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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1082, Czernowitz, 22.08.1907.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. August 1907

[Spaltenumbruch]

Pfeife anzünden will, und um diese Zustimmung zu erhalten,
hat England bezahlen müssen. Es hat sich bereit erklärt, die
Diskussion fallen zu lassen und jetzt sind wir Zeuge des
Triumphes von Deutschland gewesen, als die Konferenz ohne
Diskussion das zu Grabe trug, wie der Kaiser von Rußland
vor acht Jahren die erste Pflicht der Völker nannte. Ja, wir
haben den Preis bezahlt. Aber auch Deutschland hat etwas
zu bezahlen, eine Zahlung, der sich selbst der Sieger nicht
entziehen kann, eine Bezahlung, die den Pflichten auferlegt
ist, die eine Großmacht hat. Es ist die Folge von Pflichten,
die Deutschland nicht einzelnen Mächten, sondern der ganzen
Menschheit und vor allen Dingen dem eigenen Volk gegen-
über hat. Es hat die Debatte über die Abrüstungsfrage zum
Schweigen gebracht. Und nachdem es Deutschland geglückt ist,
die Debatte über die Abrüstungsfrage zu verhindern, wird es
jetzt alle seine Kräfte anspannen müssen, um den Anträgen
auf einen permanenten Schiedsgerichtshof und das obligatorische
Schiedsgerichtsverfahren zur Annahme zu verhelfen, trotz aller
Schwierigkeiten".

Man braucht nur auf die bisher von Deutschland be-
wahrte Haltung hinzuweisen, um das Ueberflüssige der obigen
beweglichen Mahnung zu erkennen. Wenn alle Großmächte so
ernstlich wie Deutschland den Frieden wollten, wäre die
ganze Friedenskonferenz überflüssiig.

Das Anerbieten Englands, allen Mächten immer das
Ausmaß seiner Rüstungen mitzuteilen, ist gewiß recht gut
gemeint, aber was damit bezweckt werden soll, ist umsoweniger
abzusehen, als ja ohnehin die Kenntnis der in fremden
Ländern vorgenommenen Rüstungen niemals Geheimnis bleibt.
Dieses Versprechen gehört also zu den Dingen, die, wie eine
volkstümliche Redensart sagt, gut aussehen und nichts kosten.
Den guten Willen, das Werk der Friedenskonferenz zu fördern,
hat Deutschland durch eigene Anträge bewiesen; an die
anderen Staaten, in erster Linie England, tritt nun die
Aufgabe heran, auch ihrerseits ihre Friedensliebe
praktisch zu betätigen.




Vom Tage.


Vom Thronfolger.

Das in Szegedin erscheinende
Blatt "Szeged es Videke" veröffentlicht einen angeblich aus
der unmittelbaren Umgebung des Thronfolgers stammenden
Brief. In diesem heißt es, der Kaiser bediene sich bei
seinen Herrscheragenden oft und gerne der Ratschläge und
Mithilfe des Thronfolgers. Das Blatt erklärt dann,
an dem Gerüchte, daß Erzherzog Franz Ferdinand die Ungarn
nicht liebe und daß er klerikal gesinnt sei, sei kein wahres
Wort. Der Thronfolger habe die magyarische Sprache gelernt
und spreche sie ausgezeichnet. Er bestelle auch magyarische
Bücher und unterhalte sich mit seiner Frau, die ebenfalls
magyarisch gelernt habe, oft und lange in dieser Sprache.
Was den Klerikalismus betrifft, so habe er, um diesen
Gerüchten ein Ende zu machen, aus seiner Umgebung alle
Geistlichen entfernt.
Es heißt dann noch, daß es der
Thronfolger selbst gewesen sei, der während des nationalen.
Kampfes in Ungarn den Kaiser zur Aufnahme des
allgemeinen Wahlrechtes für alle Länder
Oesterreich-Ungarns in sein Herrscherpro-
gramm
bewogen habe.




Die Gewerbeordnung.

Das soeben ausgegebene Reichs-
gesetzblatt Nr. 199 enthält eine Kundmachung des Handels-
ministers, in der der Text der Gewerbeordnung zusammen-
gestellt ist, wie er sich aus den Aenderungen und Ergänzungen
ergibt, welche im Gesetze vom 5. Februar 1907 sowie in den
früheren Gesetzen vorgenommen worden sind. Im Anhange
[Spaltenumbruch] werden das kaiserliche Patent vom 25. Dezember 1859 und
die einführenden Bestimmungen der späteren Gewerbegesetze
zum Ausdrucke gebracht. Durch diese Verlautbarung wurde
einem dringenden Bedürfnisse des Publikums, insbesondere
der gewerblichen Kreise Rechnung getragen, indem dadurch
die in den verschiedenen Gesetzen ze[r]streuten, dermalen
geltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung in übersicht-
licher Form zusammengefaßt erscheinen.




Wieder ein "Entrevue".

König Eduard treibt selbst im Bade Politik. Er hat
sich in Marienbad Clemenceau zu Tische gebeten, und wenn
auch diese Einladung in erster Linie eine Art der Höflichkeit
sein dürfte, so ist es doch wahrscheinlich, daß Eduard mit dem
Premier Frankreichs die aktuellen politischen Angelegenheiten,
vornehmlich die in Wilhelmshöhe und Ischl geklärte mazedo-
nische sowie die marokkanische Frage, besprechen wird. -- Ein
Tekegramm meldet darüber:

Nach einer Meldung des "Mesidor"
hat König Eduard gestern den Ministerpräsidenten
Clemenceau für Mittwoch zum Dejeneur nach Marienbad
eingeladen. Das Blatt bemerkt dazu, diese neue Zusammen-
kunft des Königs von England mit dem Leiter der fran-
zösischen Regierung, die sich unmittelbar an die Begegnung
des englischen Königs mit dem Kaiser von Deutschland und
dem Kaiser von Oesterreich anschließt, dürfte nicht ohne
glückliche Folgen für den europäischen
Frieden
bleiben.




Der ungarisch-kroatische Konflikt.

Das Kabinett Werkerle hat offenbar genug des grau-
samen Spieles, das die Kroaten im ungarischen Reichstage
getrieben haben, und sucht seinen Frieden mit Kroatien zu
machen. Die Konzessionen, die zu diesem Ziele führen sollen,
sind zwar sehr schätzenswert, doch fehlt in der Liste eine
Zugeständnis auf sprachlichem Gebiet. Da bekanntlich
der ganze Konflikt in der Sprachenfrage wurzelt, ist es
immerhin zweifelhaft, ob die Kroaten um dieses Erfolges
willen, der ja eigentlich nur ein halber Erfolg ist, ihren
Kampf gänzlich einstellen werden. -- Dazu wird gemeldet:

Das Ungarische Telegraphen-
korrespondenzbureau meldet: Die Details der in Kroatien und
Slawonien zu befolgenden Politik wurden Mitte Juli zwischen
dem Ministerium und dem Banus vereinbart. Vor allem
werden, was die Eisenbahnangestellten anbelangt, auf den
Linien der Staatsbahn in Kroatien und Slawonien, soweit
dies nur tunlich ist, kroatische Landesangehörige
in Verwendung genommen werden. Zweitens wird im
Rahmen des Staatsvoranschlages für das Jahr 1908 die
Errichtung eines besonderen Kurses in Kroatien
und Slavonien zur Heranbildung von Eisen-
bahnbeamten
und Angestellten vorgesehen und in dem
auf Grund des Gesetzes über die Eisenbahnerdienstespragmatik
zu erfassenden Dienstes- und Gehaltsreglements für die
Staatsbahnen ausdrücklich ausgesprochen, daß auf den kroatisch-
slavonischen Linien der königlich ungarischen Staatsbahnen in
erster Linie kroatisch-slawonisches Personal in
Verwendung genommen werden soll. Schließlich wird,
gleichfalls im Staatsvoranschlage für 1908, Sorge getragen
werden, daß auch im Ackerbauministerium, welches zum Teil
ebenfalls ein gemeinsames Ministerium ist, ein kroatisch-
slawonisches Departement
errichtet werde. Aus all
dem vermag sich die öffentliche Meinung Kroatiens die
Ueberzeugung zu verschaffen, daß dadurch, daß von den
Eisenbahnangestellten die Kenntnis der ungarischen Sprache
als Qualifikationsbedingung verlangt wird, der Fall einer
[Spaltenumbruch] Schmälerung der Kroatien und Slavonien durch den Gesetz
artikel XXX aus dem Jahre 1868 gewährleisteten sprachlichen
Rechte überhaupt nicht gegeben ist.

Von radikaler Seite wird ge-
meldet: Die radikale Partei wird demnächst ein Manifest
an das Volk richten, in welchem sie die Politik der kroatisch-
serbischen Koalition perhorresziert und die Fortsetzung der
Obstruktion im kroatischen Landtag verurteilt.




Aus Rußland.
Bombenattentat.

Auf den Kreischef von Osurgety,
Gouvernement Kutais, Jermolow, der sich in Begleitung
seiner Frau befand, wurde ein Bombenanschlag verübt.
Beide sind nur leicht verletzt. Die Urheber des An-
schlages eröffneten gegen die herbeigeeilte Wache Feuer,
wodurch ein Vorübergehender getötet, ein anderer verwundet
wurde. Vier von den Schuldigen sind verhaftet. Unter
den Andächtigen in der Kathedrale, in deren Nähe das
Attentat verübt wurde, entstand eine Panik. Eine Person
wurde vom Herzschlage getroffen.




Die Vorgänge in Marokko.

Die marokkanische Frage dürfte, wenn gewisse Meldungen
sich als zutreffend erweisen sollten, nun doch wieder in ihrer
ganzen Ausdehnung aufgerollt werden. Man gewinnt den
Eindruck, daß die zahlreichen und sehr bestimmt gehaltenen
offiziösen Dementis auf alle Mitteilungen bezüglich einer
Erweiterung der Expedition hauptsächlich dazu bestimmt sind,
die öffentliche Meinung zum Abwarten zu veranlassen, bis
man die nötigen Zusagen erhalten hat. Im übrigen ist die
Lage in Casablanca und in Marokko überhaupt noch völlig
ungeklärt. Die Zerwürfnisse zwischen den Spaniern und den
Franzosen dauern trotz eifriger amtlicher und halbamtlicher
Ableugnungen fort, und zu allem Ueberfluß wurde, wie be-
reits gestern gemeldet, in Fez in einer Notabelnversammlung
unter Vorsitz des Sultans der Beschluß gefaßt, bei den
Algeciras-Mächten Beschwerde darüber zu führen, daß die
Franzosen bei ihrem Einschreiten in Casablanca viel zu weit
gegangen sind. Der Sultan will also gegen Frankreich an
Europa appellieren. Seine Klage a limine abzulehnen, wird
wohl angesichts der notorischen Verfehlungen der Franzosen
schwerlich angehen. Neue diplomatische Schwierigkeiten stehen
also bevor. Aber auch sonst scheint man sich in Fez nicht
mehr bloß passiv verhalten zu wollen. Die Gefahr eines ge-
waltigen Ausbruches des Volksunwillens rückt immer näher
heran. -- Heute liegen folgende Nachrichten vor:

Spanier und Franzosen.

Der Casablancaer Figaro-Korre-
spondent publiziert einen auffallend scharf gehaltenen Artikel
gegen das dortige spanische Detachement. Nach mehrtägigem
Bummeln, heißt es darin, verließ endlich eine Abteilung die
Stadt, um zur Rechten des Drudeschen Lagers die ihr an-
gewiesene, durch eine Mauer geschützte Position einzunehmen.
Drude hatte gehofft, die Spanier würden sich dort häuslich
einrichten, aber wenige Stunden nach ihrem Auszug kehrten
sie mit klingendem Spiel zurück, ohne den General vorher
unterrichtet zu haben. Der spanische Kommandant erklärte,
sein Madrider Auftrag laute nur: rekognoszieren, nicht dauernd
festsetzen. Der Korrespondent schildert dann den Kontrast
zwischen den überaus strenge gehaltenen französischen Sol-
daten und den spanischen, die sichs wohlgehen ließen, sich
überhaupt wie Touristen gehaben, und bemerkt, daß die
spanischen Ansiedler von Casablanca ihr Mißvergnügen darüber
erkennen ließen.




[Spaltenumbruch]

mein Reich, die Stätte des Ringens, Verheißens -- harter,
aber gesegneter Arbeit."

"Du warst unser Stern, Greta", sagte er gedämpft.
"Als Du meinem Bruder die Hand reichtest, da hing der
Wimpel unseres Glückschiffleins schlaff herab. Mit Deiner
Liebe zu Leo und der zähen Gednld, die zum Ziele führt,
brachtest Du es fertig, daß der Wimpel wieder lustig flatterte."

Sie richtete den Blick in Weite und Vergangenheit. "Was
aber liegt dazwischen, Stefan! ..."

"Ich möchte Dich nicht an jene entbehrungsvolle Zeit
erinnern...."

"Doch, Stefan -- Du darfst es -- gerade Du, der
mir so tapfer zur Seite stand, als Leo, niedergedrückt durch
Geldsorgen und Mißernten, aus einem Optimisten zum
Fatalisten wurde, der die Hände in den Schoß legte und
wartete oder lästerte."

Stefan verlor sich mit ihr in die Erinnerung. "Wenn
ich denke, Greta -- was wir drei aus diesem Landstriche
gemacht haben, der uns unerwartet durch Erbschaft zufiel!
Das Gut war stark belastet, in Prozesse verwickelt, der Boden
verwüstet, überanstrengt, der Wiesengrund wertlos die Torf-
moräste ungepflegt; gierig stürzten wir uns auf das Werk:
unser hoffnungsvolles Vertrauen zu der gelockerten Erde, der
wir frohgemut den Samen anvertraut hatten, wurde vernichtet
durch Hagel, Reblaus, Frost."

"Ja, Stefan -- es war schlimm.... Wir schwebten
beständig in Angst. Der schönste Sommertag schien uns ein
Unglück, wenn wir Regen gebraucht hätten...." "Der goß
dann wieder im Uebermaße in die Frühsaat hinein, so daß
die Frucht verquoll und halb keimend auswuchs. Das wasser-
satte Land nahm die Nachsaat nicht auf, Futternot drohte
durch de folgende anhaltende Dürre, die teuern Lokomobilen
versagten und Seuchen brachen aus."


[Spaltenumbruch]

Greta nickte ernst. "Damals verlernte Leo sein fröhliches
Lachen...."

"Du tratst dafür an seine Stelle, Greta, belebtest durch
unbeugsame Energie unseren gesunkenen Mut, machtest den
kleinsten Erfolg zum Ereignis und unter Deinen lustigen
Augen arbeiteten die Leute noch einmal so gern. Und das
Glück neigte sich uns endlich gnädig zu: köstlicher Weinsegen,
prächtiges Jungvieh, herrliche Wälder durch gewonnene Pro-
zesse, reicher Wildstand, hohe Einnahmen. Alles ging nach
Wunsch ..."

"Da mußte Leo so schnell sterben, ohne daß ich ihm
den einzigen vergeblichen Wunsch seines Daseins erfüllt hätte:
ein Kind."

Er sah, wie sehr sie immer noch darunter litt und ihre
hilflose Haltung ergriff ihn tief. "Quäle Dich doch nicht
Greta ..."

Der seltsame Ton, aus dem wehes Gefühl vibrierte,
veranlaßte sie, Stefan anzusehen. Und nun wußten sie beide,
wie es um sie stand ... Helle Gluten schlugen über beider
Gesicht und aus ihren Augen trafen sich Strahlen aufzucken-
den Glückes. Als Stefan aber plötzlich die blitzenden Augen
ergeben senkte, sich nicht rührte, da schlang sie klagend die
Hände ineinander: "Du liebst mich, Stefan, und hältst mich
nicht fest?"

Er rang sich in sichtbarer Qual.

"Du verheimlichst mir etwas, Stefan ... Rede mit
mir, ich flehe Dich an ..."

Da glitt er zu ihren Füßen, umschlang ihren Leib und
stöhnte verzweifelt: "Ich liebe Dich, Greta, seit ich Dich
kenne ... Und nun Du frei bist, kann ich Dich dennoch
nicht erringen, denn ich vermag Dir gar nichts zu bieten ...
Auf Dörzbach steht eine hohe Summe, von der Du nichts
weißt ... Um sie abtragen zu können, muß ich von vorn
anfangen. Und in diese Entbehrungen, die Du ja leider ge-
[Spaltenumbruch] nugsam kennst, darf ich Dein geliebtes Leben nicht ziehen .."

Greta strich zärtlich über seine braunen Wangen: "Da.
verstehe ich nicht -- Du. Was mir gehört, gehört auch Dein.
Du zahlst mir eben nicht meinen Anteil aus, sondern die
Verpflichtung, die Dich drückt ..."

"Das sieht Dir ähnlich", lächelte er glücklich. "So
dachte ich mir Dich, aber das will ich eben nicht."

"Doch -- Du mußt -- Lieber ... Aber sag mir,
was ist das für eine Summe?"

"Was ich Dir eben im Ueberwallen meines Gefühls
anvertraute, Greta, machte ich gern wieder ungeschehen ..."

"Gott lohne Dir, daß Dir Dein Herz überfloß! --
Ich will alles wissen ..."

"Nun denn: ist Dir Leos Testament gegenwärtig?"

"Gewiß", sagte sie befremdet. "Abzüglich meines Witwen-
anteils fällt Dir Dörzbach ungeschmälert zu, wenn Leo kinder-
los sterben würde."

"Wenn ... Er ist aber nicht kinderlos gestorben ..."

"Stefan!!!" Ein empörter Schrei. "Das konnte er mir
antun ...!"

Und nach langer, langer Pause, die Stefan durch keine
Liebkosung unterbrach, frug sie tonlos: "Und wer?"

"Die Tochter des Försters ... In seinem grenzenlosen
Jubel über ihr Geständnis hat ihr Leo unsinnige schriftliche
Versprechungen gemacht, die er gewiß normal geregelt hätte,
wäre er nicht vom Tode überrascht worden. Nun ists an
mir, die Ehre des toten Bruders zu wahren."

"Und an mir, Stefan -- ich helfe Dir!"

Da öffnete er die Arme, umschlang Greta und küßte
sie. Nicht wild, nicht leidenschaftlich -- heiß und innig
streiften seine Lippen ihre Augen, die Stirn, Wangen und
Mund, als wollte er mit der ungestillten Sehnsucht langer
Jahre nur andachtsvoll berühren, was ihm jetzt endlich zu
eigen gehörte.


Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. Auguſt 1907

[Spaltenumbruch]

Pfeife anzünden will, und um dieſe Zuſtimmung zu erhalten,
hat England bezahlen müſſen. Es hat ſich bereit erklärt, die
Diskuſſion fallen zu laſſen und jetzt ſind wir Zeuge des
Triumphes von Deutſchland geweſen, als die Konferenz ohne
Diskuſſion das zu Grabe trug, wie der Kaiſer von Rußland
vor acht Jahren die erſte Pflicht der Völker nannte. Ja, wir
haben den Preis bezahlt. Aber auch Deutſchland hat etwas
zu bezahlen, eine Zahlung, der ſich ſelbſt der Sieger nicht
entziehen kann, eine Bezahlung, die den Pflichten auferlegt
iſt, die eine Großmacht hat. Es iſt die Folge von Pflichten,
die Deutſchland nicht einzelnen Mächten, ſondern der ganzen
Menſchheit und vor allen Dingen dem eigenen Volk gegen-
über hat. Es hat die Debatte über die Abrüſtungsfrage zum
Schweigen gebracht. Und nachdem es Deutſchland geglückt iſt,
die Debatte über die Abrüſtungsfrage zu verhindern, wird es
jetzt alle ſeine Kräfte anſpannen müſſen, um den Anträgen
auf einen permanenten Schiedsgerichtshof und das obligatoriſche
Schiedsgerichtsverfahren zur Annahme zu verhelfen, trotz aller
Schwierigkeiten“.

Man braucht nur auf die bisher von Deutſchland be-
wahrte Haltung hinzuweiſen, um das Ueberflüſſige der obigen
beweglichen Mahnung zu erkennen. Wenn alle Großmächte ſo
ernſtlich wie Deutſchland den Frieden wollten, wäre die
ganze Friedenskonferenz überflüſſiig.

Das Anerbieten Englands, allen Mächten immer das
Ausmaß ſeiner Rüſtungen mitzuteilen, iſt gewiß recht gut
gemeint, aber was damit bezweckt werden ſoll, iſt umſoweniger
abzuſehen, als ja ohnehin die Kenntnis der in fremden
Ländern vorgenommenen Rüſtungen niemals Geheimnis bleibt.
Dieſes Verſprechen gehört alſo zu den Dingen, die, wie eine
volkstümliche Redensart ſagt, gut ausſehen und nichts koſten.
Den guten Willen, das Werk der Friedenskonferenz zu fördern,
hat Deutſchland durch eigene Anträge bewieſen; an die
anderen Staaten, in erſter Linie England, tritt nun die
Aufgabe heran, auch ihrerſeits ihre Friedensliebe
praktiſch zu betätigen.




Vom Tage.


Vom Thronfolger.

Das in Szegedin erſcheinende
Blatt „Szeged es Videke“ veröffentlicht einen angeblich aus
der unmittelbaren Umgebung des Thronfolgers ſtammenden
Brief. In dieſem heißt es, der Kaiſer bediene ſich bei
ſeinen Herrſcheragenden oft und gerne der Ratſchläge und
Mithilfe des Thronfolgers. Das Blatt erklärt dann,
an dem Gerüchte, daß Erzherzog Franz Ferdinand die Ungarn
nicht liebe und daß er klerikal geſinnt ſei, ſei kein wahres
Wort. Der Thronfolger habe die magyariſche Sprache gelernt
und ſpreche ſie ausgezeichnet. Er beſtelle auch magyariſche
Bücher und unterhalte ſich mit ſeiner Frau, die ebenfalls
magyariſch gelernt habe, oft und lange in dieſer Sprache.
Was den Klerikalismus betrifft, ſo habe er, um dieſen
Gerüchten ein Ende zu machen, aus ſeiner Umgebung alle
Geiſtlichen entfernt.
Es heißt dann noch, daß es der
Thronfolger ſelbſt geweſen ſei, der während des nationalen.
Kampfes in Ungarn den Kaiſer zur Aufnahme des
allgemeinen Wahlrechtes für alle Länder
Oeſterreich-Ungarns in ſein Herrſcherpro-
gramm
bewogen habe.




Die Gewerbeordnung.

Das ſoeben ausgegebene Reichs-
geſetzblatt Nr. 199 enthält eine Kundmachung des Handels-
miniſters, in der der Text der Gewerbeordnung zuſammen-
geſtellt iſt, wie er ſich aus den Aenderungen und Ergänzungen
ergibt, welche im Geſetze vom 5. Februar 1907 ſowie in den
früheren Geſetzen vorgenommen worden ſind. Im Anhange
[Spaltenumbruch] werden das kaiſerliche Patent vom 25. Dezember 1859 und
die einführenden Beſtimmungen der ſpäteren Gewerbegeſetze
zum Ausdrucke gebracht. Durch dieſe Verlautbarung wurde
einem dringenden Bedürfniſſe des Publikums, insbeſondere
der gewerblichen Kreiſe Rechnung getragen, indem dadurch
die in den verſchiedenen Geſetzen ze[r]ſtreuten, dermalen
geltenden Beſtimmungen der Gewerbeordnung in überſicht-
licher Form zuſammengefaßt erſcheinen.




Wieder ein „Entrevue“.

König Eduard treibt ſelbſt im Bade Politik. Er hat
ſich in Marienbad Clemenceau zu Tiſche gebeten, und wenn
auch dieſe Einladung in erſter Linie eine Art der Höflichkeit
ſein dürfte, ſo iſt es doch wahrſcheinlich, daß Eduard mit dem
Premier Frankreichs die aktuellen politiſchen Angelegenheiten,
vornehmlich die in Wilhelmshöhe und Iſchl geklärte mazedo-
niſche ſowie die marokkaniſche Frage, beſprechen wird. — Ein
Tekegramm meldet darüber:

Nach einer Meldung des „Meſidor“
hat König Eduard geſtern den Miniſterpräſidenten
Clemenceau für Mittwoch zum Dejeneur nach Marienbad
eingeladen. Das Blatt bemerkt dazu, dieſe neue Zuſammen-
kunft des Königs von England mit dem Leiter der fran-
zöſiſchen Regierung, die ſich unmittelbar an die Begegnung
des engliſchen Königs mit dem Kaiſer von Deutſchland und
dem Kaiſer von Oeſterreich anſchließt, dürfte nicht ohne
glückliche Folgen für den europäiſchen
Frieden
bleiben.




Der ungariſch-kroatiſche Konflikt.

Das Kabinett Werkerle hat offenbar genug des grau-
ſamen Spieles, das die Kroaten im ungariſchen Reichstage
getrieben haben, und ſucht ſeinen Frieden mit Kroatien zu
machen. Die Konzeſſionen, die zu dieſem Ziele führen ſollen,
ſind zwar ſehr ſchätzenswert, doch fehlt in der Liſte eine
Zugeſtändnis auf ſprachlichem Gebiet. Da bekanntlich
der ganze Konflikt in der Sprachenfrage wurzelt, iſt es
immerhin zweifelhaft, ob die Kroaten um dieſes Erfolges
willen, der ja eigentlich nur ein halber Erfolg iſt, ihren
Kampf gänzlich einſtellen werden. — Dazu wird gemeldet:

Das Ungariſche Telegraphen-
korreſpondenzbureau meldet: Die Details der in Kroatien und
Slawonien zu befolgenden Politik wurden Mitte Juli zwiſchen
dem Miniſterium und dem Banus vereinbart. Vor allem
werden, was die Eiſenbahnangeſtellten anbelangt, auf den
Linien der Staatsbahn in Kroatien und Slawonien, ſoweit
dies nur tunlich iſt, kroatiſche Landesangehörige
in Verwendung genommen werden. Zweitens wird im
Rahmen des Staatsvoranſchlages für das Jahr 1908 die
Errichtung eines beſonderen Kurſes in Kroatien
und Slavonien zur Heranbildung von Eiſen-
bahnbeamten
und Angeſtellten vorgeſehen und in dem
auf Grund des Geſetzes über die Eiſenbahnerdienſtespragmatik
zu erfaſſenden Dienſtes- und Gehaltsreglements für die
Staatsbahnen ausdrücklich ausgeſprochen, daß auf den kroatiſch-
ſlavoniſchen Linien der königlich ungariſchen Staatsbahnen in
erſter Linie kroatiſch-ſlawoniſches Perſonal in
Verwendung genommen werden ſoll. Schließlich wird,
gleichfalls im Staatsvoranſchlage für 1908, Sorge getragen
werden, daß auch im Ackerbauminiſterium, welches zum Teil
ebenfalls ein gemeinſames Miniſterium iſt, ein kroatiſch-
ſlawoniſches Departement
errichtet werde. Aus all
dem vermag ſich die öffentliche Meinung Kroatiens die
Ueberzeugung zu verſchaffen, daß dadurch, daß von den
Eiſenbahnangeſtellten die Kenntnis der ungariſchen Sprache
als Qualifikationsbedingung verlangt wird, der Fall einer
[Spaltenumbruch] Schmälerung der Kroatien und Slavonien durch den Geſetz
artikel XXX aus dem Jahre 1868 gewährleiſteten ſprachlichen
Rechte überhaupt nicht gegeben iſt.

Von radikaler Seite wird ge-
meldet: Die radikale Partei wird demnächſt ein Manifeſt
an das Volk richten, in welchem ſie die Politik der kroatiſch-
ſerbiſchen Koalition perhorresziert und die Fortſetzung der
Obſtruktion im kroatiſchen Landtag verurteilt.




Aus Rußland.
Bombenattentat.

Auf den Kreischef von Oſurgety,
Gouvernement Kutais, Jermolow, der ſich in Begleitung
ſeiner Frau befand, wurde ein Bombenanſchlag verübt.
Beide ſind nur leicht verletzt. Die Urheber des An-
ſchlages eröffneten gegen die herbeigeeilte Wache Feuer,
wodurch ein Vorübergehender getötet, ein anderer verwundet
wurde. Vier von den Schuldigen ſind verhaftet. Unter
den Andächtigen in der Kathedrale, in deren Nähe das
Attentat verübt wurde, entſtand eine Panik. Eine Perſon
wurde vom Herzſchlage getroffen.




Die Vorgänge in Marokko.

Die marokkaniſche Frage dürfte, wenn gewiſſe Meldungen
ſich als zutreffend erweiſen ſollten, nun doch wieder in ihrer
ganzen Ausdehnung aufgerollt werden. Man gewinnt den
Eindruck, daß die zahlreichen und ſehr beſtimmt gehaltenen
offiziöſen Dementis auf alle Mitteilungen bezüglich einer
Erweiterung der Expedition hauptſächlich dazu beſtimmt ſind,
die öffentliche Meinung zum Abwarten zu veranlaſſen, bis
man die nötigen Zuſagen erhalten hat. Im übrigen iſt die
Lage in Caſablanca und in Marokko überhaupt noch völlig
ungeklärt. Die Zerwürfniſſe zwiſchen den Spaniern und den
Franzoſen dauern trotz eifriger amtlicher und halbamtlicher
Ableugnungen fort, und zu allem Ueberfluß wurde, wie be-
reits geſtern gemeldet, in Fez in einer Notabelnverſammlung
unter Vorſitz des Sultans der Beſchluß gefaßt, bei den
Algeciras-Mächten Beſchwerde darüber zu führen, daß die
Franzoſen bei ihrem Einſchreiten in Caſablanca viel zu weit
gegangen ſind. Der Sultan will alſo gegen Frankreich an
Europa appellieren. Seine Klage a limine abzulehnen, wird
wohl angeſichts der notoriſchen Verfehlungen der Franzoſen
ſchwerlich angehen. Neue diplomatiſche Schwierigkeiten ſtehen
alſo bevor. Aber auch ſonſt ſcheint man ſich in Fez nicht
mehr bloß paſſiv verhalten zu wollen. Die Gefahr eines ge-
waltigen Ausbruches des Volksunwillens rückt immer näher
heran. — Heute liegen folgende Nachrichten vor:

Spanier und Franzoſen.

Der Caſablancaer Figaro-Korre-
ſpondent publiziert einen auffallend ſcharf gehaltenen Artikel
gegen das dortige ſpaniſche Detachement. Nach mehrtägigem
Bummeln, heißt es darin, verließ endlich eine Abteilung die
Stadt, um zur Rechten des Drudeſchen Lagers die ihr an-
gewieſene, durch eine Mauer geſchützte Poſition einzunehmen.
Drude hatte gehofft, die Spanier würden ſich dort häuslich
einrichten, aber wenige Stunden nach ihrem Auszug kehrten
ſie mit klingendem Spiel zurück, ohne den General vorher
unterrichtet zu haben. Der ſpaniſche Kommandant erklärte,
ſein Madrider Auftrag laute nur: rekognoszieren, nicht dauernd
feſtſetzen. Der Korreſpondent ſchildert dann den Kontraſt
zwiſchen den überaus ſtrenge gehaltenen franzöſiſchen Sol-
daten und den ſpaniſchen, die ſichs wohlgehen ließen, ſich
überhaupt wie Touriſten gehaben, und bemerkt, daß die
ſpaniſchen Anſiedler von Caſablanca ihr Mißvergnügen darüber
erkennen ließen.




[Spaltenumbruch]

mein Reich, die Stätte des Ringens, Verheißens — harter,
aber geſegneter Arbeit.“

„Du warſt unſer Stern, Greta“, ſagte er gedämpft.
„Als Du meinem Bruder die Hand reichteſt, da hing der
Wimpel unſeres Glückſchiffleins ſchlaff herab. Mit Deiner
Liebe zu Leo und der zähen Gednld, die zum Ziele führt,
brachteſt Du es fertig, daß der Wimpel wieder luſtig flatterte.“

Sie richtete den Blick in Weite und Vergangenheit. „Was
aber liegt dazwiſchen, Stefan! ...“

„Ich möchte Dich nicht an jene entbehrungsvolle Zeit
erinnern....“

„Doch, Stefan — Du darfſt es — gerade Du, der
mir ſo tapfer zur Seite ſtand, als Leo, niedergedrückt durch
Geldſorgen und Mißernten, aus einem Optimiſten zum
Fataliſten wurde, der die Hände in den Schoß legte und
wartete oder läſterte.“

Stefan verlor ſich mit ihr in die Erinnerung. „Wenn
ich denke, Greta — was wir drei aus dieſem Landſtriche
gemacht haben, der uns unerwartet durch Erbſchaft zufiel!
Das Gut war ſtark belaſtet, in Prozeſſe verwickelt, der Boden
verwüſtet, überanſtrengt, der Wieſengrund wertlos die Torf-
moräſte ungepflegt; gierig ſtürzten wir uns auf das Werk:
unſer hoffnungsvolles Vertrauen zu der gelockerten Erde, der
wir frohgemut den Samen anvertraut hatten, wurde vernichtet
durch Hagel, Reblaus, Froſt.“

„Ja, Stefan — es war ſchlimm.... Wir ſchwebten
beſtändig in Angſt. Der ſchönſte Sommertag ſchien uns ein
Unglück, wenn wir Regen gebraucht hätten....“ „Der goß
dann wieder im Uebermaße in die Frühſaat hinein, ſo daß
die Frucht verquoll und halb keimend auswuchs. Das waſſer-
ſatte Land nahm die Nachſaat nicht auf, Futternot drohte
durch de folgende anhaltende Dürre, die teuern Lokomobilen
verſagten und Seuchen brachen aus.“


[Spaltenumbruch]

Greta nickte ernſt. „Damals verlernte Leo ſein fröhliches
Lachen....“

„Du tratſt dafür an ſeine Stelle, Greta, belebteſt durch
unbeugſame Energie unſeren geſunkenen Mut, machteſt den
kleinſten Erfolg zum Ereignis und unter Deinen luſtigen
Augen arbeiteten die Leute noch einmal ſo gern. Und das
Glück neigte ſich uns endlich gnädig zu: köſtlicher Weinſegen,
prächtiges Jungvieh, herrliche Wälder durch gewonnene Pro-
zeſſe, reicher Wildſtand, hohe Einnahmen. Alles ging nach
Wunſch ...“

„Da mußte Leo ſo ſchnell ſterben, ohne daß ich ihm
den einzigen vergeblichen Wunſch ſeines Daſeins erfüllt hätte:
ein Kind.“

Er ſah, wie ſehr ſie immer noch darunter litt und ihre
hilfloſe Haltung ergriff ihn tief. „Quäle Dich doch nicht
Greta ...“

Der ſeltſame Ton, aus dem wehes Gefühl vibrierte,
veranlaßte ſie, Stefan anzuſehen. Und nun wußten ſie beide,
wie es um ſie ſtand ... Helle Gluten ſchlugen über beider
Geſicht und aus ihren Augen trafen ſich Strahlen aufzucken-
den Glückes. Als Stefan aber plötzlich die blitzenden Augen
ergeben ſenkte, ſich nicht rührte, da ſchlang ſie klagend die
Hände ineinander: „Du liebſt mich, Stefan, und hältſt mich
nicht feſt?“

Er rang ſich in ſichtbarer Qual.

„Du verheimlichſt mir etwas, Stefan ... Rede mit
mir, ich flehe Dich an ...“

Da glitt er zu ihren Füßen, umſchlang ihren Leib und
ſtöhnte verzweifelt: „Ich liebe Dich, Greta, ſeit ich Dich
kenne ... Und nun Du frei biſt, kann ich Dich dennoch
nicht erringen, denn ich vermag Dir gar nichts zu bieten ...
Auf Dörzbach ſteht eine hohe Summe, von der Du nichts
weißt ... Um ſie abtragen zu können, muß ich von vorn
anfangen. Und in dieſe Entbehrungen, die Du ja leider ge-
[Spaltenumbruch] nugſam kennſt, darf ich Dein geliebtes Leben nicht ziehen ..“

Greta ſtrich zärtlich über ſeine braunen Wangen: „Da.
verſtehe ich nicht — Du. Was mir gehört, gehört auch Dein.
Du zahlſt mir eben nicht meinen Anteil aus, ſondern die
Verpflichtung, die Dich drückt ...“

„Das ſieht Dir ähnlich“, lächelte er glücklich. „So
dachte ich mir Dich, aber das will ich eben nicht.“

„Doch — Du mußt — Lieber ... Aber ſag mir,
was iſt das für eine Summe?“

„Was ich Dir eben im Ueberwallen meines Gefühls
anvertraute, Greta, machte ich gern wieder ungeſchehen ...“

„Gott lohne Dir, daß Dir Dein Herz überfloß! —
Ich will alles wiſſen ...“

„Nun denn: iſt Dir Leos Teſtament gegenwärtig?“

„Gewiß“, ſagte ſie befremdet. „Abzüglich meines Witwen-
anteils fällt Dir Dörzbach ungeſchmälert zu, wenn Leo kinder-
los ſterben würde.“

„Wenn ... Er iſt aber nicht kinderlos geſtorben ...“

„Stefan!!!“ Ein empörter Schrei. „Das konnte er mir
antun ...!“

Und nach langer, langer Pauſe, die Stefan durch keine
Liebkoſung unterbrach, frug ſie tonlos: „Und wer?“

„Die Tochter des Förſters ... In ſeinem grenzenloſen
Jubel über ihr Geſtändnis hat ihr Leo unſinnige ſchriftliche
Verſprechungen gemacht, die er gewiß normal geregelt hätte,
wäre er nicht vom Tode überraſcht worden. Nun iſts an
mir, die Ehre des toten Bruders zu wahren.“

„Und an mir, Stefan — ich helfe Dir!“

Da öffnete er die Arme, umſchlang Greta und küßte
ſie. Nicht wild, nicht leidenſchaftlich — heiß und innig
ſtreiften ſeine Lippen ihre Augen, die Stirn, Wangen und
Mund, als wollte er mit der ungeſtillten Sehnſucht langer
Jahre nur andachtsvoll berühren, was ihm jetzt endlich zu
eigen gehörte.


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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. Auguſt 1907 Pfeife anzünden will, und um dieſe Zuſtimmung zu erhalten, hat England bezahlen müſſen. Es hat ſich bereit erklärt, die Diskuſſion fallen zu laſſen und jetzt ſind wir Zeuge des Triumphes von Deutſchland geweſen, als die Konferenz ohne Diskuſſion das zu Grabe trug, wie der Kaiſer von Rußland vor acht Jahren die erſte Pflicht der Völker nannte. Ja, wir haben den Preis bezahlt. Aber auch Deutſchland hat etwas zu bezahlen, eine Zahlung, der ſich ſelbſt der Sieger nicht entziehen kann, eine Bezahlung, die den Pflichten auferlegt iſt, die eine Großmacht hat. Es iſt die Folge von Pflichten, die Deutſchland nicht einzelnen Mächten, ſondern der ganzen Menſchheit und vor allen Dingen dem eigenen Volk gegen- über hat. Es hat die Debatte über die Abrüſtungsfrage zum Schweigen gebracht. Und nachdem es Deutſchland geglückt iſt, die Debatte über die Abrüſtungsfrage zu verhindern, wird es jetzt alle ſeine Kräfte anſpannen müſſen, um den Anträgen auf einen permanenten Schiedsgerichtshof und das obligatoriſche Schiedsgerichtsverfahren zur Annahme zu verhelfen, trotz aller Schwierigkeiten“. Man braucht nur auf die bisher von Deutſchland be- wahrte Haltung hinzuweiſen, um das Ueberflüſſige der obigen beweglichen Mahnung zu erkennen. Wenn alle Großmächte ſo ernſtlich wie Deutſchland den Frieden wollten, wäre die ganze Friedenskonferenz überflüſſiig. Das Anerbieten Englands, allen Mächten immer das Ausmaß ſeiner Rüſtungen mitzuteilen, iſt gewiß recht gut gemeint, aber was damit bezweckt werden ſoll, iſt umſoweniger abzuſehen, als ja ohnehin die Kenntnis der in fremden Ländern vorgenommenen Rüſtungen niemals Geheimnis bleibt. Dieſes Verſprechen gehört alſo zu den Dingen, die, wie eine volkstümliche Redensart ſagt, gut ausſehen und nichts koſten. Den guten Willen, das Werk der Friedenskonferenz zu fördern, hat Deutſchland durch eigene Anträge bewieſen; an die anderen Staaten, in erſter Linie England, tritt nun die Aufgabe heran, auch ihrerſeits ihre Friedensliebe praktiſch zu betätigen. Vom Tage. Czernowitz, 21. Auguſt. Vom Thronfolger. Budapeſt, 10. Auguſt. Das in Szegedin erſcheinende Blatt „Szeged es Videke“ veröffentlicht einen angeblich aus der unmittelbaren Umgebung des Thronfolgers ſtammenden Brief. In dieſem heißt es, der Kaiſer bediene ſich bei ſeinen Herrſcheragenden oft und gerne der Ratſchläge und Mithilfe des Thronfolgers. Das Blatt erklärt dann, an dem Gerüchte, daß Erzherzog Franz Ferdinand die Ungarn nicht liebe und daß er klerikal geſinnt ſei, ſei kein wahres Wort. Der Thronfolger habe die magyariſche Sprache gelernt und ſpreche ſie ausgezeichnet. Er beſtelle auch magyariſche Bücher und unterhalte ſich mit ſeiner Frau, die ebenfalls magyariſch gelernt habe, oft und lange in dieſer Sprache. Was den Klerikalismus betrifft, ſo habe er, um dieſen Gerüchten ein Ende zu machen, aus ſeiner Umgebung alle Geiſtlichen entfernt. Es heißt dann noch, daß es der Thronfolger ſelbſt geweſen ſei, der während des nationalen. Kampfes in Ungarn den Kaiſer zur Aufnahme des allgemeinen Wahlrechtes für alle Länder Oeſterreich-Ungarns in ſein Herrſcherpro- gramm bewogen habe. Die Gewerbeordnung. Wien, 20. Auguſt. Das ſoeben ausgegebene Reichs- geſetzblatt Nr. 199 enthält eine Kundmachung des Handels- miniſters, in der der Text der Gewerbeordnung zuſammen- geſtellt iſt, wie er ſich aus den Aenderungen und Ergänzungen ergibt, welche im Geſetze vom 5. Februar 1907 ſowie in den früheren Geſetzen vorgenommen worden ſind. Im Anhange werden das kaiſerliche Patent vom 25. Dezember 1859 und die einführenden Beſtimmungen der ſpäteren Gewerbegeſetze zum Ausdrucke gebracht. Durch dieſe Verlautbarung wurde einem dringenden Bedürfniſſe des Publikums, insbeſondere der gewerblichen Kreiſe Rechnung getragen, indem dadurch die in den verſchiedenen Geſetzen zerſtreuten, dermalen geltenden Beſtimmungen der Gewerbeordnung in überſicht- licher Form zuſammengefaßt erſcheinen. Wieder ein „Entrevue“. König Eduard treibt ſelbſt im Bade Politik. Er hat ſich in Marienbad Clemenceau zu Tiſche gebeten, und wenn auch dieſe Einladung in erſter Linie eine Art der Höflichkeit ſein dürfte, ſo iſt es doch wahrſcheinlich, daß Eduard mit dem Premier Frankreichs die aktuellen politiſchen Angelegenheiten, vornehmlich die in Wilhelmshöhe und Iſchl geklärte mazedo- niſche ſowie die marokkaniſche Frage, beſprechen wird. — Ein Tekegramm meldet darüber: Paris, 20 Auguſt. Nach einer Meldung des „Meſidor“ hat König Eduard geſtern den Miniſterpräſidenten Clemenceau für Mittwoch zum Dejeneur nach Marienbad eingeladen. Das Blatt bemerkt dazu, dieſe neue Zuſammen- kunft des Königs von England mit dem Leiter der fran- zöſiſchen Regierung, die ſich unmittelbar an die Begegnung des engliſchen Königs mit dem Kaiſer von Deutſchland und dem Kaiſer von Oeſterreich anſchließt, dürfte nicht ohne glückliche Folgen für den europäiſchen Frieden bleiben. Der ungariſch-kroatiſche Konflikt. Das Kabinett Werkerle hat offenbar genug des grau- ſamen Spieles, das die Kroaten im ungariſchen Reichstage getrieben haben, und ſucht ſeinen Frieden mit Kroatien zu machen. Die Konzeſſionen, die zu dieſem Ziele führen ſollen, ſind zwar ſehr ſchätzenswert, doch fehlt in der Liſte eine Zugeſtändnis auf ſprachlichem Gebiet. Da bekanntlich der ganze Konflikt in der Sprachenfrage wurzelt, iſt es immerhin zweifelhaft, ob die Kroaten um dieſes Erfolges willen, der ja eigentlich nur ein halber Erfolg iſt, ihren Kampf gänzlich einſtellen werden. — Dazu wird gemeldet: Budapeſt, 20. Auguſt. Das Ungariſche Telegraphen- korreſpondenzbureau meldet: Die Details der in Kroatien und Slawonien zu befolgenden Politik wurden Mitte Juli zwiſchen dem Miniſterium und dem Banus vereinbart. Vor allem werden, was die Eiſenbahnangeſtellten anbelangt, auf den Linien der Staatsbahn in Kroatien und Slawonien, ſoweit dies nur tunlich iſt, kroatiſche Landesangehörige in Verwendung genommen werden. Zweitens wird im Rahmen des Staatsvoranſchlages für das Jahr 1908 die Errichtung eines beſonderen Kurſes in Kroatien und Slavonien zur Heranbildung von Eiſen- bahnbeamten und Angeſtellten vorgeſehen und in dem auf Grund des Geſetzes über die Eiſenbahnerdienſtespragmatik zu erfaſſenden Dienſtes- und Gehaltsreglements für die Staatsbahnen ausdrücklich ausgeſprochen, daß auf den kroatiſch- ſlavoniſchen Linien der königlich ungariſchen Staatsbahnen in erſter Linie kroatiſch-ſlawoniſches Perſonal in Verwendung genommen werden ſoll. Schließlich wird, gleichfalls im Staatsvoranſchlage für 1908, Sorge getragen werden, daß auch im Ackerbauminiſterium, welches zum Teil ebenfalls ein gemeinſames Miniſterium iſt, ein kroatiſch- ſlawoniſches Departement errichtet werde. Aus all dem vermag ſich die öffentliche Meinung Kroatiens die Ueberzeugung zu verſchaffen, daß dadurch, daß von den Eiſenbahnangeſtellten die Kenntnis der ungariſchen Sprache als Qualifikationsbedingung verlangt wird, der Fall einer Schmälerung der Kroatien und Slavonien durch den Geſetz artikel XXX aus dem Jahre 1868 gewährleiſteten ſprachlichen Rechte überhaupt nicht gegeben iſt. Agram, 20. Auguſt. Von radikaler Seite wird ge- meldet: Die radikale Partei wird demnächſt ein Manifeſt an das Volk richten, in welchem ſie die Politik der kroatiſch- ſerbiſchen Koalition perhorresziert und die Fortſetzung der Obſtruktion im kroatiſchen Landtag verurteilt. Aus Rußland. Bombenattentat. Batum, 20. Auguſt. Auf den Kreischef von Oſurgety, Gouvernement Kutais, Jermolow, der ſich in Begleitung ſeiner Frau befand, wurde ein Bombenanſchlag verübt. Beide ſind nur leicht verletzt. Die Urheber des An- ſchlages eröffneten gegen die herbeigeeilte Wache Feuer, wodurch ein Vorübergehender getötet, ein anderer verwundet wurde. Vier von den Schuldigen ſind verhaftet. Unter den Andächtigen in der Kathedrale, in deren Nähe das Attentat verübt wurde, entſtand eine Panik. Eine Perſon wurde vom Herzſchlage getroffen. Die Vorgänge in Marokko. Die marokkaniſche Frage dürfte, wenn gewiſſe Meldungen ſich als zutreffend erweiſen ſollten, nun doch wieder in ihrer ganzen Ausdehnung aufgerollt werden. Man gewinnt den Eindruck, daß die zahlreichen und ſehr beſtimmt gehaltenen offiziöſen Dementis auf alle Mitteilungen bezüglich einer Erweiterung der Expedition hauptſächlich dazu beſtimmt ſind, die öffentliche Meinung zum Abwarten zu veranlaſſen, bis man die nötigen Zuſagen erhalten hat. Im übrigen iſt die Lage in Caſablanca und in Marokko überhaupt noch völlig ungeklärt. Die Zerwürfniſſe zwiſchen den Spaniern und den Franzoſen dauern trotz eifriger amtlicher und halbamtlicher Ableugnungen fort, und zu allem Ueberfluß wurde, wie be- reits geſtern gemeldet, in Fez in einer Notabelnverſammlung unter Vorſitz des Sultans der Beſchluß gefaßt, bei den Algeciras-Mächten Beſchwerde darüber zu führen, daß die Franzoſen bei ihrem Einſchreiten in Caſablanca viel zu weit gegangen ſind. Der Sultan will alſo gegen Frankreich an Europa appellieren. Seine Klage a limine abzulehnen, wird wohl angeſichts der notoriſchen Verfehlungen der Franzoſen ſchwerlich angehen. Neue diplomatiſche Schwierigkeiten ſtehen alſo bevor. Aber auch ſonſt ſcheint man ſich in Fez nicht mehr bloß paſſiv verhalten zu wollen. Die Gefahr eines ge- waltigen Ausbruches des Volksunwillens rückt immer näher heran. — Heute liegen folgende Nachrichten vor: Spanier und Franzoſen. Paris, 20. Auguſt. Der Caſablancaer Figaro-Korre- ſpondent publiziert einen auffallend ſcharf gehaltenen Artikel gegen das dortige ſpaniſche Detachement. Nach mehrtägigem Bummeln, heißt es darin, verließ endlich eine Abteilung die Stadt, um zur Rechten des Drudeſchen Lagers die ihr an- gewieſene, durch eine Mauer geſchützte Poſition einzunehmen. Drude hatte gehofft, die Spanier würden ſich dort häuslich einrichten, aber wenige Stunden nach ihrem Auszug kehrten ſie mit klingendem Spiel zurück, ohne den General vorher unterrichtet zu haben. Der ſpaniſche Kommandant erklärte, ſein Madrider Auftrag laute nur: rekognoszieren, nicht dauernd feſtſetzen. Der Korreſpondent ſchildert dann den Kontraſt zwiſchen den überaus ſtrenge gehaltenen franzöſiſchen Sol- daten und den ſpaniſchen, die ſichs wohlgehen ließen, ſich überhaupt wie Touriſten gehaben, und bemerkt, daß die ſpaniſchen Anſiedler von Caſablanca ihr Mißvergnügen darüber erkennen ließen. mein Reich, die Stätte des Ringens, Verheißens — harter, aber geſegneter Arbeit.“ „Du warſt unſer Stern, Greta“, ſagte er gedämpft. „Als Du meinem Bruder die Hand reichteſt, da hing der Wimpel unſeres Glückſchiffleins ſchlaff herab. Mit Deiner Liebe zu Leo und der zähen Gednld, die zum Ziele führt, brachteſt Du es fertig, daß der Wimpel wieder luſtig flatterte.“ Sie richtete den Blick in Weite und Vergangenheit. „Was aber liegt dazwiſchen, Stefan! ...“ „Ich möchte Dich nicht an jene entbehrungsvolle Zeit erinnern....“ „Doch, Stefan — Du darfſt es — gerade Du, der mir ſo tapfer zur Seite ſtand, als Leo, niedergedrückt durch Geldſorgen und Mißernten, aus einem Optimiſten zum Fataliſten wurde, der die Hände in den Schoß legte und wartete oder läſterte.“ Stefan verlor ſich mit ihr in die Erinnerung. „Wenn ich denke, Greta — was wir drei aus dieſem Landſtriche gemacht haben, der uns unerwartet durch Erbſchaft zufiel! Das Gut war ſtark belaſtet, in Prozeſſe verwickelt, der Boden verwüſtet, überanſtrengt, der Wieſengrund wertlos die Torf- moräſte ungepflegt; gierig ſtürzten wir uns auf das Werk: unſer hoffnungsvolles Vertrauen zu der gelockerten Erde, der wir frohgemut den Samen anvertraut hatten, wurde vernichtet durch Hagel, Reblaus, Froſt.“ „Ja, Stefan — es war ſchlimm.... Wir ſchwebten beſtändig in Angſt. Der ſchönſte Sommertag ſchien uns ein Unglück, wenn wir Regen gebraucht hätten....“ „Der goß dann wieder im Uebermaße in die Frühſaat hinein, ſo daß die Frucht verquoll und halb keimend auswuchs. Das waſſer- ſatte Land nahm die Nachſaat nicht auf, Futternot drohte durch de folgende anhaltende Dürre, die teuern Lokomobilen verſagten und Seuchen brachen aus.“ Greta nickte ernſt. „Damals verlernte Leo ſein fröhliches Lachen....“ „Du tratſt dafür an ſeine Stelle, Greta, belebteſt durch unbeugſame Energie unſeren geſunkenen Mut, machteſt den kleinſten Erfolg zum Ereignis und unter Deinen luſtigen Augen arbeiteten die Leute noch einmal ſo gern. Und das Glück neigte ſich uns endlich gnädig zu: köſtlicher Weinſegen, prächtiges Jungvieh, herrliche Wälder durch gewonnene Pro- zeſſe, reicher Wildſtand, hohe Einnahmen. Alles ging nach Wunſch ...“ „Da mußte Leo ſo ſchnell ſterben, ohne daß ich ihm den einzigen vergeblichen Wunſch ſeines Daſeins erfüllt hätte: ein Kind.“ Er ſah, wie ſehr ſie immer noch darunter litt und ihre hilfloſe Haltung ergriff ihn tief. „Quäle Dich doch nicht Greta ...“ Der ſeltſame Ton, aus dem wehes Gefühl vibrierte, veranlaßte ſie, Stefan anzuſehen. Und nun wußten ſie beide, wie es um ſie ſtand ... Helle Gluten ſchlugen über beider Geſicht und aus ihren Augen trafen ſich Strahlen aufzucken- den Glückes. Als Stefan aber plötzlich die blitzenden Augen ergeben ſenkte, ſich nicht rührte, da ſchlang ſie klagend die Hände ineinander: „Du liebſt mich, Stefan, und hältſt mich nicht feſt?“ Er rang ſich in ſichtbarer Qual. „Du verheimlichſt mir etwas, Stefan ... Rede mit mir, ich flehe Dich an ...“ Da glitt er zu ihren Füßen, umſchlang ihren Leib und ſtöhnte verzweifelt: „Ich liebe Dich, Greta, ſeit ich Dich kenne ... Und nun Du frei biſt, kann ich Dich dennoch nicht erringen, denn ich vermag Dir gar nichts zu bieten ... Auf Dörzbach ſteht eine hohe Summe, von der Du nichts weißt ... Um ſie abtragen zu können, muß ich von vorn anfangen. Und in dieſe Entbehrungen, die Du ja leider ge- nugſam kennſt, darf ich Dein geliebtes Leben nicht ziehen ..“ Greta ſtrich zärtlich über ſeine braunen Wangen: „Da. verſtehe ich nicht — Du. Was mir gehört, gehört auch Dein. Du zahlſt mir eben nicht meinen Anteil aus, ſondern die Verpflichtung, die Dich drückt ...“ „Das ſieht Dir ähnlich“, lächelte er glücklich. „So dachte ich mir Dich, aber das will ich eben nicht.“ „Doch — Du mußt — Lieber ... Aber ſag mir, was iſt das für eine Summe?“ „Was ich Dir eben im Ueberwallen meines Gefühls anvertraute, Greta, machte ich gern wieder ungeſchehen ...“ „Gott lohne Dir, daß Dir Dein Herz überfloß! — Ich will alles wiſſen ...“ „Nun denn: iſt Dir Leos Teſtament gegenwärtig?“ „Gewiß“, ſagte ſie befremdet. „Abzüglich meines Witwen- anteils fällt Dir Dörzbach ungeſchmälert zu, wenn Leo kinder- los ſterben würde.“ „Wenn ... Er iſt aber nicht kinderlos geſtorben ...“ „Stefan!!!“ Ein empörter Schrei. „Das konnte er mir antun ...!“ Und nach langer, langer Pauſe, die Stefan durch keine Liebkoſung unterbrach, frug ſie tonlos: „Und wer?“ „Die Tochter des Förſters ... In ſeinem grenzenloſen Jubel über ihr Geſtändnis hat ihr Leo unſinnige ſchriftliche Verſprechungen gemacht, die er gewiß normal geregelt hätte, wäre er nicht vom Tode überraſcht worden. Nun iſts an mir, die Ehre des toten Bruders zu wahren.“ „Und an mir, Stefan — ich helfe Dir!“ Da öffnete er die Arme, umſchlang Greta und küßte ſie. Nicht wild, nicht leidenſchaftlich — heiß und innig ſtreiften ſeine Lippen ihre Augen, die Stirn, Wangen und Mund, als wollte er mit der ungeſtillten Sehnſucht langer Jahre nur andachtsvoll berühren, was ihm jetzt endlich zu eigen gehörte.

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1082, Czernowitz, 22.08.1907, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1082_1907/2>, abgerufen am 28.11.2024.