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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 21. Burg/Berlin, 1836.

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335 Conversations=Blatt. 336
[Beginn Spaltensatz] lassen, ehe sie können für voll angesehn werden, an einigen
Handelsplätzen beibehalten. Dieses aber ist Spiel, jenes
war eine Ausgeburt tyrannischen Kastengeistes.



Vierzehn Tage unter der Erde.

(Beschluß.)

Als man zum ersten Male mit mir sprach, um 2
Uhr Morgens am Sonntag, hörte ich meine Mücke erst
zwei Stunden später; ich erfuhr von denjenigen, welche
herabstiegen, was die Glocke sei; ich hatte mich nicht ge-
irrt. An allen darauf folgenden Tagen kam die Mücke
bei Sonnenaufgang, sie setzte sich auf meinen Kopf, auf
meine Hände und sogar auf meine Lebensmittel. Wenn
sie ihren Antheil genommen hatte, verschwand sie oder ließ
sich nicht mehr hören, und kehrte einige Augenblicke darauf
wieder zurück. Abends hörte ich sie nicht mehr. Jch
wußte, daß sie sich auf meine Lebensmittel setzte, sobald ich
dieselben berührte, sich hören ließ und davon flog. Ach!
wie oft habe ich nicht gesagt: Glückliche Mücke, möchte ich
doch sein wie du, daß ich durch diese kleine Oeffnung hin-
aus könnte. Jhre Gesellschaft war für mich ein großer
Trost. Als man mir sagte, daß die Sappeurs vom Ge-
niewesen in meinem Rücken einen Brunnen grüben, sagte
ich, daß es so gut sei, daß man mich vom Rücken aus er-
greifen müßte, und daß sie die rechte Seite gewählt hatten.
Als sie anfingen im Sand zu arbeiten (ungefähr 10 Fnß
in der Tiefe) , hörte ich den ersten Pickelstreich, und seit-
dem hörte ich alle andere. Endlich hörte ich die Soldaten
sprechen, welche an meiner Befreiung arbeiteten. Jch konnte
ihnen antworten und hörte den Sand herabrollen, den sie
hinwegräumten. Plötzlich, als ich den Kopf herumdrehte,
erblickte ich Licht; ich rief sogleich: Ach! ich sehe Licht!
Dies war für mich ein köstlicher Augenblick; allein ich ver-
spürte plötzlich eine große, durch den neu entstandenen Luft-
druck verursachte Kälte, und ich zog den Kopf von der Oeff-
nung zurück, die man so eben angebracht hatte. Der in
der Gallerie befindliche Lieutenant sagte zweimal, ich möchte
ihn ansehen und ihm mein Gesicht durch die Oeffnung hin-
durch zeigen. Jch that es, zog mich aber schnell wieder
zurück wegen der Kälte, die ich verspürte. Der Lieutenant
sagte mir hierauf, ich möchte mich ganz ruhig verhalten,
indem die beiden Bretter, an die ich gelehnt war, durch-
schnitten werden müßten, um mich in die Gallerie ziehen
zu können. Jch machte mich sogleich meinerseits an das
Werk und fing an, eines derselben mit meinem Messer zu
durchschneiden. Die Sappeurs vom Geniewesen schnitten
das andere zu gleicher Zeit entzwei. Hierauf sagte ich zum
Sergeanten, er möchte einen großen Kiesel und ein Stück
vom Brett herausnehmen, das ich bereits durchgeschnitten
hatte. Diese beiden Gegenstände hatten mich gehindert.
Jndem ich mich hierauf mit der rechten Hand auf die rechte
Seite stützte, konnte ich eine kleine Bewegung machen und
mich etwas auf die linke Seite wenden. Jch suchte den
Kopf in die Gallerie hineinzuschieben, als ein Sergeant mich
unter dem Arm faßte und mich heftig an sich riß. Jch
stieß einen Schrei aus: O, wackere Soldaten vom Genie-
korps! Eine neue Anstrengung, die ich machte, führte mich
[Spaltenumbruch] ihm noch näher, und endlich zog man mich ganz in die Gal-
lerie hinein. Dort legte man mich auf Heu. Alle diese
braven Soldaten bedeckten mich sorgfältig mit ihren Män-
teln, noch zu der Decke, die man für mich bereitet hatte,
und bald schlief ich einige Augenblicke ein. Jch war ge-
rettet."



[Abbildung]
Miscelle.

Ein erst seit kurzer Zeit verheiratheter Mann glaubte
bemerkt zu haben, daß die häufigen Besuche eines schönen
jungen Herrn nicht sowohl ihm, als vielmehr seiner Frau
gälten, und auch von dieser nicht ungern gesehen würden.
Um sich Gewißheit in der Sache zu verschaffen, putzte er
eines Abends, als sie wieder alle drei beisammen saßen, wie
aus Versehen, das Licht aus, färbte zwei Finger mit Kien-
rus, den er sich dazu vorher in die Westentasche gesteckt
hatte, griff damit seiner Frau unter das Näschen, und sagte,
sie freundlich streichelnd: "Sei nicht böse, mein Schätzchen,
ich will es gleich anzünden." Darauf entfernte er sich aus
dem Zimmer und kam nach einer Weile mit dem brennen-
den Lichte zurück. Der junge Herr und die Frau saßen
unbefangen auf ihren Plätzen; aber jedes von beiden hatte
einen tüchtigen schwarzen Schnurrbart. Dem armen be-
trogenen Ehemann wurde dadurch klar, daß seine liebe Frau
die kurze Abwesenheit benutzt hatte, um dem Geliebten schnell
ein Küßchen zukommen zu lassen.

[Ende Spaltensatz]

335 Conversations=Blatt. 336
[Beginn Spaltensatz] lassen, ehe sie können für voll angesehn werden, an einigen
Handelsplätzen beibehalten. Dieses aber ist Spiel, jenes
war eine Ausgeburt tyrannischen Kastengeistes.



Vierzehn Tage unter der Erde.

(Beschluß.)

Als man zum ersten Male mit mir sprach, um 2
Uhr Morgens am Sonntag, hörte ich meine Mücke erst
zwei Stunden später; ich erfuhr von denjenigen, welche
herabstiegen, was die Glocke sei; ich hatte mich nicht ge-
irrt. An allen darauf folgenden Tagen kam die Mücke
bei Sonnenaufgang, sie setzte sich auf meinen Kopf, auf
meine Hände und sogar auf meine Lebensmittel. Wenn
sie ihren Antheil genommen hatte, verschwand sie oder ließ
sich nicht mehr hören, und kehrte einige Augenblicke darauf
wieder zurück. Abends hörte ich sie nicht mehr. Jch
wußte, daß sie sich auf meine Lebensmittel setzte, sobald ich
dieselben berührte, sich hören ließ und davon flog. Ach!
wie oft habe ich nicht gesagt: Glückliche Mücke, möchte ich
doch sein wie du, daß ich durch diese kleine Oeffnung hin-
aus könnte. Jhre Gesellschaft war für mich ein großer
Trost. Als man mir sagte, daß die Sappeurs vom Ge-
niewesen in meinem Rücken einen Brunnen grüben, sagte
ich, daß es so gut sei, daß man mich vom Rücken aus er-
greifen müßte, und daß sie die rechte Seite gewählt hatten.
Als sie anfingen im Sand zu arbeiten (ungefähr 10 Fnß
in der Tiefe) , hörte ich den ersten Pickelstreich, und seit-
dem hörte ich alle andere. Endlich hörte ich die Soldaten
sprechen, welche an meiner Befreiung arbeiteten. Jch konnte
ihnen antworten und hörte den Sand herabrollen, den sie
hinwegräumten. Plötzlich, als ich den Kopf herumdrehte,
erblickte ich Licht; ich rief sogleich: Ach! ich sehe Licht!
Dies war für mich ein köstlicher Augenblick; allein ich ver-
spürte plötzlich eine große, durch den neu entstandenen Luft-
druck verursachte Kälte, und ich zog den Kopf von der Oeff-
nung zurück, die man so eben angebracht hatte. Der in
der Gallerie befindliche Lieutenant sagte zweimal, ich möchte
ihn ansehen und ihm mein Gesicht durch die Oeffnung hin-
durch zeigen. Jch that es, zog mich aber schnell wieder
zurück wegen der Kälte, die ich verspürte. Der Lieutenant
sagte mir hierauf, ich möchte mich ganz ruhig verhalten,
indem die beiden Bretter, an die ich gelehnt war, durch-
schnitten werden müßten, um mich in die Gallerie ziehen
zu können. Jch machte mich sogleich meinerseits an das
Werk und fing an, eines derselben mit meinem Messer zu
durchschneiden. Die Sappeurs vom Geniewesen schnitten
das andere zu gleicher Zeit entzwei. Hierauf sagte ich zum
Sergeanten, er möchte einen großen Kiesel und ein Stück
vom Brett herausnehmen, das ich bereits durchgeschnitten
hatte. Diese beiden Gegenstände hatten mich gehindert.
Jndem ich mich hierauf mit der rechten Hand auf die rechte
Seite stützte, konnte ich eine kleine Bewegung machen und
mich etwas auf die linke Seite wenden. Jch suchte den
Kopf in die Gallerie hineinzuschieben, als ein Sergeant mich
unter dem Arm faßte und mich heftig an sich riß. Jch
stieß einen Schrei aus: O, wackere Soldaten vom Genie-
korps! Eine neue Anstrengung, die ich machte, führte mich
[Spaltenumbruch] ihm noch näher, und endlich zog man mich ganz in die Gal-
lerie hinein. Dort legte man mich auf Heu. Alle diese
braven Soldaten bedeckten mich sorgfältig mit ihren Män-
teln, noch zu der Decke, die man für mich bereitet hatte,
und bald schlief ich einige Augenblicke ein. Jch war ge-
rettet.“



[Abbildung]
Miscelle.

Ein erst seit kurzer Zeit verheiratheter Mann glaubte
bemerkt zu haben, daß die häufigen Besuche eines schönen
jungen Herrn nicht sowohl ihm, als vielmehr seiner Frau
gälten, und auch von dieser nicht ungern gesehen würden.
Um sich Gewißheit in der Sache zu verschaffen, putzte er
eines Abends, als sie wieder alle drei beisammen saßen, wie
aus Versehen, das Licht aus, färbte zwei Finger mit Kien-
rus, den er sich dazu vorher in die Westentasche gesteckt
hatte, griff damit seiner Frau unter das Näschen, und sagte,
sie freundlich streichelnd: „Sei nicht böse, mein Schätzchen,
ich will es gleich anzünden.“ Darauf entfernte er sich aus
dem Zimmer und kam nach einer Weile mit dem brennen-
den Lichte zurück. Der junge Herr und die Frau saßen
unbefangen auf ihren Plätzen; aber jedes von beiden hatte
einen tüchtigen schwarzen Schnurrbart. Dem armen be-
trogenen Ehemann wurde dadurch klar, daß seine liebe Frau
die kurze Abwesenheit benutzt hatte, um dem Geliebten schnell
ein Küßchen zukommen zu lassen.

[Ende Spaltensatz]
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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 21. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt21_1836/8>, abgerufen am 22.12.2024.