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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Venetianischen Doge seinem unterschieden. Der Stad-houder wie er
in unserer Sprache genennet wird, ist eigentlich derjenige, so zu Wasser
und Lande commandiret. Jn manchen Stücken hat er allerdings groß
Ansehn. Denn die Soldaten, ob er sie gleich nicht vor sein Geld gewor-
ben, müssen ihm, doch auch zugleich den General-Staaten schweren; er ver-
gibt zu Kriegs-Zeiten alle Officiers-Dienste, welches aber in Frieden nicht
gestattet wird. Jm Kriege ist er Oberster-General, und Ober-Admiral,
es sind ihm aber allezeit Deputirte an die Seite gesetzet, daß er nicht zu
weit greife. Er besetzet aus 3. vorgeschlagenen Personen die Obrigkeitli-
chen Aemter
und hat das Recht, die Verbrecher zubegnadigen, welches
't Recht van Perdonneeren genennet wird. Jn den Gerichten werden
alle Befehle unter seinem Nahmen ausgefertiget, welches von den Tribu-
nalien
zu verstehen ist, die in unserer Sprache 't Hof van Justitie heis-
sen. Da diese Republick noch einen Stadthalter hatte, wurden in seinem
Nahmen an die Jndianischen Könige Gesandten geschickt, weil diese von
keiner Republick etwas wissen wolten, und wenn wider Gesandten aus Jn-
dien
kamen, so saß bey der Audientz der Printz auf einem drey Stufen
hohen Throne. Dem Stadthalter gehöret auch die Ober-Aufsehung
über die Academien, mit welchem das Recht, die erledigten Professor-
Stellen zu besetzen verknüpft ist.
Bingley.
Wie kömmts aber, daß die General-Staaten nach dem Tode des Kö-
nigs Wilhelmi III. von Engelland keinen Stadthalter wider erwehlet ha-
ben?
Tulsching.
Hieran sind vielerley Politische Maximen schuld, davon wir nur eini-
ge erwehnen wollen. Der Stadthalter hat sein gröstes Ansehn im Kriege,
und befürchtet man, desto eher Ursach zum Krieg zu bekommen, wenn man
einen Stadthalter hätte. Und dieses ist einer von den vornehmsten Bewe-
gungs-Gründen, warum der jetzige Printz von Oranien und West-Frieß-
land Wilhelm Carl Heinrich Friso,
nicht von allen Provintzen, son-
dern nur von einigen, nehmlich Frießland, Geldern, und Gröningen
dazu angenommen worden. Dieses ist zugleich eine Neben-Ursache, daß
Holland sich zur Neutralität verstanden, weil es einen Stadthalter in
Kriege nöthiger als in Friedens-Zeiten zuseyn meynet. Es stösset sich auch
daran weil es seit der Zeit der Union beständig die Stadthalter aus dem
Hauß Oranien gewehlet, mit welchem sie aber in der Person Höchstge-
dachten Printzens zeither einige Mißhelligkeiten wegen seiner in diesem Staat
gele-
Venetianiſchen Doge ſeinem unterſchieden. Der Stad-houder wie er
in unſerer Sprache genennet wird, iſt eigentlich derjenige, ſo zu Waſſer
und Lande commandiret. Jn manchen Stuͤcken hat er allerdings groß
Anſehn. Denn die Soldaten, ob er ſie gleich nicht vor ſein Geld gewor-
ben, muͤſſen ihm, doch auch zugleich den General-Staaten ſchweren; er ver-
gibt zu Kriegs-Zeiten alle Officiers-Dienſte, welches aber in Frieden nicht
geſtattet wird. Jm Kriege iſt er Oberſter-General, und Ober-Admiral,
es ſind ihm aber allezeit Deputirte an die Seite geſetzet, daß er nicht zu
weit greife. Er beſetzet aus 3. vorgeſchlagenen Perſonen die Obrigkeitli-
chen Aemter
und hat das Recht, die Verbrecher zubegnadigen, welches
’t Recht van Perdonneeren genennet wird. Jn den Gerichten werden
alle Befehle unter ſeinem Nahmen ausgefertiget, welches von den Tribu-
nalien
zu verſtehen iſt, die in unſerer Sprache ’t Hof van Juſtitie heiſ-
ſen. Da dieſe Republick noch einen Stadthalter hatte, wurden in ſeinem
Nahmen an die Jndianiſchen Koͤnige Geſandten geſchickt, weil dieſe von
keiner Republick etwas wiſſen wolten, und wenn wider Geſandten aus Jn-
dien
kamen, ſo ſaß bey der Audientz der Printz auf einem drey Stufen
hohen Throne. Dem Stadthalter gehoͤret auch die Ober-Aufſehung
uͤber die Academien, mit welchem das Recht, die erledigten Profeſſor-
Stellen zu beſetzen verknuͤpft iſt.
Bingley.
Wie koͤmmts aber, daß die General-Staaten nach dem Tode des Koͤ-
nigs Wilhelmi III. von Engelland keinen Stadthalter wider erwehlet ha-
ben?
Tulſching.
Hieran ſind vielerley Politiſche Maximen ſchuld, davon wir nur eini-
ge erwehnen wollen. Der Stadthalter hat ſein groͤſtes Anſehn im Kriege,
und befuͤrchtet man, deſto eher Urſach zum Krieg zu bekommen, wenn man
einen Stadthalter haͤtte. Und dieſes iſt einer von den vornehmſten Bewe-
gungs-Gruͤnden, warum der jetzige Printz von Oranien und Weſt-Frieß-
land Wilhelm Carl Heinrich Friſo,
nicht von allen Provintzen, ſon-
dern nur von einigen, nehmlich Frießland, Geldern, und Groͤningen
dazu angenommen worden. Dieſes iſt zugleich eine Neben-Urſache, daß
Holland ſich zur Neutralitaͤt verſtanden, weil es einen Stadthalter in
Kriege noͤthiger als in Friedens-Zeiten zuſeyn meynet. Es ſtoͤſſet ſich auch
daran weil es ſeit der Zeit der Union beſtaͤndig die Stadthalter aus dem
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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/30>, abgerufen am 24.11.2024.