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Die Bayerische Presse. Nr. 223. Würzburg, 17. September 1850.

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Die Bayerische Presse.
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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 223.
Würzburg, Dinstag den 17. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Frankreichs Parteien.

Diese haben Frankreich ins Verderben gestürzt,
diese müssen es wieder retten. Seit dem Tage
da zuerst die Revolution ihre Gorgonenhaupt
erhob vor unsern Vätern, seit dem Tage, da zu-
erst das historische und traditionelle Recht in die
Schanze geschlagen wurde, hat unablässiges Mü-
hen eine totale Trennung der Geister zu Stande
gebracht. Seit man sich der Verehrung des
Rechtes entschlug, um einen Cultus der siegreichen
Thatsache einzuführen, ist die Regierung Frank-
reichs aus einer Hand in die andere übergegan-
gen, sie war eben das Eigenthum aller siegreichen
Thatsachen. Bald nannte sich diese siegreiche That-
sache Kaiserthum, bald Republik, bald Bürgerkö-
nigthum. Und jede siegreiche Thatsache, jede Re-
gierung bildete eine neue Partei und fügte ihren
Namen zu den schon vorhandenen. Das war lo-
gisch, aber verhängnißvoll. So ist das Land all-
gemach eine wahrhafte Mosaik von Parteien ge-
worden und diese Mosaik ist das treueste Abbild
der gegenwärtigen Zustände Frankreichs. Die
Ebbe und Fluth der siegreichen Thatsachen hat
von jeder Partei eine Anschwemmung zurückgelas-
sen, die sich alle, einzeln an und für sich betrach-
tet, in einer ohnmächtigen Minorität befinden.
Das ist die Krankheit, an der Frankreich dar-
niederliegt. Die französische Gesellschaft kann nicht
mehr genesen, so lange seine Kraft in ohnmächti-
gen Parteistrebungen sich zersplittert, Jmpotenz
und Mittelmäßigkeit richten es langsam aber sicher
hin, weil immer jede siegende Partei, jede sieg-
reiche Thatsache eine Anzahl von gesunden Ele-
menten, von Capacitäten und bedeutenden Men-
schen aus dem politischen Leben ausstößt, und seit
60 Jahren ist Frankreich nicht durch Frankreich,
sondern Parteien beherrscht worden. Wie ist die-
ses Uebel zu heilen? Die Union, das Organ
der gemäßigten Legitimisten, anwortet: "Durch
Vereinigung all dieser ohnmächtigen Minoritäten
und Parteien unter dem gemeinsamen Banner ei-
ner mächtigen und furchtbaren Majorität. Die
Parteien haben Frankreich in's Verderben gestürzt,
die Parteien müssen es retten." Aber ist es nicht
eine Unmöglichkeit, diese Vereinigung der Parteien,
wie will man versöhnen, was sich wesentlich be-
kämpft? Die Union antwortet: "für Jeden, der
die französischen Parteien in dem lockern Verbande
der großen Partei der Ordnung beobachtet hat,
ist es kein Geheimniß, daß der Antagonismus der
einzelnen Parteien kein tiefer, radikaler unheilba-
rer ist. Jn den socialen und materiellen Fragen
haben sie alle nur ein Jnteresse und auch in Be-
zug auf ihr politisches Ziel nähern sie sich täg-
lich mehr einander unter dem revolutionären Druck.
Was soll nun geschehen? Die vorgefaßten Mei-
nungen müssen schwinden, die ungerechten Vorur-
theile und besonders die persönlichen Abneigungen.
Die Parteien Frankreichs sind gegenwärtig mehr
durch persönliche Abneignungen, als durch politi-
sche Verschiedenheiten getrennt. Diese Schranken
müssen fallen, und sie so schnell als möglich hin-
wegzuräumen, das ist die Aufgabe der Parteien.
Wir ( die Legitimisten der Union ) haben die feste
Zuversicht, daß sie fallen werden, und darum blei-
ben wir treu unserer Devise: "Unerschütterlich im
Prinzip, versöhnlich gegen die Persönlichkeiten!"
[Spaltenumbruch] Wir haben diese legitimistischen Ansichten hier aus-
einander gesetzt, um unsern Lesern begreiflich zu
machen, warum die Legitimisten so viel von der
Zeit hoffen, warum sie sagen können: jeder Tag
ist ein Gewinn für uns! und wollen wir nicht
läugnen, daß eine gewisse Wahrheit in diesen An-
schauungen liegt, leider aber können wir diese Zu-
versicht nicht theilen, weil wir die Personen nicht
von den Prinzipien zu scheiden vermögen und die
Eitelkeit politischer Führer für unerschüttlicher und
unbesiegbarer halten, als politische Prinzipien, --
von den Andrang der Rothen, dem Angriff der
Socialisten hier ganz abgesehen. --

Die Ereignisse in Kurhessen

Kassel, 14. Sept. Da die Ruhe der Stadt
bisher in keiner Weise gestört worden, so hat die
Bürgergarde aufgehört, die Wachen zu beziehen.
-- Der Maueranschlag, welcher die Verlegung
der Regierung anzeigt, lautet wörtlich also: Es
wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht,
daß Se. königl. Hoheit der Kurfürst geruht ha-
ben, den Sitz der Regierung bis auf Weiteres
in den Bezirk Hanau zu verlegen. Kassel, den
13. Sept. 1850. Der Oberbefehlshaben Bauer,
Generallieutenant und interimistischer Commandeur
des Armeecorps. -- Ueber den gestern hier ge-
wesenen hannoverschen Stabsoffizier erfährt man
nachträglich, daß derselbe der Commandant von
Münden war, welcher im Auftrag des Kurfürsten
sich über die hier etwa eingetretenen Ereignisse un-
terrichten sollte.

Kassel, 15. Sept. Es bestätigt sich die Zu-
sammenziehung hannoverscher Truppen an der
Grenze, sowohl von Hameln als von Münden
aus. Die Truppen haben den Befehl, ins Land
einzurücken, wenn Unruhen ausbrechen sollten. Der
Commandant der um Münden concentrirten Trup-
pen war hier, um die Gewißheit zu erlangen, daß
nirgends ein wirksameres Bestreben zur Aufrecht-
haltung der Ruhe gefunden werden kann.

   
Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Aus Holstein, 7. Sept. Bei einer Durch-
sicht der Namen der am 9. Sept. zur Legislative
in Kiel zusammentretenden neugewählten Landtags-
Mitglieder gewährt es eine angenehme Ueberra-
schung für den Kundigen, zu beobachten, wie alle
Parteien im ganzen Lande, vom Social=Demokra-
ten bis zum ritterschaftlichen Grundbesitzer ( Feu-
dal=Berechtigten ) , so ziemlich in ihrem richtigen
Verhältniß vertreten sind. Es ist dies schon deß-
halb interessant, weil man daraus einen richtigen
Schluß auf das Verhältniß der Parteien im Lande
ziehen kann. Wir finden nun, daß die äußerste
Linke nur durch zwei Mitglieder, Dr. Lafaurie
und Advokat Clausen, Beide aus Kiel, vertreten
ist, während die gemäßigte Linke wohl 30--33
Mitglieder zählt, an deren Spitze Theodor Ols-
hausen, Professor Stein, Advokat Hedde, Propst
Boysen und andere ebenso talentvolle, als durch
ihre große Mäßigung praktisch bewährte Mitglie-
[Spaltenumbruch] der stehen; die conservative Partei, aus dem gro-
ßen Grundbesitz, den Beamten und direkten An-
hängern der Regierung bestehend; der Rest gehört
dem vermittelnden Centrum an. Davon, nach
welcher Seite sich jedesmal diese 20--25 Mit-
glieder entscheiden, wird es auch diesmal wesent-
lich abhängen, welche von beiden Parteien in je-
dem einzelnen Falle siegt, denn voraussichtlich
werden wohl von der Linken Anträge gestellt wer-
den, welche auf energische Kriegführung hinzielen.
Die gesetzliche Zahl der Vertreter beträgt in Allem
neunzig, nämlich fünfzig durch allgemeine direkte
Wahlen gewählt, dreißig durch Censuswahlen von
Allen, die ein Einkommen über 3000 Mark ha-
ben, gewählt, und zehn aus dem großen Grund-
besitz des Landes, welcher ein Steuervermögen
über 30,000 Mark besitzt, gewählt. Von den
erstern haben sieben Wahlen nicht vollzogen wer-
den können, weil die Gewalthaber der damaligen
Landes=Verwaltung es mit aller Gewalt hinter-
trieben, weßhalb die Zahl sich bis jetzt auf 83
Deputirte beläuft.

Aus Holstein, im Sept. "Von einer Seite,"
schreibt die "Nieders. Z.", welche uns Bürge ist,
daß die ausgesprochene Ansicht nicht isolirt steht,
wird uns folgender Noth= und Hilfsruf aus Hol-
stein nebst Darstellung des jetzigen dort herrschen-
den Zustandes: ""Wir leben hier in ängstlicher
Erwartung nächster Zukunft und richten unsere
Blicke noch immer mit Vertrauen auf die Regie-
rungen Deutschlands, welche uns von dem uner-
träglichen Joche der Statthalterschaft befreien kön-
nen. Der Terrorismus, der jetzt bei uns auf
dem Lande herrscht, übersteigt alle Grenzen. Po-
lizeicommissäre und Gensd'armen sind über das
ganze Land vertheilt, angeblich zur Aufrechthal-
tung innerer Ruhe und zur Bewachung der Kü-
sten gegen Angriffe der Dänen, die bekanntlich
bis jetzt nicht Miene gemacht, in Holstein einzu-
dringen. Der wahre Grund dieser kostspieligen
Einrichtung ist die Ueberwachung der Gutsbesitzer
und Bauern, welche müde der Vexationen aller
Art, es wagen könnten, ihre Stimme gegen die
jetzigen Machthaber zu erheben und sich dem Aus-
saugesystem zu widersetzen. Wehe denen, welche
hiezu den Muth besitzen, sie werden sogleich als
Landesverräther gerichtlich verfolgt und ihre Habe
mit Execution und Sequestration bedroht. Auf
diese Weise erreicht die Statthalterschaft ihren
Zweck, keine Klagen laut werden zu lassen und in
Deutschland den Glauben zu erhalten, das ganze
Volk in Holstein sei bereit, mit Gut und Blut
die von der Statthalterschaft organisirte " Erhe-
bung " gegen den legitimen Landesherrn bis zum
allgemeinen Ruin zu unterstützen und sich dann
von Professoren und Literaten durch die Beispiele
von Griechenland oder den Niederlanden trösten
zu lassen. Dem ist aber nicht so; 9 / 10 des Lan-
des wünschen den Frieden und die schleunige Her-
stellung der legitimen Autorität, und sehen voll-
kommen ein, daß sie auf dem Wege friedlicher
Verständigung Alles retten würden, was noch zu
retten ist. Wenn in Holstein Rechte von Seiten
Dänemarks Deutschland gegenüber gefährdet sind,
so ist Deutschland stark genug, diese Rechte im
Sinne des zu Berlin abgeschlossenen Vertrags
auf friedlichem Wege zu schützen, ohne, wie jetzt

Die Bayerische Presse.
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Frankreichs Parteien.

Diese haben Frankreich ins Verderben gestürzt,
diese müssen es wieder retten. Seit dem Tage
da zuerst die Revolution ihre Gorgonenhaupt
erhob vor unsern Vätern, seit dem Tage, da zu-
erst das historische und traditionelle Recht in die
Schanze geschlagen wurde, hat unablässiges Mü-
hen eine totale Trennung der Geister zu Stande
gebracht. Seit man sich der Verehrung des
Rechtes entschlug, um einen Cultus der siegreichen
Thatsache einzuführen, ist die Regierung Frank-
reichs aus einer Hand in die andere übergegan-
gen, sie war eben das Eigenthum aller siegreichen
Thatsachen. Bald nannte sich diese siegreiche That-
sache Kaiserthum, bald Republik, bald Bürgerkö-
nigthum. Und jede siegreiche Thatsache, jede Re-
gierung bildete eine neue Partei und fügte ihren
Namen zu den schon vorhandenen. Das war lo-
gisch, aber verhängnißvoll. So ist das Land all-
gemach eine wahrhafte Mosaik von Parteien ge-
worden und diese Mosaik ist das treueste Abbild
der gegenwärtigen Zustände Frankreichs. Die
Ebbe und Fluth der siegreichen Thatsachen hat
von jeder Partei eine Anschwemmung zurückgelas-
sen, die sich alle, einzeln an und für sich betrach-
tet, in einer ohnmächtigen Minorität befinden.
Das ist die Krankheit, an der Frankreich dar-
niederliegt. Die französische Gesellschaft kann nicht
mehr genesen, so lange seine Kraft in ohnmächti-
gen Parteistrebungen sich zersplittert, Jmpotenz
und Mittelmäßigkeit richten es langsam aber sicher
hin, weil immer jede siegende Partei, jede sieg-
reiche Thatsache eine Anzahl von gesunden Ele-
menten, von Capacitäten und bedeutenden Men-
schen aus dem politischen Leben ausstößt, und seit
60 Jahren ist Frankreich nicht durch Frankreich,
sondern Parteien beherrscht worden. Wie ist die-
ses Uebel zu heilen? Die Union, das Organ
der gemäßigten Legitimisten, anwortet: „Durch
Vereinigung all dieser ohnmächtigen Minoritäten
und Parteien unter dem gemeinsamen Banner ei-
ner mächtigen und furchtbaren Majorität. Die
Parteien haben Frankreich in's Verderben gestürzt,
die Parteien müssen es retten.“ Aber ist es nicht
eine Unmöglichkeit, diese Vereinigung der Parteien,
wie will man versöhnen, was sich wesentlich be-
kämpft? Die Union antwortet: „für Jeden, der
die französischen Parteien in dem lockern Verbande
der großen Partei der Ordnung beobachtet hat,
ist es kein Geheimniß, daß der Antagonismus der
einzelnen Parteien kein tiefer, radikaler unheilba-
rer ist. Jn den socialen und materiellen Fragen
haben sie alle nur ein Jnteresse und auch in Be-
zug auf ihr politisches Ziel nähern sie sich täg-
lich mehr einander unter dem revolutionären Druck.
Was soll nun geschehen? Die vorgefaßten Mei-
nungen müssen schwinden, die ungerechten Vorur-
theile und besonders die persönlichen Abneigungen.
Die Parteien Frankreichs sind gegenwärtig mehr
durch persönliche Abneignungen, als durch politi-
sche Verschiedenheiten getrennt. Diese Schranken
müssen fallen, und sie so schnell als möglich hin-
wegzuräumen, das ist die Aufgabe der Parteien.
Wir ( die Legitimisten der Union ) haben die feste
Zuversicht, daß sie fallen werden, und darum blei-
ben wir treu unserer Devise: „Unerschütterlich im
Prinzip, versöhnlich gegen die Persönlichkeiten!“
[Spaltenumbruch] Wir haben diese legitimistischen Ansichten hier aus-
einander gesetzt, um unsern Lesern begreiflich zu
machen, warum die Legitimisten so viel von der
Zeit hoffen, warum sie sagen können: jeder Tag
ist ein Gewinn für uns! und wollen wir nicht
läugnen, daß eine gewisse Wahrheit in diesen An-
schauungen liegt, leider aber können wir diese Zu-
versicht nicht theilen, weil wir die Personen nicht
von den Prinzipien zu scheiden vermögen und die
Eitelkeit politischer Führer für unerschüttlicher und
unbesiegbarer halten, als politische Prinzipien, --
von den Andrang der Rothen, dem Angriff der
Socialisten hier ganz abgesehen. --

Die Ereignisse in Kurhessen

Kassel, 14. Sept. Da die Ruhe der Stadt
bisher in keiner Weise gestört worden, so hat die
Bürgergarde aufgehört, die Wachen zu beziehen.
-- Der Maueranschlag, welcher die Verlegung
der Regierung anzeigt, lautet wörtlich also: Es
wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht,
daß Se. königl. Hoheit der Kurfürst geruht ha-
ben, den Sitz der Regierung bis auf Weiteres
in den Bezirk Hanau zu verlegen. Kassel, den
13. Sept. 1850. Der Oberbefehlshaben Bauer,
Generallieutenant und interimistischer Commandeur
des Armeecorps. -- Ueber den gestern hier ge-
wesenen hannoverschen Stabsoffizier erfährt man
nachträglich, daß derselbe der Commandant von
Münden war, welcher im Auftrag des Kurfürsten
sich über die hier etwa eingetretenen Ereignisse un-
terrichten sollte.

Kassel, 15. Sept. Es bestätigt sich die Zu-
sammenziehung hannoverscher Truppen an der
Grenze, sowohl von Hameln als von Münden
aus. Die Truppen haben den Befehl, ins Land
einzurücken, wenn Unruhen ausbrechen sollten. Der
Commandant der um Münden concentrirten Trup-
pen war hier, um die Gewißheit zu erlangen, daß
nirgends ein wirksameres Bestreben zur Aufrecht-
haltung der Ruhe gefunden werden kann.

   
Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Aus Holstein, 7. Sept. Bei einer Durch-
sicht der Namen der am 9. Sept. zur Legislative
in Kiel zusammentretenden neugewählten Landtags-
Mitglieder gewährt es eine angenehme Ueberra-
schung für den Kundigen, zu beobachten, wie alle
Parteien im ganzen Lande, vom Social=Demokra-
ten bis zum ritterschaftlichen Grundbesitzer ( Feu-
dal=Berechtigten ) , so ziemlich in ihrem richtigen
Verhältniß vertreten sind. Es ist dies schon deß-
halb interessant, weil man daraus einen richtigen
Schluß auf das Verhältniß der Parteien im Lande
ziehen kann. Wir finden nun, daß die äußerste
Linke nur durch zwei Mitglieder, Dr. Lafaurie
und Advokat Clausen, Beide aus Kiel, vertreten
ist, während die gemäßigte Linke wohl 30--33
Mitglieder zählt, an deren Spitze Theodor Ols-
hausen, Professor Stein, Advokat Hedde, Propst
Boysen und andere ebenso talentvolle, als durch
ihre große Mäßigung praktisch bewährte Mitglie-
[Spaltenumbruch] der stehen; die conservative Partei, aus dem gro-
ßen Grundbesitz, den Beamten und direkten An-
hängern der Regierung bestehend; der Rest gehört
dem vermittelnden Centrum an. Davon, nach
welcher Seite sich jedesmal diese 20--25 Mit-
glieder entscheiden, wird es auch diesmal wesent-
lich abhängen, welche von beiden Parteien in je-
dem einzelnen Falle siegt, denn voraussichtlich
werden wohl von der Linken Anträge gestellt wer-
den, welche auf energische Kriegführung hinzielen.
Die gesetzliche Zahl der Vertreter beträgt in Allem
neunzig, nämlich fünfzig durch allgemeine direkte
Wahlen gewählt, dreißig durch Censuswahlen von
Allen, die ein Einkommen über 3000 Mark ha-
ben, gewählt, und zehn aus dem großen Grund-
besitz des Landes, welcher ein Steuervermögen
über 30,000 Mark besitzt, gewählt. Von den
erstern haben sieben Wahlen nicht vollzogen wer-
den können, weil die Gewalthaber der damaligen
Landes=Verwaltung es mit aller Gewalt hinter-
trieben, weßhalb die Zahl sich bis jetzt auf 83
Deputirte beläuft.

Aus Holstein, im Sept. „Von einer Seite,“
schreibt die „Nieders. Z.“, welche uns Bürge ist,
daß die ausgesprochene Ansicht nicht isolirt steht,
wird uns folgender Noth= und Hilfsruf aus Hol-
stein nebst Darstellung des jetzigen dort herrschen-
den Zustandes: „„Wir leben hier in ängstlicher
Erwartung nächster Zukunft und richten unsere
Blicke noch immer mit Vertrauen auf die Regie-
rungen Deutschlands, welche uns von dem uner-
träglichen Joche der Statthalterschaft befreien kön-
nen. Der Terrorismus, der jetzt bei uns auf
dem Lande herrscht, übersteigt alle Grenzen. Po-
lizeicommissäre und Gensd'armen sind über das
ganze Land vertheilt, angeblich zur Aufrechthal-
tung innerer Ruhe und zur Bewachung der Kü-
sten gegen Angriffe der Dänen, die bekanntlich
bis jetzt nicht Miene gemacht, in Holstein einzu-
dringen. Der wahre Grund dieser kostspieligen
Einrichtung ist die Ueberwachung der Gutsbesitzer
und Bauern, welche müde der Vexationen aller
Art, es wagen könnten, ihre Stimme gegen die
jetzigen Machthaber zu erheben und sich dem Aus-
saugesystem zu widersetzen. Wehe denen, welche
hiezu den Muth besitzen, sie werden sogleich als
Landesverräther gerichtlich verfolgt und ihre Habe
mit Execution und Sequestration bedroht. Auf
diese Weise erreicht die Statthalterschaft ihren
Zweck, keine Klagen laut werden zu lassen und in
Deutschland den Glauben zu erhalten, das ganze
Volk in Holstein sei bereit, mit Gut und Blut
die von der Statthalterschaft organisirte „ Erhe-
bung “ gegen den legitimen Landesherrn bis zum
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von Griechenland oder den Niederlanden trösten
zu lassen. Dem ist aber nicht so; 9 / 10 des Lan-
des wünschen den Frieden und die schleunige Her-
stellung der legitimen Autorität, und sehen voll-
kommen ein, daß sie auf dem Wege friedlicher
Verständigung Alles retten würden, was noch zu
retten ist. Wenn in Holstein Rechte von Seiten
Dänemarks Deutschland gegenüber gefährdet sind,
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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 223. Würzburg, Dinstag den 17. September. 1850. Frankreichs Parteien. Diese haben Frankreich ins Verderben gestürzt, diese müssen es wieder retten. Seit dem Tage da zuerst die Revolution ihre Gorgonenhaupt erhob vor unsern Vätern, seit dem Tage, da zu- erst das historische und traditionelle Recht in die Schanze geschlagen wurde, hat unablässiges Mü- hen eine totale Trennung der Geister zu Stande gebracht. Seit man sich der Verehrung des Rechtes entschlug, um einen Cultus der siegreichen Thatsache einzuführen, ist die Regierung Frank- reichs aus einer Hand in die andere übergegan- gen, sie war eben das Eigenthum aller siegreichen Thatsachen. Bald nannte sich diese siegreiche That- sache Kaiserthum, bald Republik, bald Bürgerkö- nigthum. Und jede siegreiche Thatsache, jede Re- gierung bildete eine neue Partei und fügte ihren Namen zu den schon vorhandenen. Das war lo- gisch, aber verhängnißvoll. So ist das Land all- gemach eine wahrhafte Mosaik von Parteien ge- worden und diese Mosaik ist das treueste Abbild der gegenwärtigen Zustände Frankreichs. Die Ebbe und Fluth der siegreichen Thatsachen hat von jeder Partei eine Anschwemmung zurückgelas- sen, die sich alle, einzeln an und für sich betrach- tet, in einer ohnmächtigen Minorität befinden. Das ist die Krankheit, an der Frankreich dar- niederliegt. Die französische Gesellschaft kann nicht mehr genesen, so lange seine Kraft in ohnmächti- gen Parteistrebungen sich zersplittert, Jmpotenz und Mittelmäßigkeit richten es langsam aber sicher hin, weil immer jede siegende Partei, jede sieg- reiche Thatsache eine Anzahl von gesunden Ele- menten, von Capacitäten und bedeutenden Men- schen aus dem politischen Leben ausstößt, und seit 60 Jahren ist Frankreich nicht durch Frankreich, sondern Parteien beherrscht worden. Wie ist die- ses Uebel zu heilen? Die Union, das Organ der gemäßigten Legitimisten, anwortet: „Durch Vereinigung all dieser ohnmächtigen Minoritäten und Parteien unter dem gemeinsamen Banner ei- ner mächtigen und furchtbaren Majorität. Die Parteien haben Frankreich in's Verderben gestürzt, die Parteien müssen es retten.“ Aber ist es nicht eine Unmöglichkeit, diese Vereinigung der Parteien, wie will man versöhnen, was sich wesentlich be- kämpft? Die Union antwortet: „für Jeden, der die französischen Parteien in dem lockern Verbande der großen Partei der Ordnung beobachtet hat, ist es kein Geheimniß, daß der Antagonismus der einzelnen Parteien kein tiefer, radikaler unheilba- rer ist. Jn den socialen und materiellen Fragen haben sie alle nur ein Jnteresse und auch in Be- zug auf ihr politisches Ziel nähern sie sich täg- lich mehr einander unter dem revolutionären Druck. Was soll nun geschehen? Die vorgefaßten Mei- nungen müssen schwinden, die ungerechten Vorur- theile und besonders die persönlichen Abneigungen. Die Parteien Frankreichs sind gegenwärtig mehr durch persönliche Abneignungen, als durch politi- sche Verschiedenheiten getrennt. Diese Schranken müssen fallen, und sie so schnell als möglich hin- wegzuräumen, das ist die Aufgabe der Parteien. Wir ( die Legitimisten der Union ) haben die feste Zuversicht, daß sie fallen werden, und darum blei- ben wir treu unserer Devise: „Unerschütterlich im Prinzip, versöhnlich gegen die Persönlichkeiten!“ Wir haben diese legitimistischen Ansichten hier aus- einander gesetzt, um unsern Lesern begreiflich zu machen, warum die Legitimisten so viel von der Zeit hoffen, warum sie sagen können: jeder Tag ist ein Gewinn für uns! und wollen wir nicht läugnen, daß eine gewisse Wahrheit in diesen An- schauungen liegt, leider aber können wir diese Zu- versicht nicht theilen, weil wir die Personen nicht von den Prinzipien zu scheiden vermögen und die Eitelkeit politischer Führer für unerschüttlicher und unbesiegbarer halten, als politische Prinzipien, -- von den Andrang der Rothen, dem Angriff der Socialisten hier ganz abgesehen. -- Die Ereignisse in Kurhessen Kassel, 14. Sept. Da die Ruhe der Stadt bisher in keiner Weise gestört worden, so hat die Bürgergarde aufgehört, die Wachen zu beziehen. -- Der Maueranschlag, welcher die Verlegung der Regierung anzeigt, lautet wörtlich also: Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß Se. königl. Hoheit der Kurfürst geruht ha- ben, den Sitz der Regierung bis auf Weiteres in den Bezirk Hanau zu verlegen. Kassel, den 13. Sept. 1850. Der Oberbefehlshaben Bauer, Generallieutenant und interimistischer Commandeur des Armeecorps. -- Ueber den gestern hier ge- wesenen hannoverschen Stabsoffizier erfährt man nachträglich, daß derselbe der Commandant von Münden war, welcher im Auftrag des Kurfürsten sich über die hier etwa eingetretenen Ereignisse un- terrichten sollte. Kassel, 15. Sept. Es bestätigt sich die Zu- sammenziehung hannoverscher Truppen an der Grenze, sowohl von Hameln als von Münden aus. Die Truppen haben den Befehl, ins Land einzurücken, wenn Unruhen ausbrechen sollten. Der Commandant der um Münden concentrirten Trup- pen war hier, um die Gewißheit zu erlangen, daß nirgends ein wirksameres Bestreben zur Aufrecht- haltung der Ruhe gefunden werden kann. ( F. O.=Z. ) Schleswig=holsteinische Ange- legenheiten . Aus Holstein, 7. Sept. Bei einer Durch- sicht der Namen der am 9. Sept. zur Legislative in Kiel zusammentretenden neugewählten Landtags- Mitglieder gewährt es eine angenehme Ueberra- schung für den Kundigen, zu beobachten, wie alle Parteien im ganzen Lande, vom Social=Demokra- ten bis zum ritterschaftlichen Grundbesitzer ( Feu- dal=Berechtigten ) , so ziemlich in ihrem richtigen Verhältniß vertreten sind. Es ist dies schon deß- halb interessant, weil man daraus einen richtigen Schluß auf das Verhältniß der Parteien im Lande ziehen kann. Wir finden nun, daß die äußerste Linke nur durch zwei Mitglieder, Dr. Lafaurie und Advokat Clausen, Beide aus Kiel, vertreten ist, während die gemäßigte Linke wohl 30--33 Mitglieder zählt, an deren Spitze Theodor Ols- hausen, Professor Stein, Advokat Hedde, Propst Boysen und andere ebenso talentvolle, als durch ihre große Mäßigung praktisch bewährte Mitglie- der stehen; die conservative Partei, aus dem gro- ßen Grundbesitz, den Beamten und direkten An- hängern der Regierung bestehend; der Rest gehört dem vermittelnden Centrum an. Davon, nach welcher Seite sich jedesmal diese 20--25 Mit- glieder entscheiden, wird es auch diesmal wesent- lich abhängen, welche von beiden Parteien in je- dem einzelnen Falle siegt, denn voraussichtlich werden wohl von der Linken Anträge gestellt wer- den, welche auf energische Kriegführung hinzielen. Die gesetzliche Zahl der Vertreter beträgt in Allem neunzig, nämlich fünfzig durch allgemeine direkte Wahlen gewählt, dreißig durch Censuswahlen von Allen, die ein Einkommen über 3000 Mark ha- ben, gewählt, und zehn aus dem großen Grund- besitz des Landes, welcher ein Steuervermögen über 30,000 Mark besitzt, gewählt. Von den erstern haben sieben Wahlen nicht vollzogen wer- den können, weil die Gewalthaber der damaligen Landes=Verwaltung es mit aller Gewalt hinter- trieben, weßhalb die Zahl sich bis jetzt auf 83 Deputirte beläuft. Aus Holstein, im Sept. „Von einer Seite,“ schreibt die „Nieders. Z.“, welche uns Bürge ist, daß die ausgesprochene Ansicht nicht isolirt steht, wird uns folgender Noth= und Hilfsruf aus Hol- stein nebst Darstellung des jetzigen dort herrschen- den Zustandes: „„Wir leben hier in ängstlicher Erwartung nächster Zukunft und richten unsere Blicke noch immer mit Vertrauen auf die Regie- rungen Deutschlands, welche uns von dem uner- träglichen Joche der Statthalterschaft befreien kön- nen. Der Terrorismus, der jetzt bei uns auf dem Lande herrscht, übersteigt alle Grenzen. Po- lizeicommissäre und Gensd'armen sind über das ganze Land vertheilt, angeblich zur Aufrechthal- tung innerer Ruhe und zur Bewachung der Kü- sten gegen Angriffe der Dänen, die bekanntlich bis jetzt nicht Miene gemacht, in Holstein einzu- dringen. Der wahre Grund dieser kostspieligen Einrichtung ist die Ueberwachung der Gutsbesitzer und Bauern, welche müde der Vexationen aller Art, es wagen könnten, ihre Stimme gegen die jetzigen Machthaber zu erheben und sich dem Aus- saugesystem zu widersetzen. Wehe denen, welche hiezu den Muth besitzen, sie werden sogleich als Landesverräther gerichtlich verfolgt und ihre Habe mit Execution und Sequestration bedroht. Auf diese Weise erreicht die Statthalterschaft ihren Zweck, keine Klagen laut werden zu lassen und in Deutschland den Glauben zu erhalten, das ganze Volk in Holstein sei bereit, mit Gut und Blut die von der Statthalterschaft organisirte „ Erhe- bung “ gegen den legitimen Landesherrn bis zum allgemeinen Ruin zu unterstützen und sich dann von Professoren und Literaten durch die Beispiele von Griechenland oder den Niederlanden trösten zu lassen. Dem ist aber nicht so; 9 / 10 des Lan- des wünschen den Frieden und die schleunige Her- stellung der legitimen Autorität, und sehen voll- kommen ein, daß sie auf dem Wege friedlicher Verständigung Alles retten würden, was noch zu retten ist. Wenn in Holstein Rechte von Seiten Dänemarks Deutschland gegenüber gefährdet sind, so ist Deutschland stark genug, diese Rechte im Sinne des zu Berlin abgeschlossenen Vertrags auf friedlichem Wege zu schützen, ohne, wie jetzt

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 223. Würzburg, 17. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische223_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.