[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
fals in ein Hauß kam, da der Wirth alsobald bey dem Eintritt in das Zim- mer nicht dahin auszuwerfen, sondern es an einen schlimmern Ort zu ver- sparen bat. Der Gast schien damit zufrieden, und kam des Wirths Ver- mahnung vortrefflich nach. Denn als ihm der Speichel auszuwerfen nö- thigte, so geschah es mit einer besondern Fertigkeit dem Wirth in das Ge- fichte. Dieser hielt es vor eine entsetzliche Jnjurie, und setzte den Thäter darüber bey nahe mit Fäusten zur Rede, welcher sich aber bald entschuldig- te, und die Schuld selbst auf den Wirth schob, als welcher ihm befohlen hätte, an einen schlimmen Ort auszuspucken. Weil er nun keinen schlim- mern finden können, so wäre er also zu excusiren. Raminio. Dieser Vorschlag läst sich hören. Jndessen ist doch soviel richtig, daß mancher lieber was anders drum gäbe, als daß man ihm auf solche Art seine Zimmer beschmutzet. Sonnabends und an den Tagen vor grossen Festen sind sie sonderlich bemüht, alles recht reine zu machen, und die we- nigsten halten diesem Tag ordentliche Mittags-Mahlzeit, und begnügen sich, ein stückgen Essen in die Hand zu nehmen, und dabey die Reinigung ihrer Häuser zu verrichten. Jn Kleidung bemühen sie sich dergleichen zu thun, und ist dieses was sonderliches, daß ein jeder sich nach seinem Kopfe kleidet, und deßwegen doch von niemand ausgelacht oder aufgezogen wird. Man siehet noch viele, die nach derjenigen Art, die vor ein oder zwey hundert Jahren Mode gewesen, gekleidet einhergehen, bloß darum, weil sie ihr Ver- gnügen daran finden. Bingley. Wie ist aber die Aufführung des hiesigen Adels überhaupt beschaffen, und wie kömt es, daß die Auswärtigen in der wunderlichen Meynung stehen, als wenn in Holland keine Personen von gutem Adel wären? Raminio. Das kömt von den Traditionen her, da etwa ein oder ein paar un- verständige Kerl, die mit nach Ost-Jndien gereiset seyn, wider in ihr Va- terland zurücke kommen, und alda von allerhand besondern Dingen auf- schneiden wollen, und diese einfältige Glosse mit untergemengt haben. Denn ich kan euch versichern, Mylord, daß ihr weder in Franckreich, noch Enge- land, noch Spanien, noch Portugall, noch Jtalien und Pohlen, einen so alten und unverfälschtem Adel antreffen werdet, als in Holland. Denn weil man alhier nicht die Gewohnheit eingeführt, Bürgerliche, wie in an- dern Reichen geschicht, in den Adelstand zu erheben, so muß man folglich gewiß
fals in ein Hauß kam, da der Wirth alſobald bey dem Eintritt in das Zim- mer nicht dahin auszuwerfen, ſondern es an einen ſchlimmern Ort zu ver- ſparen bat. Der Gaſt ſchien damit zufrieden, und kam des Wirths Ver- mahnung vortrefflich nach. Denn als ihm der Speichel auszuwerfen noͤ- thigte, ſo geſchah es mit einer beſondern Fertigkeit dem Wirth in das Ge- fichte. Dieſer hielt es vor eine entſetzliche Jnjurie, und ſetzte den Thaͤter daruͤber bey nahe mit Faͤuſten zur Rede, welcher ſich aber bald entſchuldig- te, und die Schuld ſelbſt auf den Wirth ſchob, als welcher ihm befohlen haͤtte, an einen ſchlimmen Ort auszuſpucken. Weil er nun keinen ſchlim- mern finden koͤnnen, ſo waͤre er alſo zu excuſiren. Raminio. Dieſer Vorſchlag laͤſt ſich hoͤren. Jndeſſen iſt doch ſoviel richtig, daß mancher lieber was anders drum gaͤbe, als daß man ihm auf ſolche Art ſeine Zimmer beſchmutzet. Sonnabends und an den Tagen vor groſſen Feſten ſind ſie ſonderlich bemuͤht, alles recht reine zu machen, und die we- nigſten halten dieſem Tag ordentliche Mittags-Mahlzeit, und begnuͤgen ſich, ein ſtuͤckgen Eſſen in die Hand zu nehmen, und dabey die Reinigung ihrer Haͤuſer zu verrichten. Jn Kleidung bemuͤhen ſie ſich dergleichen zu thun, und iſt dieſes was ſonderliches, daß ein jeder ſich nach ſeinem Kopfe kleidet, und deßwegen doch von niemand ausgelacht oder aufgezogen wird. Man ſiehet noch viele, die nach derjenigen Art, die vor ein oder zwey hundert Jahren Mode geweſen, gekleidet einhergehen, bloß darum, weil ſie ihr Ver- gnuͤgen daran finden. Bingley. Wie iſt aber die Auffuͤhrung des hieſigen Adels uͤberhaupt beſchaffen, und wie koͤmt es, daß die Auswaͤrtigen in der wunderlichen Meynung ſtehen, als wenn in Holland keine Perſonen von gutem Adel waͤren? Raminio. Das koͤmt von den Traditionen her, da etwa ein oder ein paar un- verſtaͤndige Kerl, die mit nach Oſt-Jndien gereiſet ſeyn, wider in ihr Va- terland zuruͤcke kommen, und alda von allerhand beſondern Dingen auf- ſchneiden wollen, und dieſe einfaͤltige Gloſſe mit untergemengt haben. Denn ich kan euch verſichern, Mylord, daß ihr weder in Franckreich, noch Enge- land, noch Spanien, noch Portugall, noch Jtalien und Pohlen, einen ſo alten und unverfaͤlſchtem Adel antreffen werdet, als in Holland. Denn weil man alhier nicht die Gewohnheit eingefuͤhrt, Buͤrgerliche, wie in an- dern Reichen geſchicht, in den Adelſtand zu erheben, ſo muß man folglich gewiß
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ſparen bat. Der Gaſt ſchien damit zufrieden, und kam des Wirths Ver-
mahnung vortrefflich nach. Denn als ihm der Speichel auszuwerfen noͤ-
thigte, ſo geſchah es mit einer beſondern Fertigkeit dem Wirth in das Ge-
fichte. Dieſer hielt es vor eine entſetzliche Jnjurie, und ſetzte den Thaͤter
daruͤber bey nahe mit Faͤuſten zur Rede, welcher ſich aber bald entſchuldig-
te, und die Schuld ſelbſt auf den Wirth ſchob, als welcher ihm befohlen
haͤtte, an einen ſchlimmen Ort auszuſpucken. Weil er nun keinen ſchlim-
mern finden koͤnnen, ſo waͤre er alſo zu excuſiren.
Raminio.
Dieſer Vorſchlag laͤſt ſich hoͤren. Jndeſſen iſt doch ſoviel richtig,
daß mancher lieber was anders drum gaͤbe, als daß man ihm auf ſolche Art
ſeine Zimmer beſchmutzet. Sonnabends und an den Tagen vor groſſen
Feſten ſind ſie ſonderlich bemuͤht, alles recht reine zu machen, und die we-
nigſten halten dieſem Tag ordentliche Mittags-Mahlzeit, und begnuͤgen ſich,
ein ſtuͤckgen Eſſen in die Hand zu nehmen, und dabey die Reinigung ihrer
Haͤuſer zu verrichten. Jn Kleidung bemuͤhen ſie ſich dergleichen zu thun,
und iſt dieſes was ſonderliches, daß ein jeder ſich nach ſeinem Kopfe kleidet,
und deßwegen doch von niemand ausgelacht oder aufgezogen wird. Man
ſiehet noch viele, die nach derjenigen Art, die vor ein oder zwey hundert
Jahren Mode geweſen, gekleidet einhergehen, bloß darum, weil ſie ihr Ver-
gnuͤgen daran finden.
Bingley.
Wie iſt aber die Auffuͤhrung des hieſigen Adels uͤberhaupt beſchaffen,
und wie koͤmt es, daß die Auswaͤrtigen in der wunderlichen Meynung ſtehen,
als wenn in Holland keine Perſonen von gutem Adel waͤren?
Raminio.
Das koͤmt von den Traditionen her, da etwa ein oder ein paar un-
verſtaͤndige Kerl, die mit nach Oſt-Jndien gereiſet ſeyn, wider in ihr Va-
terland zuruͤcke kommen, und alda von allerhand beſondern Dingen auf-
ſchneiden wollen, und dieſe einfaͤltige Gloſſe mit untergemengt haben. Denn
ich kan euch verſichern, Mylord, daß ihr weder in Franckreich, noch Enge-
land, noch Spanien, noch Portugall, noch Jtalien und Pohlen, einen ſo
alten und unverfaͤlſchtem Adel antreffen werdet, als in Holland. Denn
weil man alhier nicht die Gewohnheit eingefuͤhrt, Buͤrgerliche, wie in an-
dern Reichen geſchicht, in den Adelſtand zu erheben, ſo muß man folglich
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