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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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daß sein ganzes Wesen von jenem höchstens scheinbar erhabenen Hochmuthe beherrscht war, der die menschliche Erkenntniß für souverän hält u. vor Allem die eigene Einsicht über Gott und Welt erhebt. S.s philosophisches System ist ein substantieller Pantheismus, auf 3 Grundbegriffen ruhend: Substanz, Attribut und Modus, die gläubig hingenommen werden müssen, aus denen aber alsdann alles Uebrige, was gesagt wird, mit mathematischer Nothwendigkeit sich ergibt. 1) Unter Substanz verstand S. das ewige unendliche Sein, dessen Wesen Existenz in sich schließt; von ihr läßt sich laut S. selber positiv weiter gar nichts sagen, erstens weil jede Begriffsbestimmung die nächste Ursache des zu Erklärenden mit enthalten müsse, die Substanz aber als Unerschaffenes gar keine Ursache außerhalb ihrer haben könne, dann zweitens weil jede Bestimmung Verneinung sei d. h. weil jede einen Mangel der Existenz, ein relatives Nichtsein andeutet. S. ging von Descartes aus, allein er nahm nur Eine Substanz an, die er als den Grund aller Dinge, als Gott auffaßte. Wie ferne dieser Gott der christlichen Gottesidee stehe, leuchtet auf den ersten Blick ein, nicht minder wie begründet vom christlichen Standpunkte aus die Anklage des Atheismus war, welche im 17. und 18. Jahrh. Viele wider ihn schleuderten; zum Ueberfluß spottete S. offen über Alle, welche Gott Verstand und Willen zuschrieben od. ihn nach Zwecken handeln ließen. Philosophisch ist die Substanz der Strudel, in deren Abgrund die ganze Welt mit all ihren Bildungen hinabgerissen wird, der Mittelpunkt, der alles Geschaffene an sich zieht und in und durch welchen sie allein ihr Sein haben, zugleich aber auch die Löwenhöhle, in welcher jedes Geschöpf verschwindet und aus welcher keines mehr herauskommt. 2) Die Substanz an sich hat unendlich viele Attribute od. Bestimmungen, welche ihr Wesen ausdrücken für den wahrnehmenden Verstand; der menschliche Verstand aber vermag von allen Attributen nur 2 zu erkennen, nämlich Denken (Geist) und Ausdehnung (Materie) u. diese beiden deßhalb, weil unter allen Begriffen, die unser Verstand zu fassen vermag, eben nur diese beiden wirklich positiv sind od. Realität ausdrücken. Wesentliche Erscheinungsformen der göttlichen Substanz sind übrigens die 2 Attribute keineswegs; lediglich unser Verstand bringt sie an die Substanz oder Gott heran und Gott ist denkend oder ausgedehnt, je nachdem unser Verstand ihn unter dem Attribute des Denkens oder der Ausdehnung betrachtet. Die 2 Attribute sind gegenüber der Substanz ganz selbständig und lediglich durch sich selber zu begreifen, aber auch unter sich sind sie 2 streng geschiedene Gegensätze, so daß zwischen der geistigen und materiellen Welt von einer Wechselwirkung durchaus keine Rede sein kann. Der Leib wirkt nicht auf die Seele und diese nicht auf den Leib ein, jeder einzelne Gedanke stammt lediglich von einem früheren Gedanken, jede leibliche Bewegung lediglich von einer früheren leiblichen Bewegung her. Dennoch herrscht zwischen Ideen u. Dingen ein und derselbe Zusammenhang, zwischen der geistigen u. materiellen Welt durchgängig ein vollkommener Parallelismus, denn es ist stets ein und dieselbe göttliche Substanz, die unter einem der beiden Attribute und unter jedem gleich richtig gedacht wird. So sind z. B. Leib und Seele ein und dasselbe Ding und ihr einziger Unterschied liegt darin, ob man dieses Ding unter dem Attribut des Denkens oder dem der Ausdehnung betrachtet; was ferner über dem Attribut des Denkens betrachtet Denkact ist, ist unter dem der Ausdehnung betrachtet körperliche Bewegung u. s. f. 3) Die Modi sind die wechselnden Formen der Substanz, nicht einmal den Meereswellen vergleichbar, da sie ihr Sein lediglich in der göttlichen Substanz haben, es sind die Einzeldinge, unter dem Attribut des Denkens betrachtet die Ideen, unter dem der Ausdehnung betrachtet die Körperdinge. Wirkliches Sein hat lediglich die göttliche Substanz, die Welt und jedes Ding hat nur in ihr und durch sie ein Sein und so hatte Bayle Recht als er sagte, S. habe jedem Dinge Göttlichkeit zugeschrieben oder Alles sei

daß sein ganzes Wesen von jenem höchstens scheinbar erhabenen Hochmuthe beherrscht war, der die menschliche Erkenntniß für souverän hält u. vor Allem die eigene Einsicht über Gott und Welt erhebt. S.s philosophisches System ist ein substantieller Pantheismus, auf 3 Grundbegriffen ruhend: Substanz, Attribut und Modus, die gläubig hingenommen werden müssen, aus denen aber alsdann alles Uebrige, was gesagt wird, mit mathematischer Nothwendigkeit sich ergibt. 1) Unter Substanz verstand S. das ewige unendliche Sein, dessen Wesen Existenz in sich schließt; von ihr läßt sich laut S. selber positiv weiter gar nichts sagen, erstens weil jede Begriffsbestimmung die nächste Ursache des zu Erklärenden mit enthalten müsse, die Substanz aber als Unerschaffenes gar keine Ursache außerhalb ihrer haben könne, dann zweitens weil jede Bestimmung Verneinung sei d. h. weil jede einen Mangel der Existenz, ein relatives Nichtsein andeutet. S. ging von Descartes aus, allein er nahm nur Eine Substanz an, die er als den Grund aller Dinge, als Gott auffaßte. Wie ferne dieser Gott der christlichen Gottesidee stehe, leuchtet auf den ersten Blick ein, nicht minder wie begründet vom christlichen Standpunkte aus die Anklage des Atheismus war, welche im 17. und 18. Jahrh. Viele wider ihn schleuderten; zum Ueberfluß spottete S. offen über Alle, welche Gott Verstand und Willen zuschrieben od. ihn nach Zwecken handeln ließen. Philosophisch ist die Substanz der Strudel, in deren Abgrund die ganze Welt mit all ihren Bildungen hinabgerissen wird, der Mittelpunkt, der alles Geschaffene an sich zieht und in und durch welchen sie allein ihr Sein haben, zugleich aber auch die Löwenhöhle, in welcher jedes Geschöpf verschwindet und aus welcher keines mehr herauskommt. 2) Die Substanz an sich hat unendlich viele Attribute od. Bestimmungen, welche ihr Wesen ausdrücken für den wahrnehmenden Verstand; der menschliche Verstand aber vermag von allen Attributen nur 2 zu erkennen, nämlich Denken (Geist) und Ausdehnung (Materie) u. diese beiden deßhalb, weil unter allen Begriffen, die unser Verstand zu fassen vermag, eben nur diese beiden wirklich positiv sind od. Realität ausdrücken. Wesentliche Erscheinungsformen der göttlichen Substanz sind übrigens die 2 Attribute keineswegs; lediglich unser Verstand bringt sie an die Substanz oder Gott heran und Gott ist denkend oder ausgedehnt, je nachdem unser Verstand ihn unter dem Attribute des Denkens oder der Ausdehnung betrachtet. Die 2 Attribute sind gegenüber der Substanz ganz selbständig und lediglich durch sich selber zu begreifen, aber auch unter sich sind sie 2 streng geschiedene Gegensätze, so daß zwischen der geistigen und materiellen Welt von einer Wechselwirkung durchaus keine Rede sein kann. Der Leib wirkt nicht auf die Seele und diese nicht auf den Leib ein, jeder einzelne Gedanke stammt lediglich von einem früheren Gedanken, jede leibliche Bewegung lediglich von einer früheren leiblichen Bewegung her. Dennoch herrscht zwischen Ideen u. Dingen ein und derselbe Zusammenhang, zwischen der geistigen u. materiellen Welt durchgängig ein vollkommener Parallelismus, denn es ist stets ein und dieselbe göttliche Substanz, die unter einem der beiden Attribute und unter jedem gleich richtig gedacht wird. So sind z. B. Leib und Seele ein und dasselbe Ding und ihr einziger Unterschied liegt darin, ob man dieses Ding unter dem Attribut des Denkens oder dem der Ausdehnung betrachtet; was ferner über dem Attribut des Denkens betrachtet Denkact ist, ist unter dem der Ausdehnung betrachtet körperliche Bewegung u. s. f. 3) Die Modi sind die wechselnden Formen der Substanz, nicht einmal den Meereswellen vergleichbar, da sie ihr Sein lediglich in der göttlichen Substanz haben, es sind die Einzeldinge, unter dem Attribut des Denkens betrachtet die Ideen, unter dem der Ausdehnung betrachtet die Körperdinge. Wirkliches Sein hat lediglich die göttliche Substanz, die Welt und jedes Ding hat nur in ihr und durch sie ein Sein und so hatte Bayle Recht als er sagte, S. habe jedem Dinge Göttlichkeit zugeschrieben oder Alles sei

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[288/0289] daß sein ganzes Wesen von jenem höchstens scheinbar erhabenen Hochmuthe beherrscht war, der die menschliche Erkenntniß für souverän hält u. vor Allem die eigene Einsicht über Gott und Welt erhebt. S.s philosophisches System ist ein substantieller Pantheismus, auf 3 Grundbegriffen ruhend: Substanz, Attribut und Modus, die gläubig hingenommen werden müssen, aus denen aber alsdann alles Uebrige, was gesagt wird, mit mathematischer Nothwendigkeit sich ergibt. 1) Unter Substanz verstand S. das ewige unendliche Sein, dessen Wesen Existenz in sich schließt; von ihr läßt sich laut S. selber positiv weiter gar nichts sagen, erstens weil jede Begriffsbestimmung die nächste Ursache des zu Erklärenden mit enthalten müsse, die Substanz aber als Unerschaffenes gar keine Ursache außerhalb ihrer haben könne, dann zweitens weil jede Bestimmung Verneinung sei d. h. weil jede einen Mangel der Existenz, ein relatives Nichtsein andeutet. S. ging von Descartes aus, allein er nahm nur Eine Substanz an, die er als den Grund aller Dinge, als Gott auffaßte. Wie ferne dieser Gott der christlichen Gottesidee stehe, leuchtet auf den ersten Blick ein, nicht minder wie begründet vom christlichen Standpunkte aus die Anklage des Atheismus war, welche im 17. und 18. Jahrh. Viele wider ihn schleuderten; zum Ueberfluß spottete S. offen über Alle, welche Gott Verstand und Willen zuschrieben od. ihn nach Zwecken handeln ließen. Philosophisch ist die Substanz der Strudel, in deren Abgrund die ganze Welt mit all ihren Bildungen hinabgerissen wird, der Mittelpunkt, der alles Geschaffene an sich zieht und in und durch welchen sie allein ihr Sein haben, zugleich aber auch die Löwenhöhle, in welcher jedes Geschöpf verschwindet und aus welcher keines mehr herauskommt. 2) Die Substanz an sich hat unendlich viele Attribute od. Bestimmungen, welche ihr Wesen ausdrücken für den wahrnehmenden Verstand; der menschliche Verstand aber vermag von allen Attributen nur 2 zu erkennen, nämlich Denken (Geist) und Ausdehnung (Materie) u. diese beiden deßhalb, weil unter allen Begriffen, die unser Verstand zu fassen vermag, eben nur diese beiden wirklich positiv sind od. Realität ausdrücken. Wesentliche Erscheinungsformen der göttlichen Substanz sind übrigens die 2 Attribute keineswegs; lediglich unser Verstand bringt sie an die Substanz oder Gott heran und Gott ist denkend oder ausgedehnt, je nachdem unser Verstand ihn unter dem Attribute des Denkens oder der Ausdehnung betrachtet. Die 2 Attribute sind gegenüber der Substanz ganz selbständig und lediglich durch sich selber zu begreifen, aber auch unter sich sind sie 2 streng geschiedene Gegensätze, so daß zwischen der geistigen und materiellen Welt von einer Wechselwirkung durchaus keine Rede sein kann. Der Leib wirkt nicht auf die Seele und diese nicht auf den Leib ein, jeder einzelne Gedanke stammt lediglich von einem früheren Gedanken, jede leibliche Bewegung lediglich von einer früheren leiblichen Bewegung her. Dennoch herrscht zwischen Ideen u. Dingen ein und derselbe Zusammenhang, zwischen der geistigen u. materiellen Welt durchgängig ein vollkommener Parallelismus, denn es ist stets ein und dieselbe göttliche Substanz, die unter einem der beiden Attribute und unter jedem gleich richtig gedacht wird. So sind z. B. Leib und Seele ein und dasselbe Ding und ihr einziger Unterschied liegt darin, ob man dieses Ding unter dem Attribut des Denkens oder dem der Ausdehnung betrachtet; was ferner über dem Attribut des Denkens betrachtet Denkact ist, ist unter dem der Ausdehnung betrachtet körperliche Bewegung u. s. f. 3) Die Modi sind die wechselnden Formen der Substanz, nicht einmal den Meereswellen vergleichbar, da sie ihr Sein lediglich in der göttlichen Substanz haben, es sind die Einzeldinge, unter dem Attribut des Denkens betrachtet die Ideen, unter dem der Ausdehnung betrachtet die Körperdinge. Wirkliches Sein hat lediglich die göttliche Substanz, die Welt und jedes Ding hat nur in ihr und durch sie ein Sein und so hatte Bayle Recht als er sagte, S. habe jedem Dinge Göttlichkeit zugeschrieben oder Alles sei

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/289>, abgerufen am 03.12.2024.