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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 29. Burg/Berlin, 1837.

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457 Conversations=Blatt. 458
[Beginn Spaltensatz]

"Nun für den Chef der Polizei. Auch seine Rache
soll ihm werden!"

Auf ein zweites Zeichen Sarloffs machten die ge-
schickten Henker die Schlinge um Dewisky's Nacken.
"Halt!" schrie der Oberst der Polizei, und dicht vor
den Unglücklichen hintretend, fragte er ihn höhnisch:
"Habt Jhr noch etwas zu sagen?"

"Fluch über Euch!" war Dewisky's Antwort.
"Nur Eines noch," seufzte er, indem sie ihn in die Höhe
zogen: "wer hat mich verrathen?"

Da rief ein wilder Ton ihm in die Ohren: "Sagt
ich es Euch nicht diesen Abend, daß Eure Liebe Euch
erhöhen würde?"

Dewisky's letzte Blicke fielen auf das häßliche Ant-
litz des Zauberers, der mit teuflischem Lachen den Strick
um den niedrigsten Zweig des Baumes geschlungen
hatte.

Geheime Versammlung der Mar-
ron=Neger und der Vergifter.

(Fortsetzung.)

Die zwei vorspringenden Charakterzüge der Neger-
ra ce, List und Eitelkeit, erschienen deutlich auf der Phy-
siognomie des Häuptlings, aber diese Eigenschaften sind
gehoben, durch einen unternehmenden Muth und die Lust
an waghalsigen Abenteuern; stets gegen seinen eigenen
ungestümen Sinn kämpfend, kann er es kaum über sich
gewinnen, seine geheimen Gedanken nicht zu verrathen.
Jn seiner wilden Physiognomie, in seinen aufgeblasenen
Nasenflügeln, auf seiner vortretenden breiten Stirne zeigt
sich die unaufhörliche Aufregung des afrikanischen Spar-
takus, und in seinen stets rollenden Augen erkennt man
die Thätigkeit eines rohen, aber kräftigen Talents, das,
sich selbst unbewußt, nur in der Ausübung der Macht
an seiner Stelle fühlt.

Die finstere Ungeduld in seinen Blicken verschwand
manchmal, wenn seine geliebte Subaina ihm seinen Sohn
hinreichte, aber nichts konnte sie auf längere Zeit ver-
scheuchen. Bala hatte einen seiner Leute auf die Pflan-
zungen geschickt, um die Vergifter zu sammeln, und sie
an den voraus bestimmten Ort zu führen; die Stunde,
wo er zurückkommen sollte, war verstrichen, und Bala
blickte jeden Augenblick voll Unruhe in den Wald hinein,
wo sie herkommen sollten. Mit einem Male flog ein
Lächeln über sein Gesicht, er stand auf und rief: "Das
ist Adonis!" Alsbald legten sich die andern Marrons
mit dem Ohre auf den Boden, um desto leichter das
ferne Geräusch zu vernehmen, und nach einigen Augen-
blicken hörte man ein leichtes Gemurmel, welches in ein-
zelnen Pausen wieder erstarb: "Das ist Adonis!" rief
Bala abermals, und stieß einen Schrei aus, welchen die
Marrons mit donnerndem Zuruf beantworteten, und
dann mit einer gewissen Scheu die Erscheinung der ge-
heimnißvollen Zauberer erwarteten.

Endlich erblickte man hinter einer Erhöhung an-
fangs den Kopf, dann den Körper von Adonis, welcher
[Spaltenumbruch] mit seinen durch den Pian *) verdrehten Gliedern und
mit seinen schwankenden Bewegungen, einer Schlange
glich, welche sich vermittelst ihres Schweifs aufrichtet.
Jhm folgte die Schaar der Vergifter, jeder mit einer
Fackel in der Hand; mitten in einem Streif von Feuer
und Rauch durchzogen sie den Wald, und sah man sie
in der Finsterniß, welche die Flamme der Fackeln nur
wie ein Blitz durchschnitt, mit ihren raschen Bewegun-
gen in dem dichten Gewinde des Waldes, so hätte man
glauben mögen, eine Schaar scheußlicher Salamander be-
wege sich daher in einem Feuerstrome. Ein langes Ge-
heul begrüßte ihre Ankunft, von beiden Seiten wechselte
man Worte und Zeichen der Freundschaft, aber dennoch
lauerte Mißtrauen in aller Augen. Die bewaffneten
und zahlreichen Marrons zitterten vor der unsichtbaren
Macht dieser Zauberer, die ihrerseits nur an geheime,
feige Schliche gewöhnt, von Seite ihrer Gastfreunde Ge-
waltthat fürchteten.

Bala rüstete sich, die Neuangekommenen mit einer
Rede zu empfangen, als ein scharfer durchdringender
Schrei die Marrons, die Vergifter und Bala selbst er-
schreckte: ihre scheuen Augen begegneten und frugen sich
und jeder suchte die Ursache des Unglück weissagenden
Schrei's zu erforschen. Bala allein faßte sich bald,
und griff nach seinem Gewehr, aber Subaina, welche
fortwährend ruhig da saß, hielt seinen Arm, und deu-
tete auf Jviane hin. Diese war von der Mühseligkeit
der Reise ermattet eingeschlafen, und schien in diesem
Augenblick mit einem schweren Traum zu kämpfen: bald
lag sie unbeweglich, und glich einer Leiche, bald wand
sie sich konvulsivisch, und ihre Lippen murmelten einige
unverständliche Worte aus: "Bala, Bala, rette mich!
rette Jviane!" Jhre Augen waren geschlossen, und ihr
Körper zitterte unter dem Einfluß der lebhaften Vision
aufs heftigste. Bei diesem Anblick stieß Bala einen
wilden Schrei aus, faßte sein Gewehr, und seine Augen
rollten wild umher, als umringten ihn seine tödtlichen
Feinde, die Pflanzer, von allen Seiten, die Marrons
und ihre Gefährten schauerten vor Furcht, nur Subaina
blieb ruhig, und Jviane sank bald wieder scheinbar be-
wußtlos auf ihr Lager von Blättern.

Nach einigen Augenblicken stummen Schreckens sprang
Bala auf, als wollte er die Furcht, welche ihn ergrif-
fen hatte, abschütteln, und befahl den Marrons, das
Fest zu bereiten. Die Speisen waren so seltsam, wie
die Gäste: hier sah man drei Fuß lange Eidechsen, ein
Lieblingsgericht der Gutschmecker in den Kolonien, große
Frösche, Papagayen, Flußkrabben, Cassavawurzeln und
die Früchte des Bananenbaums. Der stärkste Pfeffer
würzte Alles. Zum Getränk hatten sie Wasser und
Tafia, diesen Necktar der Antillen.

    (Beschluß folgt.)



[Ende Spaltensatz]
*) Eine furchtbare Krankheit, welcher die Neger unterwor-
fen sind.
457 Conversations=Blatt. 458
[Beginn Spaltensatz]

„Nun für den Chef der Polizei. Auch seine Rache
soll ihm werden!“

Auf ein zweites Zeichen Sarloffs machten die ge-
schickten Henker die Schlinge um Dewisky's Nacken.
„Halt!“ schrie der Oberst der Polizei, und dicht vor
den Unglücklichen hintretend, fragte er ihn höhnisch:
„Habt Jhr noch etwas zu sagen?“

„Fluch über Euch!“ war Dewisky's Antwort.
„Nur Eines noch,“ seufzte er, indem sie ihn in die Höhe
zogen: „wer hat mich verrathen?“

Da rief ein wilder Ton ihm in die Ohren: „Sagt
ich es Euch nicht diesen Abend, daß Eure Liebe Euch
erhöhen würde?“

Dewisky's letzte Blicke fielen auf das häßliche Ant-
litz des Zauberers, der mit teuflischem Lachen den Strick
um den niedrigsten Zweig des Baumes geschlungen
hatte.

Geheime Versammlung der Mar-
ron=Neger und der Vergifter.

(Fortsetzung.)

Die zwei vorspringenden Charakterzüge der Neger-
ra çe, List und Eitelkeit, erschienen deutlich auf der Phy-
siognomie des Häuptlings, aber diese Eigenschaften sind
gehoben, durch einen unternehmenden Muth und die Lust
an waghalsigen Abenteuern; stets gegen seinen eigenen
ungestümen Sinn kämpfend, kann er es kaum über sich
gewinnen, seine geheimen Gedanken nicht zu verrathen.
Jn seiner wilden Physiognomie, in seinen aufgeblasenen
Nasenflügeln, auf seiner vortretenden breiten Stirne zeigt
sich die unaufhörliche Aufregung des afrikanischen Spar-
takus, und in seinen stets rollenden Augen erkennt man
die Thätigkeit eines rohen, aber kräftigen Talents, das,
sich selbst unbewußt, nur in der Ausübung der Macht
an seiner Stelle fühlt.

Die finstere Ungeduld in seinen Blicken verschwand
manchmal, wenn seine geliebte Subaina ihm seinen Sohn
hinreichte, aber nichts konnte sie auf längere Zeit ver-
scheuchen. Bala hatte einen seiner Leute auf die Pflan-
zungen geschickt, um die Vergifter zu sammeln, und sie
an den voraus bestimmten Ort zu führen; die Stunde,
wo er zurückkommen sollte, war verstrichen, und Bala
blickte jeden Augenblick voll Unruhe in den Wald hinein,
wo sie herkommen sollten. Mit einem Male flog ein
Lächeln über sein Gesicht, er stand auf und rief: „Das
ist Adonis!“ Alsbald legten sich die andern Marrons
mit dem Ohre auf den Boden, um desto leichter das
ferne Geräusch zu vernehmen, und nach einigen Augen-
blicken hörte man ein leichtes Gemurmel, welches in ein-
zelnen Pausen wieder erstarb: „Das ist Adonis!“ rief
Bala abermals, und stieß einen Schrei aus, welchen die
Marrons mit donnerndem Zuruf beantworteten, und
dann mit einer gewissen Scheu die Erscheinung der ge-
heimnißvollen Zauberer erwarteten.

Endlich erblickte man hinter einer Erhöhung an-
fangs den Kopf, dann den Körper von Adonis, welcher
[Spaltenumbruch] mit seinen durch den Pian *) verdrehten Gliedern und
mit seinen schwankenden Bewegungen, einer Schlange
glich, welche sich vermittelst ihres Schweifs aufrichtet.
Jhm folgte die Schaar der Vergifter, jeder mit einer
Fackel in der Hand; mitten in einem Streif von Feuer
und Rauch durchzogen sie den Wald, und sah man sie
in der Finsterniß, welche die Flamme der Fackeln nur
wie ein Blitz durchschnitt, mit ihren raschen Bewegun-
gen in dem dichten Gewinde des Waldes, so hätte man
glauben mögen, eine Schaar scheußlicher Salamander be-
wege sich daher in einem Feuerstrome. Ein langes Ge-
heul begrüßte ihre Ankunft, von beiden Seiten wechselte
man Worte und Zeichen der Freundschaft, aber dennoch
lauerte Mißtrauen in aller Augen. Die bewaffneten
und zahlreichen Marrons zitterten vor der unsichtbaren
Macht dieser Zauberer, die ihrerseits nur an geheime,
feige Schliche gewöhnt, von Seite ihrer Gastfreunde Ge-
waltthat fürchteten.

Bala rüstete sich, die Neuangekommenen mit einer
Rede zu empfangen, als ein scharfer durchdringender
Schrei die Marrons, die Vergifter und Bala selbst er-
schreckte: ihre scheuen Augen begegneten und frugen sich
und jeder suchte die Ursache des Unglück weissagenden
Schrei's zu erforschen. Bala allein faßte sich bald,
und griff nach seinem Gewehr, aber Subaina, welche
fortwährend ruhig da saß, hielt seinen Arm, und deu-
tete auf Jviane hin. Diese war von der Mühseligkeit
der Reise ermattet eingeschlafen, und schien in diesem
Augenblick mit einem schweren Traum zu kämpfen: bald
lag sie unbeweglich, und glich einer Leiche, bald wand
sie sich konvulsivisch, und ihre Lippen murmelten einige
unverständliche Worte aus: „Bala, Bala, rette mich!
rette Jviane!“ Jhre Augen waren geschlossen, und ihr
Körper zitterte unter dem Einfluß der lebhaften Vision
aufs heftigste. Bei diesem Anblick stieß Bala einen
wilden Schrei aus, faßte sein Gewehr, und seine Augen
rollten wild umher, als umringten ihn seine tödtlichen
Feinde, die Pflanzer, von allen Seiten, die Marrons
und ihre Gefährten schauerten vor Furcht, nur Subaina
blieb ruhig, und Jviane sank bald wieder scheinbar be-
wußtlos auf ihr Lager von Blättern.

Nach einigen Augenblicken stummen Schreckens sprang
Bala auf, als wollte er die Furcht, welche ihn ergrif-
fen hatte, abschütteln, und befahl den Marrons, das
Fest zu bereiten. Die Speisen waren so seltsam, wie
die Gäste: hier sah man drei Fuß lange Eidechsen, ein
Lieblingsgericht der Gutschmecker in den Kolonien, große
Frösche, Papagayen, Flußkrabben, Cassavawurzeln und
die Früchte des Bananenbaums. Der stärkste Pfeffer
würzte Alles. Zum Getränk hatten sie Wasser und
Tafia, diesen Necktar der Antillen.

    (Beschluß folgt.)



[Ende Spaltensatz]
*) Eine furchtbare Krankheit, welcher die Neger unterwor-
fen sind.
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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 29. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt29_1837/7>, abgerufen am 21.11.2024.