sich inzwischen geändert hat, beruhten aber auf
tatsächlichen unbestreitbaren Unterlagen. Und was beweist es, daß die japa-
nische Regierung erklärt, sie habe den deutschfeindlichen Ausstreuungen niemals
Glauben geschenkt. Soll sie sich etwa das Geschäft, das so kurz vor dem Ab-
schluß steht, verderben, indem sie die Stimmung verbittert durch Hinweis auf
all die diplomatischen Reden, Handlungen und kaiserlichen Handschreiben, durch
die die deutsche Regierung ihre Sympathie für die russische bis vor kurzem
bewiesen hat? Soll sie in diesem Augenblick vielleicht schon in ihr Herz sehen
lassen, in dem sicher das Mißtrauen und die Erbitterung noch stark genug sind,
und an Port Arthur erinnern, an Port Arthur, um das tausende von
Japanern und Russen in diesem Kriege haben ihr Leben lassen müssen, weil
diese Frucht des Sieges im chinesisch=japanischen Kriege hauptsächlich mit durch
Deutschland den Japanern wieder entrissen wurde?

Jn der Rede des Reichskanzlers zur Etatsdebatte steht noch ein Satz,
der sich auf das Verhältnis Deutschlands zu Japan bezieht. Der Reichskanzler
versicherte, daß die deutsche Regierung auch gegen eine japanische Anleihe in
Deutschland nichts einzuwenden habe. Sonderbarerweise steht hinter diesem Satz
in den Zeitungsberichten „Heiterkeit“ verzeichnet. Daß jene Worte aber eine
sehr ernste Bedeutung hatten, hat sich unterdessen herausgestellt. Schon lesen
wir in den Tageszeitungen, daß die deutsch=asiatische Bank, die bekanntermaßen
nichts ohne vorherige Verständigung mit dem Auswärtigen Amte tut, eine
japanische Anleihe vorbereitet. Und sollte das etwa dementiert werden, so
bleibt es deshalb doch ganz sicherlich wahr. Dies ist der zweite Vorfall, von
dem ich vorher sprach und der beweist, daß die Jnformationen, die ich über
die Schwenkung der deutschen äußeren Politik erhalten hatte, richtig waren.
Und deshalb möge man auch beachten, was ich jetzt weiter
sage. Es wird seit einiger Zeit zwischen Japan und Deutsch-
land intensiv verhandelt und diese Verhandlungen können zwar
unter Umständen noch längere Zeit andauern, über die Grundzüge des neuen
Einverständnisses aber soll man bereits einig sein. Es kann noch einige Zeit
dauern, es kann aber auch sehr schnell kommen, daß die Ergebnisse der Ver-
handlungen aller Welt sichtbar werden. Was die deutsche Regierung haupt-
sächlich erstrebt, ist die Erweiterung ihrer Jnteressensphäre über Schantung
hinaus.

Weil aber der Erfolg dieser Bestrebungen unsere Reibungsfläche in Ost-
asien unerhört vergrößern würde, noch dazu in einer Zeit, in der man durch
die vorhergegangene Politik das Verhältnis Deutschlands gegenüber mehreren
anderen europäischen Staaten, besonders England, außerordentlich verschlechtert
hat, weil man dies alles auch in den leitenden Kreisen fühlt und weiß, und
weil wir deshalb schneller, als man es noch bis vor kurzem ahnte, eine Flotten-
vorlage erhalten werden, entsprechend der von sehr hoher Stelle dirigierten
Propaganda des Flottenvereins, ist es Pflicht, hier nicht zu schweigen, sondern
beizeiten auf das Kommende aufmerksam zu machen.

Nicht genug, daß die Leiter von Deutschlands äußerer Politik in unverant-
wortlicher Weise dem größenwahnsinnig gewordenen russischen Autokratismus
stillschweigend geholfen haben, die Mittel zur Befriedigung seiner Gelüste

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[435/0003] Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan. auch natürlich in verschleierter Weise, durch die Tat gestützt habe, waren zwar verspätet, weil die Situation sich inzwischen geändert hat, beruhten aber auf tatsächlichen unbestreitbaren Unterlagen. Und was beweist es, daß die japa- nische Regierung erklärt, sie habe den deutschfeindlichen Ausstreuungen niemals Glauben geschenkt. Soll sie sich etwa das Geschäft, das so kurz vor dem Ab- schluß steht, verderben, indem sie die Stimmung verbittert durch Hinweis auf all die diplomatischen Reden, Handlungen und kaiserlichen Handschreiben, durch die die deutsche Regierung ihre Sympathie für die russische bis vor kurzem bewiesen hat? Soll sie in diesem Augenblick vielleicht schon in ihr Herz sehen lassen, in dem sicher das Mißtrauen und die Erbitterung noch stark genug sind, und an Port Arthur erinnern, an Port Arthur, um das tausende von Japanern und Russen in diesem Kriege haben ihr Leben lassen müssen, weil diese Frucht des Sieges im chinesisch=japanischen Kriege hauptsächlich mit durch Deutschland den Japanern wieder entrissen wurde? Jn der Rede des Reichskanzlers zur Etatsdebatte steht noch ein Satz, der sich auf das Verhältnis Deutschlands zu Japan bezieht. Der Reichskanzler versicherte, daß die deutsche Regierung auch gegen eine japanische Anleihe in Deutschland nichts einzuwenden habe. Sonderbarerweise steht hinter diesem Satz in den Zeitungsberichten „Heiterkeit“ verzeichnet. Daß jene Worte aber eine sehr ernste Bedeutung hatten, hat sich unterdessen herausgestellt. Schon lesen wir in den Tageszeitungen, daß die deutsch=asiatische Bank, die bekanntermaßen nichts ohne vorherige Verständigung mit dem Auswärtigen Amte tut, eine japanische Anleihe vorbereitet. Und sollte das etwa dementiert werden, so bleibt es deshalb doch ganz sicherlich wahr. Dies ist der zweite Vorfall, von dem ich vorher sprach und der beweist, daß die Jnformationen, die ich über die Schwenkung der deutschen äußeren Politik erhalten hatte, richtig waren. Und deshalb möge man auch beachten, was ich jetzt weiter sage. Es wird seit einiger Zeit zwischen Japan und Deutsch- land intensiv verhandelt und diese Verhandlungen können zwar unter Umständen noch längere Zeit andauern, über die Grundzüge des neuen Einverständnisses aber soll man bereits einig sein. Es kann noch einige Zeit dauern, es kann aber auch sehr schnell kommen, daß die Ergebnisse der Ver- handlungen aller Welt sichtbar werden. Was die deutsche Regierung haupt- sächlich erstrebt, ist die Erweiterung ihrer Jnteressensphäre über Schantung hinaus. Weil aber der Erfolg dieser Bestrebungen unsere Reibungsfläche in Ost- asien unerhört vergrößern würde, noch dazu in einer Zeit, in der man durch die vorhergegangene Politik das Verhältnis Deutschlands gegenüber mehreren anderen europäischen Staaten, besonders England, außerordentlich verschlechtert hat, weil man dies alles auch in den leitenden Kreisen fühlt und weiß, und weil wir deshalb schneller, als man es noch bis vor kurzem ahnte, eine Flotten- vorlage erhalten werden, entsprechend der von sehr hoher Stelle dirigierten Propaganda des Flottenvereins, ist es Pflicht, hier nicht zu schweigen, sondern beizeiten auf das Kommende aufmerksam zu machen. Nicht genug, daß die Leiter von Deutschlands äußerer Politik in unverant- wortlicher Weise dem größenwahnsinnig gewordenen russischen Autokratismus stillschweigend geholfen haben, die Mittel zur Befriedigung seiner Gelüste

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0110_1905/3>, abgerufen am 22.11.2024.