[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
ren, noch das Recht hat, deputirte zu den Landes-Ständen zu schicken. Doch wenn man die Anzahl seiner Einwohner, die Menge der daselbst sich aufhaltenden Standes-Personen, die illustren Versammlungen, so darinnen gehalten werden, und andre Umstände mehr in Erwegung ziehet, so wird ihr Niemand den Rang einer Stadt, den sie ohne dem vermöge eines Privilegii führen könte, streitig machen. So wenig sie einem holländischen Platze, zwey oder drey ausgenommen, an Reichthum und Grösse weicht, so wenig, gibt sie ihnen auch in Betrachtung des Alterthums etwas nach. Denn des Gravenhags ist schon lange vor Zeiten Florentin des II. Grafens von Holland, der um die Mitte des 11ten Seculi lebte, gedacht worden. Sei- ne Lage ist, wie ihr selbst gestehen müsset Mylord, ohne Zweifel die Lustig- ste dieses Landes. Er ist nicht weiter als eine Stunde von Meere entlegen, von dem er durch nichts, als die Sand-Hügel, so man Dünen nennet, geschieden wird. Er begreifft in seinem Umfang zwey kleine Stunden, und ist statt der Mauren mit einem breiten Graben umschlossen, über welchen bey den vornehmsten Eingängen Zug-Brücken gehen. Rund herum ge- hen die lieblichsten Alleen, und auf dreyen Wegen sind ihrer desgleichen, biß nach Delfft, Losduin, und dem Strand des Meeres. Die Gas- sen sind breit, sauber, und prangen zum Theil mit den kostbarsten Pallä- sten. Sie sind beständig mit einer grossen Anzahl allerhand Leuten angefül- let, und die Carossen gehen so häufig, daß man öffters stille zu stehen genö- thiget wird. Man siehet alhier sechs biß sieben Plätze, welche theils zum Zierrath, theils Handel und Wandel dienen. Der Buitenhof, welcher ein länglich viereckichter Platz ist, wird von lauter schönen Gebäuden, und in Ordnung gestellten Bäumen umgeben, ausser an einer Seite, da man hingegen eine vortrefflich schöne Aussicht davon geniesset. Etliche hundert Schritt drauf kömt man auf den Voorhut, der ein grosser Platz ist, da mit- ten durch eine mit Sand bestreute Allee geht. Sie ist zum Spatziergehen gewidmet, daher man Sontags sonderlich bey schönem Wetter den grösten Zulauf von allerhand Arten Menschen wahrnimmt. Die Damen kommen öffters in ihren Nacht-Habiten dahin, und die Bürger in Schlaf-Röcken. Man trifft Bäncke zum Niedersitzen, und vielerley wohlklingende Jnstru- mente alda an, damit der dürre Sand auch nicht durch sein Aufsteigen be- schwerlich fallen möge, muß des Sommers ihn ein dazu verordneter Kerl etliche mahl des Tags durch eine Maschine anfeuchten, welche voll Wasser ist und von 2. Pferden gezogen wird. Der sogenannte Hoff ist der ehe- mahligen Grafen von Holland. Wilhelm der II. siebzehendter Graf von Holland, und Römischer König, ließ ihn nebst der Capelle 1250. auf- F 3
ren, noch das Recht hat, deputirte zu den Landes-Staͤnden zu ſchicken. Doch wenn man die Anzahl ſeiner Einwohner, die Menge der daſelbſt ſich aufhaltenden Standes-Perſonen, die illuſtren Verſammlungen, ſo darinnen gehalten werden, und andre Umſtaͤnde mehr in Erwegung ziehet, ſo wird ihr Niemand den Rang einer Stadt, den ſie ohne dem vermoͤge eines Privilegii fuͤhren koͤnte, ſtreitig machen. So wenig ſie einem hollaͤndiſchen Platze, zwey oder drey ausgenommen, an Reichthum und Groͤſſe weicht, ſo wenig, gibt ſie ihnen auch in Betrachtung des Alterthums etwas nach. Denn des Gravenhags iſt ſchon lange vor Zeiten Florentin des II. Grafens von Holland, der um die Mitte des 11ten Seculi lebte, gedacht worden. Sei- ne Lage iſt, wie ihr ſelbſt geſtehen muͤſſet Mylord, ohne Zweifel die Luſtig- ſte dieſes Landes. Er iſt nicht weiter als eine Stunde von Meere entlegen, von dem er durch nichts, als die Sand-Huͤgel, ſo man Duͤnen nennet, geſchieden wird. Er begreifft in ſeinem Umfang zwey kleine Stunden, und iſt ſtatt der Mauren mit einem breiten Graben umſchloſſen, uͤber welchen bey den vornehmſten Eingaͤngen Zug-Bruͤcken gehen. Rund herum ge- hen die lieblichſten Alleen, und auf dreyen Wegen ſind ihrer desgleichen, biß nach Delfft, Losduin, und dem Strand des Meeres. Die Gaſ- ſen ſind breit, ſauber, und prangen zum Theil mit den koſtbarſten Pallaͤ- ſten. Sie ſind beſtaͤndig mit einer groſſen Anzahl allerhand Leuten angefuͤl- let, und die Caroſſen gehen ſo haͤufig, daß man oͤffters ſtille zu ſtehen genoͤ- thiget wird. Man ſiehet alhier ſechs biß ſieben Plaͤtze, welche theils zum Zierrath, theils Handel und Wandel dienen. Der Buitenhof, welcher ein laͤnglich viereckichter Platz iſt, wird von lauter ſchoͤnen Gebaͤuden, und in Ordnung geſtellten Baͤumen umgeben, auſſer an einer Seite, da man hingegen eine vortrefflich ſchoͤne Ausſicht davon genieſſet. Etliche hundert Schritt drauf koͤmt man auf den Voorhut, der ein groſſer Platz iſt, da mit- ten durch eine mit Sand beſtreute Allee geht. Sie iſt zum Spatziergehen gewidmet, daher man Sontags ſonderlich bey ſchoͤnem Wetter den groͤſten Zulauf von allerhand Arten Menſchen wahrnimmt. Die Damen kommen oͤffters in ihren Nacht-Habiten dahin, und die Buͤrger in Schlaf-Roͤcken. Man trifft Baͤncke zum Niederſitzen, und vielerley wohlklingende Jnſtru- mente alda an, damit der duͤrre Sand auch nicht durch ſein Aufſteigen be- ſchwerlich fallen moͤge, muß des Sommers ihn ein dazu verordneter Kerl etliche mahl des Tags durch eine Maſchine anfeuchten, welche voll Waſſer iſt und von 2. Pferden gezogen wird. Der ſogenannte Hoff iſt der ehe- mahligen Grafen von Holland. Wilhelm der II. ſiebzehendter Graf von Holland, und Roͤmiſcher Koͤnig, ließ ihn nebſt der Capelle 1250. auf- F 3
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aufhaltenden Standes-Perſonen, die illuſtren Verſammlungen, ſo darinnen
gehalten werden, und andre Umſtaͤnde mehr in Erwegung ziehet, ſo wird ihr
Niemand den Rang einer Stadt, den ſie ohne dem vermoͤge eines Privilegii
fuͤhren koͤnte, ſtreitig machen. So wenig ſie einem hollaͤndiſchen Platze,
zwey oder drey ausgenommen, an Reichthum und Groͤſſe weicht, ſo wenig,
gibt ſie ihnen auch in Betrachtung des Alterthums etwas nach. Denn des
Gravenhags iſt ſchon lange vor Zeiten Florentin des II. Grafens von
Holland, der um die Mitte des 11ten Seculi lebte, gedacht worden. Sei-
ne Lage iſt, wie ihr ſelbſt geſtehen muͤſſet Mylord, ohne Zweifel die Luſtig-
ſte dieſes Landes. Er iſt nicht weiter als eine Stunde von Meere entlegen,
von dem er durch nichts, als die Sand-Huͤgel, ſo man Duͤnen nennet,
geſchieden wird. Er begreifft in ſeinem Umfang zwey kleine Stunden, und
iſt ſtatt der Mauren mit einem breiten Graben umſchloſſen, uͤber welchen
bey den vornehmſten Eingaͤngen Zug-Bruͤcken gehen. Rund herum ge-
hen die lieblichſten Alleen, und auf dreyen Wegen ſind ihrer desgleichen,
biß nach Delfft, Losduin, und dem Strand des Meeres. Die Gaſ-
ſen ſind breit, ſauber, und prangen zum Theil mit den koſtbarſten Pallaͤ-
ſten. Sie ſind beſtaͤndig mit einer groſſen Anzahl allerhand Leuten angefuͤl-
let, und die Caroſſen gehen ſo haͤufig, daß man oͤffters ſtille zu ſtehen genoͤ-
thiget wird. Man ſiehet alhier ſechs biß ſieben Plaͤtze, welche theils zum
Zierrath, theils Handel und Wandel dienen. Der Buitenhof, welcher
ein laͤnglich viereckichter Platz iſt, wird von lauter ſchoͤnen Gebaͤuden, und
in Ordnung geſtellten Baͤumen umgeben, auſſer an einer Seite, da man
hingegen eine vortrefflich ſchoͤne Ausſicht davon genieſſet. Etliche hundert
Schritt drauf koͤmt man auf den Voorhut, der ein groſſer Platz iſt, da mit-
ten durch eine mit Sand beſtreute Allee geht. Sie iſt zum Spatziergehen
gewidmet, daher man Sontags ſonderlich bey ſchoͤnem Wetter den groͤſten
Zulauf von allerhand Arten Menſchen wahrnimmt. Die Damen kommen
oͤffters in ihren Nacht-Habiten dahin, und die Buͤrger in Schlaf-Roͤcken.
Man trifft Baͤncke zum Niederſitzen, und vielerley wohlklingende Jnſtru-
mente alda an, damit der duͤrre Sand auch nicht durch ſein Aufſteigen be-
ſchwerlich fallen moͤge, muß des Sommers ihn ein dazu verordneter Kerl
etliche mahl des Tags durch eine Maſchine anfeuchten, welche voll Waſſer
iſt und von 2. Pferden gezogen wird. Der ſogenannte Hoff iſt der ehe-
mahligen Grafen von Holland. Wilhelm der II. ſiebzehendter Graf
von Holland, und Roͤmiſcher Koͤnig, ließ ihn nebſt der Capelle 1250.
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