Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 2. Burg/Berlin, 1838.27 Conversations=Blatt. 28 [Beginn Spaltensatz]
Tapferkeit und Großmuth. Seine Gerechtigkeitsliebeund treffliche Staatseinrichtung mehrten das Glück und den Wohlstand seiner Lande. Jhm selbst aber waren herbe Erfahrungen in seinem häuslichen Leben beschie- den. Er war mit Anna, der Tochter des Grafen von Würtemberg vermählt, welche ihm einen Sohn und eine Tochter gebar. Der Erstere erhielt des Vaters, die Letztere der Mutter Namen. Aber die Ehe des Grafen Philipp ward doch sehr getrübt durch den stol- zen, herrschsüchtigen und unfreundlichen Charakter seiner Gemahlin. Jhre Dienerschaft hart, und ihre Kinder mit Gleichgültigkeit behandelnd, konnte sich die Gräfin Anna keine Liebe, sondern nur Furcht und Abneigung schaffen. Dem Gatten wurden ihr Eigensinn, ihr her- risches Wesen und ihre unaufhörlichen Ränke am Ende so unerträglich, daß er sich von ihr trennte und ihr die Burg Lichtenberg zum Aufenthalte anwies. Aber auch von hier aus bereitete sie ihm noch vielen Aerger und Gram. Schon hatte er seinen Kanzler nach Rom mit der Bitte an den Papst gesandt: daß der Kir- che Oberhaupt das Band dieser unglücklichen Ehe lösen möge, als der in Folge eines Blutsturzes erfolgte Tod der Gräfin Anna den wackern Philipp aller fernern Weitläuftigkeiten und Opfer überhob. (Schluß folgt.) Die beiden Kaiser oder das Hazardspiel. Eine Szene aus dem Kriegsleben des Jahres 1812 Durch diesen eigenen Parlementair, erfuhr man, Mürat ärgerlich, daß die Russen nicht bloß einer Der freigegebene Gefangene fuhr auf gleiche Weise, Auf der russischen Seite bemerkte man sogleich ei- Es schien auf Repressalien abgesehen zu sein. Die "General, ich als Deutscher finde eine andere Ra- "Einerlei, Sie sind jetzt Russe, die Uniform und Er befahl die Gefangenen sogleich zu decimiren, "Sie befehlen also, daß es nicht anders sei, als "Nicht anders, bei meinem Wort!" "Gut, so bemerke ich, daß ich sie nicht decimi- "Können etwa die Deutschen nicht bis zehn zählen?" "Nein, dort nicht, wo nur Neune sind." Der General überblickte die Gefangenen. Nur Auf französischer Seite hielt man nach den beo- "Wer rettet meinen tapfern Vertheidiger?" fragte "Das bin ich, wenn mir's gestattet ist eine heilige "Geduld arme Schwester!" fuhr er zu dieser ge- Segür reichte dem wackern Husaren die Hand. "Was willst Du thun, Bruder?" fragte ängst- 27 Conversations=Blatt. 28 [Beginn Spaltensatz]
Tapferkeit und Großmuth. Seine Gerechtigkeitsliebeund treffliche Staatseinrichtung mehrten das Glück und den Wohlstand seiner Lande. Jhm selbst aber waren herbe Erfahrungen in seinem häuslichen Leben beschie- den. Er war mit Anna, der Tochter des Grafen von Würtemberg vermählt, welche ihm einen Sohn und eine Tochter gebar. Der Erstere erhielt des Vaters, die Letztere der Mutter Namen. Aber die Ehe des Grafen Philipp ward doch sehr getrübt durch den stol- zen, herrschsüchtigen und unfreundlichen Charakter seiner Gemahlin. Jhre Dienerschaft hart, und ihre Kinder mit Gleichgültigkeit behandelnd, konnte sich die Gräfin Anna keine Liebe, sondern nur Furcht und Abneigung schaffen. Dem Gatten wurden ihr Eigensinn, ihr her- risches Wesen und ihre unaufhörlichen Ränke am Ende so unerträglich, daß er sich von ihr trennte und ihr die Burg Lichtenberg zum Aufenthalte anwies. Aber auch von hier aus bereitete sie ihm noch vielen Aerger und Gram. Schon hatte er seinen Kanzler nach Rom mit der Bitte an den Papst gesandt: daß der Kir- che Oberhaupt das Band dieser unglücklichen Ehe lösen möge, als der in Folge eines Blutsturzes erfolgte Tod der Gräfin Anna den wackern Philipp aller fernern Weitläuftigkeiten und Opfer überhob. (Schluß folgt.) Die beiden Kaiser oder das Hazardspiel. Eine Szene aus dem Kriegsleben des Jahres 1812 Durch diesen eigenen Parlementair, erfuhr man, Mürat ärgerlich, daß die Russen nicht bloß einer Der freigegebene Gefangene fuhr auf gleiche Weise, Auf der russischen Seite bemerkte man sogleich ei- Es schien auf Repressalien abgesehen zu sein. Die „General, ich als Deutscher finde eine andere Ra- „Einerlei, Sie sind jetzt Russe, die Uniform und Er befahl die Gefangenen sogleich zu decimiren, „Sie befehlen also, daß es nicht anders sei, als „Nicht anders, bei meinem Wort!“ „Gut, so bemerke ich, daß ich sie nicht decimi- „Können etwa die Deutschen nicht bis zehn zählen?“ „Nein, dort nicht, wo nur Neune sind.“ Der General überblickte die Gefangenen. Nur Auf französischer Seite hielt man nach den beo- „Wer rettet meinen tapfern Vertheidiger?“ fragte „Das bin ich, wenn mir's gestattet ist eine heilige „Geduld arme Schwester!“ fuhr er zu dieser ge- Segür reichte dem wackern Husaren die Hand. „Was willst Du thun, Bruder?“ fragte ängst- <TEI> <text> <body> <div xml:id="Bergschloss1" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0006"/><fw type="header" place="top">27 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">28</hi></fw><cb type="start" n="27"/> Tapferkeit und Großmuth. 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Das arme Weib, welches ihren Gatten un-<lb/> ter den Unglücklichen sah, stand händeringend am Ufer.</p><lb/> <p>„Wer rettet meinen tapfern Vertheidiger?“ fragte<lb/> Segür mit matter Stimme, als er die Ursache des<lb/> Schmerzes seiner Pflegerin erfuhr.</p><lb/> <p>„Das bin ich, wenn mir's gestattet ist eine heilige<lb/> Pflicht zu üben,“ rief der Bruder der Klagenden.</p><lb/> <p>„Geduld arme Schwester!“ fuhr er zu dieser ge-<lb/> wendet fort, „um einer edlen That Deines braven Man-<lb/> nes sollst Du heute nicht zur Witwe werden.“</p><lb/> <p>Segür reichte dem wackern Husaren die Hand.</p><lb/> <p>„Was willst Du thun, Bruder?“ fragte ängst-<lb/> lich das Weib.</p><lb/> <cb type="end"/> </div> </body> </text> </TEI> [0006]
27 Conversations=Blatt. 28
Tapferkeit und Großmuth. Seine Gerechtigkeitsliebe
und treffliche Staatseinrichtung mehrten das Glück und
den Wohlstand seiner Lande. Jhm selbst aber waren
herbe Erfahrungen in seinem häuslichen Leben beschie-
den. Er war mit Anna, der Tochter des Grafen
von Würtemberg vermählt, welche ihm einen Sohn und
eine Tochter gebar. Der Erstere erhielt des Vaters,
die Letztere der Mutter Namen. Aber die Ehe des
Grafen Philipp ward doch sehr getrübt durch den stol-
zen, herrschsüchtigen und unfreundlichen Charakter seiner
Gemahlin. Jhre Dienerschaft hart, und ihre Kinder
mit Gleichgültigkeit behandelnd, konnte sich die Gräfin
Anna keine Liebe, sondern nur Furcht und Abneigung
schaffen. Dem Gatten wurden ihr Eigensinn, ihr her-
risches Wesen und ihre unaufhörlichen Ränke am Ende
so unerträglich, daß er sich von ihr trennte und ihr
die Burg Lichtenberg zum Aufenthalte anwies. Aber
auch von hier aus bereitete sie ihm noch vielen Aerger
und Gram. Schon hatte er seinen Kanzler nach Rom
mit der Bitte an den Papst gesandt: daß der Kir-
che Oberhaupt das Band dieser unglücklichen Ehe lösen
möge, als der in Folge eines Blutsturzes erfolgte Tod
der Gräfin Anna den wackern Philipp aller fernern
Weitläuftigkeiten und Opfer überhob.
(Schluß folgt.)
Die beiden Kaiser
oder
das Hazardspiel.
Eine Szene aus dem Kriegsleben des Jahres 1812
von
Freimund Ohnesorgen.
(Fortsetzung.)
Durch diesen eigenen Parlementair, erfuhr man,
daß die beobachtenden Russen von jener Seite bemerkt
hatten, wie einer der gefangenen Jhrigen, bei dem ge-
fallenen Segür niedergehauen wurde. Sie klagten über-
verletzten rechtlichen Kriegsgebrauch, und gekränktes Völ-
kerrecht, um so mehr, da die Franzosen ohne Kriegser-
klärung in ihr Land eingebrochen wären und räuberisch
sie anfielen und verfolgten, selbst wo man ihnen aus
dem Wege ginge. Sie ließen erklären, daß sie noch
von keinem Kriege wüßten, und verlangten die Auslie-
ferung des Schuldigen, um ihn zur gerechten Strafe
ziehen zu können.
Mürat ärgerlich, daß die Russen nicht bloß einer
Schlacht aus dem Wege gingen, sondern noch nicht ein-
mal etwas vom Kriege wissen wollten, wies, an sein
Schwerdt schlagend, alle Maulfechtereien zurück. Nächst
den verhaßten Diplomaten, kannte er nichts in der gan-
zen Kriegskunde, was ihm so zuwider gewesen wäre,
als die Parlamentäre, die ihm schon öfter seine größ-
ten Vergnügungen verdorben hatten. – Um sich indessen
nicht an Großmuth von den Russen übertreffen zu las-
sen, befahl er zugleich, für den gemeinen Franzosen den
russischen Offizier zurückzusenden und diesen mit der
Antwort zu beauftragen.
Der freigegebene Gefangene fuhr auf gleiche Weise,
wie der Franzose über die Wilia gekommen war, zu
den Seinigen zurück, und bestätigte näher, was die Ko-
sacken nur aus der Ferne beobachtet hatten.
Auf der russischen Seite bemerkte man sogleich ei-
ne eigene Bewegung.
Es schien auf Repressalien abgesehen zu sein. Die
Gefangenen wurden auf einen am Wilia=Ufer gelegenen
Hügel geführt, damit die gegenüberstehenden Franzosen
sehen sollten, wie die Russen keine Frevelthat ungeahn-
det ließen. Wollte man ihnen kein Recht geben, so
wollten sie das Recht mit eigener Hand nehmen. Fran-
kenblut sollte das widerrechtlich vergossene Blut eines
der Jhrigen sühnen. – So wollte es der General Alsu-
fiew, ein echter Russe, welcher Barclay's Ariergarde kom-
mandirte. Dem befreiten Offizier wurde die Vollzie-
hung der Execution übertragen, um für den verlorenen
leiblichen Bruder auch seiner Seits an der gerechten
Rache thätigen Antheil zu nehmen.
„General, ich als Deutscher finde eine andere Ra-
che für meinen Bruder würdiger,“ meinte der Offizier.
„Sie heißt Verzeihung!“
„Einerlei, Sie sind jetzt Russe, die Uniform und
darin die Nation ist beleidigt,“ entgegnete finster im
Sinne seines alten Suwarow's der russische General.
Er befahl die Gefangenen sogleich zu decimiren,
nach guten Kriegsgebrauch, da es doch einmal nach dem
Wunsche der Franzosen Krieg sein solle.
„Sie befehlen also, daß es nicht anders sei, als
eine Decimirung?“
„Nicht anders, bei meinem Wort!“
„Gut, so bemerke ich, daß ich sie nicht decimi-
ren kann?“
„Können etwa die Deutschen nicht bis zehn zählen?“
„Nein, dort nicht, wo nur Neune sind.“
Der General überblickte die Gefangenen. Nur
Neune. – Den Zehnten – richtig – den hatte er
ja selbst vorher zurückgesendet. – Er hatte sein Wort
gegeben. – Doch seinen strengen Willen gab er noch
nicht auf, denn die Section der Grenadire, die zur Fü-
seliade kommandirt waren, blieben da, und einige Ko-
sacken, die er herbeiwinkte, warfen sich auf ihre zotti-
gen Gaule und huschten am Ufer fort in das Gebüsch.
Auf französischer Seite hielt man nach den beo-
bachteten Vorbereitungen, die Gefangenen drüben für
verloren. Das arme Weib, welches ihren Gatten un-
ter den Unglücklichen sah, stand händeringend am Ufer.
„Wer rettet meinen tapfern Vertheidiger?“ fragte
Segür mit matter Stimme, als er die Ursache des
Schmerzes seiner Pflegerin erfuhr.
„Das bin ich, wenn mir's gestattet ist eine heilige
Pflicht zu üben,“ rief der Bruder der Klagenden.
„Geduld arme Schwester!“ fuhr er zu dieser ge-
wendet fort, „um einer edlen That Deines braven Man-
nes sollst Du heute nicht zur Witwe werden.“
Segür reichte dem wackern Husaren die Hand.
„Was willst Du thun, Bruder?“ fragte ängst-
lich das Weib.
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