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Die Bayerische Presse. Nr. 76. Würzburg, 29. März 1850.

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[Spaltenumbruch] werde, um die unter den Bundesgliedern bestehende
Verschiedenheit der Ansichten über diese Angele-
genheit auszugleichen und die von so vielen Seiten
bedrohten gemeinschaftlichen Jnteressen von ganz
Deutschland zu wahren. Die königl. Gesandtschaft
wird beauftragt, den Herrn Freiherrn v. Schleinitz
unter Uebergabe einer Abschrift von gegenwärtiger
Depesche in Kenntniß zu setzen. München, den
8. December 1849. ( gez. ) v. d. Pfordten. Durch
den Minister der General=Sekretär: ( gez. ) Rap-
pel. An die königl. Gesandtschaft Berlin." --
II. Antwort des preußischen Ministers
des Auswärtigen.
"Der königl. bayerische
Gesandte am hiesigen Hofe, Freiherr v. Malzen,
hat mir im Auftrage seiner Regierung Abschrift
einer an ihn erlassenen Depesche des königl. baye-
rischen Staatsministeriums des königl. Hauses und
des Aeußern, d. d. München, den 8. December,
zugestellt, welche sich auf das Bündniß vom 26.
Mai d. J. und die aus ihm abgeleiteten Be-
schlüsse des Verwaltungsrathes vom 17. Novem-
ber d. J. bezieht und die ausdrückliche Erklärung
abgibt, daß die königl. bayerische Regierung ""sich
den deßhalb ausgesprochenen Verwahrungen des
kaiserl. österreichischen Kabinets anschließe."" Euer
Hochwohlgeboren übersende ich in der Anlage Ab-
schrift dieses Schreibens. Jndem wir die darin
in Anspruch genommene Berechtigung der königl.
bayerischen Regierung, ihre eigene Ueberzeugung
ihren Bundesgenossen gegenüber auszusprechen, be-
reitwillig anerkennen, halten wir uns in Erwide-
rung verpflichtet, derselben die Depesche mitzu-
theilen, welche in Bezug auf jene Verwahrungen
an den königl. Gesandten in Wien unter dem 12.
d. M. gerichtet worden ist, und welche ich zu dem
Zweck Euer Hochwohlgeboren anliegend übersende.
Jch theile dabei gern die Hoffnung des königl.
bayerischen Ministers, daß die unter den Bundes-
gliedern bestehende Verschiedenheit der Ansichten
über diese Angelegenheit werde ausgeglichen und
die gemeinschaftlichen Jnteressen von ganz Deutsch-
land vor den Gefahren, die sie in der That von
vielen Seiten her bedrohen, werden gewahrt wer-
den; insoferne aber derselbe diese Hoffnung an
die Bildung der interimistischen Bundeskommission
knüpft, kann ich nicht umhin, darauf aufmerksam
zu machen, daß die Verfassungsangelegenheit nach
dem ausdrücklichen Wortlaute des Vertrags. wel-
chen Bayern accedirt hat, von der Wirksamkeit
der Bundeskommission ausgeschlossen und der freien
Vereinbarung der Bundesglieder überlassen wor-
den ist. Jn dieser freien Vereinbarung, zu der
wir jederzeit sowohl in Bezug auf den weiteren
wie auf den engeren Bund bereitwillig die Hand
geboten haben und ferner bieten werden, können
wir allein das Mittel sehen, zu einer Ausgleichung
der verschiedenen Ansichten und einer angemessenen
Ordnung der deutschen Verhältnisse zu gelangen.
Euer Hochwohlgeboren wollen dem königl. baye-
rischen Minister eine Abschrift dieser Depesche
nebst der Anlage übergeben. Berlin, den 16. De-
cember 1849. ( gez. ) Schleinitz. An den königl.
Gesandten Hrn. v. Bockelberg Hochwohlgeboren in
München."

   
Deutschland.

München, 24. März. Gestern und vorge-
stern verhandelten unsere Assisen wieder einen in-
teressanten Fall. Auf der Anklagebank saß ein
65jähriger herabgekommener Mann, beschuldigt:
den Mann seiner Tochter, dem er sein Anwesen
im Landgericht Landsberg mit Vorbehalt des Na-
tural=Austrags übergeben hatte, durch einen Flin-
tenschuß ermordet zu haben. Die Verhandlung
ergab, daß der sonst wohl beleumundete Ange-
klagte sich früher ein kleines Vermögen durch
Thätigkeit erworben hatte, sich dann eine be-
stimmte Kost, namentlich allwöchentlich zweimal
Knödel bedungen hatte, statt dessen aber sehr
schlechte Nahrung, oft Tagelang gar keine er-
hielt. Häufige rohe Scenen im Hause und vor
dem Landgericht waren seit längerer Zeit die
Folge davon. Nachdem nun im Dezbr. 1848
[Spaltenumbruch] der Alte und ein von ihm angenommenes Mäd-
chen von 10 Jahren wieder einmal bereits den
zweiten Tag darbten, und Christian Voglsau-
ger -- so heißt der Alte -- in Hunger und
Aufregung schnell ein Quart Branntwein hinun-
tergestürzt hatte, gerieth er in Streit mit dem
Schwiegersohn und verwirklichte eine schon öfter
ausgestoßene Drohung, indem er seine etwa fünf-
zehn Schritte entfernte Flinte holte und denselben
niederschoß. Aus der Verhandlung war aber wei-
ter zu entnehmen, daß der Getödtete selbst kurz
vorher einen Burschen um 25 fl. gedungen hatte,
damit dieser seinen Schwiegervater erschieße. Alle
diese Umstände, in einer ausgezeichneten Verthei-
digungs = Rede des Rechtspractikanten Dr. Völk
trefflich geschildert und benützt, ließen die über-
wiegende Mehrheit des juristischen und nichtjuri-
stischen Publikums erwarten, daß der Angekiagte
nicht des Mordes, sondern nur des Todtschlags
schuldig erkannt werde. Doch lautete das Ver-
diet der Geschworenen auf "Mord." Der Ge-
richtshof mußte demzufolge auf Todesstrafe er-
kennen, empfahl aber zugleich den Verurtheilten
der k. Begnadigung zu zeitlicher Freiheitsstrafe.
Der Angeklagte blieb ziemlich regungslos; ihm
sei Alles eins, was seinem Elend ein Ende mache
und nicht wieder hilflos in die Welt hinausstoße.

München, 26. März. Wie man hört, wird
der Gesetzentwurf bezüglich der Bildung und
Erweiterung der
I. Kammer im Laufe dieser
Woche im Staatsrath zur Berathung kommen und
dürfte sonach den Kammern unmittelbar nach Ostern
vorgelegt werden. Von Dem, was man über den
Jnhalt dieses Entwurfs vernimmt, scheint die An-
gabe das Wahrscheinlichste, daß die dermaligen
Mitglieder der I. Kammer -- erbliche und lebens-
längliche Reichsräthe -- ihren Sitz in der Kam-
mer behalten, die Zahl der Kammermitglieder je-
doch durch eine Anzahl gewählter Mitglieder ver-
stärkt würde. Man scheint sich also das Gesetz
für die preußische I. Kammer, das bekanntlich erst
in zwei Jahren in Kraft treten soll, zum Muster
genommen zu haben. -- Laut Ordre des Land-
wehr=Kreiskommando 's von Oberbayern und, wie
es scheint, auf Anregung des Kreiskommandanten
Herzog Max wird der Oberpostrath und Professor
v. Tausch der hiesigen Landwehr wöchentlich ein-
mal einen Vortrag über die Kriegswissenschaft je-
der Waffengattung halten. Diese Anordnung fin-
det unter der Landwehr Münchens vielen Beifall.

   

München, 26. März. Se. Maj. der Kö-
nig ist von seinem Unwohlsein wieder hergestellt.
Der König wird in Begleitung des großen Cor-
tege der Hofzeremonien der Charwoche beiwohnen,
sowie am Grünendonnerstag die übliche Fußwaschung
vornehmen. Von den 12 alten Männern, die hiezu
erwählt sind, zählt der älteste 100, der jüngste
89 Jahre. -- Jn den militärischen Werkstätten
herrscht eine sehr rege Thätigkeit.

Frankfurt, 23. März. Hier angekommene
Reisende, welche die jüngsten Tage in Erfurt ver-
lebten und der Eröffnung des sogenannten deut-
schen Reichstags beiwohnten, können nicht genug
schildern, wie trüb die dortige Stimmung sei,
welche Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit
herrsche, wie aber auch in manchen Kreisen über
das Fehlschlagen der beabsichtigten Eroberung ei-
nes Theils Deutschlands ohne Kanonendonner und
Kampf Jngrimm und Zorn in ungebundenster
Weise sich Luft mache. Das Einziehen der ein-
zelnen Deputirten in die Stadt verstrich lautlos
und war für die Deputirten selbst um so pein-
licher, als auch sie so polizeilich inquirirt wurden,
wie es nur zur Zeit des höchsten Belagerungszu-
siandes stattfinden könnte. Die Masse der Bevöl-
kerung, nicht die demokratische allein, sondern der
eigentliche Kern blieb mehr wie kalt trotz der ver-
heißenen großen Zukunft. Wehmüthig soll es je-
den berührt haben zu sehen, wie die Herrn sich
einzeln zur Kirche begaben, gleichsam als scheuten
oder schämten sie sich eines feierlichen Zuges, der
freilich bei der dortigen Stimmung eher einem
Leichenbegängniß geglichen haben würde. Jn der
Kirche selbst bemächtigte sich der Mitglieder eine
[Spaltenumbruch] gänzliche Entmuthigung, denn daß auch hier die
Plätze für das Publikum leer und nur mager be-
setzt blieben, das hatte sich denn doch Niemand
erwartet. Radowitz selbst ist höchst angegriffen,
man sagt von ihm, er sei zur vollsten Erkenntniß
gekommen und seitdem fliehe ihn auch jeder Schat-
ten von Schlaf. Uebrigens war das vorauszu-
sehen. Die Wahlen an allen Orten und ganz
insbesondere in unserer Umgegend gaben schon den
Maaßstab. Jn vielen großen Ortschaften wurde
von der ganzen Bevölkerung auf das Wählen
durchaus verzichtet; in anderen wählte hie und da
der Herr Pfarrer, wenn er Protestant war, allein,
oder bewegte höchstens noch den Kirchendiener und
manchmal den Bürgermeister und Schullehrer da-
zu. Jn Castel z. B. wahlten von 400 Wahlbe-
rechtigten nur 13. Aber was ist der Schluß aus
dieser ganzen Komödie? in Erfurt tagt weder das
ganze deutsche Volk, noch ein Theil desselben, in
Erfurt tagen nur die banquerotten Gothner und
ein kleiner Theil der specifischen Preußen. Man
hat hier die Berechnung aufgestellt, daß bei allen
Wahlen nach Erfurt sich nicht viel über 150,000
Wahlberechtigte betheiliget haben. Was will diese
kleine Zahl der großen deutschen Nation von 40
Millionen bedeuten! Das deutsche Volk hat in
Masse geantwortet, daß es ein ganzes Deutsch-
land anstrebt, nicht preußisch werden, sondern
deutsch bleiben will. Die Hrn. Gagern, Basser-
mann und Consorten haben geglaubt, sie vermöch-
ten den gesunden Sinn des deutschen Volkes irre
zu leiten; man hat ihnen geantwortet, daß sie in
Frankfurt bereits den Ruhm, in Gotha die
Ehre verloren hätten und daß sie das, was sie
vielleicht noch verlieren könnten, allein in Erfurt
verlieren möchten.

^ Frankfurt, 27. März. Hr. v. Sydow,
der k. preußische Gesandte in Stuttgart ist hier
eingetroffen.

* Karlsruhe, 24. März. Die gestrige " Karls-
ruher Zeitung" enthält 132 und die heutige 356
Fahndungs=Ausschreibungen gegen flüchtige badische
Soldaten.

Karlsruhe, 25. März. Die Kammer hat in
ihren letzten Sitzungen beschlossen, die Kosten des
letzten Aufstandes kurzweg durch die Gemein-
den bezahlen zu lassen.
Das Gesetz ist in-
sofern ein großer Unsinn, als dasselbe einer gro-
ßen Zahl von Gemeinden, welche dem Auf-
stande auf das Entschiedenste entgegen-
traten,
die angenehme Pflicht auflegt, anderen
Gemeinden, welche sich bei diesem Aufstand viel-
leicht am thätigsten zeigten, den dadurch erlittenen
Schaden zu ersetzen. Bei der Gelegenheit ent-
schlüpfte dem Minister des Jnnern die naive Aeu-
ßerung: daß die militärische Hilfe, welche Baden
geleistet worden, zugleich ganz Deutschland
geleistet gewesen
und daß mithin auch die
Gesammtheit des deutschen Bundes die
dadurch erwachsenen Kosten zu tragen ha-
ben werde,
wenn man sich auch keineswegs ver-
hehlen dürfe, daß unter den gegenwärtigen Ver-
hältnissen von der Geltendmachung solcher Ansprüche
kaum ein Erfolg zu erwarten sei. -- Wie man
sieht, ist der Herr Minister im Geldpunkte --
ächt großdeutsch!

   

F* Karlsruhe, 27. März. Unsere Stände-
versammlung ist heute auf unbestimmte Zeit ver-
tagt worden.

x Stuttgart, 26. März. Hauptgegenstand
der Berathung der heutigen 8. Sitzung der
verfassungberathenden Landesversamm-
lung,
ist der Bericht der Verfassungskommission
über den Antrag des Abgeordneten Kapff auf
Herabsetzung der Diäten der Mitglieder der ge-
genwärtigen Versammlung, nämlich von 5 fl. 30
kr. auf 4 fl. Dieser Antrag hatte jedoch bei der
demokratischen Mehrheit keine Gnade gefunden
und ward daher im Bericht ohne Erbarmen von
der Kommission verdammt, welche einfachen Ueber-
gang zur Tagesordnung beantragte. Obgleich
verschiedene vermittelnde Anträge auf 4 fl. 30 kr.,
auf 5 fl. gemacht wurden u. der Abgeordnete Kuhn
in einer überzeugenden Rede die Nothwendigkeit
darthat, wenigstens auch ein kleines Opfer selbst

[Spaltenumbruch] werde, um die unter den Bundesgliedern bestehende
Verschiedenheit der Ansichten über diese Angele-
genheit auszugleichen und die von so vielen Seiten
bedrohten gemeinschaftlichen Jnteressen von ganz
Deutschland zu wahren. Die königl. Gesandtschaft
wird beauftragt, den Herrn Freiherrn v. Schleinitz
unter Uebergabe einer Abschrift von gegenwärtiger
Depesche in Kenntniß zu setzen. München, den
8. December 1849. ( gez. ) v. d. Pfordten. Durch
den Minister der General=Sekretär: ( gez. ) Rap-
pel. An die königl. Gesandtschaft Berlin.“ --
II. Antwort des preußischen Ministers
des Auswärtigen.
„Der königl. bayerische
Gesandte am hiesigen Hofe, Freiherr v. Malzen,
hat mir im Auftrage seiner Regierung Abschrift
einer an ihn erlassenen Depesche des königl. baye-
rischen Staatsministeriums des königl. Hauses und
des Aeußern, d. d. München, den 8. December,
zugestellt, welche sich auf das Bündniß vom 26.
Mai d. J. und die aus ihm abgeleiteten Be-
schlüsse des Verwaltungsrathes vom 17. Novem-
ber d. J. bezieht und die ausdrückliche Erklärung
abgibt, daß die königl. bayerische Regierung „„sich
den deßhalb ausgesprochenen Verwahrungen des
kaiserl. österreichischen Kabinets anschließe.““ Euer
Hochwohlgeboren übersende ich in der Anlage Ab-
schrift dieses Schreibens. Jndem wir die darin
in Anspruch genommene Berechtigung der königl.
bayerischen Regierung, ihre eigene Ueberzeugung
ihren Bundesgenossen gegenüber auszusprechen, be-
reitwillig anerkennen, halten wir uns in Erwide-
rung verpflichtet, derselben die Depesche mitzu-
theilen, welche in Bezug auf jene Verwahrungen
an den königl. Gesandten in Wien unter dem 12.
d. M. gerichtet worden ist, und welche ich zu dem
Zweck Euer Hochwohlgeboren anliegend übersende.
Jch theile dabei gern die Hoffnung des königl.
bayerischen Ministers, daß die unter den Bundes-
gliedern bestehende Verschiedenheit der Ansichten
über diese Angelegenheit werde ausgeglichen und
die gemeinschaftlichen Jnteressen von ganz Deutsch-
land vor den Gefahren, die sie in der That von
vielen Seiten her bedrohen, werden gewahrt wer-
den; insoferne aber derselbe diese Hoffnung an
die Bildung der interimistischen Bundeskommission
knüpft, kann ich nicht umhin, darauf aufmerksam
zu machen, daß die Verfassungsangelegenheit nach
dem ausdrücklichen Wortlaute des Vertrags. wel-
chen Bayern accedirt hat, von der Wirksamkeit
der Bundeskommission ausgeschlossen und der freien
Vereinbarung der Bundesglieder überlassen wor-
den ist. Jn dieser freien Vereinbarung, zu der
wir jederzeit sowohl in Bezug auf den weiteren
wie auf den engeren Bund bereitwillig die Hand
geboten haben und ferner bieten werden, können
wir allein das Mittel sehen, zu einer Ausgleichung
der verschiedenen Ansichten und einer angemessenen
Ordnung der deutschen Verhältnisse zu gelangen.
Euer Hochwohlgeboren wollen dem königl. baye-
rischen Minister eine Abschrift dieser Depesche
nebst der Anlage übergeben. Berlin, den 16. De-
cember 1849. ( gez. ) Schleinitz. An den königl.
Gesandten Hrn. v. Bockelberg Hochwohlgeboren in
München.“

   
Deutschland.

München, 24. März. Gestern und vorge-
stern verhandelten unsere Assisen wieder einen in-
teressanten Fall. Auf der Anklagebank saß ein
65jähriger herabgekommener Mann, beschuldigt:
den Mann seiner Tochter, dem er sein Anwesen
im Landgericht Landsberg mit Vorbehalt des Na-
tural=Austrags übergeben hatte, durch einen Flin-
tenschuß ermordet zu haben. Die Verhandlung
ergab, daß der sonst wohl beleumundete Ange-
klagte sich früher ein kleines Vermögen durch
Thätigkeit erworben hatte, sich dann eine be-
stimmte Kost, namentlich allwöchentlich zweimal
Knödel bedungen hatte, statt dessen aber sehr
schlechte Nahrung, oft Tagelang gar keine er-
hielt. Häufige rohe Scenen im Hause und vor
dem Landgericht waren seit längerer Zeit die
Folge davon. Nachdem nun im Dezbr. 1848
[Spaltenumbruch] der Alte und ein von ihm angenommenes Mäd-
chen von 10 Jahren wieder einmal bereits den
zweiten Tag darbten, und Christian Voglsau-
ger -- so heißt der Alte -- in Hunger und
Aufregung schnell ein Quart Branntwein hinun-
tergestürzt hatte, gerieth er in Streit mit dem
Schwiegersohn und verwirklichte eine schon öfter
ausgestoßene Drohung, indem er seine etwa fünf-
zehn Schritte entfernte Flinte holte und denselben
niederschoß. Aus der Verhandlung war aber wei-
ter zu entnehmen, daß der Getödtete selbst kurz
vorher einen Burschen um 25 fl. gedungen hatte,
damit dieser seinen Schwiegervater erschieße. Alle
diese Umstände, in einer ausgezeichneten Verthei-
digungs = Rede des Rechtspractikanten Dr. Völk
trefflich geschildert und benützt, ließen die über-
wiegende Mehrheit des juristischen und nichtjuri-
stischen Publikums erwarten, daß der Angekiagte
nicht des Mordes, sondern nur des Todtschlags
schuldig erkannt werde. Doch lautete das Ver-
diet der Geschworenen auf „Mord.“ Der Ge-
richtshof mußte demzufolge auf Todesstrafe er-
kennen, empfahl aber zugleich den Verurtheilten
der k. Begnadigung zu zeitlicher Freiheitsstrafe.
Der Angeklagte blieb ziemlich regungslos; ihm
sei Alles eins, was seinem Elend ein Ende mache
und nicht wieder hilflos in die Welt hinausstoße.

München, 26. März. Wie man hört, wird
der Gesetzentwurf bezüglich der Bildung und
Erweiterung der
I. Kammer im Laufe dieser
Woche im Staatsrath zur Berathung kommen und
dürfte sonach den Kammern unmittelbar nach Ostern
vorgelegt werden. Von Dem, was man über den
Jnhalt dieses Entwurfs vernimmt, scheint die An-
gabe das Wahrscheinlichste, daß die dermaligen
Mitglieder der I. Kammer -- erbliche und lebens-
längliche Reichsräthe -- ihren Sitz in der Kam-
mer behalten, die Zahl der Kammermitglieder je-
doch durch eine Anzahl gewählter Mitglieder ver-
stärkt würde. Man scheint sich also das Gesetz
für die preußische I. Kammer, das bekanntlich erst
in zwei Jahren in Kraft treten soll, zum Muster
genommen zu haben. -- Laut Ordre des Land-
wehr=Kreiskommando 's von Oberbayern und, wie
es scheint, auf Anregung des Kreiskommandanten
Herzog Max wird der Oberpostrath und Professor
v. Tausch der hiesigen Landwehr wöchentlich ein-
mal einen Vortrag über die Kriegswissenschaft je-
der Waffengattung halten. Diese Anordnung fin-
det unter der Landwehr Münchens vielen Beifall.

   

München, 26. März. Se. Maj. der Kö-
nig ist von seinem Unwohlsein wieder hergestellt.
Der König wird in Begleitung des großen Cor-
tege der Hofzeremonien der Charwoche beiwohnen,
sowie am Grünendonnerstag die übliche Fußwaschung
vornehmen. Von den 12 alten Männern, die hiezu
erwählt sind, zählt der älteste 100, der jüngste
89 Jahre. -- Jn den militärischen Werkstätten
herrscht eine sehr rege Thätigkeit.

Frankfurt, 23. März. Hier angekommene
Reisende, welche die jüngsten Tage in Erfurt ver-
lebten und der Eröffnung des sogenannten deut-
schen Reichstags beiwohnten, können nicht genug
schildern, wie trüb die dortige Stimmung sei,
welche Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit
herrsche, wie aber auch in manchen Kreisen über
das Fehlschlagen der beabsichtigten Eroberung ei-
nes Theils Deutschlands ohne Kanonendonner und
Kampf Jngrimm und Zorn in ungebundenster
Weise sich Luft mache. Das Einziehen der ein-
zelnen Deputirten in die Stadt verstrich lautlos
und war für die Deputirten selbst um so pein-
licher, als auch sie so polizeilich inquirirt wurden,
wie es nur zur Zeit des höchsten Belagerungszu-
siandes stattfinden könnte. Die Masse der Bevöl-
kerung, nicht die demokratische allein, sondern der
eigentliche Kern blieb mehr wie kalt trotz der ver-
heißenen großen Zukunft. Wehmüthig soll es je-
den berührt haben zu sehen, wie die Herrn sich
einzeln zur Kirche begaben, gleichsam als scheuten
oder schämten sie sich eines feierlichen Zuges, der
freilich bei der dortigen Stimmung eher einem
Leichenbegängniß geglichen haben würde. Jn der
Kirche selbst bemächtigte sich der Mitglieder eine
[Spaltenumbruch] gänzliche Entmuthigung, denn daß auch hier die
Plätze für das Publikum leer und nur mager be-
setzt blieben, das hatte sich denn doch Niemand
erwartet. Radowitz selbst ist höchst angegriffen,
man sagt von ihm, er sei zur vollsten Erkenntniß
gekommen und seitdem fliehe ihn auch jeder Schat-
ten von Schlaf. Uebrigens war das vorauszu-
sehen. Die Wahlen an allen Orten und ganz
insbesondere in unserer Umgegend gaben schon den
Maaßstab. Jn vielen großen Ortschaften wurde
von der ganzen Bevölkerung auf das Wählen
durchaus verzichtet; in anderen wählte hie und da
der Herr Pfarrer, wenn er Protestant war, allein,
oder bewegte höchstens noch den Kirchendiener und
manchmal den Bürgermeister und Schullehrer da-
zu. Jn Castel z. B. wahlten von 400 Wahlbe-
rechtigten nur 13. Aber was ist der Schluß aus
dieser ganzen Komödie? in Erfurt tagt weder das
ganze deutsche Volk, noch ein Theil desselben, in
Erfurt tagen nur die banquerotten Gothner und
ein kleiner Theil der specifischen Preußen. Man
hat hier die Berechnung aufgestellt, daß bei allen
Wahlen nach Erfurt sich nicht viel über 150,000
Wahlberechtigte betheiliget haben. Was will diese
kleine Zahl der großen deutschen Nation von 40
Millionen bedeuten! Das deutsche Volk hat in
Masse geantwortet, daß es ein ganzes Deutsch-
land anstrebt, nicht preußisch werden, sondern
deutsch bleiben will. Die Hrn. Gagern, Basser-
mann und Consorten haben geglaubt, sie vermöch-
ten den gesunden Sinn des deutschen Volkes irre
zu leiten; man hat ihnen geantwortet, daß sie in
Frankfurt bereits den Ruhm, in Gotha die
Ehre verloren hätten und daß sie das, was sie
vielleicht noch verlieren könnten, allein in Erfurt
verlieren möchten.

△ Frankfurt, 27. März. Hr. v. Sydow,
der k. preußische Gesandte in Stuttgart ist hier
eingetroffen.

* Karlsruhe, 24. März. Die gestrige „ Karls-
ruher Zeitung“ enthält 132 und die heutige 356
Fahndungs=Ausschreibungen gegen flüchtige badische
Soldaten.

Karlsruhe, 25. März. Die Kammer hat in
ihren letzten Sitzungen beschlossen, die Kosten des
letzten Aufstandes kurzweg durch die Gemein-
den bezahlen zu lassen.
Das Gesetz ist in-
sofern ein großer Unsinn, als dasselbe einer gro-
ßen Zahl von Gemeinden, welche dem Auf-
stande auf das Entschiedenste entgegen-
traten,
die angenehme Pflicht auflegt, anderen
Gemeinden, welche sich bei diesem Aufstand viel-
leicht am thätigsten zeigten, den dadurch erlittenen
Schaden zu ersetzen. Bei der Gelegenheit ent-
schlüpfte dem Minister des Jnnern die naive Aeu-
ßerung: daß die militärische Hilfe, welche Baden
geleistet worden, zugleich ganz Deutschland
geleistet gewesen
und daß mithin auch die
Gesammtheit des deutschen Bundes die
dadurch erwachsenen Kosten zu tragen ha-
ben werde,
wenn man sich auch keineswegs ver-
hehlen dürfe, daß unter den gegenwärtigen Ver-
hältnissen von der Geltendmachung solcher Ansprüche
kaum ein Erfolg zu erwarten sei. -- Wie man
sieht, ist der Herr Minister im Geldpunkte --
ächt großdeutsch!

   

F* Karlsruhe, 27. März. Unsere Stände-
versammlung ist heute auf unbestimmte Zeit ver-
tagt worden.

× Stuttgart, 26. März. Hauptgegenstand
der Berathung der heutigen 8. Sitzung der
verfassungberathenden Landesversamm-
lung,
ist der Bericht der Verfassungskommission
über den Antrag des Abgeordneten Kapff auf
Herabsetzung der Diäten der Mitglieder der ge-
genwärtigen Versammlung, nämlich von 5 fl. 30
kr. auf 4 fl. Dieser Antrag hatte jedoch bei der
demokratischen Mehrheit keine Gnade gefunden
und ward daher im Bericht ohne Erbarmen von
der Kommission verdammt, welche einfachen Ueber-
gang zur Tagesordnung beantragte. Obgleich
verschiedene vermittelnde Anträge auf 4 fl. 30 kr.,
auf 5 fl. gemacht wurden u. der Abgeordnete Kuhn
in einer überzeugenden Rede die Nothwendigkeit
darthat, wenigstens auch ein kleines Opfer selbst

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[0002] werde, um die unter den Bundesgliedern bestehende Verschiedenheit der Ansichten über diese Angele- genheit auszugleichen und die von so vielen Seiten bedrohten gemeinschaftlichen Jnteressen von ganz Deutschland zu wahren. Die königl. Gesandtschaft wird beauftragt, den Herrn Freiherrn v. Schleinitz unter Uebergabe einer Abschrift von gegenwärtiger Depesche in Kenntniß zu setzen. München, den 8. December 1849. ( gez. ) v. d. Pfordten. Durch den Minister der General=Sekretär: ( gez. ) Rap- pel. An die königl. Gesandtschaft Berlin.“ -- II. Antwort des preußischen Ministers des Auswärtigen. „Der königl. bayerische Gesandte am hiesigen Hofe, Freiherr v. Malzen, hat mir im Auftrage seiner Regierung Abschrift einer an ihn erlassenen Depesche des königl. baye- rischen Staatsministeriums des königl. Hauses und des Aeußern, d. d. München, den 8. December, zugestellt, welche sich auf das Bündniß vom 26. Mai d. J. und die aus ihm abgeleiteten Be- schlüsse des Verwaltungsrathes vom 17. Novem- ber d. J. bezieht und die ausdrückliche Erklärung abgibt, daß die königl. bayerische Regierung „„sich den deßhalb ausgesprochenen Verwahrungen des kaiserl. österreichischen Kabinets anschließe.““ Euer Hochwohlgeboren übersende ich in der Anlage Ab- schrift dieses Schreibens. Jndem wir die darin in Anspruch genommene Berechtigung der königl. bayerischen Regierung, ihre eigene Ueberzeugung ihren Bundesgenossen gegenüber auszusprechen, be- reitwillig anerkennen, halten wir uns in Erwide- rung verpflichtet, derselben die Depesche mitzu- theilen, welche in Bezug auf jene Verwahrungen an den königl. Gesandten in Wien unter dem 12. d. M. gerichtet worden ist, und welche ich zu dem Zweck Euer Hochwohlgeboren anliegend übersende. Jch theile dabei gern die Hoffnung des königl. bayerischen Ministers, daß die unter den Bundes- gliedern bestehende Verschiedenheit der Ansichten über diese Angelegenheit werde ausgeglichen und die gemeinschaftlichen Jnteressen von ganz Deutsch- land vor den Gefahren, die sie in der That von vielen Seiten her bedrohen, werden gewahrt wer- den; insoferne aber derselbe diese Hoffnung an die Bildung der interimistischen Bundeskommission knüpft, kann ich nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß die Verfassungsangelegenheit nach dem ausdrücklichen Wortlaute des Vertrags. wel- chen Bayern accedirt hat, von der Wirksamkeit der Bundeskommission ausgeschlossen und der freien Vereinbarung der Bundesglieder überlassen wor- den ist. Jn dieser freien Vereinbarung, zu der wir jederzeit sowohl in Bezug auf den weiteren wie auf den engeren Bund bereitwillig die Hand geboten haben und ferner bieten werden, können wir allein das Mittel sehen, zu einer Ausgleichung der verschiedenen Ansichten und einer angemessenen Ordnung der deutschen Verhältnisse zu gelangen. Euer Hochwohlgeboren wollen dem königl. baye- rischen Minister eine Abschrift dieser Depesche nebst der Anlage übergeben. Berlin, den 16. De- cember 1849. ( gez. ) Schleinitz. An den königl. Gesandten Hrn. v. Bockelberg Hochwohlgeboren in München.“ ( N. C. ) Deutschland. München, 24. März. Gestern und vorge- stern verhandelten unsere Assisen wieder einen in- teressanten Fall. Auf der Anklagebank saß ein 65jähriger herabgekommener Mann, beschuldigt: den Mann seiner Tochter, dem er sein Anwesen im Landgericht Landsberg mit Vorbehalt des Na- tural=Austrags übergeben hatte, durch einen Flin- tenschuß ermordet zu haben. Die Verhandlung ergab, daß der sonst wohl beleumundete Ange- klagte sich früher ein kleines Vermögen durch Thätigkeit erworben hatte, sich dann eine be- stimmte Kost, namentlich allwöchentlich zweimal Knödel bedungen hatte, statt dessen aber sehr schlechte Nahrung, oft Tagelang gar keine er- hielt. Häufige rohe Scenen im Hause und vor dem Landgericht waren seit längerer Zeit die Folge davon. Nachdem nun im Dezbr. 1848 der Alte und ein von ihm angenommenes Mäd- chen von 10 Jahren wieder einmal bereits den zweiten Tag darbten, und Christian Voglsau- ger -- so heißt der Alte -- in Hunger und Aufregung schnell ein Quart Branntwein hinun- tergestürzt hatte, gerieth er in Streit mit dem Schwiegersohn und verwirklichte eine schon öfter ausgestoßene Drohung, indem er seine etwa fünf- zehn Schritte entfernte Flinte holte und denselben niederschoß. Aus der Verhandlung war aber wei- ter zu entnehmen, daß der Getödtete selbst kurz vorher einen Burschen um 25 fl. gedungen hatte, damit dieser seinen Schwiegervater erschieße. Alle diese Umstände, in einer ausgezeichneten Verthei- digungs = Rede des Rechtspractikanten Dr. Völk trefflich geschildert und benützt, ließen die über- wiegende Mehrheit des juristischen und nichtjuri- stischen Publikums erwarten, daß der Angekiagte nicht des Mordes, sondern nur des Todtschlags schuldig erkannt werde. Doch lautete das Ver- diet der Geschworenen auf „Mord.“ Der Ge- richtshof mußte demzufolge auf Todesstrafe er- kennen, empfahl aber zugleich den Verurtheilten der k. Begnadigung zu zeitlicher Freiheitsstrafe. Der Angeklagte blieb ziemlich regungslos; ihm sei Alles eins, was seinem Elend ein Ende mache und nicht wieder hilflos in die Welt hinausstoße. München, 26. März. Wie man hört, wird der Gesetzentwurf bezüglich der Bildung und Erweiterung der I. Kammer im Laufe dieser Woche im Staatsrath zur Berathung kommen und dürfte sonach den Kammern unmittelbar nach Ostern vorgelegt werden. Von Dem, was man über den Jnhalt dieses Entwurfs vernimmt, scheint die An- gabe das Wahrscheinlichste, daß die dermaligen Mitglieder der I. Kammer -- erbliche und lebens- längliche Reichsräthe -- ihren Sitz in der Kam- mer behalten, die Zahl der Kammermitglieder je- doch durch eine Anzahl gewählter Mitglieder ver- stärkt würde. Man scheint sich also das Gesetz für die preußische I. Kammer, das bekanntlich erst in zwei Jahren in Kraft treten soll, zum Muster genommen zu haben. -- Laut Ordre des Land- wehr=Kreiskommando 's von Oberbayern und, wie es scheint, auf Anregung des Kreiskommandanten Herzog Max wird der Oberpostrath und Professor v. Tausch der hiesigen Landwehr wöchentlich ein- mal einen Vortrag über die Kriegswissenschaft je- der Waffengattung halten. Diese Anordnung fin- det unter der Landwehr Münchens vielen Beifall. ( K. v. u. f. D. ) München, 26. März. Se. Maj. der Kö- nig ist von seinem Unwohlsein wieder hergestellt. Der König wird in Begleitung des großen Cor- tege der Hofzeremonien der Charwoche beiwohnen, sowie am Grünendonnerstag die übliche Fußwaschung vornehmen. Von den 12 alten Männern, die hiezu erwählt sind, zählt der älteste 100, der jüngste 89 Jahre. -- Jn den militärischen Werkstätten herrscht eine sehr rege Thätigkeit. Frankfurt, 23. März. Hier angekommene Reisende, welche die jüngsten Tage in Erfurt ver- lebten und der Eröffnung des sogenannten deut- schen Reichstags beiwohnten, können nicht genug schildern, wie trüb die dortige Stimmung sei, welche Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit herrsche, wie aber auch in manchen Kreisen über das Fehlschlagen der beabsichtigten Eroberung ei- nes Theils Deutschlands ohne Kanonendonner und Kampf Jngrimm und Zorn in ungebundenster Weise sich Luft mache. Das Einziehen der ein- zelnen Deputirten in die Stadt verstrich lautlos und war für die Deputirten selbst um so pein- licher, als auch sie so polizeilich inquirirt wurden, wie es nur zur Zeit des höchsten Belagerungszu- siandes stattfinden könnte. Die Masse der Bevöl- kerung, nicht die demokratische allein, sondern der eigentliche Kern blieb mehr wie kalt trotz der ver- heißenen großen Zukunft. Wehmüthig soll es je- den berührt haben zu sehen, wie die Herrn sich einzeln zur Kirche begaben, gleichsam als scheuten oder schämten sie sich eines feierlichen Zuges, der freilich bei der dortigen Stimmung eher einem Leichenbegängniß geglichen haben würde. Jn der Kirche selbst bemächtigte sich der Mitglieder eine gänzliche Entmuthigung, denn daß auch hier die Plätze für das Publikum leer und nur mager be- setzt blieben, das hatte sich denn doch Niemand erwartet. Radowitz selbst ist höchst angegriffen, man sagt von ihm, er sei zur vollsten Erkenntniß gekommen und seitdem fliehe ihn auch jeder Schat- ten von Schlaf. Uebrigens war das vorauszu- sehen. Die Wahlen an allen Orten und ganz insbesondere in unserer Umgegend gaben schon den Maaßstab. Jn vielen großen Ortschaften wurde von der ganzen Bevölkerung auf das Wählen durchaus verzichtet; in anderen wählte hie und da der Herr Pfarrer, wenn er Protestant war, allein, oder bewegte höchstens noch den Kirchendiener und manchmal den Bürgermeister und Schullehrer da- zu. Jn Castel z. B. wahlten von 400 Wahlbe- rechtigten nur 13. Aber was ist der Schluß aus dieser ganzen Komödie? in Erfurt tagt weder das ganze deutsche Volk, noch ein Theil desselben, in Erfurt tagen nur die banquerotten Gothner und ein kleiner Theil der specifischen Preußen. Man hat hier die Berechnung aufgestellt, daß bei allen Wahlen nach Erfurt sich nicht viel über 150,000 Wahlberechtigte betheiliget haben. Was will diese kleine Zahl der großen deutschen Nation von 40 Millionen bedeuten! Das deutsche Volk hat in Masse geantwortet, daß es ein ganzes Deutsch- land anstrebt, nicht preußisch werden, sondern deutsch bleiben will. Die Hrn. Gagern, Basser- mann und Consorten haben geglaubt, sie vermöch- ten den gesunden Sinn des deutschen Volkes irre zu leiten; man hat ihnen geantwortet, daß sie in Frankfurt bereits den Ruhm, in Gotha die Ehre verloren hätten und daß sie das, was sie vielleicht noch verlieren könnten, allein in Erfurt verlieren möchten. △ Frankfurt, 27. März. Hr. v. Sydow, der k. preußische Gesandte in Stuttgart ist hier eingetroffen. * Karlsruhe, 24. März. Die gestrige „ Karls- ruher Zeitung“ enthält 132 und die heutige 356 Fahndungs=Ausschreibungen gegen flüchtige badische Soldaten. Karlsruhe, 25. März. Die Kammer hat in ihren letzten Sitzungen beschlossen, die Kosten des letzten Aufstandes kurzweg durch die Gemein- den bezahlen zu lassen. Das Gesetz ist in- sofern ein großer Unsinn, als dasselbe einer gro- ßen Zahl von Gemeinden, welche dem Auf- stande auf das Entschiedenste entgegen- traten, die angenehme Pflicht auflegt, anderen Gemeinden, welche sich bei diesem Aufstand viel- leicht am thätigsten zeigten, den dadurch erlittenen Schaden zu ersetzen. Bei der Gelegenheit ent- schlüpfte dem Minister des Jnnern die naive Aeu- ßerung: daß die militärische Hilfe, welche Baden geleistet worden, zugleich ganz Deutschland geleistet gewesen und daß mithin auch die Gesammtheit des deutschen Bundes die dadurch erwachsenen Kosten zu tragen ha- ben werde, wenn man sich auch keineswegs ver- hehlen dürfe, daß unter den gegenwärtigen Ver- hältnissen von der Geltendmachung solcher Ansprüche kaum ein Erfolg zu erwarten sei. -- Wie man sieht, ist der Herr Minister im Geldpunkte -- ächt großdeutsch! ( M. J. ) F* Karlsruhe, 27. März. Unsere Stände- versammlung ist heute auf unbestimmte Zeit ver- tagt worden. × Stuttgart, 26. März. Hauptgegenstand der Berathung der heutigen 8. Sitzung der verfassungberathenden Landesversamm- lung, ist der Bericht der Verfassungskommission über den Antrag des Abgeordneten Kapff auf Herabsetzung der Diäten der Mitglieder der ge- genwärtigen Versammlung, nämlich von 5 fl. 30 kr. auf 4 fl. Dieser Antrag hatte jedoch bei der demokratischen Mehrheit keine Gnade gefunden und ward daher im Bericht ohne Erbarmen von der Kommission verdammt, welche einfachen Ueber- gang zur Tagesordnung beantragte. Obgleich verschiedene vermittelnde Anträge auf 4 fl. 30 kr., auf 5 fl. gemacht wurden u. der Abgeordnete Kuhn in einer überzeugenden Rede die Nothwendigkeit darthat, wenigstens auch ein kleines Opfer selbst

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 76. Würzburg, 29. März 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische076_1850/2>, abgerufen am 28.03.2024.