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Die Bayerische Presse. Nr. 238. Würzburg, 4. Oktober 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 238.
Würzburg, Freitag den 4. Oktober. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Vereinbarung Preußens mit
Oesterreich
.

Werfen wir einen Blick in die heute ange-
kommenen Berliner Zeitungen, so kommt uns zu-
erst die offizielle "Reform" mit einem klagendem
Artikel entgegen, in welchem Oesterreich zum hun-
dertsten Male vorgeworfen wird, daß es auf den
"sogenannten" Bundestag beharrt, in welchem
es aufgefordert wird, das Bundes=Terrain zu
verlassen und auf den preußischen Vorschlag einer
freien Vereinbarung mit allen deutschen Staaten
einzugehen. Preußen kommt uns hierbei vor, wie
eine Macht, die in einem unbeschützten, strategisch
unhaltbaren Blachfelde lagert, und den Gegner,
der eine vortheilhafte, von der Natur selbst ver-
theidigte Position einnimmt, zu einem Vortrage
auffordert, unter der Bedingung jedoch, daß er,
bevor derselbe zur Verhandlung komme, seine feste
Stellung aufgebe und auch ins flache Feld herab-
komme. Folgt er nun dem verlockenden Ruf, so
werden ihm unmögliche Bedingungen geboten; er
muß sie verwerfen und erkennt sie dann zu spät;
daß er sich von der List eines Gegners verlocken
ließ, der ihn gar nicht in einen Vertrag, sondern
nur aus einer festen Position ziehen wollte. Jst
eine Vereinbarung Preußens mit Oesterreich jetzt
unmöglich, während der Bundestag tagt, so ist
sie auch unmöglich, wenn derselbe nicht tagt. Alle
Vorschläge, welche gemacht werden können bei
einem freien Fürsten= oder Staaten=Congresse,
können ganz eben so gut ohne denselben und jetzt
gemacht werden. Wir können es uns recht gut
denken, ohne das Lehrgeld der Erfahrung erst be-
zahlen zu müssen, welche Anerbietungen Preußen
und seine Verbündeten auf einen solchen Congresse
Oesterreich und dessen Aliirten machen würden.
Es wären gerade die nämlichen, welche schon hun-
dert Male von unserer Seite verweigert worden
sind. Diese vorauszusehende Uneinigkeit nach der
versuchten "freien Vereinbarung" würde uns in
einer viel schwächeren Stellung finden, als die-
jenige ist, welche wir jetzt einnehmen. Wir hal-
ten aber mit unerschütterlicher Beharrlichkeit an
der Ueberzeugung fest: je stärker Oesterreichs Stel-
lung ist, je näher steht die Einigung mit Preußen
bevor, je schwächer sie wird, je schwieriger wird
diese werden. Darum werden wir nie dazu ra-
then, der bloßen Aussicht auf Einigung, die uns
geboten wird, den gewissen Besitz von Macht, den
wir errungen haben, zum Opfer zu bringen.

Deutschland.

München, 2. Okt. Se. Maj. der König von
Sachsen ist gestern Abend mit J. k. Hoh. der
Frau Herzogin Max in Bayern hieher zurückge-
kehrt. -- Durch die nun ebenfalls erfolgte Rück-
kehr des königl. Staatsministers des Jnnern, Hrn.
v. Zwehl, ist das Gefammtministerium wieder
vollständig. Dem denkenden Vaterlandsfreund wird
es nicht entgehen, daß jetzt ein Zusammenwirken
dieser Staatsmänner um so nöthiger ist, als von
allen Seiten düstre Wolken den politischen Hori-
zont täglich mehr umziehen und scheinbar die ge-
träumte deutsche Einheit noch einer blutigen Lö-
sung entgegengeht. Hoffen wir inzwischen, daß
[Spaltenumbruch] trotz des Ankaufes von 30,000 Pferden österrei-
chischer Seits und der Ertheilung von Marsch-
ordren an die preußischen Bataillone der Welt-
frieden dennoch nicht gestört werde. -- Nachrich-
ten aus Oberammergau zufolge hat Jhre Maj.
die Königin am Montag der letzten Passionsvor-
stellung beigewohnt und wurde von den Bewoh-
nern des festlich geschmückten Ortes auf die herz-
lichste Weise empfangen. Se. Maj. der König
dagegen war zu der Vorstellung nicht erschienen,
wie erwartet war, wahrscheinlich weil Höchstder-
selbe von der Zusammenkunft mit dem Kaiser von
Oesterreich bis dahin nicht zurückkehren konnte.

   
Die Ereignisse in Kurhessen.

Aus Kurhessen, 28. Sept. Die Demokratie
hat ihre Hauptsitze in Kurhessen zu Kassel und
den übrigen Provinzialstädten, von wo sie ihre
Wellenkreise in die kleineren Städte des Landes
mit mühsamem Erfolge ausbreitet, fast gänzlich
unberührt von ihr ist die Grafschaft Schaumburg,
wo das ruhige Wesen des niedersächsischen Stam-
mes, der Wohlstand der Bevölkerung ihr Hinder-
nisse in den Weg stellt. Jn den Städten wie
Kassel und Hanau hat die demokratische Rührig-
keit eine dem Anscheine nach sehr feste und um-
fangreiche Gestaltung, die vielgelesene "Hornisse"
führt gewiß unter den Blättern ihrer Partei in
Deutschland die derbste Sprache, der Kasseler de-
mokratisch=sociale Verein ist nach den Namen der
Führer unserer deutschen Revolution in Sektionen
getheilt ( Hecker, Blind, Blum ec. ) , aber trotz die-
ses drohenden Aussehens leidet dieser Verein, wie
die noch bestehenden Vereine gleicher Tendenz in
der Provinz an der Auszehrung, der nervus re-
rum
, das Geld fehlt und die Theilnahme des
Volkes erkaltet mit jedem Tage mehr. Die un-
sauberen Bestandtheile, welche sich diese Einigun-
gen fast überall erfreuten und zwar im reichen
Maße, haben vielen ihrer vorherigen Freunde und
Verehrer die Augen geöffnet. Das Völkchen der
fahrenden Habe und des eben nicht gewissenhaften
Erwerbes hatte zu diesen Vereinen ein zahlreiches
Contingent gestellt; fragte man, "wie viel ehrbare
Hausvater sind in der Vereinsliste verzeichnet?"
so würde der Bürgerpräsident oft in die größte
Verlegenheit um eine Antwort gekommen sein.
Die Bourgeoisie, diese faule und dabei vom Ehr-
geize geblähte Drohne, hat bei der Verbreitung
demokratischer Jdeen wie überall zu Gevatter ge-
standen, sie hat das Kind gehätschelt und an dem
wilden Knaben mit seinen vorlauten Reden sich
erfreut; als er aber doch gar zu ungeberdig wurde
und seine Gesellschaft, von der er umgeben war,
ein allzu schmutziges und unästhetisches Aussehen
trug, zogen sich die liberalen Väter zurück, auf
den lateinischen Spruch hinweisend: " Est modus
in rebus, sunt certi denique fines
." Dieses
ganze jammervolle Philisterthum sucht die Rettung
seiner Person und seines Mammons vor der De-
mokratie in der preußischen Union, darum bellen
sie mit den Demokraten gegen Hassenpflug, sie
würden ihn aber auf den Händen tragen, wenn
er sie von den früheren, so lästig gewordenen ro-
then Freunden befreit hätte. Die ganze Erbärm-
[Spaltenumbruch] lichkeit, das eigenthümliche schläfrige Naturell die-
ser Helden beim Bierglase und im Casino hat
sich immer am deutlichsten bei den Wahlen zur
Ständekammer gezeigt. Als das von der Bour-
geoisie so hoch verehrte Ministerium Eberhard noch
bestand, das von den Demokraten besonders in
der letzten Zeit seines Bestandes ebenso angefein-
det wurde, als das jetzige, thaten die liberalen
Philister bei den Landtagswahlen eben so wenig,
um die Wahl demokratischer Kammermitglieder
zu hindern, als jetzt, sie zankten nur, wenn durch
ihre Schläfrigkeit rothe Wahlen zu Stande ge-
kommen waren. Die charakteristische Eigenschaft
dieser Menschen ist ihre schwarz = weiße Färbung
und ihr alles Maß und alle Grenzen überschrei-
tender Haß gegen Bayern und Oesterreich, der
deutlich genug die Spuren confessioneller
Abneigung trägt. Unsere Gothaer würden die
Knute küssen, womit sie gepeitscht würden, wenn
dieselbe eine preußische wäre, sie sind zum Des-
potismus reif, wenn es nur der aufgeklärte preu-
ßische wäre. Als Preußen seine rettenden Thaten
in Berlin und Baden vollbrachte, als es über die
Presse eine Maßregel verhängte, wie sie eines
freien Landes nicht würdig war, da hatten unsere
Schwarzweißen kein Wort der Entrüstung, wäh-
rend sie Zeter schrien über die allzu große Frei-
heit, welche in Oesterreich der Kirche gewährt
wurde und Thränen weinten über die Gräber von
Arad. -- Wir haben also bis jetzt zwei Elemente
des politischen Lebens in unserem Lande gefunden,
wovon das Eine, an sich schwach an materiellen
Kräften und an Zahl seiner Anhänger, den Um-
sturz mit Entschiedenheit will, während das andere
Element, das leider nur zu vorherrschend ist, we-
gen seiner innern Erbärmlichkeit von der Demo-
kratie ins Schlepptau genommen wird. Doch es
findet sich noch ein drittes ächt conservatives Ele-
ment, davon nächstens.

   

Kassel, 1. Oct. Der Oberbürgermeister der
Residenz hat so eben folgende Ansprache erlassen:
Mitbürger! Harte Prüfungen habt Jhr bereits
überstanden und dabei unerschütterlich festgehalten
an Gesetz und Ordnung. Das hat Anerkennung
gefunden über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Aber noch schwerere Prüfungen stehen uns viel-
leicht bevor. Laßt Euch nicht irre machen in
Eurem gesetzlichen Sinn! Es mag auch kommen,
was da wolle. Mitbürger! seid ferner standhaft
und besonnen! Unser gutes Recht wird siegen!
Der Oberbürgermeister der Residenzstadt Kassel.
Hartwig.

Kassel, 1. Oct. Heute Nachmittag wurde
unter Trommelschlag die Verordnung vom 28.
v. M. die Erweiterung der Bestimmungen über
den Kriegszustand betreffend, in allen Staßen der
Stadt bekannt gemacht. Das hiermit beauftragte
Militärdetachement bestand aus vier Unterofficieren
und acht Gemeinen, mit drei Trommlern vom Re-
giment Kurfürst. Nach Trommelwirbel las ein
Unterofficier die Verordnung vor; der Act schien
auf die Bevölkerung keinen Eindruck zu machen.
-- Der neue Oberbefehlshaber beschäftigt sich
mit Organisation der verschiedenen Bureaus: Bu-
reau der Jnstiz, der Polizei ec. -- Für morgen
erwartet man entscheidendes Vorangehen von Sei-

Die Bayerische Presse.

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Vereinbarung Preußens mit
Oesterreich
.

Werfen wir einen Blick in die heute ange-
kommenen Berliner Zeitungen, so kommt uns zu-
erst die offizielle „Reform“ mit einem klagendem
Artikel entgegen, in welchem Oesterreich zum hun-
dertsten Male vorgeworfen wird, daß es auf den
„sogenannten“ Bundestag beharrt, in welchem
es aufgefordert wird, das Bundes=Terrain zu
verlassen und auf den preußischen Vorschlag einer
freien Vereinbarung mit allen deutschen Staaten
einzugehen. Preußen kommt uns hierbei vor, wie
eine Macht, die in einem unbeschützten, strategisch
unhaltbaren Blachfelde lagert, und den Gegner,
der eine vortheilhafte, von der Natur selbst ver-
theidigte Position einnimmt, zu einem Vortrage
auffordert, unter der Bedingung jedoch, daß er,
bevor derselbe zur Verhandlung komme, seine feste
Stellung aufgebe und auch ins flache Feld herab-
komme. Folgt er nun dem verlockenden Ruf, so
werden ihm unmögliche Bedingungen geboten; er
muß sie verwerfen und erkennt sie dann zu spät;
daß er sich von der List eines Gegners verlocken
ließ, der ihn gar nicht in einen Vertrag, sondern
nur aus einer festen Position ziehen wollte. Jst
eine Vereinbarung Preußens mit Oesterreich jetzt
unmöglich, während der Bundestag tagt, so ist
sie auch unmöglich, wenn derselbe nicht tagt. Alle
Vorschläge, welche gemacht werden können bei
einem freien Fürsten= oder Staaten=Congresse,
können ganz eben so gut ohne denselben und jetzt
gemacht werden. Wir können es uns recht gut
denken, ohne das Lehrgeld der Erfahrung erst be-
zahlen zu müssen, welche Anerbietungen Preußen
und seine Verbündeten auf einen solchen Congresse
Oesterreich und dessen Aliirten machen würden.
Es wären gerade die nämlichen, welche schon hun-
dert Male von unserer Seite verweigert worden
sind. Diese vorauszusehende Uneinigkeit nach der
versuchten „freien Vereinbarung“ würde uns in
einer viel schwächeren Stellung finden, als die-
jenige ist, welche wir jetzt einnehmen. Wir hal-
ten aber mit unerschütterlicher Beharrlichkeit an
der Ueberzeugung fest: je stärker Oesterreichs Stel-
lung ist, je näher steht die Einigung mit Preußen
bevor, je schwächer sie wird, je schwieriger wird
diese werden. Darum werden wir nie dazu ra-
then, der bloßen Aussicht auf Einigung, die uns
geboten wird, den gewissen Besitz von Macht, den
wir errungen haben, zum Opfer zu bringen.

Deutschland.

München, 2. Okt. Se. Maj. der König von
Sachsen ist gestern Abend mit J. k. Hoh. der
Frau Herzogin Max in Bayern hieher zurückge-
kehrt. -- Durch die nun ebenfalls erfolgte Rück-
kehr des königl. Staatsministers des Jnnern, Hrn.
v. Zwehl, ist das Gefammtministerium wieder
vollständig. Dem denkenden Vaterlandsfreund wird
es nicht entgehen, daß jetzt ein Zusammenwirken
dieser Staatsmänner um so nöthiger ist, als von
allen Seiten düstre Wolken den politischen Hori-
zont täglich mehr umziehen und scheinbar die ge-
träumte deutsche Einheit noch einer blutigen Lö-
sung entgegengeht. Hoffen wir inzwischen, daß
[Spaltenumbruch] trotz des Ankaufes von 30,000 Pferden österrei-
chischer Seits und der Ertheilung von Marsch-
ordren an die preußischen Bataillone der Welt-
frieden dennoch nicht gestört werde. -- Nachrich-
ten aus Oberammergau zufolge hat Jhre Maj.
die Königin am Montag der letzten Passionsvor-
stellung beigewohnt und wurde von den Bewoh-
nern des festlich geschmückten Ortes auf die herz-
lichste Weise empfangen. Se. Maj. der König
dagegen war zu der Vorstellung nicht erschienen,
wie erwartet war, wahrscheinlich weil Höchstder-
selbe von der Zusammenkunft mit dem Kaiser von
Oesterreich bis dahin nicht zurückkehren konnte.

   
Die Ereignisse in Kurhessen.

Aus Kurhessen, 28. Sept. Die Demokratie
hat ihre Hauptsitze in Kurhessen zu Kassel und
den übrigen Provinzialstädten, von wo sie ihre
Wellenkreise in die kleineren Städte des Landes
mit mühsamem Erfolge ausbreitet, fast gänzlich
unberührt von ihr ist die Grafschaft Schaumburg,
wo das ruhige Wesen des niedersächsischen Stam-
mes, der Wohlstand der Bevölkerung ihr Hinder-
nisse in den Weg stellt. Jn den Städten wie
Kassel und Hanau hat die demokratische Rührig-
keit eine dem Anscheine nach sehr feste und um-
fangreiche Gestaltung, die vielgelesene „Hornisse“
führt gewiß unter den Blättern ihrer Partei in
Deutschland die derbste Sprache, der Kasseler de-
mokratisch=sociale Verein ist nach den Namen der
Führer unserer deutschen Revolution in Sektionen
getheilt ( Hecker, Blind, Blum ec. ) , aber trotz die-
ses drohenden Aussehens leidet dieser Verein, wie
die noch bestehenden Vereine gleicher Tendenz in
der Provinz an der Auszehrung, der nervus re-
rum
, das Geld fehlt und die Theilnahme des
Volkes erkaltet mit jedem Tage mehr. Die un-
sauberen Bestandtheile, welche sich diese Einigun-
gen fast überall erfreuten und zwar im reichen
Maße, haben vielen ihrer vorherigen Freunde und
Verehrer die Augen geöffnet. Das Völkchen der
fahrenden Habe und des eben nicht gewissenhaften
Erwerbes hatte zu diesen Vereinen ein zahlreiches
Contingent gestellt; fragte man, „wie viel ehrbare
Hausvater sind in der Vereinsliste verzeichnet?“
so würde der Bürgerpräsident oft in die größte
Verlegenheit um eine Antwort gekommen sein.
Die Bourgeoisie, diese faule und dabei vom Ehr-
geize geblähte Drohne, hat bei der Verbreitung
demokratischer Jdeen wie überall zu Gevatter ge-
standen, sie hat das Kind gehätschelt und an dem
wilden Knaben mit seinen vorlauten Reden sich
erfreut; als er aber doch gar zu ungeberdig wurde
und seine Gesellschaft, von der er umgeben war,
ein allzu schmutziges und unästhetisches Aussehen
trug, zogen sich die liberalen Väter zurück, auf
den lateinischen Spruch hinweisend: „ Est modus
in rebus, sunt certi denique fines
.“ Dieses
ganze jammervolle Philisterthum sucht die Rettung
seiner Person und seines Mammons vor der De-
mokratie in der preußischen Union, darum bellen
sie mit den Demokraten gegen Hassenpflug, sie
würden ihn aber auf den Händen tragen, wenn
er sie von den früheren, so lästig gewordenen ro-
then Freunden befreit hätte. Die ganze Erbärm-
[Spaltenumbruch] lichkeit, das eigenthümliche schläfrige Naturell die-
ser Helden beim Bierglase und im Casino hat
sich immer am deutlichsten bei den Wahlen zur
Ständekammer gezeigt. Als das von der Bour-
geoisie so hoch verehrte Ministerium Eberhard noch
bestand, das von den Demokraten besonders in
der letzten Zeit seines Bestandes ebenso angefein-
det wurde, als das jetzige, thaten die liberalen
Philister bei den Landtagswahlen eben so wenig,
um die Wahl demokratischer Kammermitglieder
zu hindern, als jetzt, sie zankten nur, wenn durch
ihre Schläfrigkeit rothe Wahlen zu Stande ge-
kommen waren. Die charakteristische Eigenschaft
dieser Menschen ist ihre schwarz = weiße Färbung
und ihr alles Maß und alle Grenzen überschrei-
tender Haß gegen Bayern und Oesterreich, der
deutlich genug die Spuren confessioneller
Abneigung trägt. Unsere Gothaer würden die
Knute küssen, womit sie gepeitscht würden, wenn
dieselbe eine preußische wäre, sie sind zum Des-
potismus reif, wenn es nur der aufgeklärte preu-
ßische wäre. Als Preußen seine rettenden Thaten
in Berlin und Baden vollbrachte, als es über die
Presse eine Maßregel verhängte, wie sie eines
freien Landes nicht würdig war, da hatten unsere
Schwarzweißen kein Wort der Entrüstung, wäh-
rend sie Zeter schrien über die allzu große Frei-
heit, welche in Oesterreich der Kirche gewährt
wurde und Thränen weinten über die Gräber von
Arad. -- Wir haben also bis jetzt zwei Elemente
des politischen Lebens in unserem Lande gefunden,
wovon das Eine, an sich schwach an materiellen
Kräften und an Zahl seiner Anhänger, den Um-
sturz mit Entschiedenheit will, während das andere
Element, das leider nur zu vorherrschend ist, we-
gen seiner innern Erbärmlichkeit von der Demo-
kratie ins Schlepptau genommen wird. Doch es
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Kassel, 1. Oct. Der Oberbürgermeister der
Residenz hat so eben folgende Ansprache erlassen:
Mitbürger! Harte Prüfungen habt Jhr bereits
überstanden und dabei unerschütterlich festgehalten
an Gesetz und Ordnung. Das hat Anerkennung
gefunden über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Aber noch schwerere Prüfungen stehen uns viel-
leicht bevor. Laßt Euch nicht irre machen in
Eurem gesetzlichen Sinn! Es mag auch kommen,
was da wolle. Mitbürger! seid ferner standhaft
und besonnen! Unser gutes Recht wird siegen!
Der Oberbürgermeister der Residenzstadt Kassel.
Hartwig.

Kassel, 1. Oct. Heute Nachmittag wurde
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v. M. die Erweiterung der Bestimmungen über
den Kriegszustand betreffend, in allen Staßen der
Stadt bekannt gemacht. Das hiermit beauftragte
Militärdetachement bestand aus vier Unterofficieren
und acht Gemeinen, mit drei Trommlern vom Re-
giment Kurfürst. Nach Trommelwirbel las ein
Unterofficier die Verordnung vor; der Act schien
auf die Bevölkerung keinen Eindruck zu machen.
-- Der neue Oberbefehlshaber beschäftigt sich
mit Organisation der verschiedenen Bureaus: Bu-
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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 238. Würzburg, Freitag den 4. Oktober. 1850. Vereinbarung Preußens mit Oesterreich. Werfen wir einen Blick in die heute ange- kommenen Berliner Zeitungen, so kommt uns zu- erst die offizielle „Reform“ mit einem klagendem Artikel entgegen, in welchem Oesterreich zum hun- dertsten Male vorgeworfen wird, daß es auf den „sogenannten“ Bundestag beharrt, in welchem es aufgefordert wird, das Bundes=Terrain zu verlassen und auf den preußischen Vorschlag einer freien Vereinbarung mit allen deutschen Staaten einzugehen. Preußen kommt uns hierbei vor, wie eine Macht, die in einem unbeschützten, strategisch unhaltbaren Blachfelde lagert, und den Gegner, der eine vortheilhafte, von der Natur selbst ver- theidigte Position einnimmt, zu einem Vortrage auffordert, unter der Bedingung jedoch, daß er, bevor derselbe zur Verhandlung komme, seine feste Stellung aufgebe und auch ins flache Feld herab- komme. Folgt er nun dem verlockenden Ruf, so werden ihm unmögliche Bedingungen geboten; er muß sie verwerfen und erkennt sie dann zu spät; daß er sich von der List eines Gegners verlocken ließ, der ihn gar nicht in einen Vertrag, sondern nur aus einer festen Position ziehen wollte. Jst eine Vereinbarung Preußens mit Oesterreich jetzt unmöglich, während der Bundestag tagt, so ist sie auch unmöglich, wenn derselbe nicht tagt. Alle Vorschläge, welche gemacht werden können bei einem freien Fürsten= oder Staaten=Congresse, können ganz eben so gut ohne denselben und jetzt gemacht werden. Wir können es uns recht gut denken, ohne das Lehrgeld der Erfahrung erst be- zahlen zu müssen, welche Anerbietungen Preußen und seine Verbündeten auf einen solchen Congresse Oesterreich und dessen Aliirten machen würden. Es wären gerade die nämlichen, welche schon hun- dert Male von unserer Seite verweigert worden sind. Diese vorauszusehende Uneinigkeit nach der versuchten „freien Vereinbarung“ würde uns in einer viel schwächeren Stellung finden, als die- jenige ist, welche wir jetzt einnehmen. Wir hal- ten aber mit unerschütterlicher Beharrlichkeit an der Ueberzeugung fest: je stärker Oesterreichs Stel- lung ist, je näher steht die Einigung mit Preußen bevor, je schwächer sie wird, je schwieriger wird diese werden. Darum werden wir nie dazu ra- then, der bloßen Aussicht auf Einigung, die uns geboten wird, den gewissen Besitz von Macht, den wir errungen haben, zum Opfer zu bringen. Deutschland. München, 2. Okt. Se. Maj. der König von Sachsen ist gestern Abend mit J. k. Hoh. der Frau Herzogin Max in Bayern hieher zurückge- kehrt. -- Durch die nun ebenfalls erfolgte Rück- kehr des königl. Staatsministers des Jnnern, Hrn. v. Zwehl, ist das Gefammtministerium wieder vollständig. Dem denkenden Vaterlandsfreund wird es nicht entgehen, daß jetzt ein Zusammenwirken dieser Staatsmänner um so nöthiger ist, als von allen Seiten düstre Wolken den politischen Hori- zont täglich mehr umziehen und scheinbar die ge- träumte deutsche Einheit noch einer blutigen Lö- sung entgegengeht. Hoffen wir inzwischen, daß trotz des Ankaufes von 30,000 Pferden österrei- chischer Seits und der Ertheilung von Marsch- ordren an die preußischen Bataillone der Welt- frieden dennoch nicht gestört werde. -- Nachrich- ten aus Oberammergau zufolge hat Jhre Maj. die Königin am Montag der letzten Passionsvor- stellung beigewohnt und wurde von den Bewoh- nern des festlich geschmückten Ortes auf die herz- lichste Weise empfangen. Se. Maj. der König dagegen war zu der Vorstellung nicht erschienen, wie erwartet war, wahrscheinlich weil Höchstder- selbe von der Zusammenkunft mit dem Kaiser von Oesterreich bis dahin nicht zurückkehren konnte. ( A. Abz. ) Die Ereignisse in Kurhessen. Aus Kurhessen, 28. Sept. Die Demokratie hat ihre Hauptsitze in Kurhessen zu Kassel und den übrigen Provinzialstädten, von wo sie ihre Wellenkreise in die kleineren Städte des Landes mit mühsamem Erfolge ausbreitet, fast gänzlich unberührt von ihr ist die Grafschaft Schaumburg, wo das ruhige Wesen des niedersächsischen Stam- mes, der Wohlstand der Bevölkerung ihr Hinder- nisse in den Weg stellt. Jn den Städten wie Kassel und Hanau hat die demokratische Rührig- keit eine dem Anscheine nach sehr feste und um- fangreiche Gestaltung, die vielgelesene „Hornisse“ führt gewiß unter den Blättern ihrer Partei in Deutschland die derbste Sprache, der Kasseler de- mokratisch=sociale Verein ist nach den Namen der Führer unserer deutschen Revolution in Sektionen getheilt ( Hecker, Blind, Blum ec. ) , aber trotz die- ses drohenden Aussehens leidet dieser Verein, wie die noch bestehenden Vereine gleicher Tendenz in der Provinz an der Auszehrung, der nervus re- rum , das Geld fehlt und die Theilnahme des Volkes erkaltet mit jedem Tage mehr. Die un- sauberen Bestandtheile, welche sich diese Einigun- gen fast überall erfreuten und zwar im reichen Maße, haben vielen ihrer vorherigen Freunde und Verehrer die Augen geöffnet. Das Völkchen der fahrenden Habe und des eben nicht gewissenhaften Erwerbes hatte zu diesen Vereinen ein zahlreiches Contingent gestellt; fragte man, „wie viel ehrbare Hausvater sind in der Vereinsliste verzeichnet?“ so würde der Bürgerpräsident oft in die größte Verlegenheit um eine Antwort gekommen sein. Die Bourgeoisie, diese faule und dabei vom Ehr- geize geblähte Drohne, hat bei der Verbreitung demokratischer Jdeen wie überall zu Gevatter ge- standen, sie hat das Kind gehätschelt und an dem wilden Knaben mit seinen vorlauten Reden sich erfreut; als er aber doch gar zu ungeberdig wurde und seine Gesellschaft, von der er umgeben war, ein allzu schmutziges und unästhetisches Aussehen trug, zogen sich die liberalen Väter zurück, auf den lateinischen Spruch hinweisend: „ Est modus in rebus, sunt certi denique fines.“ Dieses ganze jammervolle Philisterthum sucht die Rettung seiner Person und seines Mammons vor der De- mokratie in der preußischen Union, darum bellen sie mit den Demokraten gegen Hassenpflug, sie würden ihn aber auf den Händen tragen, wenn er sie von den früheren, so lästig gewordenen ro- then Freunden befreit hätte. Die ganze Erbärm- lichkeit, das eigenthümliche schläfrige Naturell die- ser Helden beim Bierglase und im Casino hat sich immer am deutlichsten bei den Wahlen zur Ständekammer gezeigt. Als das von der Bour- geoisie so hoch verehrte Ministerium Eberhard noch bestand, das von den Demokraten besonders in der letzten Zeit seines Bestandes ebenso angefein- det wurde, als das jetzige, thaten die liberalen Philister bei den Landtagswahlen eben so wenig, um die Wahl demokratischer Kammermitglieder zu hindern, als jetzt, sie zankten nur, wenn durch ihre Schläfrigkeit rothe Wahlen zu Stande ge- kommen waren. Die charakteristische Eigenschaft dieser Menschen ist ihre schwarz = weiße Färbung und ihr alles Maß und alle Grenzen überschrei- tender Haß gegen Bayern und Oesterreich, der deutlich genug die Spuren confessioneller Abneigung trägt. Unsere Gothaer würden die Knute küssen, womit sie gepeitscht würden, wenn dieselbe eine preußische wäre, sie sind zum Des- potismus reif, wenn es nur der aufgeklärte preu- ßische wäre. Als Preußen seine rettenden Thaten in Berlin und Baden vollbrachte, als es über die Presse eine Maßregel verhängte, wie sie eines freien Landes nicht würdig war, da hatten unsere Schwarzweißen kein Wort der Entrüstung, wäh- rend sie Zeter schrien über die allzu große Frei- heit, welche in Oesterreich der Kirche gewährt wurde und Thränen weinten über die Gräber von Arad. -- Wir haben also bis jetzt zwei Elemente des politischen Lebens in unserem Lande gefunden, wovon das Eine, an sich schwach an materiellen Kräften und an Zahl seiner Anhänger, den Um- sturz mit Entschiedenheit will, während das andere Element, das leider nur zu vorherrschend ist, we- gen seiner innern Erbärmlichkeit von der Demo- kratie ins Schlepptau genommen wird. Doch es findet sich noch ein drittes ächt conservatives Ele- ment, davon nächstens. ( M. J. ) Kassel, 1. Oct. Der Oberbürgermeister der Residenz hat so eben folgende Ansprache erlassen: Mitbürger! Harte Prüfungen habt Jhr bereits überstanden und dabei unerschütterlich festgehalten an Gesetz und Ordnung. Das hat Anerkennung gefunden über die Grenzen Deutschlands hinaus. Aber noch schwerere Prüfungen stehen uns viel- leicht bevor. Laßt Euch nicht irre machen in Eurem gesetzlichen Sinn! Es mag auch kommen, was da wolle. Mitbürger! seid ferner standhaft und besonnen! Unser gutes Recht wird siegen! Der Oberbürgermeister der Residenzstadt Kassel. Hartwig. Kassel, 1. Oct. Heute Nachmittag wurde unter Trommelschlag die Verordnung vom 28. v. M. die Erweiterung der Bestimmungen über den Kriegszustand betreffend, in allen Staßen der Stadt bekannt gemacht. Das hiermit beauftragte Militärdetachement bestand aus vier Unterofficieren und acht Gemeinen, mit drei Trommlern vom Re- giment Kurfürst. Nach Trommelwirbel las ein Unterofficier die Verordnung vor; der Act schien auf die Bevölkerung keinen Eindruck zu machen. -- Der neue Oberbefehlshaber beschäftigt sich mit Organisation der verschiedenen Bureaus: Bu- reau der Jnstiz, der Polizei ec. -- Für morgen erwartet man entscheidendes Vorangehen von Sei-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 238. Würzburg, 4. Oktober 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische238_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.