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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905.

[Spaltenumbruch]

Quote zwischen beiden Reichshälften unter den gegenwärtigen
Verhältnissen schwerlich zu stande kommen dürfte. Die end-
giltige Bestimmung der Quote setzt definitive und bekannte
Verhältnisse voraus, da es ja unmöglich ist, ein Junktim
zwischen Quote und Armee in der Art zu schaffen, daß die
Quote nur dann gilt, wenn der heutige Organismus der
Armee unangetastet bleibt. Wer soll über die Frage ent-
scheiden, ob die Bewilligung der ungarischen Kommado-
sprache eine solche, den Bestand der Armee gefährdende
Aenderung bedeute oder nicht? Der Vorteil der Ver-
ständigung zwischen der Kxone und den Führern der
Majorität in Ungarn auf Grund des Kompromißvorschlages
läge, vom österreichischen Gesichtspunkt aus betrachtet, bloß
darin, daß in Ungarn wenigstens eine Regierung gebildet
werden könnte und wir in der Lage wären, uns mit dem
neuen ungarischen Kabinett wenigstens über eine Reihe der
wichtigsten Aktionen, darunter über die Handelsvertrags-
verhandlungen, die gänzlich in Stockung geraten sind,
zu besprechen. Ich sehe die Situation unter allen Umständen
für ernst an, gleichviel ob das Kompromiß verworfen oder
angenommen wird. Ich habe nur die einzige Hoffnung, daß
die materiellen Interessen schließlich einen entscheidenden
Druck ausüben und beide Reichshälften zu einer Verstän-
digung zwingen werden. Ich halte es für unmöglich, daß
wir den Handelsvertrag mit Deutschland nicht abschließen
und in ein wirtschaftliches Chaos geraten. Es ist daher
meine Ueberzeugung, daß wir schließlich eine Lösung sinden
werden; allein im Augenblicke sehe ich den Weg der Ent-
wirrung noch nicht und habe auch keinen Anhaltspunkt dafür,
ob die Krise schon in einer kurzen Zeit beendet sein wird."




Die Vorgänge in Rußland.
Eine russische Skandalaffäre.

Ueber die angekündigte Untersuchung
der Vorgänge im fernen Osten wird dem "B. T." aus
Petersburg weiter telegraphiert: In höheren Regierungs-
kreisen verlautet, daß unabhängig von dem Ministerium des
Aeußeren, welches durch seine Nachlässigkeit mit die Haupt-
schuld an dem unglücklichen Kriege trägt, eine genaue Unter-
suchung des ganzen Vorspiels zum Kriege vorgenommen
werden soll, welche allerdings eine ganze Reihe höherer
Beamten für immer kompromittieren, dafür aber voraus-
sichtlich die öffentliche Meinung wesentlich beruhigen wird,
die immer nachdrücklicher die volle Wahrheit über die
mysteriösen diplomatischen Verhandlungen mit Japan ver-
langt. Sollte sich das bewahrheiten, so wird neben der
russischen Diplomatie Alexejew am stärksten bloßgestellt
werden, gegen den der Zar eine völlig veränderte Haltung
beobachtet.

Ueberfall auf einen Stationsvorsteher. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In
Kutais überfielen vier bewaffnete Leute den Eisenbahn-
stationsvorstand, als er in Begleitung von Bewaffneten in
die Rentei fuhr, sie entwaffneten Letztere und nahmen dem
Stationsvorstand über 6000 Rubel ab.

Attentat auf einen Polizeikommissär.

Gestern nachmittag rief man
telephonisch aus dem Polizeiamt auf der Konstantinowska-
gasse zu Lodz den Polizeikommissär Michael Szatalowicz
hinweg, welcher bei den letzten Unruhen einen Sozialisten
erschoß. An der Ecke der Zawadzkastraße warf ein vorüber-
gehender, ärmlich gekleideter Mann gegen den Kommissar
eine Bombe, die ihn schwer an den Beinen und am Brust-
korb verwundete. Ein Polizeischutzmann warf sich auf den
Attentäter und machte ihn durch einige Säbelhiebe un-
schädlich.

Lärm im Theater.

Im hiesigen Stadttheater kam
es gestern zu einem großen Lärmauftritte, als nach einem
von etwa 2000 Personen besuchten Vortrag über die Cholera
zwei Rechtsanwälte Reden über Tagesfragen halten wollten
und durch die Polizei daran gehindert wurden. Diese rief
zwei Kompagnien Infanterie herbei. Ehe sie ankamen, wurden
von der Galerie Aufrufe in das Haus geworfen und revo-
lutionäre Reden gehalten. Sodann verließ die Menge das
Theater und zog unter Absingen der Marseillaise durch
die Straßen. Die Truppen versperrten der Menge den Weg,
aus deren Mitte hierauf fünf Revolverschüsse abgegeben
wurden, die aber niemand trafen. 39 Personen wurden ver-
haftet; bei ihnen wurden viele revolutionäre Schriften und
Aufrufe gefunden. Gegen die Verhafteten ist die Anklage
wegen Verletzung der Vorschriften des Gouverneurs erhoben
worden.

In Riga.

Die hiesigen Stadtverordnetenwahlen
ergaben einen glänzenden Sieg der Deutschen. Es ist damit
unabsehbares Unheil vermieden. Trotz der heftigen lettischen
Agitation haben viele Letten für die deutschen Kandidaten
[Spaltenumbruch] gestimmt. -- Der Streik dauert fort, heute wurden in der
Fabrik Prowodnik Maschinen zerstört. Es kam zu einem
wilden Kampf zwischen Kosaken und Streikenden.

Die Forderungen der Angestellten. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In zahlreichen Städten Rußlands fordern die Angestellten in
Magazinen und Werkstätten die Herabsetzung der Arbeitszeit
und Lohnerhöhung.

Die Bauernunruhen in Rußland. (Orig.-Korr.)

Als im
Jänner dieses Jahres die Arbeiterunruhen in Rußland be-
gannen, wurde an dieser Stelle die Befürchtung ausgesprochen,
daß der Bewegung in den Städten eine solche auf dem
Lande folgen könnte, die für das Zarenreich weit verhängnis-
voller werden müßte als die städtischen Unruhen, da bei ihr
gegen hundert Millionen Bauern in Betracht kommen, während
in die Arbeiterbewegung höchstens zwei Millionen Mann
hineingerissen werden könnten. Die Voraussagung hat sich
rascher, als anzunehmen war, erfüllt. In Polen, in den
baltischen Provinzen, in Lithauen und Kleinrußland erhob
sich die Landbevölkerung, und von Tag zu Tag nimmt der
Aufruhr größeren Umfang an. Geographisch läßt sich genau
verfolgen, wie die Unruhen um so heftiger auftreten, je
weiter man von Osten nach Westen dringt. Die mildeste
Form zeigen sie in den mittleren Provinzen des Reiches,
namentlich im Gouvernement Saratow, wo die Bauern sich
auf die einfache Plünderung beschränken. Sie erscheinen auf
den Pachtgütern, entleeren in aller Ruhe die Kornspeicher,
bemächtigen sich des Viehs, schicken Trupps nach den
Waldungen zur Holzfällung und ziehen hierauf wieder fried-
lich ab. Lebhafter geht es in den Gebieten westlich von der
Wolga, namentlich in dem Distrikte von Sewsk zu. Hier
wird nach der Plünderung zur Brandlegung geschritten. Auch
bleibt die Plünderung nicht auf Bedarfsobjekte beschränkt.
Die Zuckerraffinerien, deren Produkt ins Wasser geworfen
wird, und die Brennereien, aus denen die Bauern den
Wodka noch brennend herausholen, fallen ihnen zum Opfer.
Ihren Höhepunkt aber hat die Bewegung in Westrußland
erreicht, wo sie zu einem richtigen Bauernaufstand ausge-
wachsen ist. Hier, wo der erbgesessene polnische Adel längst
durch unverfälscht russische Gutsbesitzer verdrängt wurde, die
nicht einmal die Sprache des Landes beherrschen, besteht
kein Band mehr zwischen den "Herren" und Bauern, das
letzere vor dem Aeußersten zurückhalten könnte. Die Auf-
rührer ziehen, mit Aexten bewaffnet, los, überfallen und zer-
stören die Schlösser der Gutsherren, nehmen aber als Beute
charakteristischer Weise nur die metallenen Türklingen und
eisernen Riegel mit, die sie an ihren eigenen Hütten an
Stelle der herkömmlichen Holzverschlüsse befestigen, während
sie die kostbaren Möbel, mit denen sie nichts anzufangen
wissen, in Brand stecken. Die Intensitätssteigerung der
Bewegung von Osten nach Westen wird vielfach so aus-
gelegt, daß eine geheime Propaganda, die, vom Westen aus-
gehend, ihre Fühler allmählig nach dem Osten erstrecke, die
Erhebung systematisch anzettle. Nun läßt sich zwar nicht
leugnen, daß revolutionäre Parteigänger dort und da die
Leichtgläubigkeit der Landleute benutzen, um ihnen Hoffnung
auf eine neue Güterverteilung zu machen oder sie zu einer
solchen gar im Namen des Zaren aufzufordern, es hieße
aber den tieferen Kern der ganzen Bewegung verkennen,
wenn man sie im Sinne der offiziösen Kommentare nur als
eine von staatsunterwühlenden Elementen angezettelte ansehen
wollte. Die russische Landbevölkerung nahm im letzten Viertel-
jahrhundert um 50 Perzent zu, ohne daß dieser gesteigerten
Ziffer ein Zuwachs an Grundeigentum entsprach. Die
Hungersnot ist infolge dessen in den russischen Dörfern zu
einem chronischen Uebel geworden, dem neuerdings sowohl
das Ackerbauministerium in Petersburg als auch das
Ministerkomitee unter Witte und die Semstwos in Moskau
besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Es sind diesen Stellen
Vorlagen unterbreitet worden, die auf eine neue Bodenauf-
teilung, die der Vergrößerung der Landbevölkerung Rechnung
trägt, hinauslaufen. Da nun die Bauern selbst in den
Zeiten der Sklaverei die Vorstellung hatten, daß ihnen ein
Anrecht auf den Boden von Gott verliehen worden sei, so
ist es kein Wunder, wenn sie unter dem Druck mißlicher
wirtschaftlicher Verhältnisse, die sich immer kritischer zuspitzen,
zur Selbsthilfe greifen und dabei loyal vorgegangen zu sein
glauben. Die landwirtschaftlichen Beratungen des Reform-
komitees hier werden durch diese Entwicklung zweifellos eine
Beschleunigung erfahren, ob aber gesetzliche Maßnahmen zur
Besserung der Lage heute noch etwas ausrichten können,
bleibt noch sehr fraglich.




Der Krieg.


Aus dem Hauptquartier der Mandschurei-
Armee.
(Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

[Amtlich.]
Aus dem Hauptquartier der Mandschurei-Armee wird ge-
meldet: Japanische Vorposten rückten gegen Hailung vor und
stießen am 28. März bei Schantschengtau südwestlich
von Hailung auf 300 Mann feindlicher Kavallerie. In
Schantschengtau hatten die Russen 2000 Mann Kavallerie
zurückgelassen. Die Russen gingen 4000 Mann stark auf
Hailung zurück.


[Spaltenumbruch]
Ein russisches Schiff in Perim. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Einer aus Perim eingetroffenen Depesche zufolge, ist
das russische Spitalsschiff "Kastromia" um 2 Uhr nach-
mittags zur Aufnahme von Kohle und Wasser dortselbst ein-
gelaufen, was dem Schiffe auch bewilligt wurde.

Rückzugsgefechte. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die St. Petersburger Telegraphenagentur meldet aus Gun-
schulin unter dem Heutigen: Die Japaner werden in ihrer
Freude über unseren Rückzug immer verwegener. Am
29. März griff einen japanische Patrouille am rechten Flügel
eine kleine russische Abteilung an. Russische Kavallerie von
der Abteilung Mischtschenkos schlug den Feind nicht nur
ohne jede Schwierigkeit zurück, sondern machte noch 7 Ge-
fangene.

Mobilmachung russischer Gardetruppen.

In den militärischen Kreisen
der Hauptstadt gilt, wie "Russkoje Slowo" meldet, die Mo-
bilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Division als be-
schlossene Sache; sie werde wahrscheinlich zusammen mit der
Garde-Artilleriebrigade ins Feld rücken. Bezüglich der zweiten
Kavalleriedivision ist noch nichts bekannt.

Wladiwostok rüstet.

Die "Nowosti" bringen
folgenden Bericht ihres kürzlich aus Wladiwostok in Shan-
ghai eingetroffenen Berichterstatters: "In dem gesamten
Bereiche der Hafenfestung, die wir so stolz "Beherrscherin
des Ostens" getauft haben, herrscht seit Monaten fieberhafte
Tätigkeit. Neue Werke werden angelegt, alte verstärkt. Jeder
Zug führt der Besatzung neue Kräfte zu, und täglich treffen
bis zu 1000 Soldaten in der Festung ein. Am 16. März
war die Garnison schon 40,000 Mann stark. Viele Leute
glauben, daß die Japaner die erste günstige Gelegenheit zu
einem Angriff benützen werden. Viele wollen in der
Nähe der Grenzen des Hafens im Meer ein japanisches
Geschwader gesehen und 11 Schiffe gezählt haben, darunter
mehrere ganz großen Typs. Andere versichern, daß die
Nipponer bereits 60,000 Mann südlich von Wladiwostok
ausgeschifft haben. Die Offiziere sind der Ansicht, daß ein
Angriff nicht vor dem Frühjahr erfolgen wird. Die Eisen-
bahn zwischen Wladiwostok und Charbin wird auf das sorg-
fältigste bewacht, starke Postierungen sind längs der gesamten
Strecke gestaffelt. Die Bahn hat auf eigens zu diesem Zwecke
gebauten Wagen eine Anzahl von Unterseebooten aus Ruß-
land nach Wladiwostok gebracht. Die letzten drei trafen am
10. Jänner ein, konnten aber noch nicht zu Wasser gelassen
werden, da der Hafen ganz mit Eis bedeckt ist. Im ganzen
befinden sich jetzt 14 Unterseeboote in der Festung. Der
Kreuzer "Gromoboi" (Donnerschtag) liegt im Dock; "Bogatyr"
(Held) wird ausgebessert, und nur "Rossija" (Rußland) geht
von Zeit zu Zeit zu Erkundungsfahrten in See." Von diesen
Mitteilungen unterscheiden sich nicht allzu sehr diejenigen,
welche dem "New-York Herald" ungefähr zur selben Zeit
über die Verhältnisse in der russischen Festung gemacht
worden sind. Sie lautet: "Die Bewohner glauben, daß die
Belagerung der Stadt im Frühjahr beginnen wird. Ein
großer Teil von ihnen verläßt sie daher bei Zeiten. Wer
gezwungen ist, dazubleiben, sendet wenigstens das Wertvollste
seiner beweglichen Habe fort. Die Preise aller Waren sind
in die Höhe gegangen, obgleich die Eisenbahn täglich große
Mengen von Vieh und Lebensmitteln einführt. Die Zufuhr
vom Meer hat völlig aufgehört, da kein Dampfer die japa-
nische Blockade durchbrechen kann. Auf den Werften wird
schon seit einem Monat nicht mehr gearbeitet, da die Schiffs-
ausbesserungen vollendet sind. Die zur Befestigung des
Hafens nötigen Arbeiten sind durch Baumreihen verdeckt,
die eigens zu diesem Zwecke angelegt worden sind. Den-
selben Gedanken hat man auch zum Schutz der Arbeiten zur
Ausführung gebracht, welche die Verteidigung der die Rhede
beherrschenden Inseln erfordert. Die Stadt ist in Kriegs-
zustand erklärt. Gegen 1000 Mann der Garnison sind in
den Stadtkasernen untergebracht, ungefähr 25,000 auf die
Forts verteilt. Es wird versichert, daß in der Festung schon
80,000 Soldaten liegen. Das Hauptquartier der Japaner
befindet sich in Sontschin. General Kamimura hat eine
starke Abteilung zu den Quellen des Jalu entsandt, um
einem etwa aus jener Gegend erfolgenden russischen Angriff
entgegenzutreten. So hat das japanische Heer sich fast ohne
Anstrengung zum Herrn des Nordostens von Korea gemacht.
Japanische Dampfschiffe fahren regelmäßig zwischen Sont-
schin und Gensan und befördern Frachten jeder Art nach
der neuen Operationsbasis."




Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905.

[Spaltenumbruch]

Quote zwiſchen beiden Reichshälften unter den gegenwärtigen
Verhältniſſen ſchwerlich zu ſtande kommen dürfte. Die end-
giltige Beſtimmung der Quote ſetzt definitive und bekannte
Verhältniſſe voraus, da es ja unmöglich iſt, ein Junktim
zwiſchen Quote und Armee in der Art zu ſchaffen, daß die
Quote nur dann gilt, wenn der heutige Organismus der
Armee unangetaſtet bleibt. Wer ſoll über die Frage ent-
ſcheiden, ob die Bewilligung der ungariſchen Kommado-
ſprache eine ſolche, den Beſtand der Armee gefährdende
Aenderung bedeute oder nicht? Der Vorteil der Ver-
ſtändigung zwiſchen der Kxone und den Führern der
Majorität in Ungarn auf Grund des Kompromißvorſchlages
läge, vom öſterreichiſchen Geſichtspunkt aus betrachtet, bloß
darin, daß in Ungarn wenigſtens eine Regierung gebildet
werden könnte und wir in der Lage wären, uns mit dem
neuen ungariſchen Kabinett wenigſtens über eine Reihe der
wichtigſten Aktionen, darunter über die Handelsvertrags-
verhandlungen, die gänzlich in Stockung geraten ſind,
zu beſprechen. Ich ſehe die Situation unter allen Umſtänden
für ernſt an, gleichviel ob das Kompromiß verworfen oder
angenommen wird. Ich habe nur die einzige Hoffnung, daß
die materiellen Intereſſen ſchließlich einen entſcheidenden
Druck ausüben und beide Reichshälften zu einer Verſtän-
digung zwingen werden. Ich halte es für unmöglich, daß
wir den Handelsvertrag mit Deutſchland nicht abſchließen
und in ein wirtſchaftliches Chaos geraten. Es iſt daher
meine Ueberzeugung, daß wir ſchließlich eine Löſung ſinden
werden; allein im Augenblicke ſehe ich den Weg der Ent-
wirrung noch nicht und habe auch keinen Anhaltspunkt dafür,
ob die Kriſe ſchon in einer kurzen Zeit beendet ſein wird.“




Die Vorgänge in Rußland.
Eine ruſſiſche Skandalaffäre.

Ueber die angekündigte Unterſuchung
der Vorgänge im fernen Oſten wird dem „B. T.“ aus
Petersburg weiter telegraphiert: In höheren Regierungs-
kreiſen verlautet, daß unabhängig von dem Miniſterium des
Aeußeren, welches durch ſeine Nachläſſigkeit mit die Haupt-
ſchuld an dem unglücklichen Kriege trägt, eine genaue Unter-
ſuchung des ganzen Vorſpiels zum Kriege vorgenommen
werden ſoll, welche allerdings eine ganze Reihe höherer
Beamten für immer kompromittieren, dafür aber voraus-
ſichtlich die öffentliche Meinung weſentlich beruhigen wird,
die immer nachdrücklicher die volle Wahrheit über die
myſteriöſen diplomatiſchen Verhandlungen mit Japan ver-
langt. Sollte ſich das bewahrheiten, ſo wird neben der
ruſſiſchen Diplomatie Alexejew am ſtärkſten bloßgeſtellt
werden, gegen den der Zar eine völlig veränderte Haltung
beobachtet.

Ueberfall auf einen Stationsvorſteher. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In
Kutais überfielen vier bewaffnete Leute den Eiſenbahn-
ſtationsvorſtand, als er in Begleitung von Bewaffneten in
die Rentei fuhr, ſie entwaffneten Letztere und nahmen dem
Stationsvorſtand über 6000 Rubel ab.

Attentat auf einen Polizeikommiſſär.

Geſtern nachmittag rief man
telephoniſch aus dem Polizeiamt auf der Konſtantinowska-
gaſſe zu Lodz den Polizeikommiſſär Michael Szatalowicz
hinweg, welcher bei den letzten Unruhen einen Sozialiſten
erſchoß. An der Ecke der Zawadzkaſtraße warf ein vorüber-
gehender, ärmlich gekleideter Mann gegen den Kommiſſar
eine Bombe, die ihn ſchwer an den Beinen und am Bruſt-
korb verwundete. Ein Polizeiſchutzmann warf ſich auf den
Attentäter und machte ihn durch einige Säbelhiebe un-
ſchädlich.

Lärm im Theater.

Im hieſigen Stadttheater kam
es geſtern zu einem großen Lärmauftritte, als nach einem
von etwa 2000 Perſonen beſuchten Vortrag über die Cholera
zwei Rechtsanwälte Reden über Tagesfragen halten wollten
und durch die Polizei daran gehindert wurden. Dieſe rief
zwei Kompagnien Infanterie herbei. Ehe ſie ankamen, wurden
von der Galerie Aufrufe in das Haus geworfen und revo-
lutionäre Reden gehalten. Sodann verließ die Menge das
Theater und zog unter Abſingen der Marſeillaiſe durch
die Straßen. Die Truppen verſperrten der Menge den Weg,
aus deren Mitte hierauf fünf Revolverſchüſſe abgegeben
wurden, die aber niemand trafen. 39 Perſonen wurden ver-
haftet; bei ihnen wurden viele revolutionäre Schriften und
Aufrufe gefunden. Gegen die Verhafteten iſt die Anklage
wegen Verletzung der Vorſchriften des Gouverneurs erhoben
worden.

In Riga.

Die hieſigen Stadtverordnetenwahlen
ergaben einen glänzenden Sieg der Deutſchen. Es iſt damit
unabſehbares Unheil vermieden. Trotz der heftigen lettiſchen
Agitation haben viele Letten für die deutſchen Kandidaten
[Spaltenumbruch] geſtimmt. — Der Streik dauert fort, heute wurden in der
Fabrik Prowodnik Maſchinen zerſtört. Es kam zu einem
wilden Kampf zwiſchen Koſaken und Streikenden.

Die Forderungen der Angeſtellten. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In zahlreichen Städten Rußlands fordern die Angeſtellten in
Magazinen und Werkſtätten die Herabſetzung der Arbeitszeit
und Lohnerhöhung.

Die Bauernunruhen in Rußland. (Orig.-Korr.)

Als im
Jänner dieſes Jahres die Arbeiterunruhen in Rußland be-
gannen, wurde an dieſer Stelle die Befürchtung ausgeſprochen,
daß der Bewegung in den Städten eine ſolche auf dem
Lande folgen könnte, die für das Zarenreich weit verhängnis-
voller werden müßte als die ſtädtiſchen Unruhen, da bei ihr
gegen hundert Millionen Bauern in Betracht kommen, während
in die Arbeiterbewegung höchſtens zwei Millionen Mann
hineingeriſſen werden könnten. Die Vorausſagung hat ſich
raſcher, als anzunehmen war, erfüllt. In Polen, in den
baltiſchen Provinzen, in Lithauen und Kleinrußland erhob
ſich die Landbevölkerung, und von Tag zu Tag nimmt der
Aufruhr größeren Umfang an. Geographiſch läßt ſich genau
verfolgen, wie die Unruhen um ſo heftiger auftreten, je
weiter man von Oſten nach Weſten dringt. Die mildeſte
Form zeigen ſie in den mittleren Provinzen des Reiches,
namentlich im Gouvernement Saratow, wo die Bauern ſich
auf die einfache Plünderung beſchränken. Sie erſcheinen auf
den Pachtgütern, entleeren in aller Ruhe die Kornſpeicher,
bemächtigen ſich des Viehs, ſchicken Trupps nach den
Waldungen zur Holzfällung und ziehen hierauf wieder fried-
lich ab. Lebhafter geht es in den Gebieten weſtlich von der
Wolga, namentlich in dem Diſtrikte von Sewsk zu. Hier
wird nach der Plünderung zur Brandlegung geſchritten. Auch
bleibt die Plünderung nicht auf Bedarfsobjekte beſchränkt.
Die Zuckerraffinerien, deren Produkt ins Waſſer geworfen
wird, und die Brennereien, aus denen die Bauern den
Wodka noch brennend herausholen, fallen ihnen zum Opfer.
Ihren Höhepunkt aber hat die Bewegung in Weſtrußland
erreicht, wo ſie zu einem richtigen Bauernaufſtand ausge-
wachſen iſt. Hier, wo der erbgeſeſſene polniſche Adel längſt
durch unverfälſcht ruſſiſche Gutsbeſitzer verdrängt wurde, die
nicht einmal die Sprache des Landes beherrſchen, beſteht
kein Band mehr zwiſchen den „Herren“ und Bauern, das
letzere vor dem Aeußerſten zurückhalten könnte. Die Auf-
rührer ziehen, mit Aexten bewaffnet, los, überfallen und zer-
ſtören die Schlöſſer der Gutsherren, nehmen aber als Beute
charakteriſtiſcher Weiſe nur die metallenen Türklingen und
eiſernen Riegel mit, die ſie an ihren eigenen Hütten an
Stelle der herkömmlichen Holzverſchlüſſe befeſtigen, während
ſie die koſtbaren Möbel, mit denen ſie nichts anzufangen
wiſſen, in Brand ſtecken. Die Intenſitätsſteigerung der
Bewegung von Oſten nach Weſten wird vielfach ſo aus-
gelegt, daß eine geheime Propaganda, die, vom Weſten aus-
gehend, ihre Fühler allmählig nach dem Oſten erſtrecke, die
Erhebung ſyſtematiſch anzettle. Nun läßt ſich zwar nicht
leugnen, daß revolutionäre Parteigänger dort und da die
Leichtgläubigkeit der Landleute benutzen, um ihnen Hoffnung
auf eine neue Güterverteilung zu machen oder ſie zu einer
ſolchen gar im Namen des Zaren aufzufordern, es hieße
aber den tieferen Kern der ganzen Bewegung verkennen,
wenn man ſie im Sinne der offiziöſen Kommentare nur als
eine von ſtaatsunterwühlenden Elementen angezettelte anſehen
wollte. Die ruſſiſche Landbevölkerung nahm im letzten Viertel-
jahrhundert um 50 Perzent zu, ohne daß dieſer geſteigerten
Ziffer ein Zuwachs an Grundeigentum entſprach. Die
Hungersnot iſt infolge deſſen in den ruſſiſchen Dörfern zu
einem chroniſchen Uebel geworden, dem neuerdings ſowohl
das Ackerbauminiſterium in Petersburg als auch das
Miniſterkomitee unter Witte und die Semſtwos in Moskau
beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden. Es ſind dieſen Stellen
Vorlagen unterbreitet worden, die auf eine neue Bodenauf-
teilung, die der Vergrößerung der Landbevölkerung Rechnung
trägt, hinauslaufen. Da nun die Bauern ſelbſt in den
Zeiten der Sklaverei die Vorſtellung hatten, daß ihnen ein
Anrecht auf den Boden von Gott verliehen worden ſei, ſo
iſt es kein Wunder, wenn ſie unter dem Druck mißlicher
wirtſchaftlicher Verhältniſſe, die ſich immer kritiſcher zuſpitzen,
zur Selbſthilfe greifen und dabei loyal vorgegangen zu ſein
glauben. Die landwirtſchaftlichen Beratungen des Reform-
komitees hier werden durch dieſe Entwicklung zweifellos eine
Beſchleunigung erfahren, ob aber geſetzliche Maßnahmen zur
Beſſerung der Lage heute noch etwas ausrichten können,
bleibt noch ſehr fraglich.




Der Krieg.


Aus dem Hauptquartier der Mandſchurei-
Armee.
(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

[Amtlich.]
Aus dem Hauptquartier der Mandſchurei-Armee wird ge-
meldet: Japaniſche Vorpoſten rückten gegen Hailung vor und
ſtießen am 28. März bei Schantſchengtau ſüdweſtlich
von Hailung auf 300 Mann feindlicher Kavallerie. In
Schantſchengtau hatten die Ruſſen 2000 Mann Kavallerie
zurückgelaſſen. Die Ruſſen gingen 4000 Mann ſtark auf
Hailung zurück.


[Spaltenumbruch]
Ein ruſſiſches Schiff in Perim. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Einer aus Perim eingetroffenen Depeſche zufolge, iſt
das ruſſiſche Spitalsſchiff „Kaſtromia“ um 2 Uhr nach-
mittags zur Aufnahme von Kohle und Waſſer dortſelbſt ein-
gelaufen, was dem Schiffe auch bewilligt wurde.

Rückzugsgefechte. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die St. Petersburger Telegraphenagentur meldet aus Gun-
ſchulin unter dem Heutigen: Die Japaner werden in ihrer
Freude über unſeren Rückzug immer verwegener. Am
29. März griff einen japaniſche Patrouille am rechten Flügel
eine kleine ruſſiſche Abteilung an. Ruſſiſche Kavallerie von
der Abteilung Miſchtſchenkos ſchlug den Feind nicht nur
ohne jede Schwierigkeit zurück, ſondern machte noch 7 Ge-
fangene.

Mobilmachung ruſſiſcher Gardetruppen.

In den militäriſchen Kreiſen
der Hauptſtadt gilt, wie „Ruſſkoje Slowo“ meldet, die Mo-
bilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Diviſion als be-
ſchloſſene Sache; ſie werde wahrſcheinlich zuſammen mit der
Garde-Artilleriebrigade ins Feld rücken. Bezüglich der zweiten
Kavalleriediviſion iſt noch nichts bekannt.

Wladiwoſtok rüſtet.

Die „Nowoſti“ bringen
folgenden Bericht ihres kürzlich aus Wladiwoſtok in Shan-
ghai eingetroffenen Berichterſtatters: „In dem geſamten
Bereiche der Hafenfeſtung, die wir ſo ſtolz „Beherrſcherin
des Oſtens“ getauft haben, herrſcht ſeit Monaten fieberhafte
Tätigkeit. Neue Werke werden angelegt, alte verſtärkt. Jeder
Zug führt der Beſatzung neue Kräfte zu, und täglich treffen
bis zu 1000 Soldaten in der Feſtung ein. Am 16. März
war die Garniſon ſchon 40,000 Mann ſtark. Viele Leute
glauben, daß die Japaner die erſte günſtige Gelegenheit zu
einem Angriff benützen werden. Viele wollen in der
Nähe der Grenzen des Hafens im Meer ein japaniſches
Geſchwader geſehen und 11 Schiffe gezählt haben, darunter
mehrere ganz großen Typs. Andere verſichern, daß die
Nipponer bereits 60,000 Mann ſüdlich von Wladiwoſtok
ausgeſchifft haben. Die Offiziere ſind der Anſicht, daß ein
Angriff nicht vor dem Frühjahr erfolgen wird. Die Eiſen-
bahn zwiſchen Wladiwoſtok und Charbin wird auf das ſorg-
fältigſte bewacht, ſtarke Poſtierungen ſind längs der geſamten
Strecke geſtaffelt. Die Bahn hat auf eigens zu dieſem Zwecke
gebauten Wagen eine Anzahl von Unterſeebooten aus Ruß-
land nach Wladiwoſtok gebracht. Die letzten drei trafen am
10. Jänner ein, konnten aber noch nicht zu Waſſer gelaſſen
werden, da der Hafen ganz mit Eis bedeckt iſt. Im ganzen
befinden ſich jetzt 14 Unterſeeboote in der Feſtung. Der
Kreuzer „Gromoboi“ (Donnerſchtag) liegt im Dock; „Bogatyr“
(Held) wird ausgebeſſert, und nur „Roſſija“ (Rußland) geht
von Zeit zu Zeit zu Erkundungsfahrten in See.“ Von dieſen
Mitteilungen unterſcheiden ſich nicht allzu ſehr diejenigen,
welche dem „New-York Herald“ ungefähr zur ſelben Zeit
über die Verhältniſſe in der ruſſiſchen Feſtung gemacht
worden ſind. Sie lautet: „Die Bewohner glauben, daß die
Belagerung der Stadt im Frühjahr beginnen wird. Ein
großer Teil von ihnen verläßt ſie daher bei Zeiten. Wer
gezwungen iſt, dazubleiben, ſendet wenigſtens das Wertvollſte
ſeiner beweglichen Habe fort. Die Preiſe aller Waren ſind
in die Höhe gegangen, obgleich die Eiſenbahn täglich große
Mengen von Vieh und Lebensmitteln einführt. Die Zufuhr
vom Meer hat völlig aufgehört, da kein Dampfer die japa-
niſche Blockade durchbrechen kann. Auf den Werften wird
ſchon ſeit einem Monat nicht mehr gearbeitet, da die Schiffs-
ausbeſſerungen vollendet ſind. Die zur Befeſtigung des
Hafens nötigen Arbeiten ſind durch Baumreihen verdeckt,
die eigens zu dieſem Zwecke angelegt worden ſind. Den-
ſelben Gedanken hat man auch zum Schutz der Arbeiten zur
Ausführung gebracht, welche die Verteidigung der die Rhede
beherrſchenden Inſeln erfordert. Die Stadt iſt in Kriegs-
zuſtand erklärt. Gegen 1000 Mann der Garniſon ſind in
den Stadtkaſernen untergebracht, ungefähr 25,000 auf die
Forts verteilt. Es wird verſichert, daß in der Feſtung ſchon
80,000 Soldaten liegen. Das Hauptquartier der Japaner
befindet ſich in Sontſchin. General Kamimura hat eine
ſtarke Abteilung zu den Quellen des Jalu entſandt, um
einem etwa aus jener Gegend erfolgenden ruſſiſchen Angriff
entgegenzutreten. So hat das japaniſche Heer ſich faſt ohne
Anſtrengung zum Herrn des Nordoſtens von Korea gemacht.
Japaniſche Dampfſchiffe fahren regelmäßig zwiſchen Sont-
ſchin und Genſan und befördern Frachten jeder Art nach
der neuen Operationsbaſis.“




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Aenderung bedeute oder nicht? Der Vorteil der Ver-<lb/>
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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905. Quote zwiſchen beiden Reichshälften unter den gegenwärtigen Verhältniſſen ſchwerlich zu ſtande kommen dürfte. Die end- giltige Beſtimmung der Quote ſetzt definitive und bekannte Verhältniſſe voraus, da es ja unmöglich iſt, ein Junktim zwiſchen Quote und Armee in der Art zu ſchaffen, daß die Quote nur dann gilt, wenn der heutige Organismus der Armee unangetaſtet bleibt. Wer ſoll über die Frage ent- ſcheiden, ob die Bewilligung der ungariſchen Kommado- ſprache eine ſolche, den Beſtand der Armee gefährdende Aenderung bedeute oder nicht? Der Vorteil der Ver- ſtändigung zwiſchen der Kxone und den Führern der Majorität in Ungarn auf Grund des Kompromißvorſchlages läge, vom öſterreichiſchen Geſichtspunkt aus betrachtet, bloß darin, daß in Ungarn wenigſtens eine Regierung gebildet werden könnte und wir in der Lage wären, uns mit dem neuen ungariſchen Kabinett wenigſtens über eine Reihe der wichtigſten Aktionen, darunter über die Handelsvertrags- verhandlungen, die gänzlich in Stockung geraten ſind, zu beſprechen. Ich ſehe die Situation unter allen Umſtänden für ernſt an, gleichviel ob das Kompromiß verworfen oder angenommen wird. Ich habe nur die einzige Hoffnung, daß die materiellen Intereſſen ſchließlich einen entſcheidenden Druck ausüben und beide Reichshälften zu einer Verſtän- digung zwingen werden. Ich halte es für unmöglich, daß wir den Handelsvertrag mit Deutſchland nicht abſchließen und in ein wirtſchaftliches Chaos geraten. Es iſt daher meine Ueberzeugung, daß wir ſchließlich eine Löſung ſinden werden; allein im Augenblicke ſehe ich den Weg der Ent- wirrung noch nicht und habe auch keinen Anhaltspunkt dafür, ob die Kriſe ſchon in einer kurzen Zeit beendet ſein wird.“ Die Vorgänge in Rußland. Eine ruſſiſche Skandalaffäre. Berlin, 2. April. Ueber die angekündigte Unterſuchung der Vorgänge im fernen Oſten wird dem „B. T.“ aus Petersburg weiter telegraphiert: In höheren Regierungs- kreiſen verlautet, daß unabhängig von dem Miniſterium des Aeußeren, welches durch ſeine Nachläſſigkeit mit die Haupt- ſchuld an dem unglücklichen Kriege trägt, eine genaue Unter- ſuchung des ganzen Vorſpiels zum Kriege vorgenommen werden ſoll, welche allerdings eine ganze Reihe höherer Beamten für immer kompromittieren, dafür aber voraus- ſichtlich die öffentliche Meinung weſentlich beruhigen wird, die immer nachdrücklicher die volle Wahrheit über die myſteriöſen diplomatiſchen Verhandlungen mit Japan ver- langt. Sollte ſich das bewahrheiten, ſo wird neben der ruſſiſchen Diplomatie Alexejew am ſtärkſten bloßgeſtellt werden, gegen den der Zar eine völlig veränderte Haltung beobachtet. Ueberfall auf einen Stationsvorſteher. Tiflis, 3. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In Kutais überfielen vier bewaffnete Leute den Eiſenbahn- ſtationsvorſtand, als er in Begleitung von Bewaffneten in die Rentei fuhr, ſie entwaffneten Letztere und nahmen dem Stationsvorſtand über 6000 Rubel ab. Attentat auf einen Polizeikommiſſär. Warſchau, 2. April. Geſtern nachmittag rief man telephoniſch aus dem Polizeiamt auf der Konſtantinowska- gaſſe zu Lodz den Polizeikommiſſär Michael Szatalowicz hinweg, welcher bei den letzten Unruhen einen Sozialiſten erſchoß. An der Ecke der Zawadzkaſtraße warf ein vorüber- gehender, ärmlich gekleideter Mann gegen den Kommiſſar eine Bombe, die ihn ſchwer an den Beinen und am Bruſt- korb verwundete. Ein Polizeiſchutzmann warf ſich auf den Attentäter und machte ihn durch einige Säbelhiebe un- ſchädlich. Lärm im Theater. Saratow, 2. April. Im hieſigen Stadttheater kam es geſtern zu einem großen Lärmauftritte, als nach einem von etwa 2000 Perſonen beſuchten Vortrag über die Cholera zwei Rechtsanwälte Reden über Tagesfragen halten wollten und durch die Polizei daran gehindert wurden. Dieſe rief zwei Kompagnien Infanterie herbei. Ehe ſie ankamen, wurden von der Galerie Aufrufe in das Haus geworfen und revo- lutionäre Reden gehalten. Sodann verließ die Menge das Theater und zog unter Abſingen der Marſeillaiſe durch die Straßen. Die Truppen verſperrten der Menge den Weg, aus deren Mitte hierauf fünf Revolverſchüſſe abgegeben wurden, die aber niemand trafen. 39 Perſonen wurden ver- haftet; bei ihnen wurden viele revolutionäre Schriften und Aufrufe gefunden. Gegen die Verhafteten iſt die Anklage wegen Verletzung der Vorſchriften des Gouverneurs erhoben worden. In Riga. Riga, 1. April. Die hieſigen Stadtverordnetenwahlen ergaben einen glänzenden Sieg der Deutſchen. Es iſt damit unabſehbares Unheil vermieden. Trotz der heftigen lettiſchen Agitation haben viele Letten für die deutſchen Kandidaten geſtimmt. — Der Streik dauert fort, heute wurden in der Fabrik Prowodnik Maſchinen zerſtört. Es kam zu einem wilden Kampf zwiſchen Koſaken und Streikenden. Die Forderungen der Angeſtellten. Petersburg, 3. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In zahlreichen Städten Rußlands fordern die Angeſtellten in Magazinen und Werkſtätten die Herabſetzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhung. Die Bauernunruhen in Rußland. g. Petersburg, 31. März. (Orig.-Korr.) Als im Jänner dieſes Jahres die Arbeiterunruhen in Rußland be- gannen, wurde an dieſer Stelle die Befürchtung ausgeſprochen, daß der Bewegung in den Städten eine ſolche auf dem Lande folgen könnte, die für das Zarenreich weit verhängnis- voller werden müßte als die ſtädtiſchen Unruhen, da bei ihr gegen hundert Millionen Bauern in Betracht kommen, während in die Arbeiterbewegung höchſtens zwei Millionen Mann hineingeriſſen werden könnten. Die Vorausſagung hat ſich raſcher, als anzunehmen war, erfüllt. In Polen, in den baltiſchen Provinzen, in Lithauen und Kleinrußland erhob ſich die Landbevölkerung, und von Tag zu Tag nimmt der Aufruhr größeren Umfang an. Geographiſch läßt ſich genau verfolgen, wie die Unruhen um ſo heftiger auftreten, je weiter man von Oſten nach Weſten dringt. Die mildeſte Form zeigen ſie in den mittleren Provinzen des Reiches, namentlich im Gouvernement Saratow, wo die Bauern ſich auf die einfache Plünderung beſchränken. Sie erſcheinen auf den Pachtgütern, entleeren in aller Ruhe die Kornſpeicher, bemächtigen ſich des Viehs, ſchicken Trupps nach den Waldungen zur Holzfällung und ziehen hierauf wieder fried- lich ab. Lebhafter geht es in den Gebieten weſtlich von der Wolga, namentlich in dem Diſtrikte von Sewsk zu. Hier wird nach der Plünderung zur Brandlegung geſchritten. Auch bleibt die Plünderung nicht auf Bedarfsobjekte beſchränkt. Die Zuckerraffinerien, deren Produkt ins Waſſer geworfen wird, und die Brennereien, aus denen die Bauern den Wodka noch brennend herausholen, fallen ihnen zum Opfer. Ihren Höhepunkt aber hat die Bewegung in Weſtrußland erreicht, wo ſie zu einem richtigen Bauernaufſtand ausge- wachſen iſt. Hier, wo der erbgeſeſſene polniſche Adel längſt durch unverfälſcht ruſſiſche Gutsbeſitzer verdrängt wurde, die nicht einmal die Sprache des Landes beherrſchen, beſteht kein Band mehr zwiſchen den „Herren“ und Bauern, das letzere vor dem Aeußerſten zurückhalten könnte. Die Auf- rührer ziehen, mit Aexten bewaffnet, los, überfallen und zer- ſtören die Schlöſſer der Gutsherren, nehmen aber als Beute charakteriſtiſcher Weiſe nur die metallenen Türklingen und eiſernen Riegel mit, die ſie an ihren eigenen Hütten an Stelle der herkömmlichen Holzverſchlüſſe befeſtigen, während ſie die koſtbaren Möbel, mit denen ſie nichts anzufangen wiſſen, in Brand ſtecken. Die Intenſitätsſteigerung der Bewegung von Oſten nach Weſten wird vielfach ſo aus- gelegt, daß eine geheime Propaganda, die, vom Weſten aus- gehend, ihre Fühler allmählig nach dem Oſten erſtrecke, die Erhebung ſyſtematiſch anzettle. Nun läßt ſich zwar nicht leugnen, daß revolutionäre Parteigänger dort und da die Leichtgläubigkeit der Landleute benutzen, um ihnen Hoffnung auf eine neue Güterverteilung zu machen oder ſie zu einer ſolchen gar im Namen des Zaren aufzufordern, es hieße aber den tieferen Kern der ganzen Bewegung verkennen, wenn man ſie im Sinne der offiziöſen Kommentare nur als eine von ſtaatsunterwühlenden Elementen angezettelte anſehen wollte. Die ruſſiſche Landbevölkerung nahm im letzten Viertel- jahrhundert um 50 Perzent zu, ohne daß dieſer geſteigerten Ziffer ein Zuwachs an Grundeigentum entſprach. Die Hungersnot iſt infolge deſſen in den ruſſiſchen Dörfern zu einem chroniſchen Uebel geworden, dem neuerdings ſowohl das Ackerbauminiſterium in Petersburg als auch das Miniſterkomitee unter Witte und die Semſtwos in Moskau beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden. Es ſind dieſen Stellen Vorlagen unterbreitet worden, die auf eine neue Bodenauf- teilung, die der Vergrößerung der Landbevölkerung Rechnung trägt, hinauslaufen. Da nun die Bauern ſelbſt in den Zeiten der Sklaverei die Vorſtellung hatten, daß ihnen ein Anrecht auf den Boden von Gott verliehen worden ſei, ſo iſt es kein Wunder, wenn ſie unter dem Druck mißlicher wirtſchaftlicher Verhältniſſe, die ſich immer kritiſcher zuſpitzen, zur Selbſthilfe greifen und dabei loyal vorgegangen zu ſein glauben. Die landwirtſchaftlichen Beratungen des Reform- komitees hier werden durch dieſe Entwicklung zweifellos eine Beſchleunigung erfahren, ob aber geſetzliche Maßnahmen zur Beſſerung der Lage heute noch etwas ausrichten können, bleibt noch ſehr fraglich. Der Krieg. Czernowitz, 3. April 1905. Aus dem Hauptquartier der Mandſchurei- Armee. Tokio, 3. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) [Amtlich.] Aus dem Hauptquartier der Mandſchurei-Armee wird ge- meldet: Japaniſche Vorpoſten rückten gegen Hailung vor und ſtießen am 28. März bei Schantſchengtau ſüdweſtlich von Hailung auf 300 Mann feindlicher Kavallerie. In Schantſchengtau hatten die Ruſſen 2000 Mann Kavallerie zurückgelaſſen. Die Ruſſen gingen 4000 Mann ſtark auf Hailung zurück. Ein ruſſiſches Schiff in Perim. London, 2. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Einer aus Perim eingetroffenen Depeſche zufolge, iſt das ruſſiſche Spitalsſchiff „Kaſtromia“ um 2 Uhr nach- mittags zur Aufnahme von Kohle und Waſſer dortſelbſt ein- gelaufen, was dem Schiffe auch bewilligt wurde. Rückzugsgefechte. Petersburg, 2. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die St. Petersburger Telegraphenagentur meldet aus Gun- ſchulin unter dem Heutigen: Die Japaner werden in ihrer Freude über unſeren Rückzug immer verwegener. Am 29. März griff einen japaniſche Patrouille am rechten Flügel eine kleine ruſſiſche Abteilung an. Ruſſiſche Kavallerie von der Abteilung Miſchtſchenkos ſchlug den Feind nicht nur ohne jede Schwierigkeit zurück, ſondern machte noch 7 Ge- fangene. Mobilmachung ruſſiſcher Gardetruppen. Petersburg, 2. April. In den militäriſchen Kreiſen der Hauptſtadt gilt, wie „Ruſſkoje Slowo“ meldet, die Mo- bilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Diviſion als be- ſchloſſene Sache; ſie werde wahrſcheinlich zuſammen mit der Garde-Artilleriebrigade ins Feld rücken. Bezüglich der zweiten Kavalleriediviſion iſt noch nichts bekannt. Wladiwoſtok rüſtet. Petersburg, 2. April. Die „Nowoſti“ bringen folgenden Bericht ihres kürzlich aus Wladiwoſtok in Shan- ghai eingetroffenen Berichterſtatters: „In dem geſamten Bereiche der Hafenfeſtung, die wir ſo ſtolz „Beherrſcherin des Oſtens“ getauft haben, herrſcht ſeit Monaten fieberhafte Tätigkeit. Neue Werke werden angelegt, alte verſtärkt. Jeder Zug führt der Beſatzung neue Kräfte zu, und täglich treffen bis zu 1000 Soldaten in der Feſtung ein. Am 16. März war die Garniſon ſchon 40,000 Mann ſtark. Viele Leute glauben, daß die Japaner die erſte günſtige Gelegenheit zu einem Angriff benützen werden. Viele wollen in der Nähe der Grenzen des Hafens im Meer ein japaniſches Geſchwader geſehen und 11 Schiffe gezählt haben, darunter mehrere ganz großen Typs. Andere verſichern, daß die Nipponer bereits 60,000 Mann ſüdlich von Wladiwoſtok ausgeſchifft haben. Die Offiziere ſind der Anſicht, daß ein Angriff nicht vor dem Frühjahr erfolgen wird. Die Eiſen- bahn zwiſchen Wladiwoſtok und Charbin wird auf das ſorg- fältigſte bewacht, ſtarke Poſtierungen ſind längs der geſamten Strecke geſtaffelt. Die Bahn hat auf eigens zu dieſem Zwecke gebauten Wagen eine Anzahl von Unterſeebooten aus Ruß- land nach Wladiwoſtok gebracht. Die letzten drei trafen am 10. Jänner ein, konnten aber noch nicht zu Waſſer gelaſſen werden, da der Hafen ganz mit Eis bedeckt iſt. Im ganzen befinden ſich jetzt 14 Unterſeeboote in der Feſtung. Der Kreuzer „Gromoboi“ (Donnerſchtag) liegt im Dock; „Bogatyr“ (Held) wird ausgebeſſert, und nur „Roſſija“ (Rußland) geht von Zeit zu Zeit zu Erkundungsfahrten in See.“ Von dieſen Mitteilungen unterſcheiden ſich nicht allzu ſehr diejenigen, welche dem „New-York Herald“ ungefähr zur ſelben Zeit über die Verhältniſſe in der ruſſiſchen Feſtung gemacht worden ſind. Sie lautet: „Die Bewohner glauben, daß die Belagerung der Stadt im Frühjahr beginnen wird. Ein großer Teil von ihnen verläßt ſie daher bei Zeiten. Wer gezwungen iſt, dazubleiben, ſendet wenigſtens das Wertvollſte ſeiner beweglichen Habe fort. Die Preiſe aller Waren ſind in die Höhe gegangen, obgleich die Eiſenbahn täglich große Mengen von Vieh und Lebensmitteln einführt. Die Zufuhr vom Meer hat völlig aufgehört, da kein Dampfer die japa- niſche Blockade durchbrechen kann. Auf den Werften wird ſchon ſeit einem Monat nicht mehr gearbeitet, da die Schiffs- ausbeſſerungen vollendet ſind. Die zur Befeſtigung des Hafens nötigen Arbeiten ſind durch Baumreihen verdeckt, die eigens zu dieſem Zwecke angelegt worden ſind. Den- ſelben Gedanken hat man auch zum Schutz der Arbeiten zur Ausführung gebracht, welche die Verteidigung der die Rhede beherrſchenden Inſeln erfordert. Die Stadt iſt in Kriegs- zuſtand erklärt. Gegen 1000 Mann der Garniſon ſind in den Stadtkaſernen untergebracht, ungefähr 25,000 auf die Forts verteilt. Es wird verſichert, daß in der Feſtung ſchon 80,000 Soldaten liegen. Das Hauptquartier der Japaner befindet ſich in Sontſchin. General Kamimura hat eine ſtarke Abteilung zu den Quellen des Jalu entſandt, um einem etwa aus jener Gegend erfolgenden ruſſiſchen Angriff entgegenzutreten. So hat das japaniſche Heer ſich faſt ohne Anſtrengung zum Herrn des Nordoſtens von Korea gemacht. Japaniſche Dampfſchiffe fahren regelmäßig zwiſchen Sont- ſchin und Genſan und befördern Frachten jeder Art nach der neuen Operationsbaſis.“

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer379_1905/2>, abgerufen am 18.04.2024.