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Die Bayerische Presse. Nr. 280. Würzburg, 22. November 1850.

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[Spaltenumbruch] dessen Ohnmacht dem Ausland gegenüber, zur in-
nern Schwäche und Anarchie, zur Lähmung des
Handels und der Jndustrie, zur gänzlichen Zer-
rissenheit. Wie mächtig und geachtet stand Deutsch-
land, trotz aller Schwächen und Fehler des alten
Bundes, im Jahr 1840 dem Ausland gegenüber
da, und wohin haben es die preußischen Sonder-
bestrebungen nun gebracht? Mit tiefem Schmerz
kann jeder sein Vaterland liebende Deutsche dies
nur betrachten. Erst in den neuesten Tagen,
nachdem Oesterreich im Verein mit dem größten
Theil Deutschlands -- die bundestreuen Staaten
bilden zwei Drittel, die unionistischen nur ein
Drittel des Bundes -- die Herstellung des Bun-
des mit zeitgemäßen Reformen kräftig in die Hand
genommen hat, haben wir Hoffnung ein deutsches
Vaterland zu behalten. Freilich ist dazu nöthig,
daß Preußen seine separatistischen Bestrebungen
aufgibt, und sich dem gemeinsamen Vaterland,
dem deutschen Bund, wieder anschließt, von dem
es sich nie hätte trennen sollen, daß es also die
den Bund zerreißende preußische Union offen und
ehrlich aufgibt. Es hätte dies besser schon längst
thun sollen, nachdem euch der Blinde einsah, daß
von keinem "deutschen Bundesstaate" mehr die
Rede kein konnte, und der Verblendetste begriff,
daß es sich nun blos noch um ein vergrößertes
Preußen, um die Spaltung, die Vernichtung
Deutschlands handle. Wie konnte man bei die-
sen reinen Partikularinteressen immer noch in der
Maske der Einheit Deutschlands, das man zer-
riß, zerfleischte, zu täuschen hoffen? Aber auch
jetzt, wenn auch spät, und nachdem viel Uebeles,
schwer wieder gut zu machendes angerichtet, ist es
noch Zeit, sich dem Bunde wieder zuzuwenden und
die dem Vaterland geschlagenen Wunden wieder
zu heilen. Es kann dies wahrlich nicht die Ehre
verletzen, sondern ist nur der Ehre gemäß. Man
spricht so viel von der preußischen Ehre, von Ver-
letzung der preußischen Ehre! Uns ist die Ehre
eines jeden deutschen Bruderstammes und nament-
lich die des mächtigen, ruhmreichen preußischen
heilig. Aber eben weil dieser Bruderstamm mäch-
tig und ruhmreich ist, braucht er nicht so empfind-
lich zu sein. Es gibt eine wahre und eine falsche
Ehre. Die wahre Ehre verlangt, das Unrecht
aufzugeben, sich dem Rechte zuzuwenden. Jm
Unrechte aber ist jeder Sonderbund, der das ge-
meinsame Vaterland zerreißt; im Unrechte und
zwar im stärksten Unrechte ist ein unberufenes ge-
waltsames Einmischen in die Angelegenheiten eines
andern Bundesstaates, wie die Jnvasion Preußens
in Kurhessen, die so großes Unglück über dieses
Land gebracht hat. Das Unrecht aufgeben, sich
dem Rechte zuwenden, ist ehrenvoll, ist wahrer
Ehre gemäß. Falsche Ehre wäre es aber, bei
einer dem deutschen Vaterlande, dessen Wohl man
doch immer im Munde führt, verderblichen Politik
verharren zu wollen, bei der von der Geschichte
bereits gerichteten preußischen Partikularpolitik
von 1785, 1795 und 1806.

   

Aus Kurhessen, 20. Nov. Eine Verfügung
des Civilcommissärs des deutschen Bundes in Kur-
hessen an die Gerichte, den gesetzmäßigen Stempel
wieder zu erheben, ist theilweise auf Widerspruch
gestoßen und hat in öffentlichen Blättern mehrfach
Mißdeutungen und falschen Auslegungen unterle-
gen. Sie ist, namentlich nachdem bei den Reni-
tenten Zwangsmaßregeln zu deren Vollstreckung
eingetreten sind, als eine Beeinträchtigung des
richterlichen Gewissens und der Rechtsprechung
selbst angesehen worden. Davon handelt es sich
aber durchaus nicht, sondern um eine reine Admi-
nistrativmaßregel, was die Erhebung des Stem-
pels lediglich ist, und nicht um eine Urtheilsspre-
chung, wie fälschlich hat dargestellt werden wollen.
Daß die Erhebung des Stempels eine rein admi-
nistrative Sache ist, ergibt sich nicht blos aus
den deßfallsigen Verhältnissen in andern Staaten,
sondern auch aus dem Verhalten vieler Gerichts-
behörden in diesem Lande selbst, welche keinen An-
stand nehmen, die Sache so anzunehmen, und den
Stempel der Verfügung des Bundescommissärs
gemäß zu erheben.

   

Fulda, 20. Nov. Heute fanden einige Dis-
[Spaltenumbruch] lokationsveränderungen statt. Das 2. Bataillon
des 15. Regiments marschirte aufs Land und 1
Bataillon des 14. Regiments rückte dafür ein.
Das 2. Kürassierregiment bezog Cantonnements in
der Nähe der Stadt. Die beiden schönen Küras-
sierregimenter bilden mit einem Cheveaurlegersre-
giment eine Brigade unter General v. Flotow,
der sich hier befindet. Es herrscht noch immer die
größte Ruhe in den Cantonnements. ( F.=O.Z. )

Kassel, 20. Nov. So sind es denn schon 20
Tage, daß Kassel, wenigstens dessen Oberneustadt,
preußische Soldaten beherbergen muß. Aus wil-
ligem Gehorsam gegen den preußischen Comman-
direnden hat nämlich der Stadtrath die hier lie-
genden Preußen, etwa 1200 Mann, seit dem 9.
sämmtlich in die Oberneustadt einquartirt, weil
es dem Herrn Commandirenden so bequemer ist.
Die Klage der Hausbesitzer jenes Stadttheils
über diese Ungerechtigkeit haben bis zum Augen-
blick nichts gefruchtet. Selbst dort, so wird mehr-
seitig behauptet, sollen verschiedene, natürlich ganz
besonders gesinnungstüchtige Hausbesitzer nicht ei-
nen Mann im Quartier haben, während andere
übermäßig damit belastet sein sollen. -- Der Dienst-
eifer der hiesigen Bürgergarde ist jetzt so groß,
daß kaum der dritte Theil von den zum Wacht-
dienst Commandirten sich einfindet. Gewiß der
größere Theil der Bürgergarde sehnt sich darnach,
die Gewehre auf gute Manier los zu werden.
Nicht so die Offiziere.

   

Hanau, 20. Nov. Außer den Obergerichts-
räthen von Bischofshausen und Hünersdorf hat
nun auch Obergerichtsrath von Maibom sein Ent-
lassungsgesuch eingereicht und Obergerichtsrath
von Carlshausen ist um seine Pensionirung einge-
kommen. Mit diesen Mitgliedern sind zugleich
die wesentlich Gothaischen und Neuhessischen Be-
standtheile des Obergerichts ausgeschieden, und es
steht deshalb zu erwarten, daß die übrig geblie-
benen einem versöhnlicheren Geiste huldigen.

Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Altona, 19. Nov. Die Landesversammlung
von Lauenburg hat folgende Erklärung an die
dortige Statthalterschaft übergeben: "1 ) Die Lan-
desversammlung hegt den Wunsch, daß es dem
Landesherrn möge vergönnt sein, baldigst seine
Rechte wieder selbst auszuüben, und ist bereit, zu
diesem Ziele für die Wohlfahrt des Landes im
Verein mit der hohen Statthalterschaft hinzuwir-
ken. 2 ) Die Landesversammlung kann Heil und
Segen für dieses Land in der Herstellung der
Beziehungen zum Landesherrn nur dann erblicken,
wenn denselben Bestand durch gleichzeitige Her-
stellung des Friedens zwischen dem Königreich Dä-
nemark und den Herzogthümern Schleswig=Hol-
stein gesichert ist. 3 ) Sie erklärt bis dahin die
Fortdauer der gegenwärtigen Landesverwaltung
für das durch das Jnteresse des Landesherrn so-
wohl als des Landes unabweislich Gebotene und
vertraut, daß diese Wahrheit auch von dem Lan-
desherrn werde erkannt werden. 4 ) Sie ertheilt
der hohen Statthalterschaft ihre Zustimmung zu
allen Schritten, welche geeignet sind, die vorzei-
tige Einsetzung einer landesherrlichen Regierung
abzuwenden, und hegt die Erwartung, daß die
hohe Statthalterschaft, wenn durch einen Abgeord-
neten die Herstellung der landesherrlichen Gewalt
versucht werden sollte, in ihrer Stellung fest ver-
harren und nur nach stattgehabter gemeinschaft-
licher Beschlußnahme mit der Landesversammlung
verfahren werde. Ratzeburg, 12. Nov. 1850. Die
Landesversammlung des Herzogthums Lauenburg.
Levetzow. Bärens."

Rendsburg, 17. Nov. Die "Börsenhalle"
enthält eine Mittheilung aus Kiel, 15. Nov.,
über eine dem Vernehmen nach daselbst eingetrof-
fene Weisung aus Berlin, daß, wenn unsere Armee
bis zum 15. December nicht entwaffnet sei, die
Execution vollzogen werden solle. Wir können
aus zuverlässiger Quelle diese Nachricht für gänz-
lich unbegründet erklären. Eine derartige Mit-
[Spaltenumbruch] theilung ist von Seiten der preuß. Regierung an
die Statthalterschaft nicht gemacht, welche daher selbst-
verständlich auch keine Veranlassung gehabt hat,
eine Antwort darauf zu ertheilen.

   

Frankfurt, 20. Nov. Man fragt nicht sel-
ten, welche Aenderung in der Politik Preußens
eingetreten sei, da Herr v. Manteuffel zwei Tage
nach dem Austritt des Herrn v. Radowitz aus
dem Ministerium, die von letzterm in Antrag ge-
brachte Mobilisirung der preußischen Armee, mit-
hin die entschiedenste Maßregel, zur Ausführung
gebracht habe. Man sagt, daß in dem Fall auch
Herr v. Radowitz hätte im Ministerium bleiben
können. Dabei übersieht man aber, daß der Zweck
dieser Maßregel in den Augen des Hrn. v. Ra-
dowitz ein ganz verschiedener, als in denen des
Hrn. v. Manteuffel ist. Ersterer Minister wollte
mittelst einer Nationalerhebung des preußischen
Volks die Unionsidee zur Ausführung bringen und
diese nöthigenfalls erzwingen; sein Ziel war die
Ausschließung Oesterreichs aus dem Bunde und
die Suprematie Preußens über Deutschland mit-
telst der Unionsverfassung; der letztere Minister
hingegen will die volle Parität Preußens mit
Oesterreich, mithin nicht den Ausschluß der letz-
tern Macht aus Deutschland, sondern die Thei-
lung des überwiegenden Einflusses über Deutsch-
land mit derselben. Hr. v. Radowitz verfocht das
Jnteresse der gothaischen Partei, so sehr er dieses
auch verhüllen mochte; Hr. v. Manteuffel stützt
sich auf das spezifische Preußenthum. Der letzt-
gedachte Minister beantragte die Mobilisirung der
preußischen Armee, weil er die Besorgniß hegen
mochte, daß Oesterreich, nachdem es Preußen zum
Aufgeben der Unionsidee vermocht hatte, nun auch
die von ihm angestrebte Parität bestreiten werde,
mithin das spezifische Preußenthum im Herzen an-
greifen wolle. Sein Schritt war darauf berech-
net, daß Oesterreich durch einen ersten Succeß
nicht zu dem Glauben verleitet werde, es könne
auch den zweiten mit Hülfe derselben Minister
erringen, die ihm bei Bekämpfung der Unions-
idee zur Seite gestanden. Hierin liegt wohl
auch der Grund, weshalb die specifisch preußi-
schen Blätter so plötzlich einen kriegerischen Ton
gegen Oesterreich anstimmen. So wie aber von
der österreichischen Regierung der preußischen die
Gewißheit gegeben worden ist, es werde von
ihr die Parität der beiden deutschen Großmächte,
so weit sie ausführbar scheine, nicht beanstandet
werden, so mußte diese auf Berechnung beruhende
Feindschaft schwinden. Die neuesten Nachrichten
aus Wien und Berlin lassen nun keinen Zweifel
mehr übrig, daß Oesterreich von Preußen die ver-
langten Garantien, daß es ihm mit dem Aufge-
ben der Union voller Ernst sei, erhalten habe, und
vielleicht ist die Entfernung des Hrn. v. Radowitz
aus Preußen eine dieser Garantien gewesen, und
eben so auch, daß Preußen von Oesterreich die
geforderte Sicherheit erhalten hat, daß es mit der
Gewährung der Parität vollkommen aufrichtig ge-
meint sei. Von diesem Augenblick müssen sich die
specifischen Preußen wieder zu dem österreichischen
System hingezogen fühlen, nur um so gewisser
aber werden sie genöthigt sein, im Jnlande den
Kampf mit der gothaischen Partei aufzunehmen.
Jn diesem Kampf dürfte das Hauptmoment des zu
eröffnenden preuß. Landtags bestehen und schon
die Eröffnungsrede darauf hinweisen. Wir sind
der Ansicht, daß in demselben Verhältniß, als die
preußische Regierung in der Lage sein wird, den
Angriffen der Gothaer und Unionisten zu wider-
stehen, auch ihre Jntimität mit Oesterreich zuneh-
men werde. Eben daraus wird auch die zuneh-
mende Annäherung an das alte Bundessystem her-
vorgehen, und hierauf bauen wir unsere vorzüg-
lichste Hoffnung einer baldigen Verständigung zwi-
schen Oesterreich und Preußen über die deutschen
Verfassungsfragen. Jst einmal die Jdentität der
Jnteressen wieder hergestellt, so muß sich das ge-
meinschaftliche Handeln von selbst ergeben. Jn-
sofern betrachten wir die Mobilisirung der preu-
ßischen Armee als die bittere Frucht der Rado-

[Spaltenumbruch] dessen Ohnmacht dem Ausland gegenüber, zur in-
nern Schwäche und Anarchie, zur Lähmung des
Handels und der Jndustrie, zur gänzlichen Zer-
rissenheit. Wie mächtig und geachtet stand Deutsch-
land, trotz aller Schwächen und Fehler des alten
Bundes, im Jahr 1840 dem Ausland gegenüber
da, und wohin haben es die preußischen Sonder-
bestrebungen nun gebracht? Mit tiefem Schmerz
kann jeder sein Vaterland liebende Deutsche dies
nur betrachten. Erst in den neuesten Tagen,
nachdem Oesterreich im Verein mit dem größten
Theil Deutschlands -- die bundestreuen Staaten
bilden zwei Drittel, die unionistischen nur ein
Drittel des Bundes -- die Herstellung des Bun-
des mit zeitgemäßen Reformen kräftig in die Hand
genommen hat, haben wir Hoffnung ein deutsches
Vaterland zu behalten. Freilich ist dazu nöthig,
daß Preußen seine separatistischen Bestrebungen
aufgibt, und sich dem gemeinsamen Vaterland,
dem deutschen Bund, wieder anschließt, von dem
es sich nie hätte trennen sollen, daß es also die
den Bund zerreißende preußische Union offen und
ehrlich aufgibt. Es hätte dies besser schon längst
thun sollen, nachdem euch der Blinde einsah, daß
von keinem „deutschen Bundesstaate“ mehr die
Rede kein konnte, und der Verblendetste begriff,
daß es sich nun blos noch um ein vergrößertes
Preußen, um die Spaltung, die Vernichtung
Deutschlands handle. Wie konnte man bei die-
sen reinen Partikularinteressen immer noch in der
Maske der Einheit Deutschlands, das man zer-
riß, zerfleischte, zu täuschen hoffen? Aber auch
jetzt, wenn auch spät, und nachdem viel Uebeles,
schwer wieder gut zu machendes angerichtet, ist es
noch Zeit, sich dem Bunde wieder zuzuwenden und
die dem Vaterland geschlagenen Wunden wieder
zu heilen. Es kann dies wahrlich nicht die Ehre
verletzen, sondern ist nur der Ehre gemäß. Man
spricht so viel von der preußischen Ehre, von Ver-
letzung der preußischen Ehre! Uns ist die Ehre
eines jeden deutschen Bruderstammes und nament-
lich die des mächtigen, ruhmreichen preußischen
heilig. Aber eben weil dieser Bruderstamm mäch-
tig und ruhmreich ist, braucht er nicht so empfind-
lich zu sein. Es gibt eine wahre und eine falsche
Ehre. Die wahre Ehre verlangt, das Unrecht
aufzugeben, sich dem Rechte zuzuwenden. Jm
Unrechte aber ist jeder Sonderbund, der das ge-
meinsame Vaterland zerreißt; im Unrechte und
zwar im stärksten Unrechte ist ein unberufenes ge-
waltsames Einmischen in die Angelegenheiten eines
andern Bundesstaates, wie die Jnvasion Preußens
in Kurhessen, die so großes Unglück über dieses
Land gebracht hat. Das Unrecht aufgeben, sich
dem Rechte zuwenden, ist ehrenvoll, ist wahrer
Ehre gemäß. Falsche Ehre wäre es aber, bei
einer dem deutschen Vaterlande, dessen Wohl man
doch immer im Munde führt, verderblichen Politik
verharren zu wollen, bei der von der Geschichte
bereits gerichteten preußischen Partikularpolitik
von 1785, 1795 und 1806.

   

Aus Kurhessen, 20. Nov. Eine Verfügung
des Civilcommissärs des deutschen Bundes in Kur-
hessen an die Gerichte, den gesetzmäßigen Stempel
wieder zu erheben, ist theilweise auf Widerspruch
gestoßen und hat in öffentlichen Blättern mehrfach
Mißdeutungen und falschen Auslegungen unterle-
gen. Sie ist, namentlich nachdem bei den Reni-
tenten Zwangsmaßregeln zu deren Vollstreckung
eingetreten sind, als eine Beeinträchtigung des
richterlichen Gewissens und der Rechtsprechung
selbst angesehen worden. Davon handelt es sich
aber durchaus nicht, sondern um eine reine Admi-
nistrativmaßregel, was die Erhebung des Stem-
pels lediglich ist, und nicht um eine Urtheilsspre-
chung, wie fälschlich hat dargestellt werden wollen.
Daß die Erhebung des Stempels eine rein admi-
nistrative Sache ist, ergibt sich nicht blos aus
den deßfallsigen Verhältnissen in andern Staaten,
sondern auch aus dem Verhalten vieler Gerichts-
behörden in diesem Lande selbst, welche keinen An-
stand nehmen, die Sache so anzunehmen, und den
Stempel der Verfügung des Bundescommissärs
gemäß zu erheben.

   

Fulda, 20. Nov. Heute fanden einige Dis-
[Spaltenumbruch] lokationsveränderungen statt. Das 2. Bataillon
des 15. Regiments marschirte aufs Land und 1
Bataillon des 14. Regiments rückte dafür ein.
Das 2. Kürassierregiment bezog Cantonnements in
der Nähe der Stadt. Die beiden schönen Küras-
sierregimenter bilden mit einem Cheveaurlegersre-
giment eine Brigade unter General v. Flotow,
der sich hier befindet. Es herrscht noch immer die
größte Ruhe in den Cantonnements. ( F.=O.Z. )

Kassel, 20. Nov. So sind es denn schon 20
Tage, daß Kassel, wenigstens dessen Oberneustadt,
preußische Soldaten beherbergen muß. Aus wil-
ligem Gehorsam gegen den preußischen Comman-
direnden hat nämlich der Stadtrath die hier lie-
genden Preußen, etwa 1200 Mann, seit dem 9.
sämmtlich in die Oberneustadt einquartirt, weil
es dem Herrn Commandirenden so bequemer ist.
Die Klage der Hausbesitzer jenes Stadttheils
über diese Ungerechtigkeit haben bis zum Augen-
blick nichts gefruchtet. Selbst dort, so wird mehr-
seitig behauptet, sollen verschiedene, natürlich ganz
besonders gesinnungstüchtige Hausbesitzer nicht ei-
nen Mann im Quartier haben, während andere
übermäßig damit belastet sein sollen. -- Der Dienst-
eifer der hiesigen Bürgergarde ist jetzt so groß,
daß kaum der dritte Theil von den zum Wacht-
dienst Commandirten sich einfindet. Gewiß der
größere Theil der Bürgergarde sehnt sich darnach,
die Gewehre auf gute Manier los zu werden.
Nicht so die Offiziere.

   

Hanau, 20. Nov. Außer den Obergerichts-
räthen von Bischofshausen und Hünersdorf hat
nun auch Obergerichtsrath von Maibom sein Ent-
lassungsgesuch eingereicht und Obergerichtsrath
von Carlshausen ist um seine Pensionirung einge-
kommen. Mit diesen Mitgliedern sind zugleich
die wesentlich Gothaischen und Neuhessischen Be-
standtheile des Obergerichts ausgeschieden, und es
steht deshalb zu erwarten, daß die übrig geblie-
benen einem versöhnlicheren Geiste huldigen.

Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Altona, 19. Nov. Die Landesversammlung
von Lauenburg hat folgende Erklärung an die
dortige Statthalterschaft übergeben: „1 ) Die Lan-
desversammlung hegt den Wunsch, daß es dem
Landesherrn möge vergönnt sein, baldigst seine
Rechte wieder selbst auszuüben, und ist bereit, zu
diesem Ziele für die Wohlfahrt des Landes im
Verein mit der hohen Statthalterschaft hinzuwir-
ken. 2 ) Die Landesversammlung kann Heil und
Segen für dieses Land in der Herstellung der
Beziehungen zum Landesherrn nur dann erblicken,
wenn denselben Bestand durch gleichzeitige Her-
stellung des Friedens zwischen dem Königreich Dä-
nemark und den Herzogthümern Schleswig=Hol-
stein gesichert ist. 3 ) Sie erklärt bis dahin die
Fortdauer der gegenwärtigen Landesverwaltung
für das durch das Jnteresse des Landesherrn so-
wohl als des Landes unabweislich Gebotene und
vertraut, daß diese Wahrheit auch von dem Lan-
desherrn werde erkannt werden. 4 ) Sie ertheilt
der hohen Statthalterschaft ihre Zustimmung zu
allen Schritten, welche geeignet sind, die vorzei-
tige Einsetzung einer landesherrlichen Regierung
abzuwenden, und hegt die Erwartung, daß die
hohe Statthalterschaft, wenn durch einen Abgeord-
neten die Herstellung der landesherrlichen Gewalt
versucht werden sollte, in ihrer Stellung fest ver-
harren und nur nach stattgehabter gemeinschaft-
licher Beschlußnahme mit der Landesversammlung
verfahren werde. Ratzeburg, 12. Nov. 1850. Die
Landesversammlung des Herzogthums Lauenburg.
Levetzow. Bärens.“

Rendsburg, 17. Nov. Die „Börsenhalle“
enthält eine Mittheilung aus Kiel, 15. Nov.,
über eine dem Vernehmen nach daselbst eingetrof-
fene Weisung aus Berlin, daß, wenn unsere Armee
bis zum 15. December nicht entwaffnet sei, die
Execution vollzogen werden solle. Wir können
aus zuverlässiger Quelle diese Nachricht für gänz-
lich unbegründet erklären. Eine derartige Mit-
[Spaltenumbruch] theilung ist von Seiten der preuß. Regierung an
die Statthalterschaft nicht gemacht, welche daher selbst-
verständlich auch keine Veranlassung gehabt hat,
eine Antwort darauf zu ertheilen.

   

Frankfurt, 20. Nov. Man fragt nicht sel-
ten, welche Aenderung in der Politik Preußens
eingetreten sei, da Herr v. Manteuffel zwei Tage
nach dem Austritt des Herrn v. Radowitz aus
dem Ministerium, die von letzterm in Antrag ge-
brachte Mobilisirung der preußischen Armee, mit-
hin die entschiedenste Maßregel, zur Ausführung
gebracht habe. Man sagt, daß in dem Fall auch
Herr v. Radowitz hätte im Ministerium bleiben
können. Dabei übersieht man aber, daß der Zweck
dieser Maßregel in den Augen des Hrn. v. Ra-
dowitz ein ganz verschiedener, als in denen des
Hrn. v. Manteuffel ist. Ersterer Minister wollte
mittelst einer Nationalerhebung des preußischen
Volks die Unionsidee zur Ausführung bringen und
diese nöthigenfalls erzwingen; sein Ziel war die
Ausschließung Oesterreichs aus dem Bunde und
die Suprematie Preußens über Deutschland mit-
telst der Unionsverfassung; der letztere Minister
hingegen will die volle Parität Preußens mit
Oesterreich, mithin nicht den Ausschluß der letz-
tern Macht aus Deutschland, sondern die Thei-
lung des überwiegenden Einflusses über Deutsch-
land mit derselben. Hr. v. Radowitz verfocht das
Jnteresse der gothaischen Partei, so sehr er dieses
auch verhüllen mochte; Hr. v. Manteuffel stützt
sich auf das spezifische Preußenthum. Der letzt-
gedachte Minister beantragte die Mobilisirung der
preußischen Armee, weil er die Besorgniß hegen
mochte, daß Oesterreich, nachdem es Preußen zum
Aufgeben der Unionsidee vermocht hatte, nun auch
die von ihm angestrebte Parität bestreiten werde,
mithin das spezifische Preußenthum im Herzen an-
greifen wolle. Sein Schritt war darauf berech-
net, daß Oesterreich durch einen ersten Succeß
nicht zu dem Glauben verleitet werde, es könne
auch den zweiten mit Hülfe derselben Minister
erringen, die ihm bei Bekämpfung der Unions-
idee zur Seite gestanden. Hierin liegt wohl
auch der Grund, weshalb die specifisch preußi-
schen Blätter so plötzlich einen kriegerischen Ton
gegen Oesterreich anstimmen. So wie aber von
der österreichischen Regierung der preußischen die
Gewißheit gegeben worden ist, es werde von
ihr die Parität der beiden deutschen Großmächte,
so weit sie ausführbar scheine, nicht beanstandet
werden, so mußte diese auf Berechnung beruhende
Feindschaft schwinden. Die neuesten Nachrichten
aus Wien und Berlin lassen nun keinen Zweifel
mehr übrig, daß Oesterreich von Preußen die ver-
langten Garantien, daß es ihm mit dem Aufge-
ben der Union voller Ernst sei, erhalten habe, und
vielleicht ist die Entfernung des Hrn. v. Radowitz
aus Preußen eine dieser Garantien gewesen, und
eben so auch, daß Preußen von Oesterreich die
geforderte Sicherheit erhalten hat, daß es mit der
Gewährung der Parität vollkommen aufrichtig ge-
meint sei. Von diesem Augenblick müssen sich die
specifischen Preußen wieder zu dem österreichischen
System hingezogen fühlen, nur um so gewisser
aber werden sie genöthigt sein, im Jnlande den
Kampf mit der gothaischen Partei aufzunehmen.
Jn diesem Kampf dürfte das Hauptmoment des zu
eröffnenden preuß. Landtags bestehen und schon
die Eröffnungsrede darauf hinweisen. Wir sind
der Ansicht, daß in demselben Verhältniß, als die
preußische Regierung in der Lage sein wird, den
Angriffen der Gothaer und Unionisten zu wider-
stehen, auch ihre Jntimität mit Oesterreich zuneh-
men werde. Eben daraus wird auch die zuneh-
mende Annäherung an das alte Bundessystem her-
vorgehen, und hierauf bauen wir unsere vorzüg-
lichste Hoffnung einer baldigen Verständigung zwi-
schen Oesterreich und Preußen über die deutschen
Verfassungsfragen. Jst einmal die Jdentität der
Jnteressen wieder hergestellt, so muß sich das ge-
meinschaftliche Handeln von selbst ergeben. Jn-
sofern betrachten wir die Mobilisirung der preu-
ßischen Armee als die bittere Frucht der Rado-

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[0002] dessen Ohnmacht dem Ausland gegenüber, zur in- nern Schwäche und Anarchie, zur Lähmung des Handels und der Jndustrie, zur gänzlichen Zer- rissenheit. Wie mächtig und geachtet stand Deutsch- land, trotz aller Schwächen und Fehler des alten Bundes, im Jahr 1840 dem Ausland gegenüber da, und wohin haben es die preußischen Sonder- bestrebungen nun gebracht? Mit tiefem Schmerz kann jeder sein Vaterland liebende Deutsche dies nur betrachten. Erst in den neuesten Tagen, nachdem Oesterreich im Verein mit dem größten Theil Deutschlands -- die bundestreuen Staaten bilden zwei Drittel, die unionistischen nur ein Drittel des Bundes -- die Herstellung des Bun- des mit zeitgemäßen Reformen kräftig in die Hand genommen hat, haben wir Hoffnung ein deutsches Vaterland zu behalten. Freilich ist dazu nöthig, daß Preußen seine separatistischen Bestrebungen aufgibt, und sich dem gemeinsamen Vaterland, dem deutschen Bund, wieder anschließt, von dem es sich nie hätte trennen sollen, daß es also die den Bund zerreißende preußische Union offen und ehrlich aufgibt. Es hätte dies besser schon längst thun sollen, nachdem euch der Blinde einsah, daß von keinem „deutschen Bundesstaate“ mehr die Rede kein konnte, und der Verblendetste begriff, daß es sich nun blos noch um ein vergrößertes Preußen, um die Spaltung, die Vernichtung Deutschlands handle. Wie konnte man bei die- sen reinen Partikularinteressen immer noch in der Maske der Einheit Deutschlands, das man zer- riß, zerfleischte, zu täuschen hoffen? Aber auch jetzt, wenn auch spät, und nachdem viel Uebeles, schwer wieder gut zu machendes angerichtet, ist es noch Zeit, sich dem Bunde wieder zuzuwenden und die dem Vaterland geschlagenen Wunden wieder zu heilen. Es kann dies wahrlich nicht die Ehre verletzen, sondern ist nur der Ehre gemäß. Man spricht so viel von der preußischen Ehre, von Ver- letzung der preußischen Ehre! Uns ist die Ehre eines jeden deutschen Bruderstammes und nament- lich die des mächtigen, ruhmreichen preußischen heilig. Aber eben weil dieser Bruderstamm mäch- tig und ruhmreich ist, braucht er nicht so empfind- lich zu sein. Es gibt eine wahre und eine falsche Ehre. Die wahre Ehre verlangt, das Unrecht aufzugeben, sich dem Rechte zuzuwenden. Jm Unrechte aber ist jeder Sonderbund, der das ge- meinsame Vaterland zerreißt; im Unrechte und zwar im stärksten Unrechte ist ein unberufenes ge- waltsames Einmischen in die Angelegenheiten eines andern Bundesstaates, wie die Jnvasion Preußens in Kurhessen, die so großes Unglück über dieses Land gebracht hat. Das Unrecht aufgeben, sich dem Rechte zuwenden, ist ehrenvoll, ist wahrer Ehre gemäß. Falsche Ehre wäre es aber, bei einer dem deutschen Vaterlande, dessen Wohl man doch immer im Munde führt, verderblichen Politik verharren zu wollen, bei der von der Geschichte bereits gerichteten preußischen Partikularpolitik von 1785, 1795 und 1806. ( F. O.=Z. ) Aus Kurhessen, 20. Nov. Eine Verfügung des Civilcommissärs des deutschen Bundes in Kur- hessen an die Gerichte, den gesetzmäßigen Stempel wieder zu erheben, ist theilweise auf Widerspruch gestoßen und hat in öffentlichen Blättern mehrfach Mißdeutungen und falschen Auslegungen unterle- gen. Sie ist, namentlich nachdem bei den Reni- tenten Zwangsmaßregeln zu deren Vollstreckung eingetreten sind, als eine Beeinträchtigung des richterlichen Gewissens und der Rechtsprechung selbst angesehen worden. Davon handelt es sich aber durchaus nicht, sondern um eine reine Admi- nistrativmaßregel, was die Erhebung des Stem- pels lediglich ist, und nicht um eine Urtheilsspre- chung, wie fälschlich hat dargestellt werden wollen. Daß die Erhebung des Stempels eine rein admi- nistrative Sache ist, ergibt sich nicht blos aus den deßfallsigen Verhältnissen in andern Staaten, sondern auch aus dem Verhalten vieler Gerichts- behörden in diesem Lande selbst, welche keinen An- stand nehmen, die Sache so anzunehmen, und den Stempel der Verfügung des Bundescommissärs gemäß zu erheben. ( F. O.=Z. ) Fulda, 20. Nov. Heute fanden einige Dis- lokationsveränderungen statt. Das 2. Bataillon des 15. Regiments marschirte aufs Land und 1 Bataillon des 14. Regiments rückte dafür ein. Das 2. Kürassierregiment bezog Cantonnements in der Nähe der Stadt. Die beiden schönen Küras- sierregimenter bilden mit einem Cheveaurlegersre- giment eine Brigade unter General v. Flotow, der sich hier befindet. Es herrscht noch immer die größte Ruhe in den Cantonnements. ( F.=O.Z. ) Kassel, 20. Nov. So sind es denn schon 20 Tage, daß Kassel, wenigstens dessen Oberneustadt, preußische Soldaten beherbergen muß. Aus wil- ligem Gehorsam gegen den preußischen Comman- direnden hat nämlich der Stadtrath die hier lie- genden Preußen, etwa 1200 Mann, seit dem 9. sämmtlich in die Oberneustadt einquartirt, weil es dem Herrn Commandirenden so bequemer ist. Die Klage der Hausbesitzer jenes Stadttheils über diese Ungerechtigkeit haben bis zum Augen- blick nichts gefruchtet. Selbst dort, so wird mehr- seitig behauptet, sollen verschiedene, natürlich ganz besonders gesinnungstüchtige Hausbesitzer nicht ei- nen Mann im Quartier haben, während andere übermäßig damit belastet sein sollen. -- Der Dienst- eifer der hiesigen Bürgergarde ist jetzt so groß, daß kaum der dritte Theil von den zum Wacht- dienst Commandirten sich einfindet. Gewiß der größere Theil der Bürgergarde sehnt sich darnach, die Gewehre auf gute Manier los zu werden. Nicht so die Offiziere. K. Z. Hanau, 20. Nov. Außer den Obergerichts- räthen von Bischofshausen und Hünersdorf hat nun auch Obergerichtsrath von Maibom sein Ent- lassungsgesuch eingereicht und Obergerichtsrath von Carlshausen ist um seine Pensionirung einge- kommen. Mit diesen Mitgliedern sind zugleich die wesentlich Gothaischen und Neuhessischen Be- standtheile des Obergerichts ausgeschieden, und es steht deshalb zu erwarten, daß die übrig geblie- benen einem versöhnlicheren Geiste huldigen. Schleswig=holsteinische Ange- legenheiten . Altona, 19. Nov. Die Landesversammlung von Lauenburg hat folgende Erklärung an die dortige Statthalterschaft übergeben: „1 ) Die Lan- desversammlung hegt den Wunsch, daß es dem Landesherrn möge vergönnt sein, baldigst seine Rechte wieder selbst auszuüben, und ist bereit, zu diesem Ziele für die Wohlfahrt des Landes im Verein mit der hohen Statthalterschaft hinzuwir- ken. 2 ) Die Landesversammlung kann Heil und Segen für dieses Land in der Herstellung der Beziehungen zum Landesherrn nur dann erblicken, wenn denselben Bestand durch gleichzeitige Her- stellung des Friedens zwischen dem Königreich Dä- nemark und den Herzogthümern Schleswig=Hol- stein gesichert ist. 3 ) Sie erklärt bis dahin die Fortdauer der gegenwärtigen Landesverwaltung für das durch das Jnteresse des Landesherrn so- wohl als des Landes unabweislich Gebotene und vertraut, daß diese Wahrheit auch von dem Lan- desherrn werde erkannt werden. 4 ) Sie ertheilt der hohen Statthalterschaft ihre Zustimmung zu allen Schritten, welche geeignet sind, die vorzei- tige Einsetzung einer landesherrlichen Regierung abzuwenden, und hegt die Erwartung, daß die hohe Statthalterschaft, wenn durch einen Abgeord- neten die Herstellung der landesherrlichen Gewalt versucht werden sollte, in ihrer Stellung fest ver- harren und nur nach stattgehabter gemeinschaft- licher Beschlußnahme mit der Landesversammlung verfahren werde. Ratzeburg, 12. Nov. 1850. Die Landesversammlung des Herzogthums Lauenburg. Levetzow. Bärens.“ Rendsburg, 17. Nov. Die „Börsenhalle“ enthält eine Mittheilung aus Kiel, 15. Nov., über eine dem Vernehmen nach daselbst eingetrof- fene Weisung aus Berlin, daß, wenn unsere Armee bis zum 15. December nicht entwaffnet sei, die Execution vollzogen werden solle. Wir können aus zuverlässiger Quelle diese Nachricht für gänz- lich unbegründet erklären. Eine derartige Mit- theilung ist von Seiten der preuß. Regierung an die Statthalterschaft nicht gemacht, welche daher selbst- verständlich auch keine Veranlassung gehabt hat, eine Antwort darauf zu ertheilen. ( H. N. ) Frankfurt, 20. Nov. Man fragt nicht sel- ten, welche Aenderung in der Politik Preußens eingetreten sei, da Herr v. Manteuffel zwei Tage nach dem Austritt des Herrn v. Radowitz aus dem Ministerium, die von letzterm in Antrag ge- brachte Mobilisirung der preußischen Armee, mit- hin die entschiedenste Maßregel, zur Ausführung gebracht habe. Man sagt, daß in dem Fall auch Herr v. Radowitz hätte im Ministerium bleiben können. Dabei übersieht man aber, daß der Zweck dieser Maßregel in den Augen des Hrn. v. Ra- dowitz ein ganz verschiedener, als in denen des Hrn. v. Manteuffel ist. Ersterer Minister wollte mittelst einer Nationalerhebung des preußischen Volks die Unionsidee zur Ausführung bringen und diese nöthigenfalls erzwingen; sein Ziel war die Ausschließung Oesterreichs aus dem Bunde und die Suprematie Preußens über Deutschland mit- telst der Unionsverfassung; der letztere Minister hingegen will die volle Parität Preußens mit Oesterreich, mithin nicht den Ausschluß der letz- tern Macht aus Deutschland, sondern die Thei- lung des überwiegenden Einflusses über Deutsch- land mit derselben. Hr. v. Radowitz verfocht das Jnteresse der gothaischen Partei, so sehr er dieses auch verhüllen mochte; Hr. v. Manteuffel stützt sich auf das spezifische Preußenthum. Der letzt- gedachte Minister beantragte die Mobilisirung der preußischen Armee, weil er die Besorgniß hegen mochte, daß Oesterreich, nachdem es Preußen zum Aufgeben der Unionsidee vermocht hatte, nun auch die von ihm angestrebte Parität bestreiten werde, mithin das spezifische Preußenthum im Herzen an- greifen wolle. Sein Schritt war darauf berech- net, daß Oesterreich durch einen ersten Succeß nicht zu dem Glauben verleitet werde, es könne auch den zweiten mit Hülfe derselben Minister erringen, die ihm bei Bekämpfung der Unions- idee zur Seite gestanden. Hierin liegt wohl auch der Grund, weshalb die specifisch preußi- schen Blätter so plötzlich einen kriegerischen Ton gegen Oesterreich anstimmen. So wie aber von der österreichischen Regierung der preußischen die Gewißheit gegeben worden ist, es werde von ihr die Parität der beiden deutschen Großmächte, so weit sie ausführbar scheine, nicht beanstandet werden, so mußte diese auf Berechnung beruhende Feindschaft schwinden. Die neuesten Nachrichten aus Wien und Berlin lassen nun keinen Zweifel mehr übrig, daß Oesterreich von Preußen die ver- langten Garantien, daß es ihm mit dem Aufge- ben der Union voller Ernst sei, erhalten habe, und vielleicht ist die Entfernung des Hrn. v. Radowitz aus Preußen eine dieser Garantien gewesen, und eben so auch, daß Preußen von Oesterreich die geforderte Sicherheit erhalten hat, daß es mit der Gewährung der Parität vollkommen aufrichtig ge- meint sei. Von diesem Augenblick müssen sich die specifischen Preußen wieder zu dem österreichischen System hingezogen fühlen, nur um so gewisser aber werden sie genöthigt sein, im Jnlande den Kampf mit der gothaischen Partei aufzunehmen. 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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 280. Würzburg, 22. November 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische280_1850/2>, abgerufen am 24.04.2024.