Tübinger Chronik. Nr. 86. [Tübingen (Württemberg)], 18. Juli 1845.[Beginn Spaltensatz]
Dieses Blatt erscheint wö- Tübinger
[Abbildung]
Chronik. Briefkästen sind aufgestellt: - in der Neckarhalde, in Eine Zeitschrift für Stadt und Land. Nro 86. Freitag den 18. Juli. 1845. [Beginn Spaltensatz]
Louise Dalmar. Fortsetzung. Der Bankier, der in der Mitte des Zimmers Endlich sah der Bankier auf. "Du bist es, Louise," sagte er feierlich, "ich Er that der jungen Frau einen großen Gefallen, "Liebes Kind," sagte der Greis und ergriff ihre "Ja ich weinte, denn ich gedachte an die arme Louisens Stimme war bei den letzten Worten "Und ich sagte Dir," unterbrach sie der Greis, "Und ich schwieg," fuhr Louise fort, "ich dankte "Jch höre Louise," antwortete Granville, der Die junge Frau schlug die Augen nieder und "Mein Vater starb, als ich noch ein Kind Das ganze Hauswesen wurde bewundernswür- [Beginn Spaltensatz]
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Chronik. Briefkästen sind aufgestellt: – in der Neckarhalde, in Eine Zeitschrift für Stadt und Land. Nro 86. Freitag den 18. Juli. 1845. [Beginn Spaltensatz]
Louise Dalmar. Fortsetzung. Der Bankier, der in der Mitte des Zimmers Endlich sah der Bankier auf. „Du bist es, Louise,“ sagte er feierlich, „ich Er that der jungen Frau einen großen Gefallen, „Liebes Kind,“ sagte der Greis und ergriff ihre „Ja ich weinte, denn ich gedachte an die arme Louisens Stimme war bei den letzten Worten „Und ich sagte Dir,“ unterbrach sie der Greis, „Und ich schwieg,“ fuhr Louise fort, „ich dankte „Jch höre Louise,“ antwortete Granville, der Die junge Frau schlug die Augen nieder und „Mein Vater starb, als ich noch ein Kind Das ganze Hauswesen wurde bewundernswür- <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[345]"/> <cb type="start"/> <div> <p>Dieses Blatt erscheint wö-<lb/> chentl. 3mal, Montag, Mitt-<lb/> woch u. Freitag u. kostet hier<lb/> und durch Boten bezogen mo-<lb/> natlich 9 kr. Durch die Post<lb/> bezogen halbjährlich 1 fl. Ein-<lb/> rückungsgebühr f. 1 Linie aus<lb/> gewöhnlicher Schrift 1 kr. Für<lb/> Tübingen u. Umgegend abon-<lb/> nirt man bei d. 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Der Bankier sah nicht auf.<lb/> Louise blickte ihn einen Augenblick an ohne zu reden;<lb/> es lag in diesem Stillschweigen zugleich Achtung,<lb/> Dankbarkeit und ein Etwas, wie ein unbestimmtes<lb/> Gefühl von Furcht, das sich nicht beschreiben läßt.<lb/> Man konnte errathen, daß sie Worte auf den Lip-<lb/> pen hatte, die sie mit dem Athem zurückdrängte,<lb/> so daß ihre Brust sich unregelmäßig hob.</p><lb/> <p>Endlich sah der Bankier auf.</p><lb/> <p>„Du bist es, Louise,“ sagte er feierlich, „ich<lb/> war so in meine Zahlen vertieft, daß ich Dich gar<lb/> nicht gehört habe.“</p><lb/> <p>Er that der jungen Frau einen großen Gefallen,<lb/> daß er sie anredete, denn er unterbrach so das Still-<lb/> schweigen, das schon lange im Zimmer herrschte.<lb/> „Ja ich bin es,“ antwortete sie, „ich habe mich zu<lb/> Dir gesetzt, und während Du in Deine Papiere<lb/> blicktest, sah ich Dich an und weinte.“</p><lb/> <p>„Liebes Kind,“ sagte der Greis und ergriff ihre<lb/> beiden Hände. – Es lag so viel Güte und Sanft-<lb/> muth in seinen Blicken, in dem Ton seiner Stimme<lb/> daß Louise beruhigt fortfuhr:</p><lb/> <p>„Ja ich weinte, denn ich gedachte an die arme<lb/> Waise, die unglücklich durch die Vergangenheit, ver-<lb/> gessen von der Zukunft dastand, als Du ihr die Hand<lb/> reichtest und ihr sagtest: – Jch will Dich schützen<lb/> und lieben, – ich danke Dir.“</p><lb/> <p>Louisens Stimme war bei den letzten Worten<lb/> weich und zitternd geworden. 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Aber siehst Du, mein Freund,<lb/> wenn es nicht Deinetwegen ist, so laß mich meinet-<lb/> wegen das Bekenntniß machen, denn es darf in<lb/> dem Leben des armen, jungen Mädchens kein Tag<lb/> seyn, den Du nicht kenntest, wie sie ihn kennt.<lb/> Was ich Dir zu sagen habe, thut mir wehe, weil<lb/> ich es Dir nicht gesagt habe. Darf es unter uns<lb/> ein Geheimniß geben, und dann ist es heute mehr<lb/> als je nöthig, daß Du Alles erfährst.“</p><lb/> <p>„Jch höre Louise,“ antwortete Granville, der<lb/> unwillkürlich über die seltsame Bewegung erstaunt<lb/> war, mit welcher diese letzten Worte gesprochen<lb/> wurden.</p><lb/> <p>Die junge Frau schlug die Augen nieder und<lb/> schwieg einen Augenblick still, um alle ihre Gedan-<lb/> ken und Erinnerungen zu sammeln. Dann erzählte<lb/> sie folgendermaßen:</p><lb/> <p>„Mein Vater starb, als ich noch ein Kind<lb/> war. Mit ihm gingen die schönen Augenblicke mei-<lb/> nes jungen Lebens zu Ende. Seit der Zeit habe<lb/> ich oft geweint. Meine Mutter war streng tugend-<lb/> haft, fromm und unerbittlich strenge; obgleich sie<lb/> von Allen denen, welche sie kannten, geachtet wurde,<lb/> fürchtete man sie doch mehr, als man sie liebte –<lb/> Arme, gute Mutter, ich sehe noch ihre Figur, ihre<lb/> regelmäßigen Züge, und die hohe Stirn, auf der<lb/> sich nicht die geringste Leidenschaft aussprach. Eine<lb/> unerschütterliche Ruhe war der einzige Ausdruck,<lb/> welcher in ihren Zügen lag. Jhre Stimme war<lb/> ernst; sie sprach langsam und immer so kurz als<lb/> möglich.</p><lb/> <p>Das ganze Hauswesen wurde bewundernswür-<lb/> dig ordentlich gehalten, obgleich meine Mutter nur<lb/> von einer alten Dienerin in der Wirthschaft unter-<lb/> stützt wurde. Jedes hatte seine bestimmte zweck-<lb/> mäßige Stelle und überall herrschte solche Ordnung,<lb/> daß es fast aussah, als wären sämmtliche Zimmer<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [[345]/0001]
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chentl. 3mal, Montag, Mitt-
woch u. Freitag u. kostet hier
und durch Boten bezogen mo-
natlich 9 kr. Durch die Post
bezogen halbjährlich 1 fl. Ein-
rückungsgebühr f. 1 Linie aus
gewöhnlicher Schrift 1 kr. Für
Tübingen u. Umgegend abon-
nirt man bei d. Redaction in d.
langen Gasse nächst d. Stifts-
kirche, wo auch Ankündigun-
gen und Aufsätze aller Art
abgegeben werden können.
Tübinger
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Chronik.
Briefkästen sind aufgestellt:
bei Hrn. Messerschmidt Busse
nächst d. Rathhaus, bei Hrn.
Bürstenfabrikant Klein beim
Hirsch, bei Fr. Messrschm_ Wlh_ . Fack in d. neuen Straße
bei Hrn. – – am
Neckarsthor u. bei Hrn –
– in der Neckarhalde, in
welche Ankündigungen aller
Art eingelegt werden können.
Diese Briefkästen werden je-
den Tag geleert.
Eine Zeitschrift für Stadt und Land.
Nro 86. Freitag den 18. Juli. 1845.
Louise Dalmar.
Fortsetzung.
Der Bankier, der in der Mitte des Zimmers
mit der Durchsicht von Papieren beschäftigt war,
hatte die Bewegung seiner Frau nicht bemerkt. –
Sie zitterte, ohne Zweifel hatte die Person, welche
vor dem Fenster vorüberging, Erinnerungen in ihrem
Herzen erweckt, die beinahe verlöscht dort schlum-
merten. Sie stand leise auf, sah noch ein Mal auf
die Straße hinab und lehnte sich einen Augenblick
an das Fenster. Dann schien ihr Schreck sich zu
verlieren, und sie verließ ihren Platz, um sich zu
Granville zu setzen. Der Bankier sah nicht auf.
Louise blickte ihn einen Augenblick an ohne zu reden;
es lag in diesem Stillschweigen zugleich Achtung,
Dankbarkeit und ein Etwas, wie ein unbestimmtes
Gefühl von Furcht, das sich nicht beschreiben läßt.
Man konnte errathen, daß sie Worte auf den Lip-
pen hatte, die sie mit dem Athem zurückdrängte,
so daß ihre Brust sich unregelmäßig hob.
Endlich sah der Bankier auf.
„Du bist es, Louise,“ sagte er feierlich, „ich
war so in meine Zahlen vertieft, daß ich Dich gar
nicht gehört habe.“
Er that der jungen Frau einen großen Gefallen,
daß er sie anredete, denn er unterbrach so das Still-
schweigen, das schon lange im Zimmer herrschte.
„Ja ich bin es,“ antwortete sie, „ich habe mich zu
Dir gesetzt, und während Du in Deine Papiere
blicktest, sah ich Dich an und weinte.“
„Liebes Kind,“ sagte der Greis und ergriff ihre
beiden Hände. – Es lag so viel Güte und Sanft-
muth in seinen Blicken, in dem Ton seiner Stimme
daß Louise beruhigt fortfuhr:
„Ja ich weinte, denn ich gedachte an die arme
Waise, die unglücklich durch die Vergangenheit, ver-
gessen von der Zukunft dastand, als Du ihr die Hand
reichtest und ihr sagtest: – Jch will Dich schützen
und lieben, – ich danke Dir.“
Louisens Stimme war bei den letzten Worten
weich und zitternd geworden. Sie bedeckte das Ge-
sicht mit beiden Händen und als sie Kraft gesam-
melt zu haben schien, die sie bedurfte, fuhr sie fort:
„Ehe ich das annehmen wollte, mein Freund, was
Dein Edelmuth der Waise bot, wollte ich Dir mein
vergangenes Leben erzählen, denn obgleich es noch
kurz ist, so war es doch schon bitter und voller
Thränen. Du legtest Deine Hand auf die Lippen,
welche im Begriff waren, sich zu öffnen.“
„Und ich sagte Dir,“ unterbrach sie der Greis,
„wozu dies Bekenntniß über Dein vergangenes Le-
ben, mein Kind? Wenn Du des Trostes bedarfst,
so ist meine Liebe bereit, ihn Dir zu geben; willst
Du Verzeihung, – still mein Kind, Du hast sie
früher erhalten, als Du darum batest.“
„Und ich schwieg,“ fuhr Louise fort, „ich dankte
Gott, und nahm den Beschützer und Freund an,
den er mir sandte. Aber siehst Du, mein Freund,
wenn es nicht Deinetwegen ist, so laß mich meinet-
wegen das Bekenntniß machen, denn es darf in
dem Leben des armen, jungen Mädchens kein Tag
seyn, den Du nicht kenntest, wie sie ihn kennt.
Was ich Dir zu sagen habe, thut mir wehe, weil
ich es Dir nicht gesagt habe. Darf es unter uns
ein Geheimniß geben, und dann ist es heute mehr
als je nöthig, daß Du Alles erfährst.“
„Jch höre Louise,“ antwortete Granville, der
unwillkürlich über die seltsame Bewegung erstaunt
war, mit welcher diese letzten Worte gesprochen
wurden.
Die junge Frau schlug die Augen nieder und
schwieg einen Augenblick still, um alle ihre Gedan-
ken und Erinnerungen zu sammeln. Dann erzählte
sie folgendermaßen:
„Mein Vater starb, als ich noch ein Kind
war. Mit ihm gingen die schönen Augenblicke mei-
nes jungen Lebens zu Ende. Seit der Zeit habe
ich oft geweint. Meine Mutter war streng tugend-
haft, fromm und unerbittlich strenge; obgleich sie
von Allen denen, welche sie kannten, geachtet wurde,
fürchtete man sie doch mehr, als man sie liebte –
Arme, gute Mutter, ich sehe noch ihre Figur, ihre
regelmäßigen Züge, und die hohe Stirn, auf der
sich nicht die geringste Leidenschaft aussprach. Eine
unerschütterliche Ruhe war der einzige Ausdruck,
welcher in ihren Zügen lag. Jhre Stimme war
ernst; sie sprach langsam und immer so kurz als
möglich.
Das ganze Hauswesen wurde bewundernswür-
dig ordentlich gehalten, obgleich meine Mutter nur
von einer alten Dienerin in der Wirthschaft unter-
stützt wurde. Jedes hatte seine bestimmte zweck-
mäßige Stelle und überall herrschte solche Ordnung,
daß es fast aussah, als wären sämmtliche Zimmer
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
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