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Die Bayerische Presse. Nr. 234. Würzburg, 30. September 1850.

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Nr. 533.

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titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

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Nr. 234.
Würzburg, Montag den 30. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Revolution und Gesetzgebung.

Revolution ist Umsturz, Gesetzgebung ist Auf-
bau; Revolution ist thatsächlicher Zustand ohne
Rechtsbasis, Gesetzgebung ist das Ergebniß eines
Rechtslebens im Staate. Darum sollten Beide
stets als Gegensätze erscheinen. Es hat wohl
Fälle gegeben, bei denen man sagen konnte, daß
die Gesetzgebung, sei es durch Unterlassen oder
durch Handeln, die Revolution herbeiführte, aber
nie wird man mit Beifall der Vernunft und des
Rechtes sagen mögen, die Revolution sei ein
rechtliches Mittel, Veränderungen im Staate her-
beizuführen; denn das dem Staate Entgegenge-
setzte, das den Staat Aufhebende, kann unmög-
lich zu den Faktoren gezählt werden, welche den
Staat erhalten. Andern Standpunkt wählen die,
welche in der Revolution einen Rechtsfactor des
Staates erblicken. Allein es gibt zweierlei Ar-
ten der Revolution oder des Umsturzes, von de-
nen die eine für den Moment unerträglicher sich
darstellt als die andere, dies aber doch nicht ist.
Alle Revolutionen, aller Umsturz ist und bleibt
gefährlich, aber der gefährlichste, vernunftwidrigste,
unheilvollste ist der, welcher durch Gesetze ge-
schieht; denn wo das Recht den Unsinn und das
Unrecht heiligt, da ist der gründlichste Umsturz.
Von jeher waren selbst die Revolutionsmänner
bemüht, ihrem bösen Treiben die Rechtsform an-
zudichten, und solche Verfahren hat die Recht-
lichen aller Zeiten am meisten empört. Als man
den unglücklichen Ludwig XVI. unter scheinbarer
Beachtung einer gerichtlichen Form mordete, da
empörte gerade diese Art des Verfahrens doppelt.
Als der Taumel des Jahres 1848 seine Satur-
nalien feierte, da war für die das Recht ehrende
Männer am Traurigsten, daß die Demagogen
sich auf die Form des Rechtsweges zu spielen
suchten. Es war dies wahrhaft widerlich, und
die Regierungen mögen sich hüten vor Gesetzen,
welche nichts weiter bezwecken, als ein Fesseln
der Vernunft, des Rechts, der Gottesfurcht, ein
Ausroden von ehrwürdigen Grundlagen der Ge-
sellschaft; mit dem Ehrenkleide von Recht und
Gerechtigkeit angethan, sollte nach dem Willen
der Demagogie das Unrecht einhergehen und die
Lüge verewigt werden. Will man Beispiele, so
lese man einen großen Theil der Satzungen von
damals. Gott hat von solcher heillosen Verfüh-
rung Seitens der Demagogen die Staaten und
Regierungen in etwas zurückkommen lassen, allein
man würde sich sehr irren, wollte man die Ge-
fahr als beseitigt ansehen, ja, es ist diese um
so größer, je mehr den Förderern der Revolu-
tion vor der Hand kaum etwas Anderes übrig
bleibt, als die Revolution durch die Ge-
setzgebung.
Wenn der tolle Pöbel lärmt und
zerstört, da ist der Gegensatz sehr bald gefunden;
wenn aber die Revolution in die Gesetzgebung
sich zu flüchten beginnt, dann arbeitet sie zwar
mit weniger augenblicklichem Erfolge, aber um
so sicherer. Sie greift zur Lüge, um ein Reich
der Lüge aufzubauen, denn nichts als eitel Lüge
und Gaukelspiel ist dieses Reich. Wir wollen
nur einige von diesen Gesetzgebungsphrasen an-
führen. Mit der Organisation der Arbeit sollte
dem Proletariat ein Punkt gegeben werden, wor-
auf dies stehen sollte, um den Führern der Em-
[Spaltenumbruch] pörung als Hebel dienstbar zu werden. Com-
munismus
war eine noch gröber ausgeprägte
Form für Diebstahl und Beraubung. Der Aus-
druck Feudallast sollte alle mögliche Rechte des
größeren Grundbesitzes -- ( die oft nicht im Ent-
ferntesten mit dem Lehn= und Herrschaftswesen
zusammenhängen ) -- zerstören. Freiheit der
Wissenschaft
sollte die Zügellosigkeit auf das
Feld der Jntelligenz bringen -- ( denn die wahre
Wissenschaft war nicht gebunden und war frei. )
-- Geschwornengerichte bei politischen Ver-
brechen
waren geeignet, nicht nur die Straflosig-
keit zu garantiren, sondern auch den Verbrecher
eine billige Ovation für die wenige Gefahr hof-
fen zu lassen. Breiteste demokratische
Grundlage
mit monarchischer Spitze war der
Weg zur grauenvollen ochlokratischen Republik.
-- Die Pflicht der Gesetzgebung ist es, diese
Jrrpfade zu verlassen und nicht zu wähnen, als
wandle sie auf festem Boden, wenn auch der
Krater des Revolutionsvulkans augenblicklich nicht
speit, er raucht noch, und in die Nähe dieses
Rauches soll man die Gebäude der Gesetzgebung
nicht bauen; schon um deswillen nicht, weil selbst
dieser Rauch, dieser Typhos, Jdeen und Begriffe
verwirret. Man untersuche nur mit Unbefangen-
heit, wieviel von jenen sogenannten Fundamental-
begriffen gewachsen, wieviel gemacht sei; man un-
tersuche nur, was man sich unter jenem Feldge-
schrei denkt und man wird die richtige Linie fin-
den. Thut man dies nicht, so hat man, möge
man es glauben oder nicht, mit der Revolution
transigirt; der Vortheil ist auf Seiten der Letz-
tern, sie hat augenblicklich und praktisch nicht
Alles gewonnen, aber grundsätzlich ungeheuer viel;
sie hat sich festgesetzt; sie hat sich in Besitz ge-
bracht, in einen Besitz, den die Menge gläubig
verehrt. Revolution arbeitet durch ihre Gesetze
maschinenmäßig weiter; es hängt Gewicht sich an
Gewicht, der wahre Staat kann zuletzt nicht wi-
derstehen, er hat durch seine Gesetze sich selbst
den Untergang bereitet.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 27. Sept. Der bleibende landstän-
dische Ausschuß hat heute folgende Zuschrift an
Se. königl. Hoheit den Kurfürsten abgehen lassen:
"Königliche Hoheit! Der von den Ministern Ew.
königlichen Hoheit bei und nach Auflösung der letz-
ten Ständeversammlung betretene Weg hat sich
nach kurzer Zeit schon als ein verfassungswidriger
erwiesen, nur geeignet, Fürst und Land an den
Rand des Abgrunds zu führen. Das hessische
Volk hatte auch, als es dieses vorausgesehen, die
Hoffnung nicht aufgegeben, daß Ew. k. Hoheit end-
lich das Verderbliche des Raths erkennen würden,
dem Sie in jüngster Zeit gefolgt sind. Es hatte
vom Eintritt dieser Erkenntniß die Wiederkehr
einer bessern Zeit erwartet. Es hat sich getäuscht.
Die Verordnung vom 23. d. M. belehrt es, daß
es nicht eine Rückkehr auf der Bahn der Verfas-
sung zu gewärtigen hat, sondern daß auswärtige
Hülfe stattfinden soll, um die Hindernisse zu be-
seitigen, welche die Verfassung selbst ihrem Um-
sturze entgegenstellt. Aber auch jetzt wird das
hessische Volk festhalten an dem Rechte, das jede
[Spaltenumbruch] Gewalt überdauert. Die Mitwirkung des Bun-
destags ist angerufen oder angenommen worden,
um die Landesverfassung vernichten zu helfen; des-
selben Bundestags, der in 33jähriger Wirksam-
keit sich die deutsche Nation mehr und mehr ent-
fremdet hat, der den deutschen Fürsten Hoffnungen
auf einen Schutz erweckt hat, den er in der Stunde
der Prüfung nicht zu leisten vermochte; der dann
unter Mitwirkung Eurer königlichen Hoheit wie
aller deutscher Regierungen sein Ende gefunden
hat, und nach amtlicher, von den dermaligen Vor-
ständen der kurfürstlichen Ministerien der Justiz,
des Jnnern und des Aeußern den Landständen ge-
gebenen Erklärung ohne der letzteren Zustimmung
nicht wieder soll ins Leben treten können. Dieser
Bundestag taucht wieder auf, obgleich ihn die
Nation verwirft, obgleich ihn die Mehrzahl der
deutschen Regierungen nicht anerkennt. Er macht
die alten Ansprüche und Eingriffe den verpfände-
ten Worten zum Trotz, daß er nicht zu den frü-
heren Zuständen und Formen zurückkehren, son-
dern im Gegentheil nur zu einer den Bedürfnissen
der Zeit entsprechenden Neugestaltung gelangen
wolle. Er verläßt selbst den Boden des Bundes-
rechts, der Garantien nicht achtend, die sogar die-
ses in dem im Jahre 1834 eingesetzten Schieds-
gerichte den Landständen hatte gewähren wollen.
Und dieser Bundestag wird von Kurhessens Re-
gierung anerkannt, ihren bestimmtesten Versicher-
ungen zuwider! Die aufgelöste Ständeversamm-
lung hat gegen diesen neuen Bundestag feierlich
protestirt, dem bleibenden landständischen Aus-
schuß liegt nur ob, diesen Protest gegenüber je-
dem Anrufen oder Einschreiten desselben zu er-
neuern. Das Ansehen der Regierung Ew. k.
Hoheit ist gefährdet, nicht durch die Landstände,
nicht durch die Behörden, nicht durch das Volk,
sondern durch Rathgeber, die die Verfassung ver-
kennen oder mißachten. Auswärtige Hülfe kann
nur geeignet sein, dieses Ansehen mehr und mehr
zu schmälern. Das Einschreiten des Auslandes
besteht nicht zu Recht, es wäre, wenn statthaft,
doch unnöthig. Es wird darauf zu stützen ge-
sucht, daß die Ständeversammlung die erforder-
lichen Mittel zur Führung der Regierung ver-
sagt habe. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Es
ist den Landständen kein Budget vorgelegt wor-
den, auch nicht ein provisorisches; es ist sowenig
in dem vorgelegten Entwurfe eines Gesetzes über
Fortverwilligung der Steuern als in dessen Mo-
tiven auch nur mit einer Sylbe des Bedürfnisses
alsbaldiger Verwendung derselben gedacht wor-
den, es ist nicht entfernt versucht worden, den
Bedingungen zu genügen, welche §. 144 der
Verfassungsurkunde an eine jede Steuermehrfor-
derung klar und unzweideutig knüpft. Es ist zwar
gesagt worden, daß durch Bezugnahme auf das
letzte Budget die Erforderlichkeit der demnach zu
erhebenden Steuern und Abgaben hinreichend nach-
gewiesen worden sei. Eine derartige Bezugnahme
findet sich nicht, würde auch nicht geeignet sein,
die der Regierung obliegende Verbindlichkeit zur
Nachweisung des Staatsbedarfs zu erfüllen. Zu-
dem wäre eine solche Bezugnahme ohne alle Be-
deutung gewesen, weil die finanziellen Bedürfnisse
des Jahres 1849 so außergewöhnlicher Art waren,
daß gerade regierungsseitig bei Vorlage des da-

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Revolution und Gesetzgebung.

Revolution ist Umsturz, Gesetzgebung ist Auf-
bau; Revolution ist thatsächlicher Zustand ohne
Rechtsbasis, Gesetzgebung ist das Ergebniß eines
Rechtslebens im Staate. Darum sollten Beide
stets als Gegensätze erscheinen. Es hat wohl
Fälle gegeben, bei denen man sagen konnte, daß
die Gesetzgebung, sei es durch Unterlassen oder
durch Handeln, die Revolution herbeiführte, aber
nie wird man mit Beifall der Vernunft und des
Rechtes sagen mögen, die Revolution sei ein
rechtliches Mittel, Veränderungen im Staate her-
beizuführen; denn das dem Staate Entgegenge-
setzte, das den Staat Aufhebende, kann unmög-
lich zu den Faktoren gezählt werden, welche den
Staat erhalten. Andern Standpunkt wählen die,
welche in der Revolution einen Rechtsfactor des
Staates erblicken. Allein es gibt zweierlei Ar-
ten der Revolution oder des Umsturzes, von de-
nen die eine für den Moment unerträglicher sich
darstellt als die andere, dies aber doch nicht ist.
Alle Revolutionen, aller Umsturz ist und bleibt
gefährlich, aber der gefährlichste, vernunftwidrigste,
unheilvollste ist der, welcher durch Gesetze ge-
schieht; denn wo das Recht den Unsinn und das
Unrecht heiligt, da ist der gründlichste Umsturz.
Von jeher waren selbst die Revolutionsmänner
bemüht, ihrem bösen Treiben die Rechtsform an-
zudichten, und solche Verfahren hat die Recht-
lichen aller Zeiten am meisten empört. Als man
den unglücklichen Ludwig XVI. unter scheinbarer
Beachtung einer gerichtlichen Form mordete, da
empörte gerade diese Art des Verfahrens doppelt.
Als der Taumel des Jahres 1848 seine Satur-
nalien feierte, da war für die das Recht ehrende
Männer am Traurigsten, daß die Demagogen
sich auf die Form des Rechtsweges zu spielen
suchten. Es war dies wahrhaft widerlich, und
die Regierungen mögen sich hüten vor Gesetzen,
welche nichts weiter bezwecken, als ein Fesseln
der Vernunft, des Rechts, der Gottesfurcht, ein
Ausroden von ehrwürdigen Grundlagen der Ge-
sellschaft; mit dem Ehrenkleide von Recht und
Gerechtigkeit angethan, sollte nach dem Willen
der Demagogie das Unrecht einhergehen und die
Lüge verewigt werden. Will man Beispiele, so
lese man einen großen Theil der Satzungen von
damals. Gott hat von solcher heillosen Verfüh-
rung Seitens der Demagogen die Staaten und
Regierungen in etwas zurückkommen lassen, allein
man würde sich sehr irren, wollte man die Ge-
fahr als beseitigt ansehen, ja, es ist diese um
so größer, je mehr den Förderern der Revolu-
tion vor der Hand kaum etwas Anderes übrig
bleibt, als die Revolution durch die Ge-
setzgebung.
Wenn der tolle Pöbel lärmt und
zerstört, da ist der Gegensatz sehr bald gefunden;
wenn aber die Revolution in die Gesetzgebung
sich zu flüchten beginnt, dann arbeitet sie zwar
mit weniger augenblicklichem Erfolge, aber um
so sicherer. Sie greift zur Lüge, um ein Reich
der Lüge aufzubauen, denn nichts als eitel Lüge
und Gaukelspiel ist dieses Reich. Wir wollen
nur einige von diesen Gesetzgebungsphrasen an-
führen. Mit der Organisation der Arbeit sollte
dem Proletariat ein Punkt gegeben werden, wor-
auf dies stehen sollte, um den Führern der Em-
[Spaltenumbruch] pörung als Hebel dienstbar zu werden. Com-
munismus
war eine noch gröber ausgeprägte
Form für Diebstahl und Beraubung. Der Aus-
druck Feudallast sollte alle mögliche Rechte des
größeren Grundbesitzes -- ( die oft nicht im Ent-
ferntesten mit dem Lehn= und Herrschaftswesen
zusammenhängen ) -- zerstören. Freiheit der
Wissenschaft
sollte die Zügellosigkeit auf das
Feld der Jntelligenz bringen -- ( denn die wahre
Wissenschaft war nicht gebunden und war frei. )
-- Geschwornengerichte bei politischen Ver-
brechen
waren geeignet, nicht nur die Straflosig-
keit zu garantiren, sondern auch den Verbrecher
eine billige Ovation für die wenige Gefahr hof-
fen zu lassen. Breiteste demokratische
Grundlage
mit monarchischer Spitze war der
Weg zur grauenvollen ochlokratischen Republik.
-- Die Pflicht der Gesetzgebung ist es, diese
Jrrpfade zu verlassen und nicht zu wähnen, als
wandle sie auf festem Boden, wenn auch der
Krater des Revolutionsvulkans augenblicklich nicht
speit, er raucht noch, und in die Nähe dieses
Rauches soll man die Gebäude der Gesetzgebung
nicht bauen; schon um deswillen nicht, weil selbst
dieser Rauch, dieser Typhos, Jdeen und Begriffe
verwirret. Man untersuche nur mit Unbefangen-
heit, wieviel von jenen sogenannten Fundamental-
begriffen gewachsen, wieviel gemacht sei; man un-
tersuche nur, was man sich unter jenem Feldge-
schrei denkt und man wird die richtige Linie fin-
den. Thut man dies nicht, so hat man, möge
man es glauben oder nicht, mit der Revolution
transigirt; der Vortheil ist auf Seiten der Letz-
tern, sie hat augenblicklich und praktisch nicht
Alles gewonnen, aber grundsätzlich ungeheuer viel;
sie hat sich festgesetzt; sie hat sich in Besitz ge-
bracht, in einen Besitz, den die Menge gläubig
verehrt. Revolution arbeitet durch ihre Gesetze
maschinenmäßig weiter; es hängt Gewicht sich an
Gewicht, der wahre Staat kann zuletzt nicht wi-
derstehen, er hat durch seine Gesetze sich selbst
den Untergang bereitet.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 27. Sept. Der bleibende landstän-
dische Ausschuß hat heute folgende Zuschrift an
Se. königl. Hoheit den Kurfürsten abgehen lassen:
„Königliche Hoheit! Der von den Ministern Ew.
königlichen Hoheit bei und nach Auflösung der letz-
ten Ständeversammlung betretene Weg hat sich
nach kurzer Zeit schon als ein verfassungswidriger
erwiesen, nur geeignet, Fürst und Land an den
Rand des Abgrunds zu führen. Das hessische
Volk hatte auch, als es dieses vorausgesehen, die
Hoffnung nicht aufgegeben, daß Ew. k. Hoheit end-
lich das Verderbliche des Raths erkennen würden,
dem Sie in jüngster Zeit gefolgt sind. Es hatte
vom Eintritt dieser Erkenntniß die Wiederkehr
einer bessern Zeit erwartet. Es hat sich getäuscht.
Die Verordnung vom 23. d. M. belehrt es, daß
es nicht eine Rückkehr auf der Bahn der Verfas-
sung zu gewärtigen hat, sondern daß auswärtige
Hülfe stattfinden soll, um die Hindernisse zu be-
seitigen, welche die Verfassung selbst ihrem Um-
sturze entgegenstellt. Aber auch jetzt wird das
hessische Volk festhalten an dem Rechte, das jede
[Spaltenumbruch] Gewalt überdauert. Die Mitwirkung des Bun-
destags ist angerufen oder angenommen worden,
um die Landesverfassung vernichten zu helfen; des-
selben Bundestags, der in 33jähriger Wirksam-
keit sich die deutsche Nation mehr und mehr ent-
fremdet hat, der den deutschen Fürsten Hoffnungen
auf einen Schutz erweckt hat, den er in der Stunde
der Prüfung nicht zu leisten vermochte; der dann
unter Mitwirkung Eurer königlichen Hoheit wie
aller deutscher Regierungen sein Ende gefunden
hat, und nach amtlicher, von den dermaligen Vor-
ständen der kurfürstlichen Ministerien der Justiz,
des Jnnern und des Aeußern den Landständen ge-
gebenen Erklärung ohne der letzteren Zustimmung
nicht wieder soll ins Leben treten können. Dieser
Bundestag taucht wieder auf, obgleich ihn die
Nation verwirft, obgleich ihn die Mehrzahl der
deutschen Regierungen nicht anerkennt. Er macht
die alten Ansprüche und Eingriffe den verpfände-
ten Worten zum Trotz, daß er nicht zu den frü-
heren Zuständen und Formen zurückkehren, son-
dern im Gegentheil nur zu einer den Bedürfnissen
der Zeit entsprechenden Neugestaltung gelangen
wolle. Er verläßt selbst den Boden des Bundes-
rechts, der Garantien nicht achtend, die sogar die-
ses in dem im Jahre 1834 eingesetzten Schieds-
gerichte den Landständen hatte gewähren wollen.
Und dieser Bundestag wird von Kurhessens Re-
gierung anerkannt, ihren bestimmtesten Versicher-
ungen zuwider! Die aufgelöste Ständeversamm-
lung hat gegen diesen neuen Bundestag feierlich
protestirt, dem bleibenden landständischen Aus-
schuß liegt nur ob, diesen Protest gegenüber je-
dem Anrufen oder Einschreiten desselben zu er-
neuern. Das Ansehen der Regierung Ew. k.
Hoheit ist gefährdet, nicht durch die Landstände,
nicht durch die Behörden, nicht durch das Volk,
sondern durch Rathgeber, die die Verfassung ver-
kennen oder mißachten. Auswärtige Hülfe kann
nur geeignet sein, dieses Ansehen mehr und mehr
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besteht nicht zu Recht, es wäre, wenn statthaft,
doch unnöthig. Es wird darauf zu stützen ge-
sucht, daß die Ständeversammlung die erforder-
lichen Mittel zur Führung der Regierung ver-
sagt habe. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Es
ist den Landständen kein Budget vorgelegt wor-
den, auch nicht ein provisorisches; es ist sowenig
in dem vorgelegten Entwurfe eines Gesetzes über
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den, es ist nicht entfernt versucht worden, den
Bedingungen zu genügen, welche §. 144 der
Verfassungsurkunde an eine jede Steuermehrfor-
derung klar und unzweideutig knüpft. Es ist zwar
gesagt worden, daß durch Bezugnahme auf das
letzte Budget die Erforderlichkeit der demnach zu
erhebenden Steuern und Abgaben hinreichend nach-
gewiesen worden sei. Eine derartige Bezugnahme
findet sich nicht, würde auch nicht geeignet sein,
die der Regierung obliegende Verbindlichkeit zur
Nachweisung des Staatsbedarfs zu erfüllen. Zu-
dem wäre eine solche Bezugnahme ohne alle Be-
deutung gewesen, weil die finanziellen Bedürfnisse
des Jahres 1849 so außergewöhnlicher Art waren,
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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 234. Würzburg, Montag den 30. September. 1850. Revolution und Gesetzgebung. Revolution ist Umsturz, Gesetzgebung ist Auf- bau; Revolution ist thatsächlicher Zustand ohne Rechtsbasis, Gesetzgebung ist das Ergebniß eines Rechtslebens im Staate. Darum sollten Beide stets als Gegensätze erscheinen. Es hat wohl Fälle gegeben, bei denen man sagen konnte, daß die Gesetzgebung, sei es durch Unterlassen oder durch Handeln, die Revolution herbeiführte, aber nie wird man mit Beifall der Vernunft und des Rechtes sagen mögen, die Revolution sei ein rechtliches Mittel, Veränderungen im Staate her- beizuführen; denn das dem Staate Entgegenge- setzte, das den Staat Aufhebende, kann unmög- lich zu den Faktoren gezählt werden, welche den Staat erhalten. Andern Standpunkt wählen die, welche in der Revolution einen Rechtsfactor des Staates erblicken. Allein es gibt zweierlei Ar- ten der Revolution oder des Umsturzes, von de- nen die eine für den Moment unerträglicher sich darstellt als die andere, dies aber doch nicht ist. Alle Revolutionen, aller Umsturz ist und bleibt gefährlich, aber der gefährlichste, vernunftwidrigste, unheilvollste ist der, welcher durch Gesetze ge- schieht; denn wo das Recht den Unsinn und das Unrecht heiligt, da ist der gründlichste Umsturz. Von jeher waren selbst die Revolutionsmänner bemüht, ihrem bösen Treiben die Rechtsform an- zudichten, und solche Verfahren hat die Recht- lichen aller Zeiten am meisten empört. Als man den unglücklichen Ludwig XVI. unter scheinbarer Beachtung einer gerichtlichen Form mordete, da empörte gerade diese Art des Verfahrens doppelt. Als der Taumel des Jahres 1848 seine Satur- nalien feierte, da war für die das Recht ehrende Männer am Traurigsten, daß die Demagogen sich auf die Form des Rechtsweges zu spielen suchten. Es war dies wahrhaft widerlich, und die Regierungen mögen sich hüten vor Gesetzen, welche nichts weiter bezwecken, als ein Fesseln der Vernunft, des Rechts, der Gottesfurcht, ein Ausroden von ehrwürdigen Grundlagen der Ge- sellschaft; mit dem Ehrenkleide von Recht und Gerechtigkeit angethan, sollte nach dem Willen der Demagogie das Unrecht einhergehen und die Lüge verewigt werden. Will man Beispiele, so lese man einen großen Theil der Satzungen von damals. Gott hat von solcher heillosen Verfüh- rung Seitens der Demagogen die Staaten und Regierungen in etwas zurückkommen lassen, allein man würde sich sehr irren, wollte man die Ge- fahr als beseitigt ansehen, ja, es ist diese um so größer, je mehr den Förderern der Revolu- tion vor der Hand kaum etwas Anderes übrig bleibt, als die Revolution durch die Ge- setzgebung. Wenn der tolle Pöbel lärmt und zerstört, da ist der Gegensatz sehr bald gefunden; wenn aber die Revolution in die Gesetzgebung sich zu flüchten beginnt, dann arbeitet sie zwar mit weniger augenblicklichem Erfolge, aber um so sicherer. Sie greift zur Lüge, um ein Reich der Lüge aufzubauen, denn nichts als eitel Lüge und Gaukelspiel ist dieses Reich. Wir wollen nur einige von diesen Gesetzgebungsphrasen an- führen. Mit der Organisation der Arbeit sollte dem Proletariat ein Punkt gegeben werden, wor- auf dies stehen sollte, um den Führern der Em- pörung als Hebel dienstbar zu werden. Com- munismus war eine noch gröber ausgeprägte Form für Diebstahl und Beraubung. Der Aus- druck Feudallast sollte alle mögliche Rechte des größeren Grundbesitzes -- ( die oft nicht im Ent- ferntesten mit dem Lehn= und Herrschaftswesen zusammenhängen ) -- zerstören. Freiheit der Wissenschaft sollte die Zügellosigkeit auf das Feld der Jntelligenz bringen -- ( denn die wahre Wissenschaft war nicht gebunden und war frei. ) -- Geschwornengerichte bei politischen Ver- brechen waren geeignet, nicht nur die Straflosig- keit zu garantiren, sondern auch den Verbrecher eine billige Ovation für die wenige Gefahr hof- fen zu lassen. Breiteste demokratische Grundlage mit monarchischer Spitze war der Weg zur grauenvollen ochlokratischen Republik. -- Die Pflicht der Gesetzgebung ist es, diese Jrrpfade zu verlassen und nicht zu wähnen, als wandle sie auf festem Boden, wenn auch der Krater des Revolutionsvulkans augenblicklich nicht speit, er raucht noch, und in die Nähe dieses Rauches soll man die Gebäude der Gesetzgebung nicht bauen; schon um deswillen nicht, weil selbst dieser Rauch, dieser Typhos, Jdeen und Begriffe verwirret. Man untersuche nur mit Unbefangen- heit, wieviel von jenen sogenannten Fundamental- begriffen gewachsen, wieviel gemacht sei; man un- tersuche nur, was man sich unter jenem Feldge- schrei denkt und man wird die richtige Linie fin- den. Thut man dies nicht, so hat man, möge man es glauben oder nicht, mit der Revolution transigirt; der Vortheil ist auf Seiten der Letz- tern, sie hat augenblicklich und praktisch nicht Alles gewonnen, aber grundsätzlich ungeheuer viel; sie hat sich festgesetzt; sie hat sich in Besitz ge- bracht, in einen Besitz, den die Menge gläubig verehrt. Revolution arbeitet durch ihre Gesetze maschinenmäßig weiter; es hängt Gewicht sich an Gewicht, der wahre Staat kann zuletzt nicht wi- derstehen, er hat durch seine Gesetze sich selbst den Untergang bereitet. Die Ereignisse in Kurhessen. Kassel, 27. Sept. Der bleibende landstän- dische Ausschuß hat heute folgende Zuschrift an Se. königl. Hoheit den Kurfürsten abgehen lassen: „Königliche Hoheit! Der von den Ministern Ew. königlichen Hoheit bei und nach Auflösung der letz- ten Ständeversammlung betretene Weg hat sich nach kurzer Zeit schon als ein verfassungswidriger erwiesen, nur geeignet, Fürst und Land an den Rand des Abgrunds zu führen. Das hessische Volk hatte auch, als es dieses vorausgesehen, die Hoffnung nicht aufgegeben, daß Ew. k. Hoheit end- lich das Verderbliche des Raths erkennen würden, dem Sie in jüngster Zeit gefolgt sind. Es hatte vom Eintritt dieser Erkenntniß die Wiederkehr einer bessern Zeit erwartet. Es hat sich getäuscht. Die Verordnung vom 23. d. M. belehrt es, daß es nicht eine Rückkehr auf der Bahn der Verfas- sung zu gewärtigen hat, sondern daß auswärtige Hülfe stattfinden soll, um die Hindernisse zu be- seitigen, welche die Verfassung selbst ihrem Um- sturze entgegenstellt. Aber auch jetzt wird das hessische Volk festhalten an dem Rechte, das jede Gewalt überdauert. Die Mitwirkung des Bun- destags ist angerufen oder angenommen worden, um die Landesverfassung vernichten zu helfen; des- selben Bundestags, der in 33jähriger Wirksam- keit sich die deutsche Nation mehr und mehr ent- fremdet hat, der den deutschen Fürsten Hoffnungen auf einen Schutz erweckt hat, den er in der Stunde der Prüfung nicht zu leisten vermochte; der dann unter Mitwirkung Eurer königlichen Hoheit wie aller deutscher Regierungen sein Ende gefunden hat, und nach amtlicher, von den dermaligen Vor- ständen der kurfürstlichen Ministerien der Justiz, des Jnnern und des Aeußern den Landständen ge- gebenen Erklärung ohne der letzteren Zustimmung nicht wieder soll ins Leben treten können. Dieser Bundestag taucht wieder auf, obgleich ihn die Nation verwirft, obgleich ihn die Mehrzahl der deutschen Regierungen nicht anerkennt. Er macht die alten Ansprüche und Eingriffe den verpfände- ten Worten zum Trotz, daß er nicht zu den frü- heren Zuständen und Formen zurückkehren, son- dern im Gegentheil nur zu einer den Bedürfnissen der Zeit entsprechenden Neugestaltung gelangen wolle. Er verläßt selbst den Boden des Bundes- rechts, der Garantien nicht achtend, die sogar die- ses in dem im Jahre 1834 eingesetzten Schieds- gerichte den Landständen hatte gewähren wollen. Und dieser Bundestag wird von Kurhessens Re- gierung anerkannt, ihren bestimmtesten Versicher- ungen zuwider! Die aufgelöste Ständeversamm- lung hat gegen diesen neuen Bundestag feierlich protestirt, dem bleibenden landständischen Aus- schuß liegt nur ob, diesen Protest gegenüber je- dem Anrufen oder Einschreiten desselben zu er- neuern. Das Ansehen der Regierung Ew. k. Hoheit ist gefährdet, nicht durch die Landstände, nicht durch die Behörden, nicht durch das Volk, sondern durch Rathgeber, die die Verfassung ver- kennen oder mißachten. Auswärtige Hülfe kann nur geeignet sein, dieses Ansehen mehr und mehr zu schmälern. Das Einschreiten des Auslandes besteht nicht zu Recht, es wäre, wenn statthaft, doch unnöthig. Es wird darauf zu stützen ge- sucht, daß die Ständeversammlung die erforder- lichen Mittel zur Führung der Regierung ver- sagt habe. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Es ist den Landständen kein Budget vorgelegt wor- den, auch nicht ein provisorisches; es ist sowenig in dem vorgelegten Entwurfe eines Gesetzes über Fortverwilligung der Steuern als in dessen Mo- tiven auch nur mit einer Sylbe des Bedürfnisses alsbaldiger Verwendung derselben gedacht wor- den, es ist nicht entfernt versucht worden, den Bedingungen zu genügen, welche §. 144 der Verfassungsurkunde an eine jede Steuermehrfor- derung klar und unzweideutig knüpft. Es ist zwar gesagt worden, daß durch Bezugnahme auf das letzte Budget die Erforderlichkeit der demnach zu erhebenden Steuern und Abgaben hinreichend nach- gewiesen worden sei. Eine derartige Bezugnahme findet sich nicht, würde auch nicht geeignet sein, die der Regierung obliegende Verbindlichkeit zur Nachweisung des Staatsbedarfs zu erfüllen. Zu- dem wäre eine solche Bezugnahme ohne alle Be- deutung gewesen, weil die finanziellen Bedürfnisse des Jahres 1849 so außergewöhnlicher Art waren, daß gerade regierungsseitig bei Vorlage des da-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 234. Würzburg, 30. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische234_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.