[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
probant sed illustrant, hierzu gebrauchen, so ist bey euren Exempeln nichts Grundfestes, da der Albertus schon lange den Ruhm hat, daß er Mährgen einzustreuen pflege, und sein Maul kein Evangelien-Buch sey, auch die an- dre Historie zu nichts diene, weil sie gar zu sehr abschnapt, und von 150. auf einmahl auf 11. herunter kömt. Childron. Man siehet aber diese Geschichte in besagter Kirche auf einer langen Tafel, neben welcher die beyden meßingernen Becken, woraus diese Kinder getauft, worden, hängen, ausführlich beschrieben, wobey so gar diese Verse stehen: En tibi monstrosum nimis & memorabile factum und unten drunter:Quale nec a mundi conditione dalum, Haec lege, mox animo stupefactus, Lector, abibis. Bingley. Jch kan es euch zu gefallen, wohl endlich glauben, daß aber dieses letztere, was ihr gesagt, gleichfals nicht unwiderleglich sey, ist daraus zu- sehen, daß auch in einer gewissen Kirche bey den Catholischen der Herr Chri- stus mit seinen Jüngern an Tische sitzend abgemahlet ist, und in der Schüs- sel einen grossen Fisch vor sich liegen hat, da man doch gewiß weiß, daß es ein Lamm gewesen. Jedoch dem mag seyn wie ihm will, so ist es gut, daß heute zu tage die Weiber nicht mehr so viel Kinder kriegen sonst man- cher Mann sich würde verlaufen müssen. Childron. Jhr habt Recht, Mylord, und ich entsinne mich wie einsmahls ei- nem so Angst gewesen, welcher bey herannahenden Gebuhrts-Schmertzen sei- ner Frau in den Garten gegangen, und daselbst wegen glücklicher Entbin- dung den Himmel anflehen wollen. Da er nun eine Weile gebetet, kömt die Bothschafft, daß sie eines Sohns genesen. Er danckt dem Himmel davor, und indem kömmt ein anderer, und sagt, seine Frau hätte noch ei- nen Sohn, er läst sich auch dieses gefallen, und betet fort, als aber der dritte Bote mit der Nachricht erscheinet, daß sie noch eine Tochter gebohren hätte, so hört er voller Ungedult auf, und spricht: Jch muß nur das Beten seyn lassen, denn wenn ich damit continuire bete ich mir die gantze Stube voll. Bingley lachte über diese Begebenheit, und sie setzten ihren Weg unter vielerley Gesprächen fort, daß sie, ehe sie sichs vermu- theten, in dem lustigen Delfft anlangten. Da sie noch eine Stunde davon wa- ren, hörten sie schon das unvergleichliche Glockenspiel, welches aus mehr als 800. G 2
probant ſed illuſtrant, hierzu gebrauchen, ſo iſt bey euren Exempeln nichts Grundfeſtes, da der Albertus ſchon lange den Ruhm hat, daß er Maͤhrgen einzuſtreuen pflege, und ſein Maul kein Evangelien-Buch ſey, auch die an- dre Hiſtorie zu nichts diene, weil ſie gar zu ſehr abſchnapt, und von 150. auf einmahl auf 11. herunter koͤmt. Childron. Man ſiehet aber dieſe Geſchichte in beſagter Kirche auf einer langen Tafel, neben welcher die beyden meßingernen Becken, woraus dieſe Kinder getauft, worden, haͤngen, ausfuͤhrlich beſchrieben, wobey ſo gar dieſe Verſe ſtehen: En tibi monſtroſum nimis & memorabile factum und unten drunter:Quale nec a mundi conditione dalum, Hæc lege, mox animo ſtupefactus, Lector, abibis. Bingley. Jch kan es euch zu gefallen, wohl endlich glauben, daß aber dieſes letztere, was ihr geſagt, gleichfals nicht unwiderleglich ſey, iſt daraus zu- ſehen, daß auch in einer gewiſſen Kirche bey den Catholiſchen der Herr Chri- ſtus mit ſeinen Juͤngern an Tiſche ſitzend abgemahlet iſt, und in der Schuͤſ- ſel einen groſſen Fiſch vor ſich liegen hat, da man doch gewiß weiß, daß es ein Lamm geweſen. Jedoch dem mag ſeyn wie ihm will, ſo iſt es gut, daß heute zu tage die Weiber nicht mehr ſo viel Kinder kriegen ſonſt man- cher Mann ſich wuͤrde verlaufen muͤſſen. Childron. Jhr habt Recht, Mylord, und ich entſinne mich wie einsmahls ei- nem ſo Angſt geweſen, welcher bey herannahenden Gebuhrts-Schmertzen ſei- ner Frau in den Garten gegangen, und daſelbſt wegen gluͤcklicher Entbin- dung den Himmel anflehen wollen. Da er nun eine Weile gebetet, koͤmt die Bothſchafft, daß ſie eines Sohns geneſen. Er danckt dem Himmel davor, und indem koͤmmt ein anderer, und ſagt, ſeine Frau haͤtte noch ei- nen Sohn, er laͤſt ſich auch dieſes gefallen, und betet fort, als aber der dritte Bote mit der Nachricht erſcheinet, daß ſie noch eine Tochter gebohren haͤtte, ſo hoͤrt er voller Ungedult auf, und ſpricht: Jch muß nur das Beten ſeyn laſſen, denn wenn ich damit continuire bete ich mir die gantze Stube voll. Bingley lachte uͤber dieſe Begebenheit, und ſie ſetzten ihren Weg unter vielerley Geſpraͤchen fort, daß ſie, ehe ſie ſichs vermu- theten, in dem luſtigen Delfft anlangten. Da ſie noch eine Stunde davon wa- ren, hoͤrten ſie ſchon das unvergleichliche Glockenſpiel, welches aus mehr als 800. G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0061" n="51"/><hi rendition="#aq">probant ſed illuſtrant,</hi> hierzu gebrauchen, ſo iſt bey euren Exempeln nichts<lb/> Grundfeſtes, da der Albertus ſchon lange den Ruhm hat, daß er Maͤhrgen<lb/> einzuſtreuen pflege, und ſein Maul kein Evangelien-Buch ſey, auch die an-<lb/> dre Hiſtorie zu nichts diene, weil ſie gar zu ſehr abſchnapt, und von 150.<lb/> auf einmahl auf 11. herunter koͤmt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Childron.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Man ſiehet aber dieſe Geſchichte in beſagter Kirche auf einer langen<lb/> Tafel, neben welcher die beyden meßingernen Becken, woraus dieſe Kinder<lb/> getauft, worden, haͤngen, ausfuͤhrlich beſchrieben, wobey ſo gar dieſe<lb/> Verſe ſtehen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">En tibi monſtroſum nimis & memorabile factum</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Quale nec a mundi conditione dalum,</hi> </l> </lg><lb/> <p>und unten drunter:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">Hæc lege, mox animo ſtupefactus, Lector, abibis.</hi> </l> </lg> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Jch kan es euch zu gefallen, wohl endlich glauben, daß aber dieſes<lb/> letztere, was ihr geſagt, gleichfals nicht unwiderleglich ſey, iſt daraus zu-<lb/> ſehen, daß auch in einer gewiſſen Kirche bey den Catholiſchen der Herr Chri-<lb/> ſtus mit ſeinen Juͤngern an Tiſche ſitzend abgemahlet iſt, und in der Schuͤſ-<lb/> ſel einen <hi rendition="#fr">groſſen Fiſch</hi> vor ſich liegen hat, da man doch gewiß weiß, daß<lb/> es ein <hi rendition="#fr">Lamm</hi> geweſen. Jedoch dem mag ſeyn wie ihm will, ſo iſt es gut,<lb/> daß heute zu tage die Weiber nicht mehr ſo viel Kinder kriegen ſonſt man-<lb/> cher Mann ſich wuͤrde verlaufen muͤſſen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Childron.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Jhr habt Recht, Mylord, und ich entſinne mich wie einsmahls ei-<lb/> nem ſo Angſt geweſen, welcher bey herannahenden Gebuhrts-Schmertzen ſei-<lb/> ner Frau in den Garten gegangen, und daſelbſt wegen gluͤcklicher Entbin-<lb/> dung den Himmel anflehen wollen. Da er nun eine Weile gebetet, koͤmt<lb/> die Bothſchafft, daß ſie <hi rendition="#fr">eines</hi> Sohns geneſen. Er danckt dem Himmel<lb/> davor, und indem koͤmmt ein anderer, und ſagt, ſeine Frau haͤtte noch <hi rendition="#fr">ei-<lb/> nen</hi> Sohn, er laͤſt ſich auch dieſes gefallen, und betet fort, als aber der<lb/> dritte Bote mit der Nachricht erſcheinet, daß ſie noch <hi rendition="#fr">eine</hi> Tochter gebohren<lb/> haͤtte, ſo hoͤrt er voller Ungedult auf, und ſpricht: <hi rendition="#fr">Jch muß nur das<lb/> Beten ſeyn laſſen, denn wenn ich damit continuire bete ich mir<lb/> die gantze Stube voll.</hi> Bingley lachte uͤber dieſe Begebenheit, und ſie<lb/> ſetzten ihren Weg unter vielerley Geſpraͤchen fort, daß ſie, ehe ſie ſichs vermu-<lb/> theten, in dem luſtigen <hi rendition="#fr">Delfft</hi> anlangten. Da ſie noch eine Stunde davon wa-<lb/> ren, hoͤrten ſie ſchon das unvergleichliche Glockenſpiel, welches aus mehr als<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch">800.</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [51/0061]
probant ſed illuſtrant, hierzu gebrauchen, ſo iſt bey euren Exempeln nichts
Grundfeſtes, da der Albertus ſchon lange den Ruhm hat, daß er Maͤhrgen
einzuſtreuen pflege, und ſein Maul kein Evangelien-Buch ſey, auch die an-
dre Hiſtorie zu nichts diene, weil ſie gar zu ſehr abſchnapt, und von 150.
auf einmahl auf 11. herunter koͤmt.
Childron.
Man ſiehet aber dieſe Geſchichte in beſagter Kirche auf einer langen
Tafel, neben welcher die beyden meßingernen Becken, woraus dieſe Kinder
getauft, worden, haͤngen, ausfuͤhrlich beſchrieben, wobey ſo gar dieſe
Verſe ſtehen:
En tibi monſtroſum nimis & memorabile factum
Quale nec a mundi conditione dalum,
und unten drunter:
Hæc lege, mox animo ſtupefactus, Lector, abibis.
Bingley.
Jch kan es euch zu gefallen, wohl endlich glauben, daß aber dieſes
letztere, was ihr geſagt, gleichfals nicht unwiderleglich ſey, iſt daraus zu-
ſehen, daß auch in einer gewiſſen Kirche bey den Catholiſchen der Herr Chri-
ſtus mit ſeinen Juͤngern an Tiſche ſitzend abgemahlet iſt, und in der Schuͤſ-
ſel einen groſſen Fiſch vor ſich liegen hat, da man doch gewiß weiß, daß
es ein Lamm geweſen. Jedoch dem mag ſeyn wie ihm will, ſo iſt es gut,
daß heute zu tage die Weiber nicht mehr ſo viel Kinder kriegen ſonſt man-
cher Mann ſich wuͤrde verlaufen muͤſſen.
Childron.
Jhr habt Recht, Mylord, und ich entſinne mich wie einsmahls ei-
nem ſo Angſt geweſen, welcher bey herannahenden Gebuhrts-Schmertzen ſei-
ner Frau in den Garten gegangen, und daſelbſt wegen gluͤcklicher Entbin-
dung den Himmel anflehen wollen. Da er nun eine Weile gebetet, koͤmt
die Bothſchafft, daß ſie eines Sohns geneſen. Er danckt dem Himmel
davor, und indem koͤmmt ein anderer, und ſagt, ſeine Frau haͤtte noch ei-
nen Sohn, er laͤſt ſich auch dieſes gefallen, und betet fort, als aber der
dritte Bote mit der Nachricht erſcheinet, daß ſie noch eine Tochter gebohren
haͤtte, ſo hoͤrt er voller Ungedult auf, und ſpricht: Jch muß nur das
Beten ſeyn laſſen, denn wenn ich damit continuire bete ich mir
die gantze Stube voll. Bingley lachte uͤber dieſe Begebenheit, und ſie
ſetzten ihren Weg unter vielerley Geſpraͤchen fort, daß ſie, ehe ſie ſichs vermu-
theten, in dem luſtigen Delfft anlangten. Da ſie noch eine Stunde davon wa-
ren, hoͤrten ſie ſchon das unvergleichliche Glockenſpiel, welches aus mehr als
800.
G 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |