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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 46. Burg/Berlin, 1837.

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731 Conversationsblatt.. 732
[Beginn Spaltensatz] Jch komme ganz ordentlich jetzt voran, und hoffe, Sie
werden mich nicht von einem Kriegsgericht erschießen
lassen."


"Nein," versetzte Kapitän R., "ich habe nichts
mehr mit dem Seedienst zu thun; ich bin auch Land-
wirth geworden, und Jhr mögt ganz ohne Sorgen sein."

"Es geht Jhnen hoffentlich gut, Sir?"

"Nicht ganz so gut, wie Euch, Wilm - ich bin
deshalb in die Hinterwälder gekommen, um zu sehen,
ob ich's da besser finden kann."

"Oh, da dienen Sie nun unter mir," sagte Wilm,
"und ich will Jhnen alle Jhre guten Dienste vergelten."

"So - das Peitschen et caetera?"

"Weiß Gott, Sir, ich kann's," sagte Wilm. Ver-
suchen Sie's mit mir, Sir."

"Nein - ich gehe noch ein wenig weiter."

"Weiter mögen Sie wohl gehen, aber nur schlech-
ter dabei fahren."

"Vielleicht, vielleicht auch nicht - doch's ist Bett-
gehenszeit, glaube ich - also gute Nacht, Herr Geist!"

Der Kapitän begab sich in seine Kammer, hatte
aber den Kopf so voll von Wilm Morgans Abenteuern,
daß er nicht einschlafen konnte, ohngeachtet er heute
einen mehr als 16stündigen Ritt gemacht hatte. Es
mochte ungefähr zwei Stunden vor Tagesanbruch sein,
da war ihm, als höre er eine Art leises Geflüster un-
ter seinem Fenster, das im Erdgeschoß war, und plötz-
lich durchkreuzte ihm der Gedanke an das Einsame sei-
ner Lage, wie ein Blitz das Gehirn. Gab's je einen
verdächtig aussehenden Menschen, so war's dieser Wilm
Morgan, und gab's je einen Fleck, wo ein Reisender
ungestraft abgethan werden konnte, so war's dieses ein-
same versteckte Balkenhaus in dem fast pfadlosen Ur-
walde. Auch das fiel ihm ein, daß er Wilm gesagt
hatte, er sei in der Absicht, Land zu kaufen hergekom-
men; folglich war auch Geld bei ihm zu vermuthen,
ohnehin konnte ja kein Mensch eine Reise von einigen
tausend Meilen antreten, ohne ein paar hundert Dol-
lare zur Bestreitung seiner Ausgaben. Kapitän R. war
ein Mann von Kraft und Entschlossenheit, allein es
giebt Zeiten und Lagen, in denen die Besorgniß der
Gefahr zehntausendmal erschreckender ist, als die Wirk-
lichkeit. Ja, wir sind aus eigener Erfahrung überzeugt,
daß die Phantasie mehr Memmen macht, als andere Ur-
sachen zusammengenommen. Der Kapitän suchte, erst
mit Vernunftgründen, und dann mit heroischen Bah's
diese bänglichen Ahnungen zum Schweigen zu bringen.
Allein das Geflüster dauerte fort, und zuletzt konnte er
deutlich die hohle Stimme Wilm Morgans und dessen
Worte unterscheiden:

"St! Du weckst den Kapitän auf!"

"Soll ich ihm jetzt ein's aufbrennen?" versetzte
Einer in demselben gedämpften Tone.

"Nein," sagte Wilm; "Du kannst ihn noch nicht
deutlich genug sehen: Du könntest ihn fehlen."

"Nu, wenn ich ihn fehle, so kannst du's ja nach-
her probiren."

"Aber er läuft davon."

"Der Henker soll mich holen, wenn ich's thue,"
[Spaltenumbruch] dachte der Kapitän im Stillen, richtete sich sachte im
Bette auf und lugte behutsam zu dem, hart an seinem
Lager [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]befidlichen Fenster hinaus. Der Mond schien
nicht, und der ganze weite Himmel war mit leichten,
flockigen Wolken umschleiert, welche das Sternenlicht
ganz verbargen und eine nebelhafte Dunkelheit verur-
sachten, durch die man zwar die Gegenstände in ihren
Umrissen, aber nicht in ihren bestimmten, klaren Zügen
sehen konnte. Jn einem großen Platanenbaum, dessen
hohler Stamm eine ganze Schaar Raubgesellen hätte
unterbringen können, zusammenhuckend, unterschied er zwei
Mannsgestalten, geduckt und vorgebückt, wie, wenn sie
nach einem entfernten Gegenstande hinsähen.

"Da! da ist er!" wisperte Einer, "schieß!"

"Der Kapitän sank auf sein Bett zurück, denn
Einer der Kerle, wie er deutlich bemerkte, hob eben
sein Gewehr.

"Hol' ihn.....," sagte Wilm, "dießmal hat er
uns genarrt. Schau' wieder aus, und so wie du nur
seine Augen ersiehst - schieß drauf los!"

Kapitän R. stand auf, zog sich in aller Kürze
an, bewaffnete sich mit einem Paar Pistolen, die er
bei sich führte, setzte sich nahe an die einzige Thür sei-
ner Stube, jedoch so, daß man ihn von Außen nicht
sehen konnte, und erwartete nun ruhig gefaßt das Wei-
tere. Je mehr der Anschein der Gefahr Halt und Ge-
stalt der Wirklichkeit annahm, desto höher hob sich sein
Muth, ihm zu begegnen. Er war noch keine fünf Mi-
nuten so gesessen, so hörte er die zwei Gewehre rasch
nacheinander abfeuern. Ein Augenblick darauf ließ sich
Wilm Morgans Stimme deutlich vernehmen.

"Beim -, wir haben's dem Herrn gegeben."
"Nicht so ganz" dachte Kapitän R. im Stillen, seine
Pistole spannend und jeden Augenblick eines Besuchs
gewärtig.

"Jch sah ihn niederstürzen," rief Wilm's Genosse.

"Er ist davon gelaufen," antwortete Wilm.

"Das lügst Du, Schurke," murmelte ganz ergrimmt
der Kapitän und stürzte mit dem Ausrufe: "ich will
Euch weisen, ob ich davon gelaufen bin," aus der Thüre.
Kühn schritt er auf die zwei Nichtswürdigen zu, die
jetzt eben in dem Dickicht um's Haus tappend herum-
suchten. Endlich schrie der Eine: "Ho, da liegt der
Herr, mausetodt, wie Julius Cäsar. Der sagt's Kei-
nem, wer's ihm gethan hat, denk' ich."

"Er ist so fett, wie Butter," sagte Wilm.

"Kerls!" schrie er auf sie, zustürzend: "wen habt
Jhr da um's Leben gebracht?"

"Nur 'nen Bären, Sir," schrie Wilm Morgans
Geist, "der mir schon einige Zeit her meine Schwein-
heerde bestiehlt; ich denke aber, ich habe jetzt reine
Rechnung mit ihm gemacht."

Kapitän R. kehrte ganz geruhig in seine Stube
zurück, ging zu Bette und schlief wie ein Kreisel, bis
die helle Sonne ihm über die Baumwipfel her ins Ge-
sicht schien, da er hart am Fenster lag. Erhielt ein präch-
tiges Frühstück an einer großen saftigen Schnitte des
fetten Herrn, und machte sich mit rüstigem Muthe nach
den Prairieen von St. Louis auf den Weg.

[Ende Spaltensatz]

731 Conversationsblatt.. 732
[Beginn Spaltensatz] Jch komme ganz ordentlich jetzt voran, und hoffe, Sie
werden mich nicht von einem Kriegsgericht erschießen
lassen.“


„Nein,“ versetzte Kapitän R., „ich habe nichts
mehr mit dem Seedienst zu thun; ich bin auch Land-
wirth geworden, und Jhr mögt ganz ohne Sorgen sein.“

„Es geht Jhnen hoffentlich gut, Sir?“

„Nicht ganz so gut, wie Euch, Wilm – ich bin
deshalb in die Hinterwälder gekommen, um zu sehen,
ob ich's da besser finden kann.“

„Oh, da dienen Sie nun unter mir,“ sagte Wilm,
„und ich will Jhnen alle Jhre guten Dienste vergelten.“

„So – das Peitschen et caetera?“

„Weiß Gott, Sir, ich kann's,“ sagte Wilm. Ver-
suchen Sie's mit mir, Sir.“

„Nein – ich gehe noch ein wenig weiter.“

„Weiter mögen Sie wohl gehen, aber nur schlech-
ter dabei fahren.“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht – doch's ist Bett-
gehenszeit, glaube ich – also gute Nacht, Herr Geist!“

Der Kapitän begab sich in seine Kammer, hatte
aber den Kopf so voll von Wilm Morgans Abenteuern,
daß er nicht einschlafen konnte, ohngeachtet er heute
einen mehr als 16stündigen Ritt gemacht hatte. Es
mochte ungefähr zwei Stunden vor Tagesanbruch sein,
da war ihm, als höre er eine Art leises Geflüster un-
ter seinem Fenster, das im Erdgeschoß war, und plötz-
lich durchkreuzte ihm der Gedanke an das Einsame sei-
ner Lage, wie ein Blitz das Gehirn. Gab's je einen
verdächtig aussehenden Menschen, so war's dieser Wilm
Morgan, und gab's je einen Fleck, wo ein Reisender
ungestraft abgethan werden konnte, so war's dieses ein-
same versteckte Balkenhaus in dem fast pfadlosen Ur-
walde. Auch das fiel ihm ein, daß er Wilm gesagt
hatte, er sei in der Absicht, Land zu kaufen hergekom-
men; folglich war auch Geld bei ihm zu vermuthen,
ohnehin konnte ja kein Mensch eine Reise von einigen
tausend Meilen antreten, ohne ein paar hundert Dol-
lare zur Bestreitung seiner Ausgaben. Kapitän R. war
ein Mann von Kraft und Entschlossenheit, allein es
giebt Zeiten und Lagen, in denen die Besorgniß der
Gefahr zehntausendmal erschreckender ist, als die Wirk-
lichkeit. Ja, wir sind aus eigener Erfahrung überzeugt,
daß die Phantasie mehr Memmen macht, als andere Ur-
sachen zusammengenommen. Der Kapitän suchte, erst
mit Vernunftgründen, und dann mit heroischen Bah's
diese bänglichen Ahnungen zum Schweigen zu bringen.
Allein das Geflüster dauerte fort, und zuletzt konnte er
deutlich die hohle Stimme Wilm Morgans und dessen
Worte unterscheiden:

„St! Du weckst den Kapitän auf!“

„Soll ich ihm jetzt ein's aufbrennen?“ versetzte
Einer in demselben gedämpften Tone.

„Nein,“ sagte Wilm; „Du kannst ihn noch nicht
deutlich genug sehen: Du könntest ihn fehlen.“

„Nu, wenn ich ihn fehle, so kannst du's ja nach-
her probiren.“

„Aber er läuft davon.“

„Der Henker soll mich holen, wenn ich's thue,“
[Spaltenumbruch] dachte der Kapitän im Stillen, richtete sich sachte im
Bette auf und lugte behutsam zu dem, hart an seinem
Lager [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]befidlichen Fenster hinaus. Der Mond schien
nicht, und der ganze weite Himmel war mit leichten,
flockigen Wolken umschleiert, welche das Sternenlicht
ganz verbargen und eine nebelhafte Dunkelheit verur-
sachten, durch die man zwar die Gegenstände in ihren
Umrissen, aber nicht in ihren bestimmten, klaren Zügen
sehen konnte. Jn einem großen Platanenbaum, dessen
hohler Stamm eine ganze Schaar Raubgesellen hätte
unterbringen können, zusammenhuckend, unterschied er zwei
Mannsgestalten, geduckt und vorgebückt, wie, wenn sie
nach einem entfernten Gegenstande hinsähen.

„Da! da ist er!“ wisperte Einer, „schieß!“

„Der Kapitän sank auf sein Bett zurück, denn
Einer der Kerle, wie er deutlich bemerkte, hob eben
sein Gewehr.

„Hol' ihn.....,“ sagte Wilm, „dießmal hat er
uns genarrt. Schau' wieder aus, und so wie du nur
seine Augen ersiehst – schieß drauf los!“

Kapitän R. stand auf, zog sich in aller Kürze
an, bewaffnete sich mit einem Paar Pistolen, die er
bei sich führte, setzte sich nahe an die einzige Thür sei-
ner Stube, jedoch so, daß man ihn von Außen nicht
sehen konnte, und erwartete nun ruhig gefaßt das Wei-
tere. Je mehr der Anschein der Gefahr Halt und Ge-
stalt der Wirklichkeit annahm, desto höher hob sich sein
Muth, ihm zu begegnen. Er war noch keine fünf Mi-
nuten so gesessen, so hörte er die zwei Gewehre rasch
nacheinander abfeuern. Ein Augenblick darauf ließ sich
Wilm Morgans Stimme deutlich vernehmen.

„Beim –, wir haben's dem Herrn gegeben.“
„Nicht so ganz“ dachte Kapitän R. im Stillen, seine
Pistole spannend und jeden Augenblick eines Besuchs
gewärtig.

„Jch sah ihn niederstürzen,“ rief Wilm's Genosse.

„Er ist davon gelaufen,“ antwortete Wilm.

„Das lügst Du, Schurke,“ murmelte ganz ergrimmt
der Kapitän und stürzte mit dem Ausrufe: „ich will
Euch weisen, ob ich davon gelaufen bin,“ aus der Thüre.
Kühn schritt er auf die zwei Nichtswürdigen zu, die
jetzt eben in dem Dickicht um's Haus tappend herum-
suchten. Endlich schrie der Eine: „Ho, da liegt der
Herr, mausetodt, wie Julius Cäsar. Der sagt's Kei-
nem, wer's ihm gethan hat, denk' ich.“

„Er ist so fett, wie Butter,“ sagte Wilm.

„Kerls!“ schrie er auf sie, zustürzend: „wen habt
Jhr da um's Leben gebracht?“

„Nur 'nen Bären, Sir,“ schrie Wilm Morgans
Geist, „der mir schon einige Zeit her meine Schwein-
heerde bestiehlt; ich denke aber, ich habe jetzt reine
Rechnung mit ihm gemacht.“

Kapitän R. kehrte ganz geruhig in seine Stube
zurück, ging zu Bette und schlief wie ein Kreisel, bis
die helle Sonne ihm über die Baumwipfel her ins Ge-
sicht schien, da er hart am Fenster lag. Erhielt ein präch-
tiges Frühstück an einer großen saftigen Schnitte des
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den Prairieen von St. Louis auf den Weg.

[Ende Spaltensatz]
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Er war noch keine fünf Mi- nuten so gesessen, so hörte er die zwei Gewehre rasch nacheinander abfeuern. Ein Augenblick darauf ließ sich Wilm Morgans Stimme deutlich vernehmen. „Beim –, wir haben's dem Herrn gegeben.“ „Nicht so ganz“ dachte Kapitän R. im Stillen, seine Pistole spannend und jeden Augenblick eines Besuchs gewärtig. „Jch sah ihn niederstürzen,“ rief Wilm's Genosse. „Er ist davon gelaufen,“ antwortete Wilm. „Das lügst Du, Schurke,“ murmelte ganz ergrimmt der Kapitän und stürzte mit dem Ausrufe: „ich will Euch weisen, ob ich davon gelaufen bin,“ aus der Thüre. Kühn schritt er auf die zwei Nichtswürdigen zu, die jetzt eben in dem Dickicht um's Haus tappend herum- suchten. Endlich schrie der Eine: „Ho, da liegt der Herr, mausetodt, wie Julius Cäsar. Der sagt's Kei- nem, wer's ihm gethan hat, denk' ich.“ „Er ist so fett, wie Butter,“ sagte Wilm. „Kerls!“ schrie er auf sie, zustürzend: „wen habt Jhr da um's Leben gebracht?“ „Nur 'nen Bären, Sir,“ schrie Wilm Morgans Geist, „der mir schon einige Zeit her meine Schwein- heerde bestiehlt; ich denke aber, ich habe jetzt reine Rechnung mit ihm gemacht.“ Kapitän R. kehrte ganz geruhig in seine Stube zurück, ging zu Bette und schlief wie ein Kreisel, bis die helle Sonne ihm über die Baumwipfel her ins Ge- sicht schien, da er hart am Fenster lag. Erhielt ein präch- tiges Frühstück an einer großen saftigen Schnitte des fetten Herrn, und machte sich mit rüstigem Muthe nach den Prairieen von St. Louis auf den Weg.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 46. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt46_1837/6>, abgerufen am 27.11.2024.