Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 933, Czernowitz, 20.02.1907.[Spaltenumbruch]
Redaktion u. Administration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutschland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 933. Czernowitz, Mittw[o]ch, den 20. Februar. 1907. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Vom Tage. Die Landtage von Oberösterreich, Steiermark, Mähren Bunte Chronik. Die Assistenzärzte der Berliner Krankenhäuser haben wegen Letzte Telegramme. Der deutsche Reichstag ist vom Kaiser Wilhelm mit einer Ministerkandidaturen. Czernowitz, 19. Februar. Also ist wieder einmal ein schöner Plan in Nichts zer- Einem Parlamente, das aus dem allgemeinen Wahlrecht Die "begründeten Zweifel", die man bezüglich ihrer Die russischen Finanzen und der Zweibund. Paris, 17. Februar. (Orig.-Korr.) Die russische Rente, die nach Auflösung der Duma auf [Spaltenumbruch] Feuilleton. Die Hausapotheke. Nachdruck verboten. Seit Jahren hatte sich Frau Margarete eine Haus- Der Wunsch wuchs schließlich von Monat zu Monat "Eine Hausapotheke? ... Wozu?" ... meinte Frau Die junge Frau war dann jedesmal sehr entrüstet. "Du denkst immer nur an dich, ... natürlich! Aber "Um Gottes willen, nee, ... haste denn überhaupt Lysol "D .. a .. s weiß .. ich .. nicht augenblicklich ... Da suchte der Hausherr selber. Und als er endlich dieses "Ein oder das andere Kind ist ja doch immer krank", [Spaltenumbruch] Tante Röschen verplichtete sich sogar, eine Hausapotheke Das lehnte aber der Hausherr dankend ab. Er war fürs Weder Tante Röschen noch Frau Margarete erfuhren Letztere war aber doch sehr glücklich, als die Hausapotheke Eine Woche lang blieb Frau Margarete unter begeisterter Das Fieberthermometer mußte durch ein neues ersetzt Allerseits ergab sich aber die doppelte Notwendigkeit einer Als Frau Margarete endlich ihre vorhandenen Sachen Also kaufte sie .... Das und noch mehreres. Frau Endlich, nachdem die zweiunddreißig Fächer gefüllt waren, "So, meine Lieben, nun könnt ihr getrost krank werden, Sie staunen alle. Auf der Innenseite der Tür hatte die "Na denn man zu", ermunterte der Hausherr. "Mir Erwartungsvoller Schweigen. Eins blickt das andere an, "Ich will 'n Hustenbonbon", brüllte dann Kurtchen nach Die Hausfran erbleichte. Darauf war sie nicht vorbereitet. "Gehen Sie sofort zur Drogerie drüben und holen Sie "Donnerwetter", sagte darauf der Hausherr, während [Spaltenumbruch]
Redaktion u. Adminiſtration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutſchland: Für Rumänien und den Balkan: Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 933. Czernowitz, Mittw[o]ch, den 20. Februar. 1907. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Vom Tage. Die Landtage von Oberöſterreich, Steiermark, Mähren Bunte Chronik. Die Aſſiſtenzärzte der Berliner Krankenhäuſer haben wegen Letzte Telegramme. Der deutſche Reichstag iſt vom Kaiſer Wilhelm mit einer Miniſterkandidaturen. Czernowitz, 19. Februar. Alſo iſt wieder einmal ein ſchöner Plan in Nichts zer- Einem Parlamente, das aus dem allgemeinen Wahlrecht Die „begründeten Zweifel“, die man bezüglich ihrer Die ruſſiſchen Finanzen und der Zweibund. Paris, 17. Februar. (Orig.-Korr.) Die ruſſiſche Rente, die nach Auflöſung der Duma auf [Spaltenumbruch] Feuilleton. Die Hausapotheke. Nachdruck verboten. Seit Jahren hatte ſich Frau Margarete eine Haus- Der Wunſch wuchs ſchließlich von Monat zu Monat „Eine Hausapotheke? ... Wozu?“ ... meinte Frau Die junge Frau war dann jedesmal ſehr entrüſtet. „Du denkſt immer nur an dich, ... natürlich! Aber „Um Gottes willen, nee, ... haſte denn überhaupt Lyſol „D .. a .. s weiß .. ich .. nicht augenblicklich ... Da ſuchte der Hausherr ſelber. Und als er endlich dieſes „Ein oder das andere Kind iſt ja doch immer krank“, [Spaltenumbruch] Tante Röschen verplichtete ſich ſogar, eine Hausapotheke Das lehnte aber der Hausherr dankend ab. Er war fürs Weder Tante Röschen noch Frau Margarete erfuhren Letztere war aber doch ſehr glücklich, als die Hausapotheke Eine Woche lang blieb Frau Margarete unter begeiſterter Das Fieberthermometer mußte durch ein neues erſetzt Allerſeits ergab ſich aber die doppelte Notwendigkeit einer Als Frau Margarete endlich ihre vorhandenen Sachen Alſo kaufte ſie .... Das und noch mehreres. Frau Endlich, nachdem die zweiunddreißig Fächer gefüllt waren, „So, meine Lieben, nun könnt ihr getroſt krank werden, Sie ſtaunen alle. Auf der Innenſeite der Tür hatte die „Na denn man zu“, ermunterte der Hausherr. „Mir Erwartungsvoller Schweigen. Eins blickt das andere an, „Ich will ’n Huſtenbonbon“, brüllte dann Kurtchen nach Die Hausfran erbleichte. Darauf war ſie nicht vorbereitet. „Gehen Sie ſofort zur Drogerie drüben und holen Sie „Donnerwetter“, ſagte darauf der Hausherr, während <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p> <hi rendition="#b">Redaktion u. Adminiſtration:<lb/> Rathausſtraße 16.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telephon-Nummer 161.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#b">Abonnementsbedingungen:</hi> </head><lb/> <p>Für Czernowitz<lb/> (mit Zuſtellung ins Haus):<lb/> monatl. 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Aber ſo wenig dagegen auch einzu-<lb/> wenden iſt und ſo wenig Urſache wir auch, unſeres Erachtens<lb/> wenigſtens, haben, mit den dem Beamtenſtande entnommenen<lb/> Mitgliedern des gegewärtigen Kabinettes, das in vielen<lb/> ſchwierigen Fragen bis jetzt eine nicht gewöhnliche Tatkraft,<lb/> Konſequenz und politiſche Klugheit gezeigt hat, unzufrieden<lb/> zu ſein, ſo haben ſich doch Leute gefunden, die ſich verflichtet<lb/> fühlten, den Miniſtern, vor allem dem Miniſterpräſidenten, die<lb/> Suppe zu verſalzen. 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Daran aber er-<lb/> innerte ſich keiner von den Herrſchaften, die nur nationale<lb/> Sorgen kennen, daß auch andere als nationale Wahlpro-<lb/> gramme ihre Berechtigung haben, daß es vor allem <hi rendition="#g">öſter-<lb/> reichiſche Wahlprogramme</hi> geben muß, und daß ein<lb/> Abgeordneter, der die in dem ſeinerzeitigen Maydenſpeech des<lb/> Miniſterpräſidenten ausgeſprochenen Grundſätze zu der Richt-<lb/> ſchnur ſeines Wahlprogramms macht und demnach in erſter<lb/> Linie eine <hi rendition="#g">öſterreichiſche Realpolitik</hi> zu verfolgen<lb/> entſchloſſen iſt, in erſter Linie Anſpruch auf ein Mandat<lb/> haben ſollte. Die Ablehnung der Miniſterkandidaturen iſt ein<lb/> trauriges Zeichen dafür, daß man in Oeſterreich noch nicht<lb/> daran geht, ſich von dem nationalen Schlagwort zu eman-<lb/> zipieren. Und daß ſelbſt Baron Beck, der doch nicht gewohnt<lb/> iſt, ſo bald die Flinte ins Korn zu werfen, auf ſeine Kandi-<lb/> datur verzichtet, daraus könnten Schwarzſeher ſchließen, daß<lb/> auch er zu der von ihm ſo oft betonten werbenden Kraft<lb/> wirtſchaftlicher, realpolitiſcher Programme nicht mehr das volle<lb/> Vertrauen hat. Ja, die <hi rendition="#g">Zukunft</hi> gehört ihnen zweifellos,<lb/> aber es ſcheint nicht, als könnten ſie ſich ſchon die <hi rendition="#g">Gegen-<lb/> wart</hi> erobern.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="zweibund1" next="#zweibund2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Die ruſſiſchen Finanzen und der<lb/> Zweibund.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Paris,</hi> 17. Februar.</dateline> <bibl>(Orig.-Korr.)</bibl><lb/> <p>Die ruſſiſche Rente, die nach Auflöſung der Duma auf<lb/> 68 ſtand, ſchwankt heute zwiſchen 80—82. Sie hat ſich von<lb/> ihrem Tiefſtand langſam und allmählich auf dieſe Höhe<lb/> gehoben und ſcheint ſich nun dort zu halten. Ruſſenfreundliche<lb/> Kreiſe haben das mit der im Lande eingetretenen Beruhigung,<lb/> ruſſenfeindliche mit dem Herannahen einer neuen Anleihe<lb/> begründet. Es wird wohl beides ſeinen Anteil an der<lb/> Steigerung haben. Bekanntlich hat die ruſſiſche Regierung<lb/> ſchon vor einiger Zeit zugeſtanden, daß zur Deckung eines<lb/> Defizits von ungefähr 250 Millionen Rubel auch in dieſem<lb/> Jahre eine Anleihe nötig ſein wird. Ruſſiſche Anleihen ſind<lb/> aber jetzt keine rein finanzielle, ſondern weltpolitiſche Ange-<lb/> legenheiten von größter Tragweite. In den letzten Tagen</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <div xml:id="hausapotheke1" next="#hausapotheke2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Die Hausapotheke.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Von <hi rendition="#g">Elſe Krafft.</hi> </byline><lb/> <p> <hi rendition="#et">Nachdruck verboten.</hi> </p><lb/> <p>Seit Jahren hatte ſich Frau Margarete eine Haus-<lb/> apotheke gewünſcht. Sie hatte ſie nie bekommen. Es waren<lb/> meiſt notwendigere Gegenſtände geweſen, die an Weihnachts-<lb/> feſten oder zu Geburtstagen für ſie auf dem Gabentiſch<lb/> lagen.</p><lb/> <p>Der Wunſch wuchs ſchließlich von Monat zu Monat<lb/> heftiger.</p><lb/> <p>„Eine Hausapotheke? ... Wozu?“ ... meinte Frau<lb/> Margaretes Gatte. „Wir haben genug Möbelſtücke und genug<lb/> Kram im Hauſe. Deine Tuben, Fläſchchen und Kranken-<lb/> pülverchen ſind ſehr gut im Büffet oder in irgend einem<lb/> andern Schubfach aufgehoben. Lieber mal einen anſtändigen<lb/> Zigarrenkaſten zum Verſchließen, aber Doppelſchloß ....<lb/> lieber Schatz“.</p><lb/> <p>Die junge Frau war dann jedesmal ſehr entrüſtet.</p><lb/> <p>„Du denkſt immer nur an dich, ... natürlich! Aber<lb/> wenn ich mal irgend eine Medizin verwechſle, wenn ich dir<lb/> oder den Kindern mal anſtatt Hoffmannstropfen, Lyſol gebe,<lb/> ich habe keine Schuld“.</p><lb/> <p>„Um Gottes willen, nee, ... haſte denn überhaupt Lyſol<lb/> im Hauſe? Wo haſte denn das?“</p><lb/> <p>„D .. a .. s weiß .. ich .. nicht augenblicklich ...<lb/> ſo genau“ ... ſtotterte Frau Margarete.</p><lb/> <p>Da ſuchte der Hausherr ſelber. Und als er endlich dieſes<lb/> „todſichere Hausmittel“ neben der Eſſig- und Oelflaſche im<lb/> Küchenſchrank fand, ſtimmte er bei: „Ja wirklich, wir müſſen<lb/> eine Hausapotheke haben“.</p><lb/> <p>„Ein oder das andere Kind iſt ja doch immer krank“,<lb/> ſetzte die geplagte Mama hinzu, als ſie ihre vier kaum die<lb/> Maſern überſtandenen Sprößlinge betrachtete, die augenblicklich,<lb/> der Abwechslung halber, den Huſten hatten.</p><lb/> <cb/> <p>Tante Röschen verplichtete ſich ſogar, eine Hausapotheke<lb/> ſehr kunſtvoll, mit Heckenroſen zu brennen, wenn man ihr das<lb/> nötige Material dazu gratis liefern würde.</p><lb/> <p>Das lehnte aber der Hausherr dankend ab. Er war fürs<lb/> Praktiſchere und Billigere. Er ging zum Tiſchler, beſtellte<lb/> nach Maß einen zweiunddreißig Fächer bergenden, braun-<lb/> gebeizten Holzkaſten, den man an die Wand hängen konnte,<lb/> und bezahlte für das Ungetüm nach vierwöchiger Wartezeit<lb/> pro Arbeitsſtunde bei den augenblicklichen ſchlechten Zeiten<lb/> eine Reichsmark ... was eine Rieſenſumme ausmachte.</p><lb/> <p>Weder Tante Röschen noch Frau Margarete erfuhren<lb/> jemals den alſo erzielten Preis.</p><lb/> <p>Letztere war aber doch ſehr glücklich, als die Hausapotheke<lb/> wirklich im Hauſe war. Im Korridor natürlich. Für die<lb/> Zimmer paßte der Farbenton der Holzbeize nicht zu den<lb/> Möbeln....</p><lb/> <p>Eine Woche lang blieb Frau Margarete unter begeiſterter<lb/> Aſſiſtenz ſämtlicher Kinder beim Suchen und Zuſammenſtellen<lb/> des Inhalts dieſer Hausapotheke. Die ganze Wohnung wurde<lb/> nach Medikamenten und ſonſtigen hygieniſchen Gebrauchs-<lb/> artikeln förmlich umgeräumt. Die Verbandwatte fand man<lb/> nach tagelangem Suchen als Unterlage in Lieschens Puppen-<lb/> bettchen. Lanolin, Vaſeline und Heftpflaſter in Mamas Nähtiſch,<lb/> und Bitterſalz, Kamillentee und doppeltkohlenſaures Natron<lb/> im Schreibtiſch in der Briefkaſſette.</p><lb/> <p>Das Fieberthermometer mußte durch ein neues erſetzt<lb/> werden, weil Kurtchen es als Peitſchenſtiel gebraucht hatte,<lb/> und die Gifte hoch oben auf dem Kleiderſpind waren ſo feſt<lb/> zwiſchen Holz und Tapete eingeklemmt, daß die Tüten beim<lb/> Hervorziehen ſämtlich in die Brüche gingen.</p><lb/> <p>Allerſeits ergab ſich aber die doppelte Notwendigkeit einer<lb/> Hausapotheke.</p><lb/> <p>Als Frau Margarete endlich ihre vorhandenen Sachen<lb/> eingeräumt hatte, kam ihr zum erſtenmal in den ſechs Jahren<lb/> ihrer Ehe zum Bewußtſein, wie wenig von derartigen guten<lb/> Hausmitteln ſie doch eigentlich im Hauſe hatte. Wie unvorſichtig<lb/> und leichtſinnig das war! .. Sie ließ ſich darum von ihrem<lb/> Apotheker eine Liſte aufſtellen, in der die wichtigſten Haus-<lb/><cb/> mittel aufgezeichnet waren. Und da mußte ſie zu ihrem<lb/> Schrecken erkennen, daß ſie nicht einmal Chloroform- und<lb/> Kampferſpiritus, Rizinusöl und Lindenblütentee im Hauſe<lb/> hatte. Sagradatabletten zum Abführen fehlten auch, ebenſo<lb/> eſſigſaure Tonerde und Bleiwaſſer, zwei ſehr wichtige Verband-<lb/> waſſer, wie der Apotheker bemerkt hatte.</p><lb/> <p>Alſo kaufte ſie .... Das und noch mehreres. Frau<lb/> Margarete hatte noch niemals ſo viel Wirtſchaftsgeld gebraucht<lb/> wie in jenen Tagen, ſeit die Hausapotheke im Korridor hing.</p><lb/> <p>Endlich, nachdem die zweiunddreißig Fächer gefüllt waren,<lb/> hatte ſie ihr Ziel erreicht. Im feierlichen Zuge führte ſie<lb/> Mann, Kinder und Emilie, das Mädchen für alles, vor den<lb/> braungebeizten Wandkaſten, an dem ſich der Hausherr ſchon<lb/> zweimal in dem dunklen Korridor den Kopf geſtoßen hatte.</p><lb/> <p>„So, meine Lieben, nun könnt ihr getroſt krank werden,<lb/> wir ſparen den Arzt. Ich bin für alle vorkommenden Fälle<lb/> verſorgt und kann euch ſelben helfen.“</p><lb/> <p>Sie ſtaunen alle. Auf der Innenſeite der Tür hatte die<lb/> kluge Hausfrau eine Liſte angebracht. Da ſtand ſein fäuberlich<lb/> Inhalt und Zweck der Fächer erklärt: Kamillentee<lb/> für Leibſchmerzen, Lindenblütentee für Magenbeſchwerden,<lb/> Baldriantropfen für Nervoſität, Salmiakgeiſt für Inſekten-<lb/> ſtiche uſw.</p><lb/> <p>„Na denn man zu“, ermunterte der Hausherr. „Mir<lb/> fehlt ja leider augenblicklich nichts ... Aber Kinder, habt<lb/> ihr nicht irgendwo Schmerzen? Mutter hilft.“</p><lb/> <p>Erwartungsvoller Schweigen. Eins blickt das andere an,<lb/> und Frau Margarete ſtand linderungsbereit.</p><lb/> <p>„Ich will ’n Huſtenbonbon“, brüllte dann Kurtchen nach<lb/> einem fürchterlichen, künſtlich angelegten Huſtenanſall.</p><lb/> <p>Die Hausfran erbleichte. Darauf war ſie nicht vorbereitet.<lb/> Sie überflog das Regiſter und wandte ſich dann, haſtig ihr<lb/> Portemonnaie ziehend, an das greinende Dienſtmädchen.</p><lb/> <p>„Gehen Sie ſofort zur Drogerie drüben und holen Sie<lb/> ein halbes Pfund Huſtenbonbons.“</p><lb/> <p>„Donnerwetter“, ſagte darauf der Hausherr, während<lb/> alle Kinder ſich plötzlich unter Huſtenanfällen förmlich<lb/> krümmten ...</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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Nr. 933. Czernowitz, Mittwoch, den 20. Februar. 1907.
Uebersicht.
Vom Tage.
Die Landtage von Oberöſterreich, Steiermark, Mähren
und Trieſt ſind auf den 25. Februar einberufen worden.
Bunte Chronik.
Die Aſſiſtenzärzte der Berliner Krankenhäuſer haben wegen
der Ablehnung ihrer wirtſchaftlichen Forderungen beſchloſſen, am
1. März in den Streik zu treten.
Letzte Telegramme.
Der deutſche Reichstag iſt vom Kaiſer Wilhelm mit einer
Thronrede eröffnet worden.
Miniſterkandidaturen.
Czernowitz, 19. Februar.
Alſo iſt wieder einmal ein ſchöner Plan in Nichts zer-
ronnen. Als vor wenigen Wochen das allgemeine Wahlrecht
Geſetz wurde, da hörte man, daß auch die Baumeiſter des
neuen, ſtolzen Baues ſich in dem von ihnen errichteten Hauſe
des neuen Oeſterreich einen Platz ſichern wollen, daß — ein
Novum in der innerpolitiſchen Geſchichte Oeſterreichs — das
geſamte Kabinett in den Wahlkampf eintreten wolle, um
dann im Mai als parlamentariſche Regierung par
excellence ſich dem neuen Abgeordnetenhauſe vorzuſtellen.
Vorſichtig, in unverbindlicher Form wurde dieſe Nachricht in
die Oeffentlichkeit lanziert; man wollte erſt den Boden ſon-
dieren, wollte ſich überzeugen, ob das Experiment, das ver-
ſucht werden ſollte, auch Ausſicht habe, zu gelingen. Nun,
die Erfahrungen, die man bei dieſem Taſten und Erproben
machten, waren unerfreulich genug; ſo unerfreulich, daß drei
der gewichtigſten Perſönlichkeiten des Kabinetts, der Miniſter-
präſident, der Miniſter des Innern und der Ackerbauminiſter,
die Abſicht, ſich um ein Mandat zu bewerben, aufgegeben
haben und daß alſo außer den Landsmannminiſtern voraus-
ſichtlich nur noch Korytowski, Derſchatta und Marchet als
Kandidaten auf den Plan treten werden. Was das zu be-
deuten hat, liegt auf der Hand: das erſte Volksparlament
Oeſterreichs wird bei ſeinem Zuſammentritt wieder nur
ein parlamentariſch aufgeputztes Beamtenkabinett vorfinden
und — mit gutem Grund — wieder Urſache haben, die
tatſächliche Parlamentariſierung des Kabinetts zu fordern
und mit dieſem gewiß berechtigten Verlangen den Anſtoß zu
endloſen Verhandlungen zu geben, die nur allzuleicht der
Ausgangspunkt von Kriſen werden können.
Einem Parlamente, das aus dem allgemeinen Wahlrecht
hervorgegangen iſt, muß eine durchwegs parlamentariſche
Regierung gegenüberſtehen. Das iſt nun einmal ein Grund-
ſatz, über den ſich nicht weiter disputieren läßt. Die richtige
Erkenntnis dieſer Tatſache hat offenbar auch in den Miniſtern
den Entſchluß reifen laſſen, ſich um Mandate zu bewerben
und das Kabinett ſo ohne einen Perſonenwechſel, der bei
unſeren innerpolitiſchen Verhältniſſen immer eine mißliche
und nicht ungefährliche Sache iſt, quaſi automatiſch zu par-
lamentariſieren. Damit wäre der Zwittercharakter des
Kabinettes Beck beſeitigt und den Hitzköpfen, an denen es ja
im neuen Abgeordnetenhauſe nicht fehlen wird, die Möglichkeit
benommen worden, ſich über die „unparlamentariſche“
Regierung aufzuregen. Aber ſo wenig dagegen auch einzu-
wenden iſt und ſo wenig Urſache wir auch, unſeres Erachtens
wenigſtens, haben, mit den dem Beamtenſtande entnommenen
Mitgliedern des gegewärtigen Kabinettes, das in vielen
ſchwierigen Fragen bis jetzt eine nicht gewöhnliche Tatkraft,
Konſequenz und politiſche Klugheit gezeigt hat, unzufrieden
zu ſein, ſo haben ſich doch Leute gefunden, die ſich verflichtet
fühlten, den Miniſtern, vor allem dem Miniſterpräſidenten, die
Suppe zu verſalzen. Um Gründe für ihre Ablehnung der
Miniſterkandidaturen waren dieſe Herrſchaften allerdings nicht
verlegen, aber welcher Art dieſe Gründe ſind, das iſt ſo echt
öſterreichiſch, daß man darüber nicht ſtillſchweigend hinweg-
gehen kann.
Die „begründeten Zweifel“, die man bezüglich ihrer
Wahlprogramme, die zu entwickeln den Beamten-Miniſtern
durch die ablehnende Haltung gegenüber ihrer Kandidatur
überhaupt unmöglich gemacht wurde, äußerte, gründeten ſich
natürlich — in Oeſterreich iſt das ja nun ſchon einmal
nicht anders — auf das „nationale Moment“. Zwar hat
man den Miniſterpräſidenten noch in keiner Wählerverſamm-
lung ſprechen gehört, nichts deſto weniger aber befürchtete
man, als ſeine Wiener Kandidatur beſprochen wurde, in
deutſchen Kreiſen, er werde zu wenig deutſch, in czechiſchen
Kreiſen, er werde zu viel deutſch ſein. Daran aber er-
innerte ſich keiner von den Herrſchaften, die nur nationale
Sorgen kennen, daß auch andere als nationale Wahlpro-
gramme ihre Berechtigung haben, daß es vor allem öſter-
reichiſche Wahlprogramme geben muß, und daß ein
Abgeordneter, der die in dem ſeinerzeitigen Maydenſpeech des
Miniſterpräſidenten ausgeſprochenen Grundſätze zu der Richt-
ſchnur ſeines Wahlprogramms macht und demnach in erſter
Linie eine öſterreichiſche Realpolitik zu verfolgen
entſchloſſen iſt, in erſter Linie Anſpruch auf ein Mandat
haben ſollte. Die Ablehnung der Miniſterkandidaturen iſt ein
trauriges Zeichen dafür, daß man in Oeſterreich noch nicht
daran geht, ſich von dem nationalen Schlagwort zu eman-
zipieren. Und daß ſelbſt Baron Beck, der doch nicht gewohnt
iſt, ſo bald die Flinte ins Korn zu werfen, auf ſeine Kandi-
datur verzichtet, daraus könnten Schwarzſeher ſchließen, daß
auch er zu der von ihm ſo oft betonten werbenden Kraft
wirtſchaftlicher, realpolitiſcher Programme nicht mehr das volle
Vertrauen hat. Ja, die Zukunft gehört ihnen zweifellos,
aber es ſcheint nicht, als könnten ſie ſich ſchon die Gegen-
wart erobern.
Die ruſſiſchen Finanzen und der
Zweibund.
Paris, 17. Februar. (Orig.-Korr.)
Die ruſſiſche Rente, die nach Auflöſung der Duma auf
68 ſtand, ſchwankt heute zwiſchen 80—82. Sie hat ſich von
ihrem Tiefſtand langſam und allmählich auf dieſe Höhe
gehoben und ſcheint ſich nun dort zu halten. Ruſſenfreundliche
Kreiſe haben das mit der im Lande eingetretenen Beruhigung,
ruſſenfeindliche mit dem Herannahen einer neuen Anleihe
begründet. Es wird wohl beides ſeinen Anteil an der
Steigerung haben. Bekanntlich hat die ruſſiſche Regierung
ſchon vor einiger Zeit zugeſtanden, daß zur Deckung eines
Defizits von ungefähr 250 Millionen Rubel auch in dieſem
Jahre eine Anleihe nötig ſein wird. Ruſſiſche Anleihen ſind
aber jetzt keine rein finanzielle, ſondern weltpolitiſche Ange-
legenheiten von größter Tragweite. In den letzten Tagen
Feuilleton.
Die Hausapotheke.
Von Elſe Krafft.
Nachdruck verboten.
Seit Jahren hatte ſich Frau Margarete eine Haus-
apotheke gewünſcht. Sie hatte ſie nie bekommen. Es waren
meiſt notwendigere Gegenſtände geweſen, die an Weihnachts-
feſten oder zu Geburtstagen für ſie auf dem Gabentiſch
lagen.
Der Wunſch wuchs ſchließlich von Monat zu Monat
heftiger.
„Eine Hausapotheke? ... Wozu?“ ... meinte Frau
Margaretes Gatte. „Wir haben genug Möbelſtücke und genug
Kram im Hauſe. Deine Tuben, Fläſchchen und Kranken-
pülverchen ſind ſehr gut im Büffet oder in irgend einem
andern Schubfach aufgehoben. Lieber mal einen anſtändigen
Zigarrenkaſten zum Verſchließen, aber Doppelſchloß ....
lieber Schatz“.
Die junge Frau war dann jedesmal ſehr entrüſtet.
„Du denkſt immer nur an dich, ... natürlich! Aber
wenn ich mal irgend eine Medizin verwechſle, wenn ich dir
oder den Kindern mal anſtatt Hoffmannstropfen, Lyſol gebe,
ich habe keine Schuld“.
„Um Gottes willen, nee, ... haſte denn überhaupt Lyſol
im Hauſe? Wo haſte denn das?“
„D .. a .. s weiß .. ich .. nicht augenblicklich ...
ſo genau“ ... ſtotterte Frau Margarete.
Da ſuchte der Hausherr ſelber. Und als er endlich dieſes
„todſichere Hausmittel“ neben der Eſſig- und Oelflaſche im
Küchenſchrank fand, ſtimmte er bei: „Ja wirklich, wir müſſen
eine Hausapotheke haben“.
„Ein oder das andere Kind iſt ja doch immer krank“,
ſetzte die geplagte Mama hinzu, als ſie ihre vier kaum die
Maſern überſtandenen Sprößlinge betrachtete, die augenblicklich,
der Abwechslung halber, den Huſten hatten.
Tante Röschen verplichtete ſich ſogar, eine Hausapotheke
ſehr kunſtvoll, mit Heckenroſen zu brennen, wenn man ihr das
nötige Material dazu gratis liefern würde.
Das lehnte aber der Hausherr dankend ab. Er war fürs
Praktiſchere und Billigere. Er ging zum Tiſchler, beſtellte
nach Maß einen zweiunddreißig Fächer bergenden, braun-
gebeizten Holzkaſten, den man an die Wand hängen konnte,
und bezahlte für das Ungetüm nach vierwöchiger Wartezeit
pro Arbeitsſtunde bei den augenblicklichen ſchlechten Zeiten
eine Reichsmark ... was eine Rieſenſumme ausmachte.
Weder Tante Röschen noch Frau Margarete erfuhren
jemals den alſo erzielten Preis.
Letztere war aber doch ſehr glücklich, als die Hausapotheke
wirklich im Hauſe war. Im Korridor natürlich. Für die
Zimmer paßte der Farbenton der Holzbeize nicht zu den
Möbeln....
Eine Woche lang blieb Frau Margarete unter begeiſterter
Aſſiſtenz ſämtlicher Kinder beim Suchen und Zuſammenſtellen
des Inhalts dieſer Hausapotheke. Die ganze Wohnung wurde
nach Medikamenten und ſonſtigen hygieniſchen Gebrauchs-
artikeln förmlich umgeräumt. Die Verbandwatte fand man
nach tagelangem Suchen als Unterlage in Lieschens Puppen-
bettchen. Lanolin, Vaſeline und Heftpflaſter in Mamas Nähtiſch,
und Bitterſalz, Kamillentee und doppeltkohlenſaures Natron
im Schreibtiſch in der Briefkaſſette.
Das Fieberthermometer mußte durch ein neues erſetzt
werden, weil Kurtchen es als Peitſchenſtiel gebraucht hatte,
und die Gifte hoch oben auf dem Kleiderſpind waren ſo feſt
zwiſchen Holz und Tapete eingeklemmt, daß die Tüten beim
Hervorziehen ſämtlich in die Brüche gingen.
Allerſeits ergab ſich aber die doppelte Notwendigkeit einer
Hausapotheke.
Als Frau Margarete endlich ihre vorhandenen Sachen
eingeräumt hatte, kam ihr zum erſtenmal in den ſechs Jahren
ihrer Ehe zum Bewußtſein, wie wenig von derartigen guten
Hausmitteln ſie doch eigentlich im Hauſe hatte. Wie unvorſichtig
und leichtſinnig das war! .. Sie ließ ſich darum von ihrem
Apotheker eine Liſte aufſtellen, in der die wichtigſten Haus-
mittel aufgezeichnet waren. Und da mußte ſie zu ihrem
Schrecken erkennen, daß ſie nicht einmal Chloroform- und
Kampferſpiritus, Rizinusöl und Lindenblütentee im Hauſe
hatte. Sagradatabletten zum Abführen fehlten auch, ebenſo
eſſigſaure Tonerde und Bleiwaſſer, zwei ſehr wichtige Verband-
waſſer, wie der Apotheker bemerkt hatte.
Alſo kaufte ſie .... Das und noch mehreres. Frau
Margarete hatte noch niemals ſo viel Wirtſchaftsgeld gebraucht
wie in jenen Tagen, ſeit die Hausapotheke im Korridor hing.
Endlich, nachdem die zweiunddreißig Fächer gefüllt waren,
hatte ſie ihr Ziel erreicht. Im feierlichen Zuge führte ſie
Mann, Kinder und Emilie, das Mädchen für alles, vor den
braungebeizten Wandkaſten, an dem ſich der Hausherr ſchon
zweimal in dem dunklen Korridor den Kopf geſtoßen hatte.
„So, meine Lieben, nun könnt ihr getroſt krank werden,
wir ſparen den Arzt. Ich bin für alle vorkommenden Fälle
verſorgt und kann euch ſelben helfen.“
Sie ſtaunen alle. Auf der Innenſeite der Tür hatte die
kluge Hausfrau eine Liſte angebracht. Da ſtand ſein fäuberlich
Inhalt und Zweck der Fächer erklärt: Kamillentee
für Leibſchmerzen, Lindenblütentee für Magenbeſchwerden,
Baldriantropfen für Nervoſität, Salmiakgeiſt für Inſekten-
ſtiche uſw.
„Na denn man zu“, ermunterte der Hausherr. „Mir
fehlt ja leider augenblicklich nichts ... Aber Kinder, habt
ihr nicht irgendwo Schmerzen? Mutter hilft.“
Erwartungsvoller Schweigen. Eins blickt das andere an,
und Frau Margarete ſtand linderungsbereit.
„Ich will ’n Huſtenbonbon“, brüllte dann Kurtchen nach
einem fürchterlichen, künſtlich angelegten Huſtenanſall.
Die Hausfran erbleichte. Darauf war ſie nicht vorbereitet.
Sie überflog das Regiſter und wandte ſich dann, haſtig ihr
Portemonnaie ziehend, an das greinende Dienſtmädchen.
„Gehen Sie ſofort zur Drogerie drüben und holen Sie
ein halbes Pfund Huſtenbonbons.“
„Donnerwetter“, ſagte darauf der Hausherr, während
alle Kinder ſich plötzlich unter Huſtenanfällen förmlich
krümmten ...
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