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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 3. Burg/Berlin, 1838.

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[Abbildung] Rheinfels. [Beginn Spaltensatz]

es gewagt die alten morschen Formen anzutasten, um
sein Volk mit der Zeit fortzuführen, daß es den an-
dern Staaten gegenüber fortbestehen kann.

Das Haus= und Familienleben ist mit der Staats-
verfassung nicht allein in Parallele zu bringen, sondern
das Erstere das Vorbild des Letzteren. Dieselben Prin-
zipe liegen darin zum Grunde und Eins ist aus dem
Andern gewißermaßen hervorgegangen. Wie der Herr
im Hause, ist der Sultan oder Padischach im Reiche. Jn
jedem türkischen Hause ist zuerst der Aufenthalt der
Weiber von dem der Männer scharf getrennt, der Ha-
rem (Harem heißt verbotener Ort) von dem Se-
lamlik (Männerzimmer) und so ist es auch der
Hofstaat des Sultans in den äußern (d. h. die Aem-
ter des Serai oder Serail, im weitesten Sinne) , und
in den innern Theilen (d. h. die Aemter des Harems im
engsten Sinne des Wortes) . Wie ein jeder unumschränk-
ter Herr in seinem Hause ist, so ist der Sultan Alleinherr-
scher und Despot. Um also einen Ueberblick über die
ganze Verfassung zu gewinnen, ist es nur nöthig den
Sultan in seinem Serai kennen zu lernen.

    (Fortsetzung folgt.)



[Spaltenumbruch]
Die Bergschlösser Rheinfels
und Katz.

(Beschluß.)

Der Graf von Katzenellenbogen fand jetzt für ei-
nige Zeit häusliche Ruhe und seine Kinder ließen ihn
der Vaterfreude Süßigkeit empfinden. Der junge Phi-
lipp entfaltete einen ritterlichen und biedern Sinn und
seine Schwester Anna schien ganz das Gegentheil ihrer
Mutter zu werden. Sie vermählte sich im J. 1452
mit Heinrich IV., Landgrafen von Hessen, welches Haus
unter die ersten von Deutschland gehörte. Allein der
Glückshimmel des jetzt heitern und zufriedenen Vaters
verfinsterte sich bald wieder und ein verderblicher Schick-
salsblitz vernichtete die schönste der väterlichen Hoffnungen.

Der junge Graf, der im Jahre 1454 mit sei-
nem Vetter Johann von Nassau einen Zug in die Nie-
derlande machte, kam bei einem Volksaufstande in Brüg-
ge ums Leben. Lange hing Philipp dem Grame über
diesen schmerzlichen Verlust nach, denn ihm schien es
nun gewiß, daß er der Letzte seines Stammes seyn wer-
de. Doch die Zeit milderte allmälig feinen Schmerz
und machte ihn für neue Freuden empfänglich. Sich
zu vereinsamt fühlend auf Rheinfels unternahm er ei-
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[Abbildung] Rheinfels. [Beginn Spaltensatz]

es gewagt die alten morschen Formen anzutasten, um
sein Volk mit der Zeit fortzuführen, daß es den an-
dern Staaten gegenüber fortbestehen kann.

Das Haus= und Familienleben ist mit der Staats-
verfassung nicht allein in Parallele zu bringen, sondern
das Erstere das Vorbild des Letzteren. Dieselben Prin-
zipe liegen darin zum Grunde und Eins ist aus dem
Andern gewißermaßen hervorgegangen. Wie der Herr
im Hause, ist der Sultan oder Padischach im Reiche. Jn
jedem türkischen Hause ist zuerst der Aufenthalt der
Weiber von dem der Männer scharf getrennt, der Ha-
rem (Harem heißt verbotener Ort) von dem Se-
lamlik (Männerzimmer) und so ist es auch der
Hofstaat des Sultans in den äußern (d. h. die Aem-
ter des Serai oder Serail, im weitesten Sinne) , und
in den innern Theilen (d. h. die Aemter des Harems im
engsten Sinne des Wortes) . Wie ein jeder unumschränk-
ter Herr in seinem Hause ist, so ist der Sultan Alleinherr-
scher und Despot. Um also einen Ueberblick über die
ganze Verfassung zu gewinnen, ist es nur nöthig den
Sultan in seinem Serai kennen zu lernen.

    (Fortsetzung folgt.)



[Spaltenumbruch]
Die Bergschlösser Rheinfels
und Katz.

(Beschluß.)

Der Graf von Katzenellenbogen fand jetzt für ei-
nige Zeit häusliche Ruhe und seine Kinder ließen ihn
der Vaterfreude Süßigkeit empfinden. Der junge Phi-
lipp entfaltete einen ritterlichen und biedern Sinn und
seine Schwester Anna schien ganz das Gegentheil ihrer
Mutter zu werden. Sie vermählte sich im J. 1452
mit Heinrich IV., Landgrafen von Hessen, welches Haus
unter die ersten von Deutschland gehörte. Allein der
Glückshimmel des jetzt heitern und zufriedenen Vaters
verfinsterte sich bald wieder und ein verderblicher Schick-
salsblitz vernichtete die schönste der väterlichen Hoffnungen.

Der junge Graf, der im Jahre 1454 mit sei-
nem Vetter Johann von Nassau einen Zug in die Nie-
derlande machte, kam bei einem Volksaufstande in Brüg-
ge ums Leben. Lange hing Philipp dem Grame über
diesen schmerzlichen Verlust nach, denn ihm schien es
nun gewiß, daß er der Letzte seines Stammes seyn wer-
de. Doch die Zeit milderte allmälig feinen Schmerz
und machte ihn für neue Freuden empfänglich. Sich
zu vereinsamt fühlend auf Rheinfels unternahm er ei-
[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 3. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt03_1838/5>, abgerufen am 07.06.2024.