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Tübinger Chronik. Nr. 92. [Tübingen (Württemberg)], 1. August 1845.

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gewöhnlicher Schrift 1 kr. Für
Tübingen u. Umgegend abon-
nirt man bei d. Redaction in d.
langen Gasse nächst d. Stifts-
kirche, wo auch Ankündigun-
gen und Aufsätze aller Art
abgegeben werden können.

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Tübinger [Abbildung] Chronik.
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Briefkästen sind aufgestellt:
bei Hrn. Messerschmidt Busse
nächst d. Rathhaus, bei Hrn.
Bürstenfabrikant Klein beim
Hirsch, bei Fr. Messrschm[unleserliches Material]Wlh[unleserliches Material]. Fack in d. neuen Straße
bei Hrn. - - am
Neckarsthor u. bei Hrn -

- in der Neckarhalde, in
welche Ankündigungen aller
Art eingelegt werden können.
Diese Briefkästen werden je-
den Tag geleert.

[Ende Spaltensatz]
Eine Zeitschrift für Stadt und Land.


Nro 92. Freitag den 1. August. 1845.


[Beginn Spaltensatz]
Louise Dalmar.
Fortsetzung.

Als sich Louise zufällig umwandte, bemerkte sie
den Grafen, der sie mit schmerzlichen, aber tief ein-
dringenden Blicken ansah, vor denen sie erschrack.
Aber sie nahm sich zusammen. Wie der größte
Theil der Frauen, bekam auch sie Muth, in dem
Augenblick, wo es darauf ankam, zu zeigen, daß
Louise Dalmar vor dem Grafen Mirmont zittern
konnte, daß Madame Granville aber ruhig und ver-
trauend seyn mußte.

- So finde ich Sie endlich doch wieder! sagte
der Graf.

- Vergessen Sie eine Vergangenheit, mein
Herr, antwortete Louise einfach, welche mir Gott
und meine Mutter verziehen haben, die ich Jhnen
in diesem Augenblick verzeihe. Vergessen Sie, daß
es ein junges Mädchen gab, welches Sie verderben
wollten, das der Himmel aber rettete. Erlauben
Sie mir, in Jhnen jetzt nur den Grafen Mirmont
zu sehen, der der Freund, der Retter meines Man-
nes ist, um ihm unter diesem Titel die Hand zu
reichen.

- Nein! nein, Madame, rief der junge Mann
aus und wies die Hand von sich ab, welche ihm
hingereicht wurde, einen Augenblick! einen einzigen
Augenblick seien Sie mir noch Louise Dalmar und
hören Sie mich an, aus Mitleid! da ein glücklicher
Zufall uns wieder zusammenführt, müssen Sie mich
hören, Sie müssen!

Louise ging auf die Thür zu.

- Entfernen Sie sich nicht, ich beschwöre Sie,
fuhr der Graf fort und vertrat ihr den Weg, nur
heute entfernen Sie sich nicht von mir, ohne mich
zu hören, wie Sie es sonst gethan haben. - Sie
wissen nicht, daß ich wahnsinnig zu werden glaubte,
als ich Jhren unseligen Brief empfing. Sie wissen
nicht, daß ich diese Heirath nicht wollte, daß ich
mich mit aller meiner Liebe für Sie dagegen
sträubte; ja! mit aller meiner Liebe für Sie, Louise!
Jch bin nicht vermählt!

Louise stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Un-
beweglich mit verhaltenem Athem hörte sie ihm zu,
als der Graf fortfuhr:

- Nein, ich bin nicht vermählt, Louise. Meine
Angehörigen glaubten, da ich mit Festigkeit ihren
Wünschen in Bezug meiner Vermählung entgegen-
[Spaltenumbruch] trat, ohne daß sie die Veranlassung dazu kannten,
mich dadurch gewissermaßen zu zwingen, daß sie
mein dreimaliges Aufbieten veranlaßten, ohne daß
ich eine Ahnung davon hatte und ohne daß die mir
von ihnen bestimmte Gattin meine Weigerung kannte.
Aber ich habe mich dieser Verbindung, welche wider
meinen Willen geschlossen werden sollte, entzogen.
Jch habe die Ruhe einer achtbaren Familie durch
meinen Rücktritt getrübt, welcher unter diesen Um-
ständen eine Beleidigung, eine öffentliche Schmach
war. Ehre, Vermögen, Ansehen, Alles habe ich
zurückgestoßen, um Jhnen treu zu seyn, und als
ich, von Allen verurtheilt und geschmäht, mein
Haus verließ, um einen Zufluchtsort bei Jhnen zu
suchen, Louise, waren Sie fort!

- Mein Gott! mein Gott! rief die junge
Frau in der furchtbarsten Seelenangst aus, ist es
möglich? darf ich Jhnen glauben?

Wo waren Sie, Louise, was war aus Jhnen
geworden? Die Verzweiflung drohte mich wahnsin-
nig zu machen; - wie sehr fühlte ich damals meine
Liebe zu Jhnen, wie sehr fühlte ich auch, daß Sie
ungerecht und grausam waren! Als ich mich eben
aufmachte, um nach Jhrer Vaterstadt zu reisen,
um Sie aufzusuchen, schickte mir der Bruder des
jungen Mädchens, dessen Hand ich ausgeschlagen
hatte, eine Ausforderung, die meine Ehre mich an-
nehmen hieß. Jch schlug mich mit ihm und wurde
verwundet.

- Verwundet! rief Louise schluchzend, verwun-
det, meinetwegen! O mein Gott!

- Jch war lange, sehr lange Zeit krank, fuhr
der Graf fort; aber endlich genas ich trotz der
Qualen meines Herzens, und da hatte ich nur ei-
nen Wunsch, eine Willen, Sie wiederzusehen. Jch
reiste nach Jhrer Vaterstadt ab. Als ich auf die
Schwelle Jhres Hauses trat, hörte ich mein Herz
lauter schlagen, ich hatte Furcht, alle Fenster waren
verschlossen. Man sah an dem dumpfen Stillschwei-
gen, welches in diesem Hause herrschte, daß es
nicht bewohnt sei; - ich schellte und nach langer
Zeit öffnete eine alte Dienerin. - Jhre Mutter war
todt, und Sie vermählt und in einer andern Stadt!

Ein tiefes Schweigen folgte dieser unglücklichen
Entdeckung. Zwei Herzen litten stillschweigend.

Louise faltete ihre Hände und hob sie flehend
zum Himmel auf. Sie hatte also selbst ihr Glück
zerstört, ihr Herz zerrissen, ihre Jugend aller Liebe
beraubt. - Jetzt, erst jetzt sah Louise ein, welches
unendliche Opfer sie gebracht, als sie einem Greise
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Tübinger [Abbildung] Chronik.
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Briefkästen sind aufgestellt:
bei Hrn. Messerschmidt Busse
nächst d. Rathhaus, bei Hrn.
Bürstenfabrikant Klein beim
Hirsch, bei Fr. Messrschm[unleserliches Material]Wlh[unleserliches Material]. Fack in d. neuen Straße
bei Hrn. – – am
Neckarsthor u. bei Hrn –

– in der Neckarhalde, in
welche Ankündigungen aller
Art eingelegt werden können.
Diese Briefkästen werden je-
den Tag geleert.

[Ende Spaltensatz]
Eine Zeitschrift für Stadt und Land.


Nro 92. Freitag den 1. August. 1845.


[Beginn Spaltensatz]
Louise Dalmar.
Fortsetzung.

Als sich Louise zufällig umwandte, bemerkte sie
den Grafen, der sie mit schmerzlichen, aber tief ein-
dringenden Blicken ansah, vor denen sie erschrack.
Aber sie nahm sich zusammen. Wie der größte
Theil der Frauen, bekam auch sie Muth, in dem
Augenblick, wo es darauf ankam, zu zeigen, daß
Louise Dalmar vor dem Grafen Mirmont zittern
konnte, daß Madame Granville aber ruhig und ver-
trauend seyn mußte.

– So finde ich Sie endlich doch wieder! sagte
der Graf.

– Vergessen Sie eine Vergangenheit, mein
Herr, antwortete Louise einfach, welche mir Gott
und meine Mutter verziehen haben, die ich Jhnen
in diesem Augenblick verzeihe. Vergessen Sie, daß
es ein junges Mädchen gab, welches Sie verderben
wollten, das der Himmel aber rettete. Erlauben
Sie mir, in Jhnen jetzt nur den Grafen Mirmont
zu sehen, der der Freund, der Retter meines Man-
nes ist, um ihm unter diesem Titel die Hand zu
reichen.

– Nein! nein, Madame, rief der junge Mann
aus und wies die Hand von sich ab, welche ihm
hingereicht wurde, einen Augenblick! einen einzigen
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hören Sie mich an, aus Mitleid! da ein glücklicher
Zufall uns wieder zusammenführt, müssen Sie mich
hören, Sie müssen!

Louise ging auf die Thür zu.

– Entfernen Sie sich nicht, ich beschwöre Sie,
fuhr der Graf fort und vertrat ihr den Weg, nur
heute entfernen Sie sich nicht von mir, ohne mich
zu hören, wie Sie es sonst gethan haben. – Sie
wissen nicht, daß ich wahnsinnig zu werden glaubte,
als ich Jhren unseligen Brief empfing. Sie wissen
nicht, daß ich diese Heirath nicht wollte, daß ich
mich mit aller meiner Liebe für Sie dagegen
sträubte; ja! mit aller meiner Liebe für Sie, Louise!
Jch bin nicht vermählt!

Louise stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Un-
beweglich mit verhaltenem Athem hörte sie ihm zu,
als der Graf fortfuhr:

– Nein, ich bin nicht vermählt, Louise. Meine
Angehörigen glaubten, da ich mit Festigkeit ihren
Wünschen in Bezug meiner Vermählung entgegen-
[Spaltenumbruch] trat, ohne daß sie die Veranlassung dazu kannten,
mich dadurch gewissermaßen zu zwingen, daß sie
mein dreimaliges Aufbieten veranlaßten, ohne daß
ich eine Ahnung davon hatte und ohne daß die mir
von ihnen bestimmte Gattin meine Weigerung kannte.
Aber ich habe mich dieser Verbindung, welche wider
meinen Willen geschlossen werden sollte, entzogen.
Jch habe die Ruhe einer achtbaren Familie durch
meinen Rücktritt getrübt, welcher unter diesen Um-
ständen eine Beleidigung, eine öffentliche Schmach
war. Ehre, Vermögen, Ansehen, Alles habe ich
zurückgestoßen, um Jhnen treu zu seyn, und als
ich, von Allen verurtheilt und geschmäht, mein
Haus verließ, um einen Zufluchtsort bei Jhnen zu
suchen, Louise, waren Sie fort!

– Mein Gott! mein Gott! rief die junge
Frau in der furchtbarsten Seelenangst aus, ist es
möglich? darf ich Jhnen glauben?

Wo waren Sie, Louise, was war aus Jhnen
geworden? Die Verzweiflung drohte mich wahnsin-
nig zu machen; – wie sehr fühlte ich damals meine
Liebe zu Jhnen, wie sehr fühlte ich auch, daß Sie
ungerecht und grausam waren! Als ich mich eben
aufmachte, um nach Jhrer Vaterstadt zu reisen,
um Sie aufzusuchen, schickte mir der Bruder des
jungen Mädchens, dessen Hand ich ausgeschlagen
hatte, eine Ausforderung, die meine Ehre mich an-
nehmen hieß. Jch schlug mich mit ihm und wurde
verwundet.

– Verwundet! rief Louise schluchzend, verwun-
det, meinetwegen! O mein Gott!

– Jch war lange, sehr lange Zeit krank, fuhr
der Graf fort; aber endlich genas ich trotz der
Qualen meines Herzens, und da hatte ich nur ei-
nen Wunsch, eine Willen, Sie wiederzusehen. Jch
reiste nach Jhrer Vaterstadt ab. Als ich auf die
Schwelle Jhres Hauses trat, hörte ich mein Herz
lauter schlagen, ich hatte Furcht, alle Fenster waren
verschlossen. Man sah an dem dumpfen Stillschwei-
gen, welches in diesem Hause herrschte, daß es
nicht bewohnt sei; – ich schellte und nach langer
Zeit öffnete eine alte Dienerin. – Jhre Mutter war
todt, und Sie vermählt und in einer andern Stadt!

Ein tiefes Schweigen folgte dieser unglücklichen
Entdeckung. Zwei Herzen litten stillschweigend.

Louise faltete ihre Hände und hob sie flehend
zum Himmel auf. Sie hatte also selbst ihr Glück
zerstört, ihr Herz zerrissen, ihre Jugend aller Liebe
beraubt. – Jetzt, erst jetzt sah Louise ein, welches
unendliche Opfer sie gebracht, als sie einem Greise
[Ende Spaltensatz]

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[[369]/0001] Dieses Blatt erscheint wö- chentl. 3mal, Montag, Mitt- woch u. Freitag u. kostet hier und durch Boten bezogen mo- natlich 9 kr. Durch die Post bezogen halbjährlich 1 fl. Ein- rückungsgebühr f. 1 Linie aus gewöhnlicher Schrift 1 kr. Für Tübingen u. Umgegend abon- nirt man bei d. Redaction in d. langen Gasse nächst d. Stifts- kirche, wo auch Ankündigun- gen und Aufsätze aller Art abgegeben werden können. Tübinger [Abbildung] Chronik. Briefkästen sind aufgestellt: bei Hrn. Messerschmidt Busse nächst d. Rathhaus, bei Hrn. Bürstenfabrikant Klein beim Hirsch, bei Fr. Messrschm_ Wlh_ . Fack in d. neuen Straße bei Hrn. – – am Neckarsthor u. bei Hrn – – in der Neckarhalde, in welche Ankündigungen aller Art eingelegt werden können. Diese Briefkästen werden je- den Tag geleert. Eine Zeitschrift für Stadt und Land. Nro 92. Freitag den 1. August. 1845. Louise Dalmar. Fortsetzung. 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O mein Gott! – Jch war lange, sehr lange Zeit krank, fuhr der Graf fort; aber endlich genas ich trotz der Qualen meines Herzens, und da hatte ich nur ei- nen Wunsch, eine Willen, Sie wiederzusehen. Jch reiste nach Jhrer Vaterstadt ab. Als ich auf die Schwelle Jhres Hauses trat, hörte ich mein Herz lauter schlagen, ich hatte Furcht, alle Fenster waren verschlossen. Man sah an dem dumpfen Stillschwei- gen, welches in diesem Hause herrschte, daß es nicht bewohnt sei; – ich schellte und nach langer Zeit öffnete eine alte Dienerin. – Jhre Mutter war todt, und Sie vermählt und in einer andern Stadt! Ein tiefes Schweigen folgte dieser unglücklichen Entdeckung. Zwei Herzen litten stillschweigend. Louise faltete ihre Hände und hob sie flehend zum Himmel auf. Sie hatte also selbst ihr Glück zerstört, ihr Herz zerrissen, ihre Jugend aller Liebe beraubt. – Jetzt, erst jetzt sah Louise ein, welches unendliche Opfer sie gebracht, als sie einem Greise

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Zitationshilfe: Tübinger Chronik. Nr. 92. [Tübingen (Württemberg)], 1. August 1845, S. [369]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_chronik092_1845/1>, abgerufen am 21.11.2024.