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Tübinger Chronik. Nr. 24. [Tübingen (Württemberg)], 24. Februar 1845.

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gewöhnlicher Schrift 1 kr. Für
Tübingen u. Umgegend abon-
nirt man bei d. Redaction in d.
langen Gasse nächst d. Stifts-
kirche, wo auch Ankündigun-
gen und Aufsätze aller Art
abgegeben werden können.

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Tübinger [Abbildung] Chronik.

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Briefkästen sind aufgestellt:
bei Hrn. Messerschmidt Busse
nächst d. Rathhaus, bei Hrn.
Bürstenfabrikant Klein beim
Hirsch, bei Fr. Messrschm[unleserliches Material]Wlh[unleserliches Material]. Fack in d. neuen Straße
bei Hrn. - - am
Neckarsthor u. bei Hrn -

- in der Neckarhalde, in
welche Ankündigungen aller
Art eingelegt werden können.
Diese Briefkästen werden je-
den Tag geleert.

[Ende Spaltensatz]
Eine Zeitschrift für Stadt und Land.


Nro 24. Montag den 24. Februar. 1845.


[Beginn Spaltensatz]
Der Schatz im Clavier.
( Schluß. )

Marie bejahte, setzte auch hinzu, daß ihr Va-
ter viel Vergnügen daran gefunden, versicherte aber
ihre feste Ueberzeugung, daß er nie Mißbrauch da-
mit getrieben, und loderte ein zweites Mal auf, als
Dr. Fuchs sie bat, diese unglückselige Fähigkeit, wie
er sich ausdrückte, gegen Niemand zu erwähnen. Ue-
brigens endete die Conferenz mit dem beiderseitigen
Entschlusse, die weitern Schritte des Gegners ru-
hig abzuwarten.

Dieser säumte nicht, Klage anzustellen, sobald
Marie das ihr gemachte Anerbieten einer Leibrente
für sich und ihre Nichte entschieden zurückgewiesen.
Ehe aber der Tag gekommen, an welchem Kläger
und Verklagte zum Behuf friedlicher Vereinigung
vor Gericht erscheinen sollten, trat Marie in das
Arbeitszimmer des Dr. Fuchs, und steigerte seine
Ueberraschung, die Clientin bei sich zu sehen, durch
die Mittheilung, daß sie dem Gebote einer innern
Stimme gefolgt sey, und das streitige Testament
sich habe vorlegen lassen. Es ist die Handschrift
meines Vaters, schloß sie.

Also wirklich eine Fälschung! rief der Sachwal-
walter.

Keine Fälschung. Mein Vater war deren nicht
fähig. Dafür bürge ich mit meinem Leben. Es ist
eine, von meinem Vater gefertigte Abschrift des Ori-
ginals.

Und woher, mein Fräulein - verzeihen Sie
diese Frage, sie bietet sich aber von selbst, und ist
nothwendig - woher wissen Sie das?

Mein Vater - glaube ich Jhnen schon gesagt
zu haben - fand ein eigenes Vergnügen am Nach-
bilden fremder Handschriften. Statt die Papiere
dann zu vernichten, hob er sie auf. Jch besitze noch
eine Sammlung davon. Aber ob aus Vorsicht, oder
weßhalb sonst, jedes solcher Papiere bezeichnete er
mit einem C, augenscheinlich Copie bedeutend. Und
dieß mir wohlbekannte C steht auf der Rückseite des
Testamentes.

Sie setzen mich in Erstaunen. Eine unglück-
liche Entdeckung. Wie aber kann die Abschrift statt
des Originals vor Gericht gelangt seyn?

Darüber habe ich nur eine Vermuthung.

[Spaltenumbruch]

Vermuthungen bahnen sich oft den Weg zum
Beweise. Jch bitte darum.

Als mein Oheim nach England gereist war,
den dortigen Theil der Erbschaft zu erheben, mußte
er zur Empfangnahme des hiesigen das Testament
überbringen. Er lebte damals bei meinem Vater,
und da kann eine Verwechslung erfolgt seyn.

Möglich, sogar glaublich. Nur eins begründet
einen Zweifel. Jhr Herr Oheim hat die Originali-
tät des Testaments beschworen.

Mein Oheim stand im Rufe ungewöhnlichen
Leichtsinnes.

Das ließe sich gegen den Zweifel erheben. Alles
in Allem, brauche ich Jhnen nicht zu bemerken, daß
Jhre Entdeckung unser Geheimniß bleiben, wir un-
erschütterlich die Aechtheit und Originalität des Te-
staments verfechten müssen.

Nein, mein Herr, das sollen, das dürfen wir
nicht; es wäre eine Lüge. Vielmehr bin ich hier,
Sie zu ersuchen, Herrn Kraaz in meinem Namen
mit dem bekannt zu machen, was ich Jhnen gesagt.

Jch verehre, bewundere - nicht Jhre Wahr-
heitsliebe, von der war ich überzeugt, sondern die
Großartigkeit Jhres Entschlusses. Haben Sie aber
die Folgen bedacht?

Wo ich nur wählen kann zwischen Lüge und
Wahrheit, werde ich auf die Folgen nie Rücksicht
nehmen.

Jhre Mittheilung in den Händen des Gegners
kann Sie - zur Bettlerin machen.

Mariens Augen füllten sich mit Thränen, und
die Stimme versagte ihr.

Denken Sie an Jhre Nichte, fuhr der Sach-
walter nach kurzer Pause fort. Sie sind gerüstet
gegen die Leiden der Armuth, durch das Bewußt-
seyn strenger Rechtlichkeit. Jhre Nichte ist der Ent-
behrungen entwöhnt. Der Ruf nennt sie eine reiche
Erbin, und die aufblühende Jungfrau ist zu schönen
Hoffnungen berechtigt. Alles das zerstört der Feder-
zug, den Sie von mir fordern. Jhr Schweigen läßt
Alles, wie es ist. Das Recht legt Jhnen keine Ver-
pflichtungen auf, zu reden. Jch rede und handle
für Sie, und will es vertreten. Sie haben die Ue-
berzeugung, daß das Testament kein gefälschtes. So
müssen Sie auch die Ueberzeugung haben, daß Jhr
väterliches Erbe Jhr rechtmäßiges Eigenthum. Las-
sen Sie daher dem Processe seinen Gang. Er kann
für Sie, er kann gegen Sie ausfallen. Doch wer-
den Sie jahrelang im Besitze bleiben. Oder wollen
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kirche, wo auch Ankündigun-
gen und Aufsätze aller Art
abgegeben werden können.

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Tübinger [Abbildung] Chronik.

[Spaltenumbruch]

Briefkästen sind aufgestellt:
bei Hrn. Messerschmidt Busse
nächst d. Rathhaus, bei Hrn.
Bürstenfabrikant Klein beim
Hirsch, bei Fr. Messrschm[unleserliches Material]Wlh[unleserliches Material]. Fack in d. neuen Straße
bei Hrn. – – am
Neckarsthor u. bei Hrn –

– in der Neckarhalde, in
welche Ankündigungen aller
Art eingelegt werden können.
Diese Briefkästen werden je-
den Tag geleert.

[Ende Spaltensatz]
Eine Zeitschrift für Stadt und Land.


Nro 24. Montag den 24. Februar. 1845.


[Beginn Spaltensatz]
Der Schatz im Clavier.
( Schluß. )

Marie bejahte, setzte auch hinzu, daß ihr Va-
ter viel Vergnügen daran gefunden, versicherte aber
ihre feste Ueberzeugung, daß er nie Mißbrauch da-
mit getrieben, und loderte ein zweites Mal auf, als
Dr. Fuchs sie bat, diese unglückselige Fähigkeit, wie
er sich ausdrückte, gegen Niemand zu erwähnen. Ue-
brigens endete die Conferenz mit dem beiderseitigen
Entschlusse, die weitern Schritte des Gegners ru-
hig abzuwarten.

Dieser säumte nicht, Klage anzustellen, sobald
Marie das ihr gemachte Anerbieten einer Leibrente
für sich und ihre Nichte entschieden zurückgewiesen.
Ehe aber der Tag gekommen, an welchem Kläger
und Verklagte zum Behuf friedlicher Vereinigung
vor Gericht erscheinen sollten, trat Marie in das
Arbeitszimmer des Dr. Fuchs, und steigerte seine
Ueberraschung, die Clientin bei sich zu sehen, durch
die Mittheilung, daß sie dem Gebote einer innern
Stimme gefolgt sey, und das streitige Testament
sich habe vorlegen lassen. Es ist die Handschrift
meines Vaters, schloß sie.

Also wirklich eine Fälschung! rief der Sachwal-
walter.

Keine Fälschung. Mein Vater war deren nicht
fähig. Dafür bürge ich mit meinem Leben. Es ist
eine, von meinem Vater gefertigte Abschrift des Ori-
ginals.

Und woher, mein Fräulein – verzeihen Sie
diese Frage, sie bietet sich aber von selbst, und ist
nothwendig – woher wissen Sie das?

Mein Vater – glaube ich Jhnen schon gesagt
zu haben – fand ein eigenes Vergnügen am Nach-
bilden fremder Handschriften. Statt die Papiere
dann zu vernichten, hob er sie auf. Jch besitze noch
eine Sammlung davon. Aber ob aus Vorsicht, oder
weßhalb sonst, jedes solcher Papiere bezeichnete er
mit einem C, augenscheinlich Copie bedeutend. Und
dieß mir wohlbekannte C steht auf der Rückseite des
Testamentes.

Sie setzen mich in Erstaunen. Eine unglück-
liche Entdeckung. Wie aber kann die Abschrift statt
des Originals vor Gericht gelangt seyn?

Darüber habe ich nur eine Vermuthung.

[Spaltenumbruch]

Vermuthungen bahnen sich oft den Weg zum
Beweise. Jch bitte darum.

Als mein Oheim nach England gereist war,
den dortigen Theil der Erbschaft zu erheben, mußte
er zur Empfangnahme des hiesigen das Testament
überbringen. Er lebte damals bei meinem Vater,
und da kann eine Verwechslung erfolgt seyn.

Möglich, sogar glaublich. Nur eins begründet
einen Zweifel. Jhr Herr Oheim hat die Originali-
tät des Testaments beschworen.

Mein Oheim stand im Rufe ungewöhnlichen
Leichtsinnes.

Das ließe sich gegen den Zweifel erheben. Alles
in Allem, brauche ich Jhnen nicht zu bemerken, daß
Jhre Entdeckung unser Geheimniß bleiben, wir un-
erschütterlich die Aechtheit und Originalität des Te-
staments verfechten müssen.

Nein, mein Herr, das sollen, das dürfen wir
nicht; es wäre eine Lüge. Vielmehr bin ich hier,
Sie zu ersuchen, Herrn Kraaz in meinem Namen
mit dem bekannt zu machen, was ich Jhnen gesagt.

Jch verehre, bewundere – nicht Jhre Wahr-
heitsliebe, von der war ich überzeugt, sondern die
Großartigkeit Jhres Entschlusses. Haben Sie aber
die Folgen bedacht?

Wo ich nur wählen kann zwischen Lüge und
Wahrheit, werde ich auf die Folgen nie Rücksicht
nehmen.

Jhre Mittheilung in den Händen des Gegners
kann Sie – zur Bettlerin machen.

Mariens Augen füllten sich mit Thränen, und
die Stimme versagte ihr.

Denken Sie an Jhre Nichte, fuhr der Sach-
walter nach kurzer Pause fort. Sie sind gerüstet
gegen die Leiden der Armuth, durch das Bewußt-
seyn strenger Rechtlichkeit. Jhre Nichte ist der Ent-
behrungen entwöhnt. Der Ruf nennt sie eine reiche
Erbin, und die aufblühende Jungfrau ist zu schönen
Hoffnungen berechtigt. Alles das zerstört der Feder-
zug, den Sie von mir fordern. Jhr Schweigen läßt
Alles, wie es ist. Das Recht legt Jhnen keine Ver-
pflichtungen auf, zu reden. Jch rede und handle
für Sie, und will es vertreten. Sie haben die Ue-
berzeugung, daß das Testament kein gefälschtes. So
müssen Sie auch die Ueberzeugung haben, daß Jhr
väterliches Erbe Jhr rechtmäßiges Eigenthum. Las-
sen Sie daher dem Processe seinen Gang. Er kann
für Sie, er kann gegen Sie ausfallen. Doch wer-
den Sie jahrelang im Besitze bleiben. Oder wollen
[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Tübinger Chronik. Nr. 24. [Tübingen (Württemberg)], 24. Februar 1845, S. [93]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_chronik024_1845/1>, abgerufen am 21.11.2024.