[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
der-Kiel dazu, wenn es ein Knäbgen ist. Er muste hiermit seinen Dis- cours beschliessen, weil sie in Vließingen anlangten, und sich alsobald in das vornehmste Gasthauß einlogierten, und früh Morgends ein paar Stun- den anwendeten, sich umzusehen, darauf sie ihren Weg weiter fortsetzten, und nach der Jnsul Sud-Beveland schifften, wo sie in dem Hafen Goes, der an dem östlichen Einfluß der Schelde liegt, ausstiegen. Diese grosse und schöne Stadt aber war nicht vermögend, sie in ihren Mauren lange zu behalten, sondern nach einem kurtzen Verweilen, verliessen sie Goes und zu- gleich die Provintz Seeland, indem sie sich in das holländische Brabant und in die zuförderst gelegene Stadt Bergenopzoom verfügten. Es gefiel den Lords alhier so wohl, daß sie sich einen Tag hier zu arretiren vornahmen, und diesen damit zubrachten, daß sie die dasige Festungs-Wercke genau in Augenschein nahmen. Da sie nun Mylord Bingley so fürtreflich und re- gulair fand, so sagte er zu dem Raminio: Dieser Platz muß ohne Zweifel einer von den wichtigsten in den Nie- derlanden seyn, indem die Fortification daran so richtig und schöne ist, als ich an wenig Orten gesehen? Raminio. Es ist wahr, Mylord, und man hat diesen Ort nicht unbillig vor un- überwindlich gehalten, biß er in der letzten Belagerung das Gegentheil er- wiesen. Wiewohl man mit Unrecht eine Festung vor unüberwindlich aus- giebt, indem man heut zu tage schon Mittel weiß sie durch allerhand Mittel, als Bloquaden, Bombardirungen, auch wohl durch Bestechung der Commendanten sie zur Ubergabe zuzwingen. Vor hundert Jahren hielte man davor, Bergenopzoom könte ohnmöglich eine Real-Vestung abge- ben, weil seine Lage dazu nicht vortheilhafftig wär, nachdem aber geschickte Jngenieurs die Hand ans Werck geschlagen, so ist es gar wohl möglich ge- wesen. Diese Stadt und die dazugehörigen Dorfschafften führen den Ti- tul eines Marquisats, welchen Rang sie von dem Kayser Carl V. 1533. erhalten, und 1577. in der Holländer Gewalt gekommen. Bingley. Könt ihr mir denn aber, werthester Raminio, nicht einige Nachricht von dem Geschlechte geben, welches diese Marggrafschafft besessen? Raminio. Es sind gar viel Veränderungen unter den Besitzern dieser Landschafft vorgegangen. Sie war ehemahls ein Theil der Herrschafft Breda, denn mit Jsabella, Henrichs, Herrn von Breda und Bergenopzoom Erbin kam sie an Arnold von Löven. Dieser zeugte mit ihr 2. Töchter, davon Alcite ihrem L 2
der-Kiel dazu, wenn es ein Knaͤbgen iſt. Er muſte hiermit ſeinen Diſ- cours beſchlieſſen, weil ſie in Vließingen anlangten, und ſich alſobald in das vornehmſte Gaſthauß einlogierten, und fruͤh Morgends ein paar Stun- den anwendeten, ſich umzuſehen, darauf ſie ihren Weg weiter fortſetzten, und nach der Jnſul Sud-Beveland ſchifften, wo ſie in dem Hafen Goes, der an dem oͤſtlichen Einfluß der Schelde liegt, ausſtiegen. Dieſe groſſe und ſchoͤne Stadt aber war nicht vermoͤgend, ſie in ihren Mauren lange zu behalten, ſondern nach einem kurtzen Verweilen, verlieſſen ſie Goes und zu- gleich die Provintz Seeland, indem ſie ſich in das hollaͤndiſche Brabant und in die zufoͤrderſt gelegene Stadt Bergenopzoom verfuͤgten. Es gefiel den Lords alhier ſo wohl, daß ſie ſich einen Tag hier zu arretiren vornahmen, und dieſen damit zubrachten, daß ſie die daſige Feſtungs-Wercke genau in Augenſchein nahmen. Da ſie nun Mylord Bingley ſo fuͤrtreflich und re- gulair fand, ſo ſagte er zu dem Raminio: Dieſer Platz muß ohne Zweifel einer von den wichtigſten in den Nie- derlanden ſeyn, indem die Fortification daran ſo richtig und ſchoͤne iſt, als ich an wenig Orten geſehen? Raminio. Es iſt wahr, Mylord, und man hat dieſen Ort nicht unbillig vor un- uͤberwindlich gehalten, biß er in der letzten Belagerung das Gegentheil er- wieſen. Wiewohl man mit Unrecht eine Feſtung vor unuͤberwindlich aus- giebt, indem man heut zu tage ſchon Mittel weiß ſie durch allerhand Mittel, als Bloquaden, Bombardirungen, auch wohl durch Beſtechung der Commendanten ſie zur Ubergabe zuzwingen. Vor hundert Jahren hielte man davor, Bergenopzoom koͤnte ohnmoͤglich eine Real-Veſtung abge- ben, weil ſeine Lage dazu nicht vortheilhafftig waͤr, nachdem aber geſchickte Jngenieurs die Hand ans Werck geſchlagen, ſo iſt es gar wohl moͤglich ge- weſen. Dieſe Stadt und die dazugehoͤrigen Dorfſchafften fuͤhren den Ti- tul eines Marquiſats, welchen Rang ſie von dem Kayſer Carl V. 1533. erhalten, und 1577. in der Hollaͤnder Gewalt gekommen. Bingley. Koͤnt ihr mir denn aber, wertheſter Raminio, nicht einige Nachricht von dem Geſchlechte geben, welches dieſe Marggrafſchafft beſeſſen? Raminio. Es ſind gar viel Veraͤnderungen unter den Beſitzern dieſer Landſchafft vorgegangen. Sie war ehemahls ein Theil der Herrſchafft Breda, denn mit Jſabella, Henrichs, Herrn von Breda und Bergenopzoom Erbin kam ſie an Arnold von Loͤven. Dieſer zeugte mit ihr 2. Toͤchter, davon Alcite ihrem L 2
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den anwendeten, ſich umzuſehen, darauf ſie ihren Weg weiter fortſetzten,
und nach der Jnſul Sud-Beveland ſchifften, wo ſie in dem Hafen Goes,
der an dem oͤſtlichen Einfluß der Schelde liegt, ausſtiegen. Dieſe groſſe
und ſchoͤne Stadt aber war nicht vermoͤgend, ſie in ihren Mauren lange zu
behalten, ſondern nach einem kurtzen Verweilen, verlieſſen ſie Goes und zu-
gleich die Provintz Seeland, indem ſie ſich in das hollaͤndiſche Brabant
und in die zufoͤrderſt gelegene Stadt Bergenopzoom verfuͤgten. Es gefiel
den Lords alhier ſo wohl, daß ſie ſich einen Tag hier zu arretiren vornahmen,
und dieſen damit zubrachten, daß ſie die daſige Feſtungs-Wercke genau in
Augenſchein nahmen. Da ſie nun Mylord Bingley ſo fuͤrtreflich und re-
gulair fand, ſo ſagte er zu dem Raminio:
Dieſer Platz muß ohne Zweifel einer von den wichtigſten in den Nie-
derlanden ſeyn, indem die Fortification daran ſo richtig und ſchoͤne iſt, als
ich an wenig Orten geſehen?
Raminio.
Es iſt wahr, Mylord, und man hat dieſen Ort nicht unbillig vor un-
uͤberwindlich gehalten, biß er in der letzten Belagerung das Gegentheil er-
wieſen. Wiewohl man mit Unrecht eine Feſtung vor unuͤberwindlich aus-
giebt, indem man heut zu tage ſchon Mittel weiß ſie durch allerhand Mittel,
als Bloquaden, Bombardirungen, auch wohl durch Beſtechung der
Commendanten ſie zur Ubergabe zuzwingen. Vor hundert Jahren hielte
man davor, Bergenopzoom koͤnte ohnmoͤglich eine Real-Veſtung abge-
ben, weil ſeine Lage dazu nicht vortheilhafftig waͤr, nachdem aber geſchickte
Jngenieurs die Hand ans Werck geſchlagen, ſo iſt es gar wohl moͤglich ge-
weſen. Dieſe Stadt und die dazugehoͤrigen Dorfſchafften fuͤhren den Ti-
tul eines Marquiſats, welchen Rang ſie von dem Kayſer Carl V. 1533.
erhalten, und 1577. in der Hollaͤnder Gewalt gekommen.
Bingley.
Koͤnt ihr mir denn aber, wertheſter Raminio, nicht einige Nachricht
von dem Geſchlechte geben, welches dieſe Marggrafſchafft beſeſſen?
Raminio.
Es ſind gar viel Veraͤnderungen unter den Beſitzern dieſer Landſchafft
vorgegangen. Sie war ehemahls ein Theil der Herrſchafft Breda, denn
mit Jſabella, Henrichs, Herrn von Breda und Bergenopzoom Erbin kam
ſie an Arnold von Loͤven. Dieſer zeugte mit ihr 2. Toͤchter, davon Alcite
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