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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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Nachdem er 1841 aber einem Rufe nach Berlin Folge geleistet; mußte er sein langjähriges Schweigen brechen u. trug im Winter 1841.42 seine sog. Philosophie der Offenbarung vor, die sehr gegen seinen Willen der alte Paulus in Heidelberg nach einem Collegienheft veröffentlichte und unbarmherzig durchhechelte. Von den früheren Freunden verschrien, als ob er auf das Recht des freien Gedankens verzichtet habe u. zum Scholastiker geworden sei, der positivchristliche Glaubenssätze mit den längst abgenutzten Wortspielereien der mittelalterlichen Dialectik anfülle, bei den Offenbarungsgläubigen aber im Mißkredit. weil er mit seiner "positiven Philosophie" niemals herausrückte, st. er am 20. August 1854 im Bade Ragaz im Schweizerkanton St. Gallen. Vergleicht man die Leistungen Platons und S.s mit Rücksicht auf die Zeit. in der jeder lebte, sowie auf den Stand der Wissenschaften, den jeder vorfand, so steht S. trotz seiner unläugbaren Gedankenfülle und Gedankentiefe weit unter dem Hellenen; ähnlich ist jedoch S. demselben, insofern er niemals ein fertiges und geschlossenes System schuf, sondern in seinen Schriften die Geschichte seiner Bildungsstufen niederlegte, ferner im Anknüpfen an vorangegangene Philosophen, nicht minder im dichterischen aber häufig auch unklaren Charakter der Schreibart, endlich in der begeisterten Aufnahme. die er fand, in der Zahl seiner Schüler, sowie in dem Einflusse, den er dadurch auf den Gang der wissenschaftlichen Entwicklung ausübte. S.s Blütezeit fällt in die Jahre 1795-1812, in welchen er auch die meisten und besten seiner Schriften verfaßte und als Herold der Philosophie der romantischen Schule dastand. Unter der großen Zahl seiner Schriften nennen wir: über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt (1795), vom Ich als Princip der Philosophie (1795), Deduction des Naturrechts (1796). Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797), die Weltsee le (1798), erster Entwurf eines Systems des transcendentalen Idealismus (1800), Darstellung eines Systems der Philosophie (1801). Bruno (1802), Methode des akademischen Studiums (1803), Philosophie u. Religion (1804), Untersuchungen über die menschl. Freiheit (1809), die Gottheiten von Samothrake (1815); die Gesammtausgabe, deren 1. Bd. bei J. G. Cotta in Stuttgart und Augsburg im Frühling 1856 herauskam, wurde aber mit noch bis her ungedruckten philosophischen Werken (Einleitung in die Philosophie der Mythologie, Monotheismus, Philosophie der Mythologie, Philosophie der Offenbarung, über den Gegensatz der negativen und positiven Philosophie) eröffnet u. wird auch enthalten, was S. als der Dichter "Bonaventura" leistete. S. besaß die Anlagen eines Mystikers und Dichters; dies verleiht all seinen Schriften einen ganz andern u. unläugbar schönern Charakter als denen Hegels, u. zudem ist S. in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung als Philosoph im Ganzen mehr ein Repräsentant seiner Zeit gewesen als jener. Gewöhnlich unterscheidet man bei ihm 5 solcher Stadien, nämlich 1) den Hervorgang aus Fichte; 2) die Natur- und Transcendentalphilosophie; 3) die Periode des Spinozismus od. der Indifferenz des Realen und Idealen; 4) die mystische. an den Neuplatonismus sich anknüpfende Wendung u. 5) Versuch einer Theogonie und Kosmogonie nach Jakob Böhme; künftig wird man als 6. Periode die der positiven Philosophie berücksichtigen müssen, um so entschiedener, falls dieselbe auf einer Rückkehr der S. schen Vernunft zum positiven Glauben wirklich beruht u. je mehr er alsdann auch hierin als ein Chorführer der Zeit erschiene. Hinsichtlich des Inhaltes der S. schen Philosophie war der Grundcharakter derselben von vornherein Pantheismus und ist es durch alle 5 bekannten Stufen der geistigen Entwicklung des Philosophen geblieben, obwohl ihm nachgerühmt werden muß, daß er beständig strebte, aus dem Pantheismus heraus in den Theismus zu gelangen, was freilich nie gelingen wird, so lange man von voraussetzungslosen Philosophien träumt und lediglich reinphilosophische Wege einschlägt. Schon im ersten Stadium, nachdem S. kaum die Nothwendigkeit

Nachdem er 1841 aber einem Rufe nach Berlin Folge geleistet; mußte er sein langjähriges Schweigen brechen u. trug im Winter 1841.42 seine sog. Philosophie der Offenbarung vor, die sehr gegen seinen Willen der alte Paulus in Heidelberg nach einem Collegienheft veröffentlichte und unbarmherzig durchhechelte. Von den früheren Freunden verschrien, als ob er auf das Recht des freien Gedankens verzichtet habe u. zum Scholastiker geworden sei, der positivchristliche Glaubenssätze mit den längst abgenutzten Wortspielereien der mittelalterlichen Dialectik anfülle, bei den Offenbarungsgläubigen aber im Mißkredit. weil er mit seiner „positiven Philosophie“ niemals herausrückte, st. er am 20. August 1854 im Bade Ragaz im Schweizerkanton St. Gallen. Vergleicht man die Leistungen Platons und S.s mit Rücksicht auf die Zeit. in der jeder lebte, sowie auf den Stand der Wissenschaften, den jeder vorfand, so steht S. trotz seiner unläugbaren Gedankenfülle und Gedankentiefe weit unter dem Hellenen; ähnlich ist jedoch S. demselben, insofern er niemals ein fertiges und geschlossenes System schuf, sondern in seinen Schriften die Geschichte seiner Bildungsstufen niederlegte, ferner im Anknüpfen an vorangegangene Philosophen, nicht minder im dichterischen aber häufig auch unklaren Charakter der Schreibart, endlich in der begeisterten Aufnahme. die er fand, in der Zahl seiner Schüler, sowie in dem Einflusse, den er dadurch auf den Gang der wissenschaftlichen Entwicklung ausübte. S.s Blütezeit fällt in die Jahre 1795–1812, in welchen er auch die meisten und besten seiner Schriften verfaßte und als Herold der Philosophie der romantischen Schule dastand. Unter der großen Zahl seiner Schriften nennen wir: über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt (1795), vom Ich als Princip der Philosophie (1795), Deduction des Naturrechts (1796). Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797), die Weltsee le (1798), erster Entwurf eines Systems des transcendentalen Idealismus (1800), Darstellung eines Systems der Philosophie (1801). Bruno (1802), Methode des akademischen Studiums (1803), Philosophie u. Religion (1804), Untersuchungen über die menschl. Freiheit (1809), die Gottheiten von Samothrake (1815); die Gesammtausgabe, deren 1. Bd. bei J. G. Cotta in Stuttgart und Augsburg im Frühling 1856 herauskam, wurde aber mit noch bis her ungedruckten philosophischen Werken (Einleitung in die Philosophie der Mythologie, Monotheismus, Philosophie der Mythologie, Philosophie der Offenbarung, über den Gegensatz der negativen und positiven Philosophie) eröffnet u. wird auch enthalten, was S. als der Dichter „Bonaventura“ leistete. S. besaß die Anlagen eines Mystikers und Dichters; dies verleiht all seinen Schriften einen ganz andern u. unläugbar schönern Charakter als denen Hegels, u. zudem ist S. in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung als Philosoph im Ganzen mehr ein Repräsentant seiner Zeit gewesen als jener. Gewöhnlich unterscheidet man bei ihm 5 solcher Stadien, nämlich 1) den Hervorgang aus Fichte; 2) die Natur- und Transcendentalphilosophie; 3) die Periode des Spinozismus od. der Indifferenz des Realen und Idealen; 4) die mystische. an den Neuplatonismus sich anknüpfende Wendung u. 5) Versuch einer Theogonie und Kosmogonie nach Jakob Böhme; künftig wird man als 6. Periode die der positiven Philosophie berücksichtigen müssen, um so entschiedener, falls dieselbe auf einer Rückkehr der S. schen Vernunft zum positiven Glauben wirklich beruht u. je mehr er alsdann auch hierin als ein Chorführer der Zeit erschiene. Hinsichtlich des Inhaltes der S. schen Philosophie war der Grundcharakter derselben von vornherein Pantheismus und ist es durch alle 5 bekannten Stufen der geistigen Entwicklung des Philosophen geblieben, obwohl ihm nachgerühmt werden muß, daß er beständig strebte, aus dem Pantheismus heraus in den Theismus zu gelangen, was freilich nie gelingen wird, so lange man von voraussetzungslosen Philosophien träumt und lediglich reinphilosophische Wege einschlägt. Schon im ersten Stadium, nachdem S. kaum die Nothwendigkeit

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[70/0071] Nachdem er 1841 aber einem Rufe nach Berlin Folge geleistet; mußte er sein langjähriges Schweigen brechen u. trug im Winter 1841.42 seine sog. Philosophie der Offenbarung vor, die sehr gegen seinen Willen der alte Paulus in Heidelberg nach einem Collegienheft veröffentlichte und unbarmherzig durchhechelte. Von den früheren Freunden verschrien, als ob er auf das Recht des freien Gedankens verzichtet habe u. zum Scholastiker geworden sei, der positivchristliche Glaubenssätze mit den längst abgenutzten Wortspielereien der mittelalterlichen Dialectik anfülle, bei den Offenbarungsgläubigen aber im Mißkredit. weil er mit seiner „positiven Philosophie“ niemals herausrückte, st. er am 20. August 1854 im Bade Ragaz im Schweizerkanton St. Gallen. Vergleicht man die Leistungen Platons und S.s mit Rücksicht auf die Zeit. in der jeder lebte, sowie auf den Stand der Wissenschaften, den jeder vorfand, so steht S. trotz seiner unläugbaren Gedankenfülle und Gedankentiefe weit unter dem Hellenen; ähnlich ist jedoch S. demselben, insofern er niemals ein fertiges und geschlossenes System schuf, sondern in seinen Schriften die Geschichte seiner Bildungsstufen niederlegte, ferner im Anknüpfen an vorangegangene Philosophen, nicht minder im dichterischen aber häufig auch unklaren Charakter der Schreibart, endlich in der begeisterten Aufnahme. die er fand, in der Zahl seiner Schüler, sowie in dem Einflusse, den er dadurch auf den Gang der wissenschaftlichen Entwicklung ausübte. S.s Blütezeit fällt in die Jahre 1795–1812, in welchen er auch die meisten und besten seiner Schriften verfaßte und als Herold der Philosophie der romantischen Schule dastand. Unter der großen Zahl seiner Schriften nennen wir: über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt (1795), vom Ich als Princip der Philosophie (1795), Deduction des Naturrechts (1796). Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797), die Weltsee le (1798), erster Entwurf eines Systems des transcendentalen Idealismus (1800), Darstellung eines Systems der Philosophie (1801). Bruno (1802), Methode des akademischen Studiums (1803), Philosophie u. Religion (1804), Untersuchungen über die menschl. Freiheit (1809), die Gottheiten von Samothrake (1815); die Gesammtausgabe, deren 1. Bd. bei J. G. Cotta in Stuttgart und Augsburg im Frühling 1856 herauskam, wurde aber mit noch bis her ungedruckten philosophischen Werken (Einleitung in die Philosophie der Mythologie, Monotheismus, Philosophie der Mythologie, Philosophie der Offenbarung, über den Gegensatz der negativen und positiven Philosophie) eröffnet u. wird auch enthalten, was S. als der Dichter „Bonaventura“ leistete. S. besaß die Anlagen eines Mystikers und Dichters; dies verleiht all seinen Schriften einen ganz andern u. unläugbar schönern Charakter als denen Hegels, u. zudem ist S. in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung als Philosoph im Ganzen mehr ein Repräsentant seiner Zeit gewesen als jener. Gewöhnlich unterscheidet man bei ihm 5 solcher Stadien, nämlich 1) den Hervorgang aus Fichte; 2) die Natur- und Transcendentalphilosophie; 3) die Periode des Spinozismus od. der Indifferenz des Realen und Idealen; 4) die mystische. an den Neuplatonismus sich anknüpfende Wendung u. 5) Versuch einer Theogonie und Kosmogonie nach Jakob Böhme; künftig wird man als 6. Periode die der positiven Philosophie berücksichtigen müssen, um so entschiedener, falls dieselbe auf einer Rückkehr der S. schen Vernunft zum positiven Glauben wirklich beruht u. je mehr er alsdann auch hierin als ein Chorführer der Zeit erschiene. Hinsichtlich des Inhaltes der S. schen Philosophie war der Grundcharakter derselben von vornherein Pantheismus und ist es durch alle 5 bekannten Stufen der geistigen Entwicklung des Philosophen geblieben, obwohl ihm nachgerühmt werden muß, daß er beständig strebte, aus dem Pantheismus heraus in den Theismus zu gelangen, was freilich nie gelingen wird, so lange man von voraussetzungslosen Philosophien träumt und lediglich reinphilosophische Wege einschlägt. Schon im ersten Stadium, nachdem S. kaum die Nothwendigkeit

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/71>, abgerufen am 21.11.2024.