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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905.

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Heinrich Michalski: Pläne des sächsischen Hofes.
etwa die neue Königin in Dresden vom Volke empfangen werden würde.
Dem König wie dem "Volke" mußte daher Luise von Toskana endgültig aus
dem Herzen gerissen werden. Beim König scheint das jetzt endgültig ge-
lungen zu sein.

Wollte man nun jenen Leuten sagen, daß sie von ihrem Standpunkt als
enragierte Monarchisten höchst unvorsichtig handeln, so würden sie lächeln,
denn ihr Plan ist noch lange nicht zu Ende. Wenn die Gräfin Montignoso
erst ganz am Boden liegt, dann soll sie in den Augen der Öffentlichkeit von
denselben Leuten entschuldigt werden, die sie heute besudeln. Schon steigt
hier und dort in der Presse ein ballon d'essai, schon liest man in der einen
Zeitung etwas von moral insanity und in einer anderen wird bereits die
Frage aufgeworfen, ob der Historiker oder der Psychiater ein größeres Jnter-
esse an dieser Frage nehmen würde. Nicht mehr lange wird es dauern, dann
wird es heißen, man habe doch der ehemaligen Kronprinzessin Unrecht getan,
sie sei für ihre Handlungen nicht verantwortlich gewesen. Und wenn sich
dann erst die nötigen Gutachter gefunden haben werden, die das bezeugen,
dann wird man auf diese Weise zu erreichen suchen, daß all das, was
man heute über Luise von Toskana ausstreut, und noch viel mehr von der
Öffentlichkeit geglaubt wird, weil man eben einer Geisteskranken alles zu-
trauen kann.

Bekanntlich hat man gleich im Anfang der Skandalaffäre daran gedacht,
die damalige Kronprinzessin in ein Kloster oder in ein Jrrenhaus zu bringen.
Den Gedanken an ein Kloster hat man lange fallen lassen, aber den ans
Jrrenhaus hat man mit Zähigkeit festgehalten. Ob freilich der saubere Plan
gelingen wird, steht doch noch dahin.

Wir brauchen hier nicht zu erörtern, ob vielleicht jene Flucht vor zwei
Jahren jener krankhaften Gemütsstimmung entsprang, die man öfter bei
schwangeren Frauen beobachtet hat. Das ist nun einmal geschehen und
vorbei. Seitdem aber hat sich nichts ereignet, was auf einen dauernden
krankhaften Zustand der Gräfin Montignoso schließen läßt. Nichts kann man
ihr tatsächlich vorwerfen, als daß eine von ihren Feinden bezahlte Bonne die
Abdrücke zweier Köpfe auf einem Kissen erkannt zu haben glaubt und eine
andere das Rauschen seidener Kleider gehört haben will, als der Graf Guicciar-
dini bei der Gräfin Montignoso zum Besuch war. Auch daraus, daß Graf
Guicciardini die Gräfin von Montignoso auf ihrer neulichen Reise nach
Dresden heimlich begleitet haben soll, läßt sich kein Vorwurf irgend welcher
Art konstruieren, wenn man nicht eben von vornherein an ein intimes Ver-
hältnis zwischen den beiden glaubt.

Wenn also jene Kreise, die ich oben andeutete, ihren Plan durchführen
wollen, so haben sie noch genug an ihrem Jntriguengewebe zu arbeiten, und
das müssen sie sehr vorsichtig tun.



Heinrich Michalski: Pläne des sächsischen Hofes.
etwa die neue Königin in Dresden vom Volke empfangen werden würde.
Dem König wie dem „Volke“ mußte daher Luise von Toskana endgültig aus
dem Herzen gerissen werden. Beim König scheint das jetzt endgültig ge-
lungen zu sein.

Wollte man nun jenen Leuten sagen, daß sie von ihrem Standpunkt als
enragierte Monarchisten höchst unvorsichtig handeln, so würden sie lächeln,
denn ihr Plan ist noch lange nicht zu Ende. Wenn die Gräfin Montignoso
erst ganz am Boden liegt, dann soll sie in den Augen der Öffentlichkeit von
denselben Leuten entschuldigt werden, die sie heute besudeln. Schon steigt
hier und dort in der Presse ein ballon d'essai, schon liest man in der einen
Zeitung etwas von moral insanity und in einer anderen wird bereits die
Frage aufgeworfen, ob der Historiker oder der Psychiater ein größeres Jnter-
esse an dieser Frage nehmen würde. Nicht mehr lange wird es dauern, dann
wird es heißen, man habe doch der ehemaligen Kronprinzessin Unrecht getan,
sie sei für ihre Handlungen nicht verantwortlich gewesen. Und wenn sich
dann erst die nötigen Gutachter gefunden haben werden, die das bezeugen,
dann wird man auf diese Weise zu erreichen suchen, daß all das, was
man heute über Luise von Toskana ausstreut, und noch viel mehr von der
Öffentlichkeit geglaubt wird, weil man eben einer Geisteskranken alles zu-
trauen kann.

Bekanntlich hat man gleich im Anfang der Skandalaffäre daran gedacht,
die damalige Kronprinzessin in ein Kloster oder in ein Jrrenhaus zu bringen.
Den Gedanken an ein Kloster hat man lange fallen lassen, aber den ans
Jrrenhaus hat man mit Zähigkeit festgehalten. Ob freilich der saubere Plan
gelingen wird, steht doch noch dahin.

Wir brauchen hier nicht zu erörtern, ob vielleicht jene Flucht vor zwei
Jahren jener krankhaften Gemütsstimmung entsprang, die man öfter bei
schwangeren Frauen beobachtet hat. Das ist nun einmal geschehen und
vorbei. Seitdem aber hat sich nichts ereignet, was auf einen dauernden
krankhaften Zustand der Gräfin Montignoso schließen läßt. Nichts kann man
ihr tatsächlich vorwerfen, als daß eine von ihren Feinden bezahlte Bonne die
Abdrücke zweier Köpfe auf einem Kissen erkannt zu haben glaubt und eine
andere das Rauschen seidener Kleider gehört haben will, als der Graf Guicciar-
dini bei der Gräfin Montignoso zum Besuch war. Auch daraus, daß Graf
Guicciardini die Gräfin von Montignoso auf ihrer neulichen Reise nach
Dresden heimlich begleitet haben soll, läßt sich kein Vorwurf irgend welcher
Art konstruieren, wenn man nicht eben von vornherein an ein intimes Ver-
hältnis zwischen den beiden glaubt.

Wenn also jene Kreise, die ich oben andeutete, ihren Plan durchführen
wollen, so haben sie noch genug an ihrem Jntriguengewebe zu arbeiten, und
das müssen sie sehr vorsichtig tun.



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[248/0008] Heinrich Michalski: Pläne des sächsischen Hofes. etwa die neue Königin in Dresden vom Volke empfangen werden würde. Dem König wie dem „Volke“ mußte daher Luise von Toskana endgültig aus dem Herzen gerissen werden. Beim König scheint das jetzt endgültig ge- lungen zu sein. Wollte man nun jenen Leuten sagen, daß sie von ihrem Standpunkt als enragierte Monarchisten höchst unvorsichtig handeln, so würden sie lächeln, denn ihr Plan ist noch lange nicht zu Ende. Wenn die Gräfin Montignoso erst ganz am Boden liegt, dann soll sie in den Augen der Öffentlichkeit von denselben Leuten entschuldigt werden, die sie heute besudeln. Schon steigt hier und dort in der Presse ein ballon d'essai, schon liest man in der einen Zeitung etwas von moral insanity und in einer anderen wird bereits die Frage aufgeworfen, ob der Historiker oder der Psychiater ein größeres Jnter- esse an dieser Frage nehmen würde. Nicht mehr lange wird es dauern, dann wird es heißen, man habe doch der ehemaligen Kronprinzessin Unrecht getan, sie sei für ihre Handlungen nicht verantwortlich gewesen. Und wenn sich dann erst die nötigen Gutachter gefunden haben werden, die das bezeugen, dann wird man auf diese Weise zu erreichen suchen, daß all das, was man heute über Luise von Toskana ausstreut, und noch viel mehr von der Öffentlichkeit geglaubt wird, weil man eben einer Geisteskranken alles zu- trauen kann. Bekanntlich hat man gleich im Anfang der Skandalaffäre daran gedacht, die damalige Kronprinzessin in ein Kloster oder in ein Jrrenhaus zu bringen. Den Gedanken an ein Kloster hat man lange fallen lassen, aber den ans Jrrenhaus hat man mit Zähigkeit festgehalten. Ob freilich der saubere Plan gelingen wird, steht doch noch dahin. Wir brauchen hier nicht zu erörtern, ob vielleicht jene Flucht vor zwei Jahren jener krankhaften Gemütsstimmung entsprang, die man öfter bei schwangeren Frauen beobachtet hat. Das ist nun einmal geschehen und vorbei. Seitdem aber hat sich nichts ereignet, was auf einen dauernden krankhaften Zustand der Gräfin Montignoso schließen läßt. Nichts kann man ihr tatsächlich vorwerfen, als daß eine von ihren Feinden bezahlte Bonne die Abdrücke zweier Köpfe auf einem Kissen erkannt zu haben glaubt und eine andere das Rauschen seidener Kleider gehört haben will, als der Graf Guicciar- dini bei der Gräfin Montignoso zum Besuch war. Auch daraus, daß Graf Guicciardini die Gräfin von Montignoso auf ihrer neulichen Reise nach Dresden heimlich begleitet haben soll, läßt sich kein Vorwurf irgend welcher Art konstruieren, wenn man nicht eben von vornherein an ein intimes Ver- hältnis zwischen den beiden glaubt. Wenn also jene Kreise, die ich oben andeutete, ihren Plan durchführen wollen, so haben sie noch genug an ihrem Jntriguengewebe zu arbeiten, und das müssen sie sehr vorsichtig tun.

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0106_1905/8>, abgerufen am 24.11.2024.