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Die Bayerische Presse. Nr. 204. Würzburg, 26. August 1850.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 204.
Würzburg, Montag den 26. August. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

München, 23. August. Se. Maj. der Kö-
nig haben unterm 24. l. Mts. allergnädigst ge-
ruht, den zeitlich quieszirten kgl. Landgerichtsarzt
zu Aub, Dr. August Sorg, wegen nachgewiesener
gänzlicher Funktionsunfähigkeit in den definitiven
Ruhestand zu versetzen.



Die Familie Orleans.

Jnmitten politischer Zecwürfnisse und schwe-
bender Fragen aller Art, welche Europa in dau-
ernder Spannung erhalten, gibt es stille Ereig-
nisse, welche den Blick auf den unfruchtbaren Bo-
den der Politik abzulenken, oder den Betrachtun-
gen, die sich auf jene beziehen, eine höhere Weihe
zu geben geeignet sind. Dies ist der Fall bei
dem feierlichen Akte der ersten Communion ei-
nes erlauchten Sprößlings, der zunächst in Frank-
reich, dann aber auch in Deutschland Sympathien
zu erwecken berufen ist. Deutschland, das die
wohlwollende Gesinnung der Orleanischen Dyna-
stie schätzte, und das durch ihren Sturz mehr ge-
litten haben dürfte, als es sich dessen noch bewußt
sein mag, kennt die Fürstin, welche, als würdige
Repräsentantin ihres Geschlechts, an den Stufen
des französischen Thones ein selten erreichtes
häusliches Glück fand, dann aber nach dem jähen
Verluste des ritterlichen Gatten als treue Mutter
sich den königlichen Waisen ausschließlich widmete,
und nun, nach dem härtesten Geschick, das eine
Frau treffen konnte, außerhalb Frankreichs Gren-
zen, theils in Thüringen, theils in England, im
Kreise hoher Familien weilt. Wir Deutschen in
England können vereint mit unsern fränkischen
Genossen nicht umhin, der Fürstin dafür zu dan-
ken, daß sie ihren hohen Beruf so musterhaft er-
füllt, und so haben wir denn auch mit wahrer
Theilnahme die feierliche Handlung betrachtet,
welche die Veranlassung dieser Zeilen ist. Es war
ein ernster Moment, als in der katholischen Ka-
pelle zu London ein gebeugter Greis erschien, krank
und verbannt, entblößt jener Ehren, die dem Men-
schen werthvoll dünken, die aber an geweihter
Stätte nichtig sind. Diese Kapelle ist zur Zeit
der ersten französischen Emigration gegründet, und
Ludwig Philipp kniete im Jahre 1800 bereits an
den Stufen ihres Altars. Wer hätte damals
gesagt, daß nach fünfzig Jahren wechselnder Schick-
sale, nachdem die Nation ihm die Krone aufer-
legt, deren Last er achtzehn Jahre hindurch getra-
gen, er an derselben Stelle knieen würde, von
seiner mit ihm schwer geprüften Familie umge-
ben, und ihm zur Seite ein verwais'ter Enkel,
reich ausgestattet an Gaben, so wie sie ein Volk
seinen Fürsten zu wünschen pflegt, nun aber ver-
bannt, gleichwie er selbst! Es war unmöglich,
diesen Knaben neben dem Greise zu erblicken, so
edel und anmuthig, so voll kindlicher Demuth
und Andacht zu dem Erlöser betend, und dabei
die heißen Thränen der armen Mutter und der
frommen Königin wahrzunehmen, ohne selbst tief
ergriffen zu sein und jener Worte Massillon's zu
gedenken: "Gott allein ist groß!" Der Bischof
selbst, so wie der alte Abb e Guet, Beichtvater
des Grafen von Paris, legten in die heilige Hand-
[Spaltenumbruch] lung jene tiefe Würde des Katholicismus, der
vom Altar, wie von der Kanzel herab, irdische
Macht darnieder beugt, gefallene Größe erhebt
und von einem Ende der Welt bis zum anderen
Zeugniß gibt von der Gottheit Christi. Es hat-
ten sich treue Anhänger des Hauses aus Frank-
reich gefunden, Genossen des Glücks und des Un-
glücks; Gaben der Liebe waren von dem jensei-
tigen Ufer des Kanals gesendet worden, der das
feste England von dem schwankenden Frankreich
trennt. Jn diesen Gaben lag eine Sprache, die
beredter ist, als alle Worte. Die königlichen
Verbannten in England bilden daselbst die in
Glück und Unglück geheiligte Einheit der Fami-
lie, und weder die Jndiscretion der Besuchenden,
noch die geflissentliche Deutung unbefangener
Worte, noch endlich die Angaben so genannter
wohlunterrichteter Zeitungs=Artikel haben Anspruch
auf Glaubwürdigkeit, sobald sie diese Eintracht,
diesen einigen Familengeist in Zweifel setzen. Lei-
der sind irrige Ansichten aller Art verbreitet wor-
den. Ludwig Philipp hat sich bei seinem Aus-
tritt aus Frankreich von jeglicher Macht losge-
sagt; dieser Moment war der entscheidende, nicht
der einer Krankheit, die auch dem vom Glück Be-
günstigten Entsagung auferlegen würde. Seine
persönliche Aufgabe ist geschlossen; sein klarer
Blick wendet sich nur noch zu den Trägern seines
Hauses, zu den Söhnen, die einst für Frankreich
kämpften, und zu den Kindern, welche Frankreichs
Erbtheil sind. Was der königliche Vater denkt,
was die Prinzen, jene treuen Stützen der Her-
zogin von Orleans, mit ihr vereint in edler Frei-
müthigkeit äußern, ist stets: "Wir haben nichts
zu thun, als zu warten; wir unterwerfen unser
Schicksal dem Willen der Nation, der wir treu
bleiben, wiewohl sie uns verließ und deren Wohl-
fahrt, nicht die unsrige, uns am Herzen liegt."
Jn diesen Worten ist mehr Patriotismus enthal-
ten, als man sonst an exilirten Höfen findet, zu-
gleich aber auch die der Eintracht und Gottes-
furcht inwohnende Kraft, welche allen Eventuali-
täten gewachsen ist. Fragt man sich nun, wie
solche Worte zu den Angriffen des Parteigeistes
und zu den Vermittlungs=Jdeen stehen, die man
mit dem Ausdruck Fusion des deux branches
bezeichnet, so läßt sich darauf folgendes erwidern:
Man hat von einer Protestation der Herzogin von
Orleans zu Gunsten der Rechte ihres Sohnes ge-
sprochen, und auch von dem Versuche, ihr Nach-
druck zu geben; dies ist ganz unrichtig. Das Haus
Orleans tritt nicht den Rechten des Grafen von
Chambord entgegen, wie dieses von den Legitimi-
sten aufgestellt worden; es handelt sich hier nicht
um die Bekämpfung des einen Princips durch das
andere, sondern um das einfache geschichtliche Fac-
tum, daß im Jahre 1830 der Wille der Nation
den Wechsel der Dynastie vollführte, u. daß 1848
die neue Dynastie einem gewaltsamen Umsturze
unterlag, in Folge dessen sich dieselbe, so viel an
ihr liegt, ruhig abwartend verhält, ihr Schicksal
dem Willen der Nation ferner anheimstellend.
Wenn Frankreich dereinst das legitime Königthum,
somit die ältere Dynastie, vorziehen sollte, würde
sich das Haus Orleans zu fügen wissen, weil es
keine eigenen Jnteressen vertreten, folglich keinen
Prätendenten aufstellen will. Aber bei dieser Un-
[Spaltenumbruch] eigennützigkeit sieht es sich außer Stande, sowohl
denjenigen Standpunkt aufzugeben, der ihm ange-
wiesen ist, nemlich den nationalen, als auch die
Bereitwilligkeit zu verläugnen, auf den Ruf Frank-
reichs dem Vaterlande aufs Neue Kraft und Hin-
gebung zu widmen. Somit erkennt das Haus
Orleans nach wie vor die Souverainetät der Na-
tion an und beruft sich auf dieselbe sowohl in
Bezug auf die Leistungen der Vergangenheit, als
der Zukunft. Es bleibt den Pflichten treu, welche
die Macht der Verhältnisse ihm auferlegt hat,
und Frankreich kann auf dasselbe rechnen, falls
es einst durch gesetzliche Rückberufung oder durch
drängende Gefahren seine Hülfe in Anspruch
nimmt.

Deutschland.

München, 24. August. Se. k. Hoheit der
Prinz Adalbert ist nach Aschaffenburg zum Besuch
seiner königl. Eltern abgereist. -- Hr. Pfarrer
Westermeyer wird zum Prediger der h. Geistkirche
dahier ernannt werden.

Landau, 22. August. Ein Bubenstück ist in
der Nacht vom 18--19. d. M. auf dem hiesigen
Friedhof, dem schönsten in der Pfalz, verübt wor-
den. Das provisorisch bis zur Aufstellung eines
würdigen Denkmals errichtete Kreuz auf dem
Grabe des zu Ende des Mai verstorbenen hiesi-
gen Festungskommandanten Gen.=Maj. v. Pflum-
mern wurde herausgerissen, in Stücke zerschlagen,
der mit Blumen geschmückte Grabhügel selbst zer-
stampft und verwüstet. Die polizeiliche Untersu-
chung ist bereits im Gange, und es wird ihr wohl
gelingen, die Thäter auszumitteln....

   

Zweibrücken, 22. August. Das bereits im
Druck erschienene Verweisungsurtheil sammt An-
klageakte in dem politischen Prozesse stellte der
Zahl nach auf, gegen: 1 Person das gemeine
Verbrechen des Meuchelmords. 1 Person dasselbe
Verbrechen des versuchten Meuchelmordes. 67 Per-
sonen das gemeine Verbrechen des Ueberfalles von
Gemeinden mit bewaffneten Banden zum Morde
und Verheerung, dabei verübter Meuchelmorde,
Meuchelmordsversuche, schwerer Verwundungen und
einer Brandstiftung, verübt gegen die Gemeinde
Steinfeld und im Gossersweiler Thale. 28 Per-
sonen das gemeine Verbrechen illegaler Verhaftung
von Personen. 21 Personen das gemeine Ver-
brechen der Zerstörung von Brücken und Straßen-
anstalten ec. 15 Personen das Verbrechen der
Verleitung von Soldaten zur Fahnenflucht. --
Ferner sind: 98 Personen Kassenberaubungen, 17
Personen Entfremdungen von Militär = Effekten,
80 Personen Erpressungen an Geld und anderm
Gute, 66 Personen gewaltsame Wegnahme von
Waffen aus Privatwohnungen, 58 Personen ge-
waltsame Wegnahme von Pferden, von welchen
noch 202 fehlen, und 117 Personen widerrecht-
liche Verhaftungen und Gefangenhaltungen von
Personen im Vergehensgrade, zur Last gelegt, nicht
zu gedenken einer Unzahl anderer Gesetzesverletz-
ungen, wie Mißhandlungen, Verletzung des Post-
geheimnisses, Zerstörung von beweglichem und un-

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nig haben unterm 24. l. Mts. allergnädigst ge-
ruht, den zeitlich quieszirten kgl. Landgerichtsarzt
zu Aub, Dr. August Sorg, wegen nachgewiesener
gänzlicher Funktionsunfähigkeit in den definitiven
Ruhestand zu versetzen.



Die Familie Orleans.

Jnmitten politischer Zecwürfnisse und schwe-
bender Fragen aller Art, welche Europa in dau-
ernder Spannung erhalten, gibt es stille Ereig-
nisse, welche den Blick auf den unfruchtbaren Bo-
den der Politik abzulenken, oder den Betrachtun-
gen, die sich auf jene beziehen, eine höhere Weihe
zu geben geeignet sind. Dies ist der Fall bei
dem feierlichen Akte der ersten Communion ei-
nes erlauchten Sprößlings, der zunächst in Frank-
reich, dann aber auch in Deutschland Sympathien
zu erwecken berufen ist. Deutschland, das die
wohlwollende Gesinnung der Orleanischen Dyna-
stie schätzte, und das durch ihren Sturz mehr ge-
litten haben dürfte, als es sich dessen noch bewußt
sein mag, kennt die Fürstin, welche, als würdige
Repräsentantin ihres Geschlechts, an den Stufen
des französischen Thones ein selten erreichtes
häusliches Glück fand, dann aber nach dem jähen
Verluste des ritterlichen Gatten als treue Mutter
sich den königlichen Waisen ausschließlich widmete,
und nun, nach dem härtesten Geschick, das eine
Frau treffen konnte, außerhalb Frankreichs Gren-
zen, theils in Thüringen, theils in England, im
Kreise hoher Familien weilt. Wir Deutschen in
England können vereint mit unsern fränkischen
Genossen nicht umhin, der Fürstin dafür zu dan-
ken, daß sie ihren hohen Beruf so musterhaft er-
füllt, und so haben wir denn auch mit wahrer
Theilnahme die feierliche Handlung betrachtet,
welche die Veranlassung dieser Zeilen ist. Es war
ein ernster Moment, als in der katholischen Ka-
pelle zu London ein gebeugter Greis erschien, krank
und verbannt, entblößt jener Ehren, die dem Men-
schen werthvoll dünken, die aber an geweihter
Stätte nichtig sind. Diese Kapelle ist zur Zeit
der ersten französischen Emigration gegründet, und
Ludwig Philipp kniete im Jahre 1800 bereits an
den Stufen ihres Altars. Wer hätte damals
gesagt, daß nach fünfzig Jahren wechselnder Schick-
sale, nachdem die Nation ihm die Krone aufer-
legt, deren Last er achtzehn Jahre hindurch getra-
gen, er an derselben Stelle knieen würde, von
seiner mit ihm schwer geprüften Familie umge-
ben, und ihm zur Seite ein verwais'ter Enkel,
reich ausgestattet an Gaben, so wie sie ein Volk
seinen Fürsten zu wünschen pflegt, nun aber ver-
bannt, gleichwie er selbst! Es war unmöglich,
diesen Knaben neben dem Greise zu erblicken, so
edel und anmuthig, so voll kindlicher Demuth
und Andacht zu dem Erlöser betend, und dabei
die heißen Thränen der armen Mutter und der
frommen Königin wahrzunehmen, ohne selbst tief
ergriffen zu sein und jener Worte Massillon's zu
gedenken: „Gott allein ist groß!“ Der Bischof
selbst, so wie der alte Abb é Guët, Beichtvater
des Grafen von Paris, legten in die heilige Hand-
[Spaltenumbruch] lung jene tiefe Würde des Katholicismus, der
vom Altar, wie von der Kanzel herab, irdische
Macht darnieder beugt, gefallene Größe erhebt
und von einem Ende der Welt bis zum anderen
Zeugniß gibt von der Gottheit Christi. Es hat-
ten sich treue Anhänger des Hauses aus Frank-
reich gefunden, Genossen des Glücks und des Un-
glücks; Gaben der Liebe waren von dem jensei-
tigen Ufer des Kanals gesendet worden, der das
feste England von dem schwankenden Frankreich
trennt. Jn diesen Gaben lag eine Sprache, die
beredter ist, als alle Worte. Die königlichen
Verbannten in England bilden daselbst die in
Glück und Unglück geheiligte Einheit der Fami-
lie, und weder die Jndiscretion der Besuchenden,
noch die geflissentliche Deutung unbefangener
Worte, noch endlich die Angaben so genannter
wohlunterrichteter Zeitungs=Artikel haben Anspruch
auf Glaubwürdigkeit, sobald sie diese Eintracht,
diesen einigen Familengeist in Zweifel setzen. Lei-
der sind irrige Ansichten aller Art verbreitet wor-
den. Ludwig Philipp hat sich bei seinem Aus-
tritt aus Frankreich von jeglicher Macht losge-
sagt; dieser Moment war der entscheidende, nicht
der einer Krankheit, die auch dem vom Glück Be-
günstigten Entsagung auferlegen würde. Seine
persönliche Aufgabe ist geschlossen; sein klarer
Blick wendet sich nur noch zu den Trägern seines
Hauses, zu den Söhnen, die einst für Frankreich
kämpften, und zu den Kindern, welche Frankreichs
Erbtheil sind. Was der königliche Vater denkt,
was die Prinzen, jene treuen Stützen der Her-
zogin von Orleans, mit ihr vereint in edler Frei-
müthigkeit äußern, ist stets: „Wir haben nichts
zu thun, als zu warten; wir unterwerfen unser
Schicksal dem Willen der Nation, der wir treu
bleiben, wiewohl sie uns verließ und deren Wohl-
fahrt, nicht die unsrige, uns am Herzen liegt.“
Jn diesen Worten ist mehr Patriotismus enthal-
ten, als man sonst an exilirten Höfen findet, zu-
gleich aber auch die der Eintracht und Gottes-
furcht inwohnende Kraft, welche allen Eventuali-
täten gewachsen ist. Fragt man sich nun, wie
solche Worte zu den Angriffen des Parteigeistes
und zu den Vermittlungs=Jdeen stehen, die man
mit dem Ausdruck Fusion des deux branches
bezeichnet, so läßt sich darauf folgendes erwidern:
Man hat von einer Protestation der Herzogin von
Orleans zu Gunsten der Rechte ihres Sohnes ge-
sprochen, und auch von dem Versuche, ihr Nach-
druck zu geben; dies ist ganz unrichtig. Das Haus
Orleans tritt nicht den Rechten des Grafen von
Chambord entgegen, wie dieses von den Legitimi-
sten aufgestellt worden; es handelt sich hier nicht
um die Bekämpfung des einen Princips durch das
andere, sondern um das einfache geschichtliche Fac-
tum, daß im Jahre 1830 der Wille der Nation
den Wechsel der Dynastie vollführte, u. daß 1848
die neue Dynastie einem gewaltsamen Umsturze
unterlag, in Folge dessen sich dieselbe, so viel an
ihr liegt, ruhig abwartend verhält, ihr Schicksal
dem Willen der Nation ferner anheimstellend.
Wenn Frankreich dereinst das legitime Königthum,
somit die ältere Dynastie, vorziehen sollte, würde
sich das Haus Orleans zu fügen wissen, weil es
keine eigenen Jnteressen vertreten, folglich keinen
Prätendenten aufstellen will. Aber bei dieser Un-
[Spaltenumbruch] eigennützigkeit sieht es sich außer Stande, sowohl
denjenigen Standpunkt aufzugeben, der ihm ange-
wiesen ist, nemlich den nationalen, als auch die
Bereitwilligkeit zu verläugnen, auf den Ruf Frank-
reichs dem Vaterlande aufs Neue Kraft und Hin-
gebung zu widmen. Somit erkennt das Haus
Orleans nach wie vor die Souverainetät der Na-
tion an und beruft sich auf dieselbe sowohl in
Bezug auf die Leistungen der Vergangenheit, als
der Zukunft. Es bleibt den Pflichten treu, welche
die Macht der Verhältnisse ihm auferlegt hat,
und Frankreich kann auf dasselbe rechnen, falls
es einst durch gesetzliche Rückberufung oder durch
drängende Gefahren seine Hülfe in Anspruch
nimmt.

Deutschland.

München, 24. August. Se. k. Hoheit der
Prinz Adalbert ist nach Aschaffenburg zum Besuch
seiner königl. Eltern abgereist. -- Hr. Pfarrer
Westermeyer wird zum Prediger der h. Geistkirche
dahier ernannt werden.

Landau, 22. August. Ein Bubenstück ist in
der Nacht vom 18--19. d. M. auf dem hiesigen
Friedhof, dem schönsten in der Pfalz, verübt wor-
den. Das provisorisch bis zur Aufstellung eines
würdigen Denkmals errichtete Kreuz auf dem
Grabe des zu Ende des Mai verstorbenen hiesi-
gen Festungskommandanten Gen.=Maj. v. Pflum-
mern wurde herausgerissen, in Stücke zerschlagen,
der mit Blumen geschmückte Grabhügel selbst zer-
stampft und verwüstet. Die polizeiliche Untersu-
chung ist bereits im Gange, und es wird ihr wohl
gelingen, die Thäter auszumitteln....

   

Zweibrücken, 22. August. Das bereits im
Druck erschienene Verweisungsurtheil sammt An-
klageakte in dem politischen Prozesse stellte der
Zahl nach auf, gegen: 1 Person das gemeine
Verbrechen des Meuchelmords. 1 Person dasselbe
Verbrechen des versuchten Meuchelmordes. 67 Per-
sonen das gemeine Verbrechen des Ueberfalles von
Gemeinden mit bewaffneten Banden zum Morde
und Verheerung, dabei verübter Meuchelmorde,
Meuchelmordsversuche, schwerer Verwundungen und
einer Brandstiftung, verübt gegen die Gemeinde
Steinfeld und im Gossersweiler Thale. 28 Per-
sonen das gemeine Verbrechen illegaler Verhaftung
von Personen. 21 Personen das gemeine Ver-
brechen der Zerstörung von Brücken und Straßen-
anstalten ec. 15 Personen das Verbrechen der
Verleitung von Soldaten zur Fahnenflucht. --
Ferner sind: 98 Personen Kassenberaubungen, 17
Personen Entfremdungen von Militär = Effekten,
80 Personen Erpressungen an Geld und anderm
Gute, 66 Personen gewaltsame Wegnahme von
Waffen aus Privatwohnungen, 58 Personen ge-
waltsame Wegnahme von Pferden, von welchen
noch 202 fehlen, und 117 Personen widerrecht-
liche Verhaftungen und Gefangenhaltungen von
Personen im Vergehensgrade, zur Last gelegt, nicht
zu gedenken einer Unzahl anderer Gesetzesverletz-
ungen, wie Mißhandlungen, Verletzung des Post-
geheimnisses, Zerstörung von beweglichem und un-

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 204. Würzburg, Montag den 26. August. 1850. Amtliche Nachrichten. München, 23. August. Se. Maj. der Kö- nig haben unterm 24. l. Mts. allergnädigst ge- ruht, den zeitlich quieszirten kgl. Landgerichtsarzt zu Aub, Dr. August Sorg, wegen nachgewiesener gänzlicher Funktionsunfähigkeit in den definitiven Ruhestand zu versetzen. Die Familie Orleans. Jnmitten politischer Zecwürfnisse und schwe- bender Fragen aller Art, welche Europa in dau- ernder Spannung erhalten, gibt es stille Ereig- nisse, welche den Blick auf den unfruchtbaren Bo- den der Politik abzulenken, oder den Betrachtun- gen, die sich auf jene beziehen, eine höhere Weihe zu geben geeignet sind. Dies ist der Fall bei dem feierlichen Akte der ersten Communion ei- nes erlauchten Sprößlings, der zunächst in Frank- reich, dann aber auch in Deutschland Sympathien zu erwecken berufen ist. Deutschland, das die wohlwollende Gesinnung der Orleanischen Dyna- stie schätzte, und das durch ihren Sturz mehr ge- litten haben dürfte, als es sich dessen noch bewußt sein mag, kennt die Fürstin, welche, als würdige Repräsentantin ihres Geschlechts, an den Stufen des französischen Thones ein selten erreichtes häusliches Glück fand, dann aber nach dem jähen Verluste des ritterlichen Gatten als treue Mutter sich den königlichen Waisen ausschließlich widmete, und nun, nach dem härtesten Geschick, das eine Frau treffen konnte, außerhalb Frankreichs Gren- zen, theils in Thüringen, theils in England, im Kreise hoher Familien weilt. Wir Deutschen in England können vereint mit unsern fränkischen Genossen nicht umhin, der Fürstin dafür zu dan- ken, daß sie ihren hohen Beruf so musterhaft er- füllt, und so haben wir denn auch mit wahrer Theilnahme die feierliche Handlung betrachtet, welche die Veranlassung dieser Zeilen ist. Es war ein ernster Moment, als in der katholischen Ka- pelle zu London ein gebeugter Greis erschien, krank und verbannt, entblößt jener Ehren, die dem Men- schen werthvoll dünken, die aber an geweihter Stätte nichtig sind. Diese Kapelle ist zur Zeit der ersten französischen Emigration gegründet, und Ludwig Philipp kniete im Jahre 1800 bereits an den Stufen ihres Altars. Wer hätte damals gesagt, daß nach fünfzig Jahren wechselnder Schick- sale, nachdem die Nation ihm die Krone aufer- legt, deren Last er achtzehn Jahre hindurch getra- gen, er an derselben Stelle knieen würde, von seiner mit ihm schwer geprüften Familie umge- ben, und ihm zur Seite ein verwais'ter Enkel, reich ausgestattet an Gaben, so wie sie ein Volk seinen Fürsten zu wünschen pflegt, nun aber ver- bannt, gleichwie er selbst! Es war unmöglich, diesen Knaben neben dem Greise zu erblicken, so edel und anmuthig, so voll kindlicher Demuth und Andacht zu dem Erlöser betend, und dabei die heißen Thränen der armen Mutter und der frommen Königin wahrzunehmen, ohne selbst tief ergriffen zu sein und jener Worte Massillon's zu gedenken: „Gott allein ist groß!“ Der Bischof selbst, so wie der alte Abb é Guët, Beichtvater des Grafen von Paris, legten in die heilige Hand- lung jene tiefe Würde des Katholicismus, der vom Altar, wie von der Kanzel herab, irdische Macht darnieder beugt, gefallene Größe erhebt und von einem Ende der Welt bis zum anderen Zeugniß gibt von der Gottheit Christi. Es hat- ten sich treue Anhänger des Hauses aus Frank- reich gefunden, Genossen des Glücks und des Un- glücks; Gaben der Liebe waren von dem jensei- tigen Ufer des Kanals gesendet worden, der das feste England von dem schwankenden Frankreich trennt. Jn diesen Gaben lag eine Sprache, die beredter ist, als alle Worte. Die königlichen Verbannten in England bilden daselbst die in Glück und Unglück geheiligte Einheit der Fami- lie, und weder die Jndiscretion der Besuchenden, noch die geflissentliche Deutung unbefangener Worte, noch endlich die Angaben so genannter wohlunterrichteter Zeitungs=Artikel haben Anspruch auf Glaubwürdigkeit, sobald sie diese Eintracht, diesen einigen Familengeist in Zweifel setzen. Lei- der sind irrige Ansichten aller Art verbreitet wor- den. Ludwig Philipp hat sich bei seinem Aus- tritt aus Frankreich von jeglicher Macht losge- sagt; dieser Moment war der entscheidende, nicht der einer Krankheit, die auch dem vom Glück Be- günstigten Entsagung auferlegen würde. Seine persönliche Aufgabe ist geschlossen; sein klarer Blick wendet sich nur noch zu den Trägern seines Hauses, zu den Söhnen, die einst für Frankreich kämpften, und zu den Kindern, welche Frankreichs Erbtheil sind. Was der königliche Vater denkt, was die Prinzen, jene treuen Stützen der Her- zogin von Orleans, mit ihr vereint in edler Frei- müthigkeit äußern, ist stets: „Wir haben nichts zu thun, als zu warten; wir unterwerfen unser Schicksal dem Willen der Nation, der wir treu bleiben, wiewohl sie uns verließ und deren Wohl- fahrt, nicht die unsrige, uns am Herzen liegt.“ Jn diesen Worten ist mehr Patriotismus enthal- ten, als man sonst an exilirten Höfen findet, zu- gleich aber auch die der Eintracht und Gottes- furcht inwohnende Kraft, welche allen Eventuali- täten gewachsen ist. Fragt man sich nun, wie solche Worte zu den Angriffen des Parteigeistes und zu den Vermittlungs=Jdeen stehen, die man mit dem Ausdruck Fusion des deux branches bezeichnet, so läßt sich darauf folgendes erwidern: Man hat von einer Protestation der Herzogin von Orleans zu Gunsten der Rechte ihres Sohnes ge- sprochen, und auch von dem Versuche, ihr Nach- druck zu geben; dies ist ganz unrichtig. Das Haus Orleans tritt nicht den Rechten des Grafen von Chambord entgegen, wie dieses von den Legitimi- sten aufgestellt worden; es handelt sich hier nicht um die Bekämpfung des einen Princips durch das andere, sondern um das einfache geschichtliche Fac- tum, daß im Jahre 1830 der Wille der Nation den Wechsel der Dynastie vollführte, u. daß 1848 die neue Dynastie einem gewaltsamen Umsturze unterlag, in Folge dessen sich dieselbe, so viel an ihr liegt, ruhig abwartend verhält, ihr Schicksal dem Willen der Nation ferner anheimstellend. Wenn Frankreich dereinst das legitime Königthum, somit die ältere Dynastie, vorziehen sollte, würde sich das Haus Orleans zu fügen wissen, weil es keine eigenen Jnteressen vertreten, folglich keinen Prätendenten aufstellen will. Aber bei dieser Un- eigennützigkeit sieht es sich außer Stande, sowohl denjenigen Standpunkt aufzugeben, der ihm ange- wiesen ist, nemlich den nationalen, als auch die Bereitwilligkeit zu verläugnen, auf den Ruf Frank- reichs dem Vaterlande aufs Neue Kraft und Hin- gebung zu widmen. Somit erkennt das Haus Orleans nach wie vor die Souverainetät der Na- tion an und beruft sich auf dieselbe sowohl in Bezug auf die Leistungen der Vergangenheit, als der Zukunft. Es bleibt den Pflichten treu, welche die Macht der Verhältnisse ihm auferlegt hat, und Frankreich kann auf dasselbe rechnen, falls es einst durch gesetzliche Rückberufung oder durch drängende Gefahren seine Hülfe in Anspruch nimmt. Deutschland. München, 24. August. Se. k. Hoheit der Prinz Adalbert ist nach Aschaffenburg zum Besuch seiner königl. Eltern abgereist. -- Hr. Pfarrer Westermeyer wird zum Prediger der h. Geistkirche dahier ernannt werden. Landau, 22. August. Ein Bubenstück ist in der Nacht vom 18--19. d. M. auf dem hiesigen Friedhof, dem schönsten in der Pfalz, verübt wor- den. Das provisorisch bis zur Aufstellung eines würdigen Denkmals errichtete Kreuz auf dem Grabe des zu Ende des Mai verstorbenen hiesi- gen Festungskommandanten Gen.=Maj. v. Pflum- mern wurde herausgerissen, in Stücke zerschlagen, der mit Blumen geschmückte Grabhügel selbst zer- stampft und verwüstet. Die polizeiliche Untersu- chung ist bereits im Gange, und es wird ihr wohl gelingen, die Thäter auszumitteln.... ( Frkf. O.P.A.=Z. ) Zweibrücken, 22. August. Das bereits im Druck erschienene Verweisungsurtheil sammt An- klageakte in dem politischen Prozesse stellte der Zahl nach auf, gegen: 1 Person das gemeine Verbrechen des Meuchelmords. 1 Person dasselbe Verbrechen des versuchten Meuchelmordes. 67 Per- sonen das gemeine Verbrechen des Ueberfalles von Gemeinden mit bewaffneten Banden zum Morde und Verheerung, dabei verübter Meuchelmorde, Meuchelmordsversuche, schwerer Verwundungen und einer Brandstiftung, verübt gegen die Gemeinde Steinfeld und im Gossersweiler Thale. 28 Per- sonen das gemeine Verbrechen illegaler Verhaftung von Personen. 21 Personen das gemeine Ver- brechen der Zerstörung von Brücken und Straßen- anstalten ec. 15 Personen das Verbrechen der Verleitung von Soldaten zur Fahnenflucht. -- Ferner sind: 98 Personen Kassenberaubungen, 17 Personen Entfremdungen von Militär = Effekten, 80 Personen Erpressungen an Geld und anderm Gute, 66 Personen gewaltsame Wegnahme von Waffen aus Privatwohnungen, 58 Personen ge- waltsame Wegnahme von Pferden, von welchen noch 202 fehlen, und 117 Personen widerrecht- liche Verhaftungen und Gefangenhaltungen von Personen im Vergehensgrade, zur Last gelegt, nicht zu gedenken einer Unzahl anderer Gesetzesverletz- ungen, wie Mißhandlungen, Verletzung des Post- geheimnisses, Zerstörung von beweglichem und un-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 204. Würzburg, 26. August 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische204_1850/1>, abgerufen am 19.04.2024.