Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

rissenen Haare, mir etlichmal zu Hause
gelauffen, und entsetzlich geschmähet, als
wenn ich sie an einen solchen bösen Mann
und Mörders-Dieb gekuppelt und ver-
bunden hätte: Da sie doch vorhin einan-
der länger als Jahr und Tag gekennet,
und die Neigungen gegen einander hät-
ten untersuchen und prüfen sollen, ob sie
wol oder übel zusammen taugen, und ich
die Braut vorhero, Zeit meines Lebens,
mit keinem Auge gesehen, noch weniger
aber gesprochen habe.



Jn diesem Stuck ist nicht besser, als
wenn zwey verliebte Personen, ihre Nei-
gungen gegen einander selbst zu erkennen
geben, und einige Zeit einander erkennen
lernen: Es mag hernach die Ehe nun
wol oder übel anschlagen, so dörfen sie
doch niemand fluchen, und die Schuld
ihres Elendes zumessen, als ihnen-selbst.
Denn es pfleget gemeiniglich im Ver-
sprechen das Prahlen auf der rechten
Seite zu gehen, da eines das andere mit
leeren Worten betrüget, und bey Letze
nichts als Schulden und Partiten her-
aus kommen, welche solche Leute, noch

bey

riſſenen Haare, mir etlichmal zu Hauſe
gelauffen, und entſetzlich geſchmaͤhet, als
wenn ich ſie an einen ſolchen boͤſen Mann
und Moͤrders-Dieb gekuppelt und ver-
bunden haͤtte: Da ſie doch vorhin einan-
der laͤnger als Jahr und Tag gekennet,
und die Neigungen gegen einander haͤt-
ten unterſuchen und pruͤfen ſollen, ob ſie
wol oder uͤbel zuſammen taugen, und ich
die Braut vorhero, Zeit meines Lebens,
mit keinem Auge geſehen, noch weniger
aber geſprochen habe.



Jn dieſem Stuck iſt nicht beſſer, als
wenn zwey verliebte Perſonen, ihre Nei-
gungen gegen einander ſelbſt zu erkennen
geben, und einige Zeit einander erkennen
lernen: Es mag hernach die Ehe nun
wol oder uͤbel anſchlagen, ſo doͤrfen ſie
doch niemand fluchen, und die Schuld
ihres Elendes zumeſſen, als ihnen-ſelbſt.
Denn es pfleget gemeiniglich im Ver-
ſprechen das Prahlen auf der rechten
Seite zu gehen, da eines das andere mit
leeren Worten betruͤget, und bey Letze
nichts als Schulden und Partiten her-
aus kommen, welche ſolche Leute, noch

bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="64"/>
ri&#x017F;&#x017F;enen Haare, mir etlichmal zu Hau&#x017F;e<lb/>
gelauffen, und ent&#x017F;etzlich ge&#x017F;chma&#x0364;het, als<lb/>
wenn ich &#x017F;ie an einen &#x017F;olchen bo&#x0364;&#x017F;en Mann<lb/>
und Mo&#x0364;rders-Dieb gekuppelt und ver-<lb/>
bunden ha&#x0364;tte: Da &#x017F;ie doch vorhin einan-<lb/>
der la&#x0364;nger als Jahr und Tag gekennet,<lb/>
und die Neigungen gegen einander ha&#x0364;t-<lb/>
ten unter&#x017F;uchen und pru&#x0364;fen &#x017F;ollen, ob &#x017F;ie<lb/>
wol oder u&#x0364;bel zu&#x017F;ammen taugen, und ich<lb/>
die Braut vorhero, Zeit meines Lebens,<lb/>
mit keinem Auge ge&#x017F;ehen, noch weniger<lb/>
aber ge&#x017F;prochen habe.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Jn die&#x017F;em Stuck i&#x017F;t nicht be&#x017F;&#x017F;er, als<lb/>
wenn zwey verliebte Per&#x017F;onen, ihre Nei-<lb/>
gungen gegen einander &#x017F;elb&#x017F;t zu erkennen<lb/>
geben, und einige Zeit einander erkennen<lb/>
lernen: Es mag hernach die Ehe nun<lb/>
wol oder u&#x0364;bel an&#x017F;chlagen, &#x017F;o do&#x0364;rfen &#x017F;ie<lb/>
doch niemand fluchen, und die Schuld<lb/>
ihres Elendes zume&#x017F;&#x017F;en, als ihnen-&#x017F;elb&#x017F;t.<lb/>
Denn es pfleget gemeiniglich im Ver-<lb/>
&#x017F;prechen <hi rendition="#fr">das Prahlen</hi> auf der rechten<lb/>
Seite zu gehen, da eines das andere mit<lb/>
leeren Worten betru&#x0364;get, und bey Letze<lb/>
nichts als Schulden und Partiten her-<lb/>
aus kommen, welche &#x017F;olche Leute, noch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bey</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0070] riſſenen Haare, mir etlichmal zu Hauſe gelauffen, und entſetzlich geſchmaͤhet, als wenn ich ſie an einen ſolchen boͤſen Mann und Moͤrders-Dieb gekuppelt und ver- bunden haͤtte: Da ſie doch vorhin einan- der laͤnger als Jahr und Tag gekennet, und die Neigungen gegen einander haͤt- ten unterſuchen und pruͤfen ſollen, ob ſie wol oder uͤbel zuſammen taugen, und ich die Braut vorhero, Zeit meines Lebens, mit keinem Auge geſehen, noch weniger aber geſprochen habe. Jn dieſem Stuck iſt nicht beſſer, als wenn zwey verliebte Perſonen, ihre Nei- gungen gegen einander ſelbſt zu erkennen geben, und einige Zeit einander erkennen lernen: Es mag hernach die Ehe nun wol oder uͤbel anſchlagen, ſo doͤrfen ſie doch niemand fluchen, und die Schuld ihres Elendes zumeſſen, als ihnen-ſelbſt. Denn es pfleget gemeiniglich im Ver- ſprechen das Prahlen auf der rechten Seite zu gehen, da eines das andere mit leeren Worten betruͤget, und bey Letze nichts als Schulden und Partiten her- aus kommen, welche ſolche Leute, noch bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/70
Zitationshilfe: [N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/70>, abgerufen am 22.11.2024.