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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1836.

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67 Conversations=Blatt. 68
[Beginn Spaltensatz] rings umher. Einmal schien das Geräusch wirkliche
Bedeutung zu gewinnen, da war sie wie ein Blitz
empor und hatte die Waffen fertig in der Hand. Al-
les wurde wieder still, sie setzte sich wieder unter die
Eiche, und ihr Gesicht, das im Augenblick vom Muth
einer männlichen Seele gestrahlt hatte, gewann wieder
seine gewohnte Milde, ohne daß dieser plötzliche Wech-
sel irgend einen ungünstigen Eindruck gegen sie hervor-
gebracht hätte. Daran erkannte man gerade, daß die-
ser Zustand der sanften Milde ihr natürlicher war.

Joaquin hatte jede dieser Aufregungen unabläs-
sig betrachtet. Seit geraumer Zeit liebte der junge
Mann die schöne Marie, aber die Reinheit, welche
gleich einem Mantel dies Mädchen mitten unter den
Männern so edel umhüllte, die Reinheit, welche von
der ganzen Guerillasschaar geehrt, aber nicht begriffen
wurde, erschien beinahe als eine Scheidewand zwischen
Marien und Joaquin. Er zitterte bei dem Gedanken,
von ihr abgewiesen zu werden, sie schien nur allein
das Vaterland zu lieben.

"Wenn sie mich abwiese!" sprach er zu sich
selbst; "jetzt sehe ich sie wenigstens täglich, ich käm-
pfe für sie, ich vertheidige sie! - Gott! wenn sie
mich abwiese!"

Aber in dieser Nacht konnte er dem Zauber, der
dies Wachen des Krieges und der Liebe zugleich um-
floß, unmöglich widerstehen. Er bemerkte, daß die
Blicke der schönen Marie öfters länger auf ihm ver-
weilten, und glaubte einen Ausdruck darin zu finden,
welcher die Schläge seines Herzens verdoppelte. Als
er nuu sah, wie sie plötzlich aufsprang, zu ihren
Waffen eilte, und gleich dem muthigsten Krieger der
Gefahr entgegen sah, da stieg seine Bewunderung.
Aber als Maria nach kurzem Lauschen wieder auf den
Boden zurücksank, ihr müdes Haupt an den Eichstamm
lehnte, um Ruhe und Schlaf zu suchen, als er das
holde Wesen in dem ganzen Zauber jungfräulicher
Schöne vor sich sah, da konnte er seine Lippen nicht
länger geschlossen halten; glühend in reiner Liebe lispelte
er zu dem Mädchen: "Marie, erlaubst du, daß ich
bei deinem Vater um dich werbe? willst du es wohl?"

Maria erbebte, öffnete ihre Augen, heftete einen
langen Blick auf den Jüngliug, fühlte dann glühende
Röthe von der Stirn herab über ihr Antlitz sich ver-
breiten, lächelte traurig, reichte Joaquin sanft ihre
Hand und lispelte: "Jch will es!"

"Ha! schrie Joaquin auf, und wollte sogleich
zu dem Baume eilen, an welchen Munoz lehnte, und
seine Werbung ihm vortragen, als Maria abermals
seine Hand ergriff und leise zu ihm sagte: "Höre
mich, Joaquin, und antworte mir als ein edler Ka-
stilianer. Versprichst du mir, niemals Pardon anzu-
nehmen?"

"Jch verspreche es, ich schwöre es bei dir!"

Mariens Augenbrauen zogen sich düster zusam-
men. "Keinen solchen Schwur verlange ich," sprach
sie, "ich will ein Wort des Mannes, ein Schwur
bei der Liebe kann dem Vaterlande keinen Trost ge-
währen."

[Spaltenumbruch]

"Wohlan, so schwöre ich bei dem Vaterland
selbst, bei diesem Vaterland, das ich anbete, dessen
Fahnen ich mich anschloß, bevor ich dich, Maria,
kannte!"

Die Stirn des Mädchens erheiterte sich, ihr
Mund lächelte ihm und sprach: "Jch glaube dir,
aber eins noch mußt du mir versprechen, eins noch
erbitte ich von dir. Versprich mir, niemals den
Mann, welchen der Despot von Europa uns auf-
öringen will, anzuerkennen und bis zum Grabe für
unsern König Ferdinand VII. zu fechten. Willst du
es?"

"Jch schwöre es!" rief Joaquin, "o befürchte
nicht, dich mit einem Manne zu verbinden, der, dei-
ner unwürdig, dich nicht begreifen könne; Vaterland
und Ehre sind meine ersten Jdole, und du bist ne-
ben diesen Heiligthümern das dritte in meinem Her-
zen!"

Mariens Augen füllten sich mit Thränen, sie
liebte Joaquin, sie liebte ihn mit wahrer Liebe. Oft
hatte sie, ohne daß er es bemerkte, den Säbel eines
Feindes von seinem Haupte abgewendet, in manchem
heißen Kampfe ihm zum Schilde gedient, ohne daran
zu denken, daß sie ihr eigenes Leben preisgab. Ma-
ria empfand bei Anhörung dieses Bekenntnisses des
edlen Herzens, welches sie liebte, eine jener freudigen
Aufwallungen, jener tiefen herzinnigen Entzückungen,
welche stets als heilige Erinnerungen in einem edel-
gesinnten Herzen haften.

    (Fortsetzung folgt.)



Die Zwillinge.

(Beschluß.)

So sehr es auch gegen Karls Wunsch sein moch-
te, er ward zur Muskete genöthigt, und da er mit
dem größten Eifer nach der Zusammenkunft mit den
übrigen Parteigängern strebte, um seinen Bruder aus-
zumitteln, so übte er Tag und Nacht das Exerzitium
und es waren kaum acht Tage verflossen, als ihn sein
Unteroffizier für dienstfähig erklärte. Am folgenden
Tag schon marschirte Karl zu einer Kolonne ab und
zwei Tage später stand er in den Amescoa's auf den
äußersten Vorposten, auf denen der Muth der neuen
Zuzügler geprüft zu werden pflegte.

Wilhelm war nicht aus Parteisucht, aus politi-
schen Gesinnungen oder Vorliebe für den Kriegerstand
Soldat geworden, sondern aus Nothwendigkeit; nur
als Soldat war es möglich, mitten in der grauenvol-
len Verwirrung dieses schrecklichen Bürgerkriegs eine
Rolle zu finden. Alles ward hier zum Kampfe ge-
zwungen, wer nicht aus politischer Gesinnung der
einen oder der andern Partei folgte, dem gab die
Nothwehr das Schwert in die Hand. Selbst Frauen
und Kinder hatten ihre Todfeinde.

Karls Forschungen nach seinem Bruder waren
lange vergebens, bis eines Tags ein Ueberläufer ver-
sicherte, daß er bei dem Feinde einen jungen Mann
kennen gelernt, welcher jenem ungemein ähnlich sehe,
[Ende Spaltensatz]

67 Conversations=Blatt. 68
[Beginn Spaltensatz] rings umher. Einmal schien das Geräusch wirkliche
Bedeutung zu gewinnen, da war sie wie ein Blitz
empor und hatte die Waffen fertig in der Hand. Al-
les wurde wieder still, sie setzte sich wieder unter die
Eiche, und ihr Gesicht, das im Augenblick vom Muth
einer männlichen Seele gestrahlt hatte, gewann wieder
seine gewohnte Milde, ohne daß dieser plötzliche Wech-
sel irgend einen ungünstigen Eindruck gegen sie hervor-
gebracht hätte. Daran erkannte man gerade, daß die-
ser Zustand der sanften Milde ihr natürlicher war.

Joaquin hatte jede dieser Aufregungen unabläs-
sig betrachtet. Seit geraumer Zeit liebte der junge
Mann die schöne Marie, aber die Reinheit, welche
gleich einem Mantel dies Mädchen mitten unter den
Männern so edel umhüllte, die Reinheit, welche von
der ganzen Guerillasschaar geehrt, aber nicht begriffen
wurde, erschien beinahe als eine Scheidewand zwischen
Marien und Joaquin. Er zitterte bei dem Gedanken,
von ihr abgewiesen zu werden, sie schien nur allein
das Vaterland zu lieben.

„Wenn sie mich abwiese!“ sprach er zu sich
selbst; „jetzt sehe ich sie wenigstens täglich, ich käm-
pfe für sie, ich vertheidige sie! – Gott! wenn sie
mich abwiese!“

Aber in dieser Nacht konnte er dem Zauber, der
dies Wachen des Krieges und der Liebe zugleich um-
floß, unmöglich widerstehen. Er bemerkte, daß die
Blicke der schönen Marie öfters länger auf ihm ver-
weilten, und glaubte einen Ausdruck darin zu finden,
welcher die Schläge seines Herzens verdoppelte. Als
er nuu sah, wie sie plötzlich aufsprang, zu ihren
Waffen eilte, und gleich dem muthigsten Krieger der
Gefahr entgegen sah, da stieg seine Bewunderung.
Aber als Maria nach kurzem Lauschen wieder auf den
Boden zurücksank, ihr müdes Haupt an den Eichstamm
lehnte, um Ruhe und Schlaf zu suchen, als er das
holde Wesen in dem ganzen Zauber jungfräulicher
Schöne vor sich sah, da konnte er seine Lippen nicht
länger geschlossen halten; glühend in reiner Liebe lispelte
er zu dem Mädchen: „Marie, erlaubst du, daß ich
bei deinem Vater um dich werbe? willst du es wohl?“

Maria erbebte, öffnete ihre Augen, heftete einen
langen Blick auf den Jüngliug, fühlte dann glühende
Röthe von der Stirn herab über ihr Antlitz sich ver-
breiten, lächelte traurig, reichte Joaquin sanft ihre
Hand und lispelte: „Jch will es!“

„Ha! schrie Joaquin auf, und wollte sogleich
zu dem Baume eilen, an welchen Munoz lehnte, und
seine Werbung ihm vortragen, als Maria abermals
seine Hand ergriff und leise zu ihm sagte: „Höre
mich, Joaquin, und antworte mir als ein edler Ka-
stilianer. Versprichst du mir, niemals Pardon anzu-
nehmen?“

„Jch verspreche es, ich schwöre es bei dir!“

Mariens Augenbrauen zogen sich düster zusam-
men. „Keinen solchen Schwur verlange ich,“ sprach
sie, „ich will ein Wort des Mannes, ein Schwur
bei der Liebe kann dem Vaterlande keinen Trost ge-
währen.“

[Spaltenumbruch]

„Wohlan, so schwöre ich bei dem Vaterland
selbst, bei diesem Vaterland, das ich anbete, dessen
Fahnen ich mich anschloß, bevor ich dich, Maria,
kannte!“

Die Stirn des Mädchens erheiterte sich, ihr
Mund lächelte ihm und sprach: „Jch glaube dir,
aber eins noch mußt du mir versprechen, eins noch
erbitte ich von dir. Versprich mir, niemals den
Mann, welchen der Despot von Europa uns auf-
öringen will, anzuerkennen und bis zum Grabe für
unsern König Ferdinand VII. zu fechten. Willst du
es?“

„Jch schwöre es!“ rief Joaquin, „o befürchte
nicht, dich mit einem Manne zu verbinden, der, dei-
ner unwürdig, dich nicht begreifen könne; Vaterland
und Ehre sind meine ersten Jdole, und du bist ne-
ben diesen Heiligthümern das dritte in meinem Her-
zen!“

Mariens Augen füllten sich mit Thränen, sie
liebte Joaquin, sie liebte ihn mit wahrer Liebe. Oft
hatte sie, ohne daß er es bemerkte, den Säbel eines
Feindes von seinem Haupte abgewendet, in manchem
heißen Kampfe ihm zum Schilde gedient, ohne daran
zu denken, daß sie ihr eigenes Leben preisgab. Ma-
ria empfand bei Anhörung dieses Bekenntnisses des
edlen Herzens, welches sie liebte, eine jener freudigen
Aufwallungen, jener tiefen herzinnigen Entzückungen,
welche stets als heilige Erinnerungen in einem edel-
gesinnten Herzen haften.

    (Fortsetzung folgt.)



Die Zwillinge.

(Beschluß.)

So sehr es auch gegen Karls Wunsch sein moch-
te, er ward zur Muskete genöthigt, und da er mit
dem größten Eifer nach der Zusammenkunft mit den
übrigen Parteigängern strebte, um seinen Bruder aus-
zumitteln, so übte er Tag und Nacht das Exerzitium
und es waren kaum acht Tage verflossen, als ihn sein
Unteroffizier für dienstfähig erklärte. Am folgenden
Tag schon marschirte Karl zu einer Kolonne ab und
zwei Tage später stand er in den Amescoa's auf den
äußersten Vorposten, auf denen der Muth der neuen
Zuzügler geprüft zu werden pflegte.

Wilhelm war nicht aus Parteisucht, aus politi-
schen Gesinnungen oder Vorliebe für den Kriegerstand
Soldat geworden, sondern aus Nothwendigkeit; nur
als Soldat war es möglich, mitten in der grauenvol-
len Verwirrung dieses schrecklichen Bürgerkriegs eine
Rolle zu finden. Alles ward hier zum Kampfe ge-
zwungen, wer nicht aus politischer Gesinnung der
einen oder der andern Partei folgte, dem gab die
Nothwehr das Schwert in die Hand. Selbst Frauen
und Kinder hatten ihre Todfeinde.

Karls Forschungen nach seinem Bruder waren
lange vergebens, bis eines Tags ein Ueberläufer ver-
sicherte, daß er bei dem Feinde einen jungen Mann
kennen gelernt, welcher jenem ungemein ähnlich sehe,
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So sehr es auch gegen Karls Wunsch sein moch- te, er ward zur Muskete genöthigt, und da er mit dem größten Eifer nach der Zusammenkunft mit den übrigen Parteigängern strebte, um seinen Bruder aus- zumitteln, so übte er Tag und Nacht das Exerzitium und es waren kaum acht Tage verflossen, als ihn sein Unteroffizier für dienstfähig erklärte. Am folgenden Tag schon marschirte Karl zu einer Kolonne ab und zwei Tage später stand er in den Amescoa's auf den äußersten Vorposten, auf denen der Muth der neuen Zuzügler geprüft zu werden pflegte. Wilhelm war nicht aus Parteisucht, aus politi- schen Gesinnungen oder Vorliebe für den Kriegerstand Soldat geworden, sondern aus Nothwendigkeit; nur als Soldat war es möglich, mitten in der grauenvol- len Verwirrung dieses schrecklichen Bürgerkriegs eine Rolle zu finden. Alles ward hier zum Kampfe ge- zwungen, wer nicht aus politischer Gesinnung der einen oder der andern Partei folgte, dem gab die Nothwehr das Schwert in die Hand. Selbst Frauen und Kinder hatten ihre Todfeinde. Karls Forschungen nach seinem Bruder waren lange vergebens, bis eines Tags ein Ueberläufer ver- sicherte, daß er bei dem Feinde einen jungen Mann kennen gelernt, welcher jenem ungemein ähnlich sehe,

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt05_1836/2>, abgerufen am 23.11.2024.