Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 43. Berlin, 11. April 1741.[Beginn Spaltensatz]
Gelehrte Sachen. Die Streitigkeiten über den Satz von der besten Der Beschluß folget künftig. Diese Nachrichten werden wöchentlich 3 mal, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem [Beginn Spaltensatz]
Gelehrte Sachen. Die Streitigkeiten über den Satz von der besten Der Beschluß folget künftig. Diese Nachrichten werden wöchentlich 3 mal, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0004"/> <cb type="start"/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">Gelehrte Sachen.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Streitigkeiten über den Satz von der besten<lb/> Welt, sind allerdings von so grosser Erheblich-<lb/> keit, daß sie die Aufmerksamkeit eines jeden, der et-<lb/> was mit völliger Ueberzeugung einsehen will, verdie-<lb/> nen. So wahr es ist, daß diese gegenwärtige Welt<lb/> unter allen möglichen Welten die beste sey: So viel<lb/> Wiederspruch hat diese Wahrheit gefunden, ja wir<lb/> treffen noch täglich einige an, welche sich, ob wohl<lb/> mit sehr schwachen Gründen wehren, dieselbe anzu-<lb/> nehmen. Hr. Baumeister hat sich angelegen las-<lb/> sen, uns in seiner erst kürzlich heraus gegebenen<lb/><hi rendition="#aq">Hiſtoria Doctrinae recentius controverſae de Mundo<lb/> optimo</hi>, einen vollständigen Begriff von denenjeni-<lb/> gen Schicksalen zu geben, welchen dieser Satz un-<lb/> terworfen gewesen. Seine Absicht ist gar nicht, et-<lb/> was zu der Behauptung oder Verneinung desselben<lb/> vorzubringen; sondern er bemühet sich nur seinen<lb/> Lesern, die Gegner und Vertheidiger dieser Wahr-<lb/> heit, nebst ihren Meinungen vorzustellen, und über-<lb/> läßt den Ausspruch dem eigenen Urtheile eines jeden.<lb/> Erstlich führet er die Gründe derer an, die diesen<lb/> Satz behauptet haben, und diese sind folgende: Die-<lb/> se Welt kann anders seyn als sie ist. Folglich<lb/> sind ausser dieser Welt noch verschiedene an-<lb/> dere möglich. Diese möglichen Welten hat<lb/> sich GOtt von Ewigkeit auf das deutlichste<lb/> vorgestellet, und nur diese und keine andere<lb/> erwählet. GOtt wählet aber nach seiner<lb/> Weisheit nur dasjenige, was sich am meisten<lb/> zu seinen Absichten schickt. Also schickt sich<lb/> diese Welt am meisten zu den göttlichen Ab-<lb/> sichten. Eine Welt aber, die sich am meisten<lb/> zu den göttlichen Absichten schickt, wird die<lb/> beste oder die vollkommenste genannt. Folg-<lb/> lich ist diese Welt die beste oder vollkommenste.<lb/> Der Hr. Verfasser zeiget uns, daß schon die älte-<lb/> sten Weltweisen die Vollkommenheit der Welt be-<lb/> merket und erhoben haben. Plato konnnte die Voll-<lb/> kommenheit der Einrichtung, bey dem Weltbaue nicht<lb/> genug betrachten; und Thales, welcher mit wenigen<lb/> oft sehr viel sagte, gab auf die Frage, was das<lb/><cb n="2"/> beste wäre? die vortrefliche Antwort, die Welt.<lb/> Da sich Hr. Baumeister aber vorgenommen, die<lb/> Geschichte der Streitigkeiten über diesen Satz von<lb/> denenjenigen Zeiten anzufangen, welche wir die uns-<lb/> rigen nennen: So ist der Hr. von Leibnitz der<lb/> erste gewesen, welcher diese Wahrheit verfochten.<lb/> Bayle hatte einige falsche Lehren von dem Ursprun-<lb/> ge des Bösen vorgebracht, und nach den Manichae-<lb/> ischen Sätzen zweyerley ewige Ursachen, die eine<lb/> vom Guten und die andere vom Bösen angenommen;<lb/> Jndem er nicht begreifen konnte, wie GOtt gut,<lb/> weise und vollkommen seyn könnte, wenn er einen<lb/> Menschen schaffen sollte, welcher gleich darauf mit<lb/> dem lasterhaftesten Gemüthe in die ärgsten Sünden<lb/> zu fallen im Stande wäre. Viele Weltweisen gaben<lb/> sich die Mühe, diese so gefährlichen Lehrsätze zu ent-<lb/> kräften, und allen zu besorgenden Jrrthümern vor-<lb/> zubeugen. Leibnitz ließ sich dieses nicht weniger<lb/> als die andern angelegen seyn, und verfertigte auf<lb/> Befehl der damaligen Allerdurchl. Königinn von<lb/> Preussen, Sophie Charlotte, seine Theodicee in<lb/> französischer Sprache. Jn diesem vortreflichen Bu-<lb/> che zeigt er Baylen die Schwäche seiner irrigen Sätze<lb/> auf das gründlichste, und erwies, daß diese Welt<lb/> unmöglich die beste seyn könnte, wenn nichts böses<lb/> darinnen wäre. Dieses Buch und besonders die<lb/> Lehre von der besten Welt des Hrn. von Leibnitz,<lb/> fand so viel Beyfall als Wiederspruch. Buddeus<lb/> war unter den Gegnern nicht der geringste; Er hielt<lb/> eine Disputation, die er <hi rendition="#aq">Doctrinæ orthodoxæ de ori-<lb/> gine mali contra recentiorum quorundam Hypothe-<lb/> ſes modeſtam aſſertionem</hi> nannte, und wovon er<lb/> aus besondern Ursachen seinen Respondenten für den<lb/> Verfasser aus gab. Allein Leibnitz that in einem<lb/> besondern Schreiben an den Hrn. Buddeus, wel-<lb/> ches Hr. Baumeister mit einrücket, so bescheidene<lb/> Erinnerungen, in Ansehung der Jngend des Respon-<lb/> denten, welche denselben vielleicht noch verhinderte,<lb/> die Gründe der leibnitzischen Sätze einzusehen, daß<lb/> Hr. Buddeus dieser Erinnerung seinen Beyfall<lb/> nicht versagen konnte.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c">Der Beschluß folget künftig.</hi> </p><lb/> </div> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p>Diese Nachrichten werden wöchentlich 3 mal, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem<lb/> Königl. und der Societät der Wissenschafften privilegirten Buchhändler Ambrosius Haude,<lb/> und dem Königl. Hof=Post=Amte ausgegeben.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0004]
Gelehrte Sachen.
Die Streitigkeiten über den Satz von der besten
Welt, sind allerdings von so grosser Erheblich-
keit, daß sie die Aufmerksamkeit eines jeden, der et-
was mit völliger Ueberzeugung einsehen will, verdie-
nen. So wahr es ist, daß diese gegenwärtige Welt
unter allen möglichen Welten die beste sey: So viel
Wiederspruch hat diese Wahrheit gefunden, ja wir
treffen noch täglich einige an, welche sich, ob wohl
mit sehr schwachen Gründen wehren, dieselbe anzu-
nehmen. Hr. Baumeister hat sich angelegen las-
sen, uns in seiner erst kürzlich heraus gegebenen
Hiſtoria Doctrinae recentius controverſae de Mundo
optimo, einen vollständigen Begriff von denenjeni-
gen Schicksalen zu geben, welchen dieser Satz un-
terworfen gewesen. Seine Absicht ist gar nicht, et-
was zu der Behauptung oder Verneinung desselben
vorzubringen; sondern er bemühet sich nur seinen
Lesern, die Gegner und Vertheidiger dieser Wahr-
heit, nebst ihren Meinungen vorzustellen, und über-
läßt den Ausspruch dem eigenen Urtheile eines jeden.
Erstlich führet er die Gründe derer an, die diesen
Satz behauptet haben, und diese sind folgende: Die-
se Welt kann anders seyn als sie ist. Folglich
sind ausser dieser Welt noch verschiedene an-
dere möglich. Diese möglichen Welten hat
sich GOtt von Ewigkeit auf das deutlichste
vorgestellet, und nur diese und keine andere
erwählet. GOtt wählet aber nach seiner
Weisheit nur dasjenige, was sich am meisten
zu seinen Absichten schickt. Also schickt sich
diese Welt am meisten zu den göttlichen Ab-
sichten. Eine Welt aber, die sich am meisten
zu den göttlichen Absichten schickt, wird die
beste oder die vollkommenste genannt. Folg-
lich ist diese Welt die beste oder vollkommenste.
Der Hr. Verfasser zeiget uns, daß schon die älte-
sten Weltweisen die Vollkommenheit der Welt be-
merket und erhoben haben. Plato konnnte die Voll-
kommenheit der Einrichtung, bey dem Weltbaue nicht
genug betrachten; und Thales, welcher mit wenigen
oft sehr viel sagte, gab auf die Frage, was das
beste wäre? die vortrefliche Antwort, die Welt.
Da sich Hr. Baumeister aber vorgenommen, die
Geschichte der Streitigkeiten über diesen Satz von
denenjenigen Zeiten anzufangen, welche wir die uns-
rigen nennen: So ist der Hr. von Leibnitz der
erste gewesen, welcher diese Wahrheit verfochten.
Bayle hatte einige falsche Lehren von dem Ursprun-
ge des Bösen vorgebracht, und nach den Manichae-
ischen Sätzen zweyerley ewige Ursachen, die eine
vom Guten und die andere vom Bösen angenommen;
Jndem er nicht begreifen konnte, wie GOtt gut,
weise und vollkommen seyn könnte, wenn er einen
Menschen schaffen sollte, welcher gleich darauf mit
dem lasterhaftesten Gemüthe in die ärgsten Sünden
zu fallen im Stande wäre. Viele Weltweisen gaben
sich die Mühe, diese so gefährlichen Lehrsätze zu ent-
kräften, und allen zu besorgenden Jrrthümern vor-
zubeugen. Leibnitz ließ sich dieses nicht weniger
als die andern angelegen seyn, und verfertigte auf
Befehl der damaligen Allerdurchl. Königinn von
Preussen, Sophie Charlotte, seine Theodicee in
französischer Sprache. Jn diesem vortreflichen Bu-
che zeigt er Baylen die Schwäche seiner irrigen Sätze
auf das gründlichste, und erwies, daß diese Welt
unmöglich die beste seyn könnte, wenn nichts böses
darinnen wäre. Dieses Buch und besonders die
Lehre von der besten Welt des Hrn. von Leibnitz,
fand so viel Beyfall als Wiederspruch. Buddeus
war unter den Gegnern nicht der geringste; Er hielt
eine Disputation, die er Doctrinæ orthodoxæ de ori-
gine mali contra recentiorum quorundam Hypothe-
ſes modeſtam aſſertionem nannte, und wovon er
aus besondern Ursachen seinen Respondenten für den
Verfasser aus gab. Allein Leibnitz that in einem
besondern Schreiben an den Hrn. Buddeus, wel-
ches Hr. Baumeister mit einrücket, so bescheidene
Erinnerungen, in Ansehung der Jngend des Respon-
denten, welche denselben vielleicht noch verhinderte,
die Gründe der leibnitzischen Sätze einzusehen, daß
Hr. Buddeus dieser Erinnerung seinen Beyfall
nicht versagen konnte.
Der Beschluß folget künftig.
Diese Nachrichten werden wöchentlich 3 mal, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem
Königl. und der Societät der Wissenschafften privilegirten Buchhändler Ambrosius Haude,
und dem Königl. Hof=Post=Amte ausgegeben.
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