Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1437, Czernowitz, 27.10.1908.[Spaltenumbruch]
Redaktion u. Administration Telephon-Nummer 161, Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz. Für Deutschland: [Für] Rumänien und den Balkan: [Telegramme:] Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigung[:] Einzelexemplare Nr. 1437. Czernowitz, Dienstag, den 27. Oktober 1908. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Vom Tage. Heute finden in Niederösterreich die Landtagswahlen aus Czernowitzer Angelegenheiten. Zwischen dem Landeshauptmann und dem Rumänenklub Letzte Telegramme. Gestern fand in Belgrad eine von den Belgrader Frauen Der Abbruch der direkten Verhandlungen. Wien, 24. Oktober. Man schreibt uns von diplomatischer Seite: Die Berhandlungen der Türkei mit Oester- Angesichts des Londoner Konferenzprogrammes begann Schwieriger sind die Verhandlungen zwischen Türken Es muß also bei der Konferenz bleiben und die direkten [Spaltenumbruch] Der Doppelgänger des Zaren. 39] (Nachdruck verboten.) "Noch eine Frage, Monsieur -- was soll mit Vastics "Hm -- da ist guter Rat teuer, Iwan aber sorgt nur Als Iwan gegangen war, versank der Amerikaner in Schließlich blieb doch nichts weiter übrig, als die Leiche Er sah so elend aus, daß Iwan davoneilte, ihm ein Glas Da immer noch eine Stunde bis zur Abfahrt blieb, ver- Jedenfalls mußte er, sobald er Helga in Sicherheit wußte, Wohl bestand die leise Möglichkeit, dem Zaren zu ver- "Wie mir Ihr Aussehen zeigt, Helga, haben Sie leider "Ach nein -- es war unmöglich. Und ich kann auch nicht "Ich kann nur unter einer einzigen Bedingung diesen [Spaltenumbruch] "Und diese Bedingung lautet --" "Daß wir beide, anstatt nach Petersburg, jetzt direkt über "Daran ist nicht zu denken, Monsieur". "So lassen wir den Wagen nicht länger warten, Helga -- "Ja -- sie wartet bereits in der Halle." Die Fahrt verlief meist schweigend; Madame Korvatta Als Madame Korvata nach einer Weile laut zu schnarchen "Es wird umsonst sein," sagte Helga mutlos; "Fürst "Aber ich gedenke, den Fürsten überhaupt zu umgehen --" "Was hilft das? Er hat zahlreiche Spürhunde im Solde "Nun, sehen wir, wer recht hat, Helga -- auf alle Fälle "O, daran soll's nicht fehlen, Monsieur, wenn die Ge- "Weshalb so kleinmütig, Helga? Aber nun lassen Sie uns "Auch daran habe ich gedacht, dann beginne ich meine "Gut also -- aber ich hoffe, wir werden siegen." "Und wenn wir unterliegen, trennen sich unsere Wege, "Daran ist nicht zu denken, Helga." (Fortsetzung folgt.) [Spaltenumbruch]
Redaktion u. Adminiſtration Telephon-Nummer 161, Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz. Für Deutſchland: [Für] Rumänien und den Balkan: [Telegramme:] Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigung[:] Einzelexemplare Nr. 1437. Czernowitz, Dienſtag, den 27. Oktober 1908. [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Vom Tage. Heute finden in Niederöſterreich die Landtagswahlen aus Czernowitzer Angelegenheiten. Zwiſchen dem Landeshauptmann und dem Rumänenklub Letzte Telegramme. Geſtern fand in Belgrad eine von den Belgrader Frauen Der Abbruch der direkten Verhandlungen. Wien, 24. Oktober. Man ſchreibt uns von diplomatiſcher Seite: Die Berhandlungen der Türkei mit Oeſter- Angeſichts des Londoner Konferenzprogrammes begann Schwieriger ſind die Verhandlungen zwiſchen Türken Es muß alſo bei der Konferenz bleiben und die direkten [Spaltenumbruch] Der Doppelgänger des Zaren. 39] (Nachdruck verboten.) „Noch eine Frage, Monſieur — was ſoll mit Vaſtics „Hm — da iſt guter Rat teuer, Iwan aber ſorgt nur Als Iwan gegangen war, verſank der Amerikaner in Schließlich blieb doch nichts weiter übrig, als die Leiche Er ſah ſo elend aus, daß Iwan davoneilte, ihm ein Glas Da immer noch eine Stunde bis zur Abfahrt blieb, ver- Jedenfalls mußte er, ſobald er Helga in Sicherheit wußte, Wohl beſtand die leiſe Möglichkeit, dem Zaren zu ver- „Wie mir Ihr Ausſehen zeigt, Helga, haben Sie leider „Ach nein — es war unmöglich. Und ich kann auch nicht „Ich kann nur unter einer einzigen Bedingung dieſen [Spaltenumbruch] „Und dieſe Bedingung lautet —“ „Daß wir beide, anſtatt nach Petersburg, jetzt direkt über „Daran iſt nicht zu denken, Monſieur“. „So laſſen wir den Wagen nicht länger warten, Helga — „Ja — ſie wartet bereits in der Halle.“ Die Fahrt verlief meiſt ſchweigend; Madame Korvatta Als Madame Korvata nach einer Weile laut zu ſchnarchen „Es wird umſonſt ſein,“ ſagte Helga mutlos; „Fürſt „Aber ich gedenke, den Fürſten überhaupt zu umgehen —“ „Was hilft das? Er hat zahlreiche Spürhunde im Solde „Nun, ſehen wir, wer recht hat, Helga — auf alle Fälle „O, daran ſoll’s nicht fehlen, Monſieur, wenn die Ge- „Weshalb ſo kleinmütig, Helga? Aber nun laſſen Sie uns „Auch daran habe ich gedacht, dann beginne ich meine „Gut alſo — aber ich hoffe, wir werden ſiegen.“ „Und wenn wir unterliegen, trennen ſich unſere Wege, „Daran iſt nicht zu denken, Helga.“ (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p> <hi rendition="#b">Redaktion u. Adminiſtration<lb/> Rathausſtraße 16.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telephon-Nummer 161,</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#b">Abonnementsbedingungen:</hi> </head><lb/> <p>Für Czernowitz.<lb/> (mit Zuſtellung ins Haus):<lb/><supplied>monatl.</supplied> K 1.80, vierteljähr. K 5.40.<lb/><supplied>halbj.</supplied> K 10.80, ganzjähr. K 21.60,<lb/> (mit täglicher Poſtverſendung)<lb/> monatl. K 2, vierteljähr. K 6,<lb/> halbjähr. K 12, ganzjähr. 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Beſchütze uns vor<lb/> unſeren Londoner Freunden!“ Die Enttäuſchung, die ſich in<lb/> Konſtantinopel ſowohl der Jungtürken als auch der Regierung<lb/> über die Londoner Vorſchläge bemächtigt hatte, ſchuf die<lb/> günſtigſten Dispoſitionen für eine direkte Verſtändigung mit<lb/> dem Wiener Kabinett. Man ſagte ſich, daß Oeſterreich-<lb/> Ungarn, das nun durch die Annexion Bosniens und der<lb/> Herzegowina geſättigt ſei und freiwillig den Schandſchak<lb/> Novibazar geräumt hat, ſicherlich keine weiteren Anſprüche<lb/> ſtellen werde und daß es geratener ſei, ſich mit Wien<lb/> unmittelbar auseinanderzuſetzen, anſtatt zu riskieren, daß eine<lb/> Konferenz nach dem Londoner Programm noch andere Leute<lb/> aus den Taſchen der Türkei bezahle. Auf öſterreichiſch-<lb/> ungariſcher Seite fand man denn auch das größte Entgegen-<lb/> kommen. Oeſterreich-Ungarn hat von allem Anfang an auf<lb/> dem Standpunkte geſtanden, daß es ſich über die bosniſche<lb/> Sache nur mit der Türkei auseinanderzuſetzen habe, und es<lb/> begrüßte ſofort die Gelegenheit, dieſe Verſtändigung den<lb/> weiteren Einflüſſen einer internationalen Konferenz zu<lb/> entziehen. Man begann alſo auf folgender Baſis zu verhandeln:<lb/> Die Türkei nimmt die Annexion Bosniens und die Räumung<lb/> des Sandſchaks durch Oeſterreich zur Kenntnis. Dann ſollen<lb/> gewiſſe kirchliche Rechte des Sultans über die bosniſchen<lb/> Mohammedaner feſtgeſetzt werden. Die Uebernahme eines<lb/> entſprechenden Teiles türkiſcher Staatsſchuld lehnte Oeſterreich<lb/> ab. Aber es iſt nicht unmöglich, daß es ſich dem türkiſchen<lb/> Wunſche, den türkiſchen Beſitz im Sandſchak Novibazar<lb/> gegen etwaige Angriffe Serbiens und Montenegros zu ver-<lb/> bürgen, fügt. Gerade darauf legt die Türkei großen Wert;<lb/> ſie fürchtete, daß eine Konferenz doch den Serben und<lb/> Montenegrinern gewiſſe Kompenſationen auf Koſten des<lb/> Sandſchaks bewilligen könnte, und dem wollten ſie vorbeugen.<lb/> Andererſeits hat auch Oeſterreich-Ungarn ein Intereſſe daran,<lb/> den Sandſchak, dieſe Brücke zwiſchen Serbien und Monte-<lb/> negro, nicht in andere als in türkiſche Hände kommen zu<lb/> laſſen. Eine Verſtändigung liegt alſo im beiderſeitigen Intereſſe.</p><lb/> <p>Schwieriger ſind die Verhandlungen zwiſchen Türken<lb/><cb/> und Bulgaren. Dem Einfluße des Königs Ferdinand iſt es<lb/> zwar gelungen, ſein Miniſterium dazu zu veranlaſſen, daß es<lb/> ſich bereit erklärt, über die Ablöſung des Eigentumsrechtes<lb/> der Türken an der oſtrumeliſchen Strecke der Orientbahnen<lb/> mit der Türkei zu verhandeln. Aber nicht ſo günſtig ſteht es<lb/> mit der Frage wegen Oſtrumeliens. Die Türkei beſteht<lb/> darauf, daß der Tribut, den Bulgarien jährlich für Oſt-<lb/> rumelien zu zahlen hatte, nun kapitaliſiert und von<lb/> Bulgarien bezahlt wird. Dies erklärt jedoch das bulgariſche<lb/> Miniſterium für ausgeſchloſſen, und auch dem König, der<lb/> den Krieg unter allen Umſtänden zu vermeiden wünſcht, iſt<lb/> es noch nicht gelungen, es in dieſer Beziehung zur Nach-<lb/> giebigkeit zu bewegen. Der Miniſterpräſident Malinow hat<lb/> ſogar für dieſen Fall mit der Demiſſion gedroht, und eine<lb/> Miniſterkriſe kann der König jetzt in Bulgarien nicht brauchen.<lb/> Immerhin iſt auch da noch eine Verſtändigung möglich.</p><lb/> <p>Es muß alſo bei der Konferenz bleiben und die direkten<lb/> Verhandlungen ſollen verhindert werden. Und ſcheinbar iſt<lb/> dieſe edle Aufgabe Lord <hi rendition="#g">Lowther,</hi> dem engliſchen Bot-<lb/> ſchafter in Konſtantinopel, gelungen. Die Pforte hat nach<lb/> mehrfachen Konferenzen des Lords mit Tewſik Paſcha die<lb/> Verhandlungen mit Oeſterreich — abgebrochen, wie die Nach-<lb/> richten lauten — unterbrochen, nach dem mutmaßlich richtigen<lb/> Sachverhalt. Und die bulgariſchen Delegierten, die nach<lb/> Konſtantinopel geſandt waren, ſind plötzlich von dort abgereiſt.<lb/> Am wenigſten iſt die letzte Tatſache ein Beweis für die<lb/> Beſeitigung der Verhandlungswilligkeit der Pforte. Denn<lb/> die Herren Stojanowitſch und Dimitroff hatten keinerlei<lb/> Vollmacht. Sie waren nur beauftragt, die Anſchauungen<lb/> der <hi rendition="#g">maßgebenden</hi> jungtürkiſchen Kreiſe inbezug auf<lb/> Bulgariens Angebote zu ſondieren, und dieſe ihre Auf-<lb/> gabe hatten ſie erfüllt. Erſt auf Grund ihrer Berichte waren<lb/> bulgariſcherſeits eigentliche Verhandlungen in Ausſicht ge-<lb/> nommen. Was aber den „Abbruch“ der Verhandlungen mit<lb/> Oeſterreich-Ungarn betrifft, ſo hat die Vermutung viel für<lb/> ſich, daß es ſich dabei nur um eine Phaſe in einem Handels-<lb/> geſchäft handelt, wobei der eine Teil zur Erwirkung des<lb/> Zugeſtändniſſes ſeiner Forderungen auf den anderen Teil durch<lb/> die Vorführung der Konkurrenzgefahr zu wirken ſucht. Die<lb/> Wiederaufnahme des Konferenzgedankens durch die Pforte iſt</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Der Doppelgänger des Zaren.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Von <hi rendition="#b">Arthur W. Marchmont.</hi><lb/> Einzig autoriſierte deutſche Ueberſetzung von <hi rendition="#b">A. 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Wenn er Kalkow<lb/> von ſeinem Zuſammentreffen mit Vaſtic berichtete und ihm<lb/> ſagte, daß er ihn in der Notwehr erſchoſſen hatte, würde<lb/> Kalkow weiter keine Schwierigkeiten machen, aber wenn er dann<lb/> ſeine Leute nach Brabinsk ſandte, konnte es doch für Helga<lb/> fatal werden, wer konnte wiſſen, was hier noch alles ver-<lb/> borgen war?</p><lb/> <p>Schließlich blieb doch nichts weiter übrig, als die Leiche<lb/> hier in Brabinsk zu begraben und mit Iwans Hilfe trug<lb/> Harper den Toten hinaus in eine leer ſtehende Scheune. Dort<lb/> gruben ſie eine Grube, in welcher ſie die Leiche bargen und<lb/> Harper kam ſich vor wie ein Mörder, als er in die verglaſten<lb/> Augen des Erſchoſſenen blickte.</p><lb/> <p>Er ſah ſo elend aus, daß Iwan davoneilte, ihm ein Glas<lb/> Kognak zu holen; der ſcharfe Trank belebte ihn wieder, aber<lb/> e<supplied>r</supplied> dankte doch Gott, als die Grube zugeworfen war und Iwan<lb/> den Scheunenſchlüſſel abzog.</p><lb/> <p>Da immer noch eine Stunde bis zur Abfahrt blieb, ver-<lb/> ſuchte Harper zu ſchlafen, aber bald ward er inne, duß daran<lb/> nicht zu denken war. Gleich quälenden Geſpenſtern zogen die<lb/> Erlebniſſe der letzten Stunden an ſeinem wachen Auge vorüber<lb/> — tauſend Gefahren bäumten ſich vor ihm auf und in fieber-<lb/><cb/> hafter Erregung ſuchte er nach Mitteln und Wegen, um dieſe<lb/> Gefahren zu bekämpfen.</p><lb/> <p>Jedenfalls mußte er, ſobald er Helga in Sicherheit wußte,<lb/> darauf bedacht ſein, eine Audienz beim Zaren zu erlangen;<lb/> aber wie das erreichen, ohne Kolkow zu ſprechen? Und wenn er<lb/> Kalkowins Vertrauen zog, war wenig Hoffnung, das gewünſchte Re-<lb/> ſultat zu erlangen; war er, wie Helga behauptete, der Verräter,<lb/> der ihren Vater ins Verderben geſtürzt, dann mußte ihm alles<lb/> daran gelegen ſein, den Zar n Helga nicht ſprechen zu laſſen!<lb/> Und die fatale Nihiliſtenaffäre machte die ohnehin ſchwierige<lb/> Situation noch ſchwieriger; ſobald Kalkow durch ſeine Späher<lb/> von Vaſtics Tod hörte, mußte er auch entdecken, daß Helga zeit-<lb/> weiſe Fühlung mit den Nihiliſten gehabt, und wie leicht war<lb/> es dann für ihn, Helgas Anklage zu entkräften, indem er ſie<lb/> des Einverſtändniſſes mit dieſen ſchlimmſten Feinden der Re-<lb/> gierung bezichtigte.</p><lb/> <p>Wohl beſtand die leiſe Möglichkeit, dem Zaren zu ver-<lb/> bergen, daß Helga Lavalski, die Tochter ſeines geopferten<lb/> Freundes identiſch ſei mit Helga Boreski, der Genoſſin der<lb/> Nihiliſten, aber wer konnte wiſſen, ob nicht die Großfürſtin<lb/> Stephanie Mittel und Wege fand, das Ohr des Kaiſers noch<lb/> vor deſſen Zuſammentreffen mit Helga zu erreichen — und<lb/> wenn es ihr gelang, dann zog Helga den kürzeren. Um ſich<lb/> und Boreski rein zu waſchen, würde die Großfürſtin ſich nicht<lb/> beſinnen, Helga preiszugeben und ſo ſah die Sache nach keiner<lb/> Seite hin tröſtlich aus. Als Helga nach Verlauf der feſtgeſetzten<lb/> drei Stunden wieder im Salon erſchien, ſah Harper auf den<lb/> erſten Blick, daß ſie nicht geſchlafen hatte. Sie war erſchreckend<lb/> bleich — unter den Augen lagen tiefe, dunkle Schatten, und<lb/> ihre Stimme klang matt und farblos, als ſie Harpers Gruß<lb/> erwiderte.</p><lb/> <p>„Wie mir Ihr Ausſehen zeigt, Helga, haben Sie leider<lb/> nicht geſchlafen,“ ſagte Harper beſorgt.</p><lb/> <p>„Ach nein — es war unmöglich. Und ich kann auch nicht<lb/> zugeben, daß Sie ſich für mich opfern, Monſieur.“</p><lb/> <p>„Ich kann nur unter einer einzigen Bedingung dieſen<lb/> Ihren Wunſch erfüllen, Helga —“</p><lb/> <cb/> <p>„Und dieſe Bedingung lautet —“</p><lb/> <p>„Daß wir beide, anſtatt nach Petersburg, jetzt direkt über<lb/> die Grenze ins Ausland flüchten.“</p><lb/> <p>„Daran iſt nicht zu denken, Monſieur“.</p><lb/> <p>„So laſſen wir den Wagen nicht länger warten, Helga —<lb/> iſt Madame Korvata bereit?“</p><lb/> <p>„Ja — ſie wartet bereits in der Halle.“</p><lb/> <p>Die Fahrt verlief meiſt ſchweigend; Madame Korvatta<lb/> lehnte in der einen Ecke des Wagens, Helga in der anderen,<lb/> und Harper hatte den Damen gegenüber den Vorderſitz einge-<lb/> nommen.</p><lb/> <p>Als Madame Korvata nach einer Weile laut zu ſchnarchen<lb/> begann, teilte Harper dem jungen Mädchen flüſternd mit, daß<lb/> er ſie direkt zum Sophienplatz bringen und dann eine Audienz<lb/> beim Kaiſer nachſuchen werde.</p><lb/> <p>„Es wird umſonſt ſein,“ ſagte Helga mutlos; „Fürſt<lb/> Kalkow weiß dergleichen ſtets zu vereiteln.“</p><lb/> <p>„Aber ich gedenke, den Fürſten überhaupt zu umgehen —“</p><lb/> <p>„Was hilft das? Er hat zahlreiche Spürhunde im Solde<lb/> und ſobald Sie nur den Palaſt betreten, wird’s ihm ge-<lb/> meldet.“</p><lb/> <p>„Nun, ſehen wir, wer recht hat, Helga — auf alle Fälle<lb/> halten Sie ſich bereit und machen Sie ſich darauf gefaßt, dem<lb/> Kaiſer Ihre Erlebniſſe vorzutragen.“</p><lb/> <p>„O, daran ſoll’s nicht fehlen, Monſieur, wenn die Ge-<lb/> legenheit wirklich kommt, ſoll ſie mich bereit finden, aber ich<lb/> glaube nicht daran.“</p><lb/> <p>„Weshalb ſo kleinmütig, Helga? Aber nun laſſen Sie uns<lb/> noch eine andere Möglichkeit ins Auge faſſen — wir müſſen<lb/> damit rechnen, daß der Zar Sie anhört — und nicht über-<lb/> zeugt iſt.“</p><lb/> <p>„Auch daran habe ich gedacht, dann beginne ich meine<lb/> Danaidenarbeit von neuem.“</p><lb/> <p>„Gut alſo — aber ich hoffe, wir werden ſiegen.“</p><lb/> <p>„Und wenn wir unterliegen, trennen ſich unſere Wege,<lb/> Monſieur,“ ſagte Helga feſt.</p><lb/> <p>„Daran iſt nicht zu denken, Helga.“</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.
Nr. 1437. Czernowitz, Dienſtag, den 27. Oktober 1908.
Ueberſicht.
Vom Tage.
Heute finden in Niederöſterreich die Landtagswahlen aus
der allgemeinen Wählerkurie ſtatt. — In Prag fanden neuerlich
Studentendemonſtrationen ſtatt.
Czernowitzer Angelegenheiten.
Zwiſchen dem Landeshauptmann und dem Rumänenklub
iſt ein heftiger Streit ausgebrochen. In den Ausſchüſſen ſtreiken
die Rumänen. — Die Firma Strihafka iſt fallit geworden.
Letzte Telegramme.
Geſtern fand in Belgrad eine von den Belgrader Frauen
einberufene Proteſtverſammlung gegen die Annexion Bosniens
ſtatt. — Rumänien ſoll mit Serbien eine Militärkonvention
gegen Oeſterreich-Ungarn abgeſchloſſen haben.
Der Abbruch der direkten
Verhandlungen.
Wien, 24. Oktober.
Man ſchreibt uns von diplomatiſcher Seite:
Die Berhandlungen der Türkei mit Oeſter-
reich-Ungarn und Bulgarien waren eine Wirkung
der Londoner Verhandlungen Iswolskis und der Veröffent-
lichung des Londoner Konferenzprogrammes. Die Türkei hat
ſich, erſchreckt durch die Londoner Vorſchläge, bewogen geſehen,
mit Oeſterreich-Ungarn über die bosniſche Frage und mit
Bulgarien über die Frage der Ocientbahnen und Oſtrumeliens
in direkte, durch keine Vermittler beeinflußte Verhandlungen
einzutreten. Der öſterreich-ungariſche Botſchafter in Konſtanti-
nopel, Markgraf Pallavicini, verhandelte mit Tewſik Paſcha,
und die bulgariſchen Spezialgeſandten Dimitrow und
Stojanowitſch trafen in Konſtantinopel ein, um zunächſt mit
den jungtürkiſchen Kreiſen Fühlung zu nehmen, mit denen ſich
bereits der bulgariſche Geſande Natſchowiſch in Verbindung
geſetzt hatte. Auch zwiſchen ihnen und der Pforte ſind
zweifellos, wenn auch auf Umwegen, die über die franzöſiſche
Botſchaft in Konſtantinopel führen dürften, Verhandlungen
gepflogen worden. Sicher iſt, daß auf türkiſcher Seite die
größte Neigung beſtand, mindeſtens mit Oeſterreich-Ungarn
ſo bald wie möglich zu einem erträglichen Abſchluß zu ge-
langen.
Angeſichts des Londoner Konferenzprogrammes begann
man in Konſtantinopel zu beten: „Allah! Beſchütze uns vor
unſeren Londoner Freunden!“ Die Enttäuſchung, die ſich in
Konſtantinopel ſowohl der Jungtürken als auch der Regierung
über die Londoner Vorſchläge bemächtigt hatte, ſchuf die
günſtigſten Dispoſitionen für eine direkte Verſtändigung mit
dem Wiener Kabinett. Man ſagte ſich, daß Oeſterreich-
Ungarn, das nun durch die Annexion Bosniens und der
Herzegowina geſättigt ſei und freiwillig den Schandſchak
Novibazar geräumt hat, ſicherlich keine weiteren Anſprüche
ſtellen werde und daß es geratener ſei, ſich mit Wien
unmittelbar auseinanderzuſetzen, anſtatt zu riskieren, daß eine
Konferenz nach dem Londoner Programm noch andere Leute
aus den Taſchen der Türkei bezahle. Auf öſterreichiſch-
ungariſcher Seite fand man denn auch das größte Entgegen-
kommen. Oeſterreich-Ungarn hat von allem Anfang an auf
dem Standpunkte geſtanden, daß es ſich über die bosniſche
Sache nur mit der Türkei auseinanderzuſetzen habe, und es
begrüßte ſofort die Gelegenheit, dieſe Verſtändigung den
weiteren Einflüſſen einer internationalen Konferenz zu
entziehen. Man begann alſo auf folgender Baſis zu verhandeln:
Die Türkei nimmt die Annexion Bosniens und die Räumung
des Sandſchaks durch Oeſterreich zur Kenntnis. Dann ſollen
gewiſſe kirchliche Rechte des Sultans über die bosniſchen
Mohammedaner feſtgeſetzt werden. Die Uebernahme eines
entſprechenden Teiles türkiſcher Staatsſchuld lehnte Oeſterreich
ab. Aber es iſt nicht unmöglich, daß es ſich dem türkiſchen
Wunſche, den türkiſchen Beſitz im Sandſchak Novibazar
gegen etwaige Angriffe Serbiens und Montenegros zu ver-
bürgen, fügt. Gerade darauf legt die Türkei großen Wert;
ſie fürchtete, daß eine Konferenz doch den Serben und
Montenegrinern gewiſſe Kompenſationen auf Koſten des
Sandſchaks bewilligen könnte, und dem wollten ſie vorbeugen.
Andererſeits hat auch Oeſterreich-Ungarn ein Intereſſe daran,
den Sandſchak, dieſe Brücke zwiſchen Serbien und Monte-
negro, nicht in andere als in türkiſche Hände kommen zu
laſſen. Eine Verſtändigung liegt alſo im beiderſeitigen Intereſſe.
Schwieriger ſind die Verhandlungen zwiſchen Türken
und Bulgaren. Dem Einfluße des Königs Ferdinand iſt es
zwar gelungen, ſein Miniſterium dazu zu veranlaſſen, daß es
ſich bereit erklärt, über die Ablöſung des Eigentumsrechtes
der Türken an der oſtrumeliſchen Strecke der Orientbahnen
mit der Türkei zu verhandeln. Aber nicht ſo günſtig ſteht es
mit der Frage wegen Oſtrumeliens. Die Türkei beſteht
darauf, daß der Tribut, den Bulgarien jährlich für Oſt-
rumelien zu zahlen hatte, nun kapitaliſiert und von
Bulgarien bezahlt wird. Dies erklärt jedoch das bulgariſche
Miniſterium für ausgeſchloſſen, und auch dem König, der
den Krieg unter allen Umſtänden zu vermeiden wünſcht, iſt
es noch nicht gelungen, es in dieſer Beziehung zur Nach-
giebigkeit zu bewegen. Der Miniſterpräſident Malinow hat
ſogar für dieſen Fall mit der Demiſſion gedroht, und eine
Miniſterkriſe kann der König jetzt in Bulgarien nicht brauchen.
Immerhin iſt auch da noch eine Verſtändigung möglich.
Es muß alſo bei der Konferenz bleiben und die direkten
Verhandlungen ſollen verhindert werden. Und ſcheinbar iſt
dieſe edle Aufgabe Lord Lowther, dem engliſchen Bot-
ſchafter in Konſtantinopel, gelungen. Die Pforte hat nach
mehrfachen Konferenzen des Lords mit Tewſik Paſcha die
Verhandlungen mit Oeſterreich — abgebrochen, wie die Nach-
richten lauten — unterbrochen, nach dem mutmaßlich richtigen
Sachverhalt. Und die bulgariſchen Delegierten, die nach
Konſtantinopel geſandt waren, ſind plötzlich von dort abgereiſt.
Am wenigſten iſt die letzte Tatſache ein Beweis für die
Beſeitigung der Verhandlungswilligkeit der Pforte. Denn
die Herren Stojanowitſch und Dimitroff hatten keinerlei
Vollmacht. Sie waren nur beauftragt, die Anſchauungen
der maßgebenden jungtürkiſchen Kreiſe inbezug auf
Bulgariens Angebote zu ſondieren, und dieſe ihre Auf-
gabe hatten ſie erfüllt. Erſt auf Grund ihrer Berichte waren
bulgariſcherſeits eigentliche Verhandlungen in Ausſicht ge-
nommen. Was aber den „Abbruch“ der Verhandlungen mit
Oeſterreich-Ungarn betrifft, ſo hat die Vermutung viel für
ſich, daß es ſich dabei nur um eine Phaſe in einem Handels-
geſchäft handelt, wobei der eine Teil zur Erwirkung des
Zugeſtändniſſes ſeiner Forderungen auf den anderen Teil durch
die Vorführung der Konkurrenzgefahr zu wirken ſucht. Die
Wiederaufnahme des Konferenzgedankens durch die Pforte iſt
Der Doppelgänger des Zaren.
Von Arthur W. Marchmont.
Einzig autoriſierte deutſche Ueberſetzung von A. Geiſel.
39] (Nachdruck verboten.)
„Noch eine Frage, Monſieur — was ſoll mit Vaſtics
Leiche werden?“
„Hm — da iſt guter Rat teuer, Iwan aber ſorgt nur
einſtweilen für die anderen Sachen, vielleicht fällt mir noch ein
Ausweg ein.“
Als Iwan gegangen war, verſank der Amerikaner in
Grübeln — er hatte die Leiche völlig vergeſſen, aber Iwan
hatte recht — ehe ſie Brabinsk verließen, mußte dieſe fatale
Aufgabe gelöſt werden. Die Leiche mitzunehmen, ſtand außer
Frage — ſie hier liegen laſſen, ging auch nicht an, und ſie in
Brabinsk begraben, war ebenfalls ſchwierig. Wenn er Kalkow
von ſeinem Zuſammentreffen mit Vaſtic berichtete und ihm
ſagte, daß er ihn in der Notwehr erſchoſſen hatte, würde
Kalkow weiter keine Schwierigkeiten machen, aber wenn er dann
ſeine Leute nach Brabinsk ſandte, konnte es doch für Helga
fatal werden, wer konnte wiſſen, was hier noch alles ver-
borgen war?
Schließlich blieb doch nichts weiter übrig, als die Leiche
hier in Brabinsk zu begraben und mit Iwans Hilfe trug
Harper den Toten hinaus in eine leer ſtehende Scheune. Dort
gruben ſie eine Grube, in welcher ſie die Leiche bargen und
Harper kam ſich vor wie ein Mörder, als er in die verglaſten
Augen des Erſchoſſenen blickte.
Er ſah ſo elend aus, daß Iwan davoneilte, ihm ein Glas
Kognak zu holen; der ſcharfe Trank belebte ihn wieder, aber
er dankte doch Gott, als die Grube zugeworfen war und Iwan
den Scheunenſchlüſſel abzog.
Da immer noch eine Stunde bis zur Abfahrt blieb, ver-
ſuchte Harper zu ſchlafen, aber bald ward er inne, duß daran
nicht zu denken war. Gleich quälenden Geſpenſtern zogen die
Erlebniſſe der letzten Stunden an ſeinem wachen Auge vorüber
— tauſend Gefahren bäumten ſich vor ihm auf und in fieber-
hafter Erregung ſuchte er nach Mitteln und Wegen, um dieſe
Gefahren zu bekämpfen.
Jedenfalls mußte er, ſobald er Helga in Sicherheit wußte,
darauf bedacht ſein, eine Audienz beim Zaren zu erlangen;
aber wie das erreichen, ohne Kolkow zu ſprechen? Und wenn er
Kalkowins Vertrauen zog, war wenig Hoffnung, das gewünſchte Re-
ſultat zu erlangen; war er, wie Helga behauptete, der Verräter,
der ihren Vater ins Verderben geſtürzt, dann mußte ihm alles
daran gelegen ſein, den Zar n Helga nicht ſprechen zu laſſen!
Und die fatale Nihiliſtenaffäre machte die ohnehin ſchwierige
Situation noch ſchwieriger; ſobald Kalkow durch ſeine Späher
von Vaſtics Tod hörte, mußte er auch entdecken, daß Helga zeit-
weiſe Fühlung mit den Nihiliſten gehabt, und wie leicht war
es dann für ihn, Helgas Anklage zu entkräften, indem er ſie
des Einverſtändniſſes mit dieſen ſchlimmſten Feinden der Re-
gierung bezichtigte.
Wohl beſtand die leiſe Möglichkeit, dem Zaren zu ver-
bergen, daß Helga Lavalski, die Tochter ſeines geopferten
Freundes identiſch ſei mit Helga Boreski, der Genoſſin der
Nihiliſten, aber wer konnte wiſſen, ob nicht die Großfürſtin
Stephanie Mittel und Wege fand, das Ohr des Kaiſers noch
vor deſſen Zuſammentreffen mit Helga zu erreichen — und
wenn es ihr gelang, dann zog Helga den kürzeren. Um ſich
und Boreski rein zu waſchen, würde die Großfürſtin ſich nicht
beſinnen, Helga preiszugeben und ſo ſah die Sache nach keiner
Seite hin tröſtlich aus. Als Helga nach Verlauf der feſtgeſetzten
drei Stunden wieder im Salon erſchien, ſah Harper auf den
erſten Blick, daß ſie nicht geſchlafen hatte. Sie war erſchreckend
bleich — unter den Augen lagen tiefe, dunkle Schatten, und
ihre Stimme klang matt und farblos, als ſie Harpers Gruß
erwiderte.
„Wie mir Ihr Ausſehen zeigt, Helga, haben Sie leider
nicht geſchlafen,“ ſagte Harper beſorgt.
„Ach nein — es war unmöglich. Und ich kann auch nicht
zugeben, daß Sie ſich für mich opfern, Monſieur.“
„Ich kann nur unter einer einzigen Bedingung dieſen
Ihren Wunſch erfüllen, Helga —“
„Und dieſe Bedingung lautet —“
„Daß wir beide, anſtatt nach Petersburg, jetzt direkt über
die Grenze ins Ausland flüchten.“
„Daran iſt nicht zu denken, Monſieur“.
„So laſſen wir den Wagen nicht länger warten, Helga —
iſt Madame Korvata bereit?“
„Ja — ſie wartet bereits in der Halle.“
Die Fahrt verlief meiſt ſchweigend; Madame Korvatta
lehnte in der einen Ecke des Wagens, Helga in der anderen,
und Harper hatte den Damen gegenüber den Vorderſitz einge-
nommen.
Als Madame Korvata nach einer Weile laut zu ſchnarchen
begann, teilte Harper dem jungen Mädchen flüſternd mit, daß
er ſie direkt zum Sophienplatz bringen und dann eine Audienz
beim Kaiſer nachſuchen werde.
„Es wird umſonſt ſein,“ ſagte Helga mutlos; „Fürſt
Kalkow weiß dergleichen ſtets zu vereiteln.“
„Aber ich gedenke, den Fürſten überhaupt zu umgehen —“
„Was hilft das? Er hat zahlreiche Spürhunde im Solde
und ſobald Sie nur den Palaſt betreten, wird’s ihm ge-
meldet.“
„Nun, ſehen wir, wer recht hat, Helga — auf alle Fälle
halten Sie ſich bereit und machen Sie ſich darauf gefaßt, dem
Kaiſer Ihre Erlebniſſe vorzutragen.“
„O, daran ſoll’s nicht fehlen, Monſieur, wenn die Ge-
legenheit wirklich kommt, ſoll ſie mich bereit finden, aber ich
glaube nicht daran.“
„Weshalb ſo kleinmütig, Helga? Aber nun laſſen Sie uns
noch eine andere Möglichkeit ins Auge faſſen — wir müſſen
damit rechnen, daß der Zar Sie anhört — und nicht über-
zeugt iſt.“
„Auch daran habe ich gedacht, dann beginne ich meine
Danaidenarbeit von neuem.“
„Gut alſo — aber ich hoffe, wir werden ſiegen.“
„Und wenn wir unterliegen, trennen ſich unſere Wege,
Monſieur,“ ſagte Helga feſt.
„Daran iſt nicht zu denken, Helga.“
(Fortſetzung folgt.)
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