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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1838.

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Bilder aus dem Orient.

Gesammelt
von
Freimund Ohnesorgen.
(Fortsetzung.)


Eine weite Rotunde führt von der einen Seite
des Pavillons nach den Wohnungen der Cadinen, wel-
che rings herum angelegt sind und jedes 10 bis 12 Ge-
mächer enthaltend von diesen Damen nach Rang und
Anciennität bewohnt werden. Jede Cadine wie auch
die Aga und Walideh hat ihr eigenes Bad. Für die
übrigen Bewohnerinnen des Harems befindet sich am
Ende der Gebäude ein allgemeines, Tag und Nacht ge-
heiztes Bad.

So nahe sich auch die Cadinen wohnen, so selten
besuchen sie einander, außer an den von der Etikette
vorgeschriebenen Tagen, und selbst, wenn sie Freundin-
nen sind, dürfen sie ohne Bewilligung des Sultans
oder mindestens der Aga keinen Umgang mit einander
pflegen.

Diese Weiber und Mädchen bekommen alle Ge-
halt und zwar nach ihrem Rang. Die Aga bekommt
monat ich 5 und die Chasinedar=Usta 3 Beutel (folglich
jählich 30,000 und 18,000 Piaster.) Die erste Ca-
dine erhält jährlich 120 Beutel oder 60,000 Piaster.
Die Jkbabalen und Gedeklis bekommen jährlich 1000 Pia-
ster, die Usta 800, die Schahgirden 200 und die Djeryes
140 Piaster. Dazu kommen häufig ausgetheilte Gna-
dengeschenke am Beyramsfeste, u. s. w. Wenn eine Ca-
dine Mutter wird, erhält sie außer andern Geschenken
noch ein Chasz oder Jahrgehalt von 30 bis 35,000
Piaster.

Angenehmer Veränderung halber ist der Wechsel mit
den Cadinen zum Dienst bei dem Sultane als Gesetz
eingeführt. Eine jede hat ihren bestimmten Tag oder ist
die Neubetla, und der Sultan macht sich dann ein Ge-
wissen daraus, mit einer andern zu verkehren, öder sie
müßte krank sein.

Bringt der Sultan eine Nacht in diesem Harem
zu, so schläft er im Pavillon, wohin die Neubetla dann
geladen wird. Jst es vor dem Abendessen, so speist
sie mit ihm, denn nur Sultaninnen und Prinzessinnen
von Geblüt können zur Tafel kommen. [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]Selten besucht
der Sultan seine Cadinen, es wäre denn daß sie oder
ihre Kinder krank wären.

Sonderbar ist es, daß der Sultan, wenn er in
den Harem kommt, Schuhe mit Silber beschlagen an-
zieht, damit deren Klang seine Gegenwart verkünde, und
jeden warne ihn zu begegnen, weil es als unziemlich
betrachtet wird, sich auf dem Wege des Herrschers fin-
den zu lassen. Jn den Gärten und überall muß jeder
verschwinden, wo der Sultan kommt; diese Unachtsam-
keit, das Stoßen auf den Herrn, welches Khiukiamt-
schatmak heißt, wird jedesmal bestraft. Die weniger
wohlgelittenen Damen sollen indessen schneller aus dem
Wege flüchten als diejenigen, welche sich der Reize mehr
bewußt sind.



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Festlichkeiten im Harem.

Jm Allgemeinen herrscht im Harem die größte
Einförmigkeit, welche wenig, jedoch am auffallendsten
durch das Wochenbett einer Cadine unterbrochen wird
und eine dreitägige Feier veranlaßt. Die Wöchnerin
nimmt Besitz von einem über alle Beschreibung präch-
tig mit rothem Sammt und Seide und Rubinen ge-
schmückten Cabinette. Muradja d'Ohsson sah 1799 ein
dazu bestimmtes Sopha bei einem Tapezier, an wel-
chem 80 Stickerinnen arbeiteten. Nach der Wochenzeit
wird jedoch all das prachtvolle Hausgeräth wieder von
der Unterhofmeisterin aufbewahrt, und verbleibt dem
Schatze. Muhamed II. hat diesen Luxus beschränkt und
die todten Capitalien zu seinen Kriegen gegen die Rus-
sen und den rebellischen Pascha's verwendet. Nicht al-
lein die Weiber aus dem Harem, sondern auch die
Frauen der ersten Würdenträger des Reichs werden
durch die Aga zur Gratulation bei der kaiserlichen
Wöchnerin eingeladen, wo dann unter allerlei Ceremo-
nien die Beglückwünschungen stattfinden. Die Wiege,
ein wahres Prachtstück, von Brillianten strahlend, spielt
dabei eine Hauptrolle, sie ist, wenn ein Prinz geboren
wurde, mit einem Reiherbusch geziert. Hierauf folgen die
öffentlichen Lustbarkeiten. Das ganze Serai, besonders
der Harem, vorzüglich aber die große Rotunde, sind
Abends erleuchtet. Jm magisch = farbigen Schein, der
die Räume der letztern erhellt, treiben dann die jungen
Mädchen des Harems ihre Possenspiele, und führen al-
lerlei Tänze, Maskeraden und ganze Komödien auf.
Gewöhnlich parodiren sie darin das Leben der Außen-
welt. Sie verkleiden sich in Türken und Europäer und
stellen die Audienz eines fremden Gesandten dar, der
natürlich sehr karikirt unter Spott und Hohn wieder
entlassen und ihm der Krieg erklärt wird. Sie paro-
diren die Leichen=Ceremonien der Griechen, kommen als
Popen gekleidet, mit Rauchfässer und brennenden Ker-
zen und schreien: "Kirie, Kirie!" welches der Corps
mit Gelächter wiederholt. Jn ihren bildlichen Satyren
schonen sie auch nicht die Polizei, aretiren Unschuldige,
lassen Bastonaden austheilen, ja in ihrer fröhlichen
Ausgelassenheit schonen sie oft den Sultan selber nicht,
und persifliren diese oder jene von ihm gegebenen Be-
fehle, die ihnen nicht gefallen. Der Sultan selbst schaut
von einer vergitterten Tribüne und die eingeladenen
Frauen von der Tribüne der Cadinen, dem Possenspiele
zu. So sehr man sich im Harem zu solchen Festen,
die viele Freiheiten gestatten, freut, so unwillkommen
sind sie den Großen des Reichs, denen der Aufwand ih-
rer geladenen Weiber dann viel Gold, jedesmal ge-
wöhnlich 70,000 Piaster, kostet. Nur die Frau des
Mufti ist frei. Doch bekommen auch die geladenen
Damen vom Sultan alsdann Entschädigungs=Geschenke.

An den Beyramsfesten wird die Einförmigkeit
ebenfalls auf verschiedene Weise unterbrochen, doch darf
kein Frauenzimmer den Palast verlassen, selbst nicht
einmal die im Bezirk liegenden Moscheen besuchen, au-
ßer am 15. Tage des Ramazan, wenn das Wasser
durch Eintauchen des Mantels des Propheten geweiht
wird. Dann ziehen die Mädchen ohne Begleitung nach

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69 Conversations=Blatt. 70
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Eine weite Rotunde führt von der einen Seite
des Pavillons nach den Wohnungen der Cadinen, wel-
che rings herum angelegt sind und jedes 10 bis 12 Ge-
mächer enthaltend von diesen Damen nach Rang und
Anciennität bewohnt werden. Jede Cadine wie auch
die Aga und Walideh hat ihr eigenes Bad. Für die
übrigen Bewohnerinnen des Harems befindet sich am
Ende der Gebäude ein allgemeines, Tag und Nacht ge-
heiztes Bad.

So nahe sich auch die Cadinen wohnen, so selten
besuchen sie einander, außer an den von der Etikette
vorgeschriebenen Tagen, und selbst, wenn sie Freundin-
nen sind, dürfen sie ohne Bewilligung des Sultans
oder mindestens der Aga keinen Umgang mit einander
pflegen.

Diese Weiber und Mädchen bekommen alle Ge-
halt und zwar nach ihrem Rang. Die Aga bekommt
monat ich 5 und die Chasinedar=Usta 3 Beutel (folglich
jählich 30,000 und 18,000 Piaster.) Die erste Ca-
dine erhält jährlich 120 Beutel oder 60,000 Piaster.
Die Jkbabalen und Gedeklis bekommen jährlich 1000 Pia-
ster, die Usta 800, die Schahgirden 200 und die Djeryes
140 Piaster. Dazu kommen häufig ausgetheilte Gna-
dengeschenke am Beyramsfeste, u. s. w. Wenn eine Ca-
dine Mutter wird, erhält sie außer andern Geschenken
noch ein Chasz oder Jahrgehalt von 30 bis 35,000
Piaster.

Angenehmer Veränderung halber ist der Wechsel mit
den Cadinen zum Dienst bei dem Sultane als Gesetz
eingeführt. Eine jede hat ihren bestimmten Tag oder ist
die Neubetla, und der Sultan macht sich dann ein Ge-
wissen daraus, mit einer andern zu verkehren, öder sie
müßte krank sein.

Bringt der Sultan eine Nacht in diesem Harem
zu, so schläft er im Pavillon, wohin die Neubetla dann
geladen wird. Jst es vor dem Abendessen, so speist
sie mit ihm, denn nur Sultaninnen und Prinzessinnen
von Geblüt können zur Tafel kommen. [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]Selten besucht
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ihre Kinder krank wären.

Sonderbar ist es, daß der Sultan, wenn er in
den Harem kommt, Schuhe mit Silber beschlagen an-
zieht, damit deren Klang seine Gegenwart verkünde, und
jeden warne ihn zu begegnen, weil es als unziemlich
betrachtet wird, sich auf dem Wege des Herrschers fin-
den zu lassen. Jn den Gärten und überall muß jeder
verschwinden, wo der Sultan kommt; diese Unachtsam-
keit, das Stoßen auf den Herrn, welches Khiukiamt-
schatmak heißt, wird jedesmal bestraft. Die weniger
wohlgelittenen Damen sollen indessen schneller aus dem
Wege flüchten als diejenigen, welche sich der Reize mehr
bewußt sind.



[Spaltenumbruch]
Festlichkeiten im Harem.

Jm Allgemeinen herrscht im Harem die größte
Einförmigkeit, welche wenig, jedoch am auffallendsten
durch das Wochenbett einer Cadine unterbrochen wird
und eine dreitägige Feier veranlaßt. Die Wöchnerin
nimmt Besitz von einem über alle Beschreibung präch-
tig mit rothem Sammt und Seide und Rubinen ge-
schmückten Cabinette. Muradja d'Ohsson sah 1799 ein
dazu bestimmtes Sopha bei einem Tapezier, an wel-
chem 80 Stickerinnen arbeiteten. Nach der Wochenzeit
wird jedoch all das prachtvolle Hausgeräth wieder von
der Unterhofmeisterin aufbewahrt, und verbleibt dem
Schatze. Muhamed II. hat diesen Luxus beschränkt und
die todten Capitalien zu seinen Kriegen gegen die Rus-
sen und den rebellischen Pascha's verwendet. Nicht al-
lein die Weiber aus dem Harem, sondern auch die
Frauen der ersten Würdenträger des Reichs werden
durch die Aga zur Gratulation bei der kaiserlichen
Wöchnerin eingeladen, wo dann unter allerlei Ceremo-
nien die Beglückwünschungen stattfinden. Die Wiege,
ein wahres Prachtstück, von Brillianten strahlend, spielt
dabei eine Hauptrolle, sie ist, wenn ein Prinz geboren
wurde, mit einem Reiherbusch geziert. Hierauf folgen die
öffentlichen Lustbarkeiten. Das ganze Serai, besonders
der Harem, vorzüglich aber die große Rotunde, sind
Abends erleuchtet. Jm magisch = farbigen Schein, der
die Räume der letztern erhellt, treiben dann die jungen
Mädchen des Harems ihre Possenspiele, und führen al-
lerlei Tänze, Maskeraden und ganze Komödien auf.
Gewöhnlich parodiren sie darin das Leben der Außen-
welt. Sie verkleiden sich in Türken und Europäer und
stellen die Audienz eines fremden Gesandten dar, der
natürlich sehr karikirt unter Spott und Hohn wieder
entlassen und ihm der Krieg erklärt wird. Sie paro-
diren die Leichen=Ceremonien der Griechen, kommen als
Popen gekleidet, mit Rauchfässer und brennenden Ker-
zen und schreien: „Kirie, Kirie!“ welches der Corps
mit Gelächter wiederholt. Jn ihren bildlichen Satyren
schonen sie auch nicht die Polizei, aretiren Unschuldige,
lassen Bastonaden austheilen, ja in ihrer fröhlichen
Ausgelassenheit schonen sie oft den Sultan selber nicht,
und persifliren diese oder jene von ihm gegebenen Be-
fehle, die ihnen nicht gefallen. Der Sultan selbst schaut
von einer vergitterten Tribüne und die eingeladenen
Frauen von der Tribüne der Cadinen, dem Possenspiele
zu. So sehr man sich im Harem zu solchen Festen,
die viele Freiheiten gestatten, freut, so unwillkommen
sind sie den Großen des Reichs, denen der Aufwand ih-
rer geladenen Weiber dann viel Gold, jedesmal ge-
wöhnlich 70,000 Piaster, kostet. Nur die Frau des
Mufti ist frei. Doch bekommen auch die geladenen
Damen vom Sultan alsdann Entschädigungs=Geschenke.

An den Beyramsfesten wird die Einförmigkeit
ebenfalls auf verschiedene Weise unterbrochen, doch darf
kein Frauenzimmer den Palast verlassen, selbst nicht
einmal die im Bezirk liegenden Moscheen besuchen, au-
ßer am 15. Tage des Ramazan, wenn das Wasser
durch Eintauchen des Mantels des Propheten geweiht
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Jst es vor dem Abendessen, so speist sie mit ihm, denn nur Sultaninnen und Prinzessinnen von Geblüt können zur Tafel kommen. ______Selten besucht der Sultan seine Cadinen, es wäre denn daß sie oder ihre Kinder krank wären. Sonderbar ist es, daß der Sultan, wenn er in den Harem kommt, Schuhe mit Silber beschlagen an- zieht, damit deren Klang seine Gegenwart verkünde, und jeden warne ihn zu begegnen, weil es als unziemlich betrachtet wird, sich auf dem Wege des Herrschers fin- den zu lassen. Jn den Gärten und überall muß jeder verschwinden, wo der Sultan kommt; diese Unachtsam- keit, das Stoßen auf den Herrn, welches Khiukiamt- schatmak heißt, wird jedesmal bestraft. Die weniger wohlgelittenen Damen sollen indessen schneller aus dem Wege flüchten als diejenigen, welche sich der Reize mehr bewußt sind. Festlichkeiten im Harem. 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Die Wiege, ein wahres Prachtstück, von Brillianten strahlend, spielt dabei eine Hauptrolle, sie ist, wenn ein Prinz geboren wurde, mit einem Reiherbusch geziert. Hierauf folgen die öffentlichen Lustbarkeiten. Das ganze Serai, besonders der Harem, vorzüglich aber die große Rotunde, sind Abends erleuchtet. Jm magisch = farbigen Schein, der die Räume der letztern erhellt, treiben dann die jungen Mädchen des Harems ihre Possenspiele, und führen al- lerlei Tänze, Maskeraden und ganze Komödien auf. Gewöhnlich parodiren sie darin das Leben der Außen- welt. Sie verkleiden sich in Türken und Europäer und stellen die Audienz eines fremden Gesandten dar, der natürlich sehr karikirt unter Spott und Hohn wieder entlassen und ihm der Krieg erklärt wird. Sie paro- diren die Leichen=Ceremonien der Griechen, kommen als Popen gekleidet, mit Rauchfässer und brennenden Ker- zen und schreien: „Kirie, Kirie!“ welches der Corps mit Gelächter wiederholt. Jn ihren bildlichen Satyren schonen sie auch nicht die Polizei, aretiren Unschuldige, lassen Bastonaden austheilen, ja in ihrer fröhlichen Ausgelassenheit schonen sie oft den Sultan selber nicht, und persifliren diese oder jene von ihm gegebenen Be- fehle, die ihnen nicht gefallen. Der Sultan selbst schaut von einer vergitterten Tribüne und die eingeladenen Frauen von der Tribüne der Cadinen, dem Possenspiele zu. So sehr man sich im Harem zu solchen Festen, die viele Freiheiten gestatten, freut, so unwillkommen sind sie den Großen des Reichs, denen der Aufwand ih- rer geladenen Weiber dann viel Gold, jedesmal ge- wöhnlich 70,000 Piaster, kostet. Nur die Frau des Mufti ist frei. Doch bekommen auch die geladenen Damen vom Sultan alsdann Entschädigungs=Geschenke. An den Beyramsfesten wird die Einförmigkeit ebenfalls auf verschiedene Weise unterbrochen, doch darf kein Frauenzimmer den Palast verlassen, selbst nicht einmal die im Bezirk liegenden Moscheen besuchen, au- ßer am 15. 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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt05_1838/3>, abgerufen am 25.11.2024.