Badener Zeitung. Nr. 91, Baden (Niederösterreich), 14.11.1900. Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900. Nr. 91. [Spaltenumbruch] Compromisses Herrn v. Körber aufs äußerste zu Der steirische Großgrundbesitz möchte gerne Zur Wahlbewegung. Der Umstand, dass der Städte-Wahlbezirk Aus allen diesen Gründen hat die von uns Wir haben in unserer letzten Nummer über [Spaltenumbruch] "Ah -- nein -- aber ich bitte Sie -- ich er- "Aber umso leichter Stücke, die Ihnen einge- "Um Gotteswillen, was ist das?" rief der "Wenn Sie -- gestatten --" und hustend sank Als er sich so weit erholt hatte, um wieder "Himmel!" rief halblaut der elegante Mann, "Ja", sagte der andere ruhig, "ich muss wirklich "Aber, ich bitte Sie, verehrter Meister, Sie Er drückte auf einen Knopf. Das Mädchen trat "Greifen Sie zu", bat der Director artig, "es "Und der vor einer Stunde am Wege fast ver- "Ja, aber -- ich habe doch, nachdem Ihr Stück "Das war vor einem halben Jahre", sagte der "Ja, sehen Sie", entgegnete der Director etwas "Das ist ja recht heiter, recht erbaulich", stieß "Aber nicht zu ändern", fiel ihm der Bühnen- "Ich danke bestens, ich bin vollkommen satt". "Nun, anscheinend hat es Ihnen geschmeckt, das "Die Geschichte ist einfach genug", entgegnete Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900. Nr. 91. [Spaltenumbruch] Compromiſſes Herrn v. Körber aufs äußerſte zu Der ſteiriſche Großgrundbeſitz möchte gerne Zur Wahlbewegung. Der Umſtand, daſs der Städte-Wahlbezirk Aus allen dieſen Gründen hat die von uns Wir haben in unſerer letzten Nummer über [Spaltenumbruch] „Ah — nein — aber ich bitte Sie — ich er- „Aber umſo leichter Stücke, die Ihnen einge- „Um Gotteswillen, was iſt das?“ rief der „Wenn Sie — geſtatten —“ und huſtend ſank Als er ſich ſo weit erholt hatte, um wieder „Himmel!“ rief halblaut der elegante Mann, „Ja“, ſagte der andere ruhig, „ich muſs wirklich „Aber, ich bitte Sie, verehrter Meiſter, Sie Er drückte auf einen Knopf. Das Mädchen trat „Greifen Sie zu“, bat der Director artig, „es „Und der vor einer Stunde am Wege faſt ver- „Ja, aber — ich habe doch, nachdem Ihr Stück „Das war vor einem halben Jahre“, ſagte der „Ja, ſehen Sie“, entgegnete der Director etwas „Das iſt ja recht heiter, recht erbaulich“, ſtieß „Aber nicht zu ändern“, fiel ihm der Bühnen- „Ich danke beſtens, ich bin vollkommen ſatt“. „Nun, anſcheinend hat es Ihnen geſchmeckt, das „Die Geſchichte iſt einfach genug“, entgegnete <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900. Nr. 91.</hi> </hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="grossgrundbesitz2" prev="#grossgrundbesitz1" type="jArticle" n="2"> <p>Compromiſſes Herrn v. Körber aufs äußerſte zu<lb/> compromittieren wiſſen. 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Nun iſt das recht ſchön gedacht;<lb/> vielleicht könnte man, was das ehrlich und auf-<lb/> richtig anbelangt, bei einem Kathrein und Schöpfer<lb/> nicht ganz verzweifeln, denn dieſe gehören zu den<lb/> wenigen perſönlich ehrenhaften Erſcheinungen<lb/> unter den Clericalen. Allein bei einem Ebenhoch,<lb/> einem Treuinfels oder gar bei einem Dipauli<lb/> wäre in dieſer Beziehung Hopfen und Malz ver-<lb/> loren. Ehrlich und aufrichtig, das ſind kautſchuck-<lb/> artig dehnbare Begriffe bei einem Ebenhoch, der<lb/> ſeine Geſinnung wohl eben ſo oft wechſelt, als<lb/> ſeine Wäſche. Daran kann auch der jüngſt vom<lb/> Papſte an Dipauli geſchickte Gregoriusorden<lb/> nichts ändern; der Kalterer Baron kann es eben<lb/> in der Politik noch nicht laſſen, das zu treiben,<lb/> was ihm von den Bauern im Weinkeller nach<lb/> gerühmt wird, zu pantſchen und zu fälſchen,<lb/> natürlich für das Volkswohl. Wohl wird dieſer<lb/> Mann auf dem Schaubrette der Feudalen noch<lb/> eine wichtige Figur abgeben, denn Herr v. Körber<lb/> will ihm, den die Bauern verwerfen, wieder in<lb/> den Sattel helfen. Auch das kennzeichnet die<lb/> künftige Richtung des Cabinettes Körber.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="wahlbewegung1" next="#wahlbewegung2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zur Wahlbewegung.</hi> </head><lb/> <p>Der Umſtand, daſs der Städte-Wahlbezirk<lb/> Baden—Bruck während einer completten Seſſions-<lb/> periode des Reichsrathes ſo gut wie verwaist war,<lb/> hat der geſammten Wählerſchaft oder wenigſtens<lb/> ihrer überwiegenden Majorität die bittere Erkenntnis<lb/> nahegebracht, wie undankbar und gegen die eigenen<lb/> Intereſſen verſtoßend es war, den früheren verdienſt-<lb/> vollen Abgeordneten dieſes Bezirkes, Profeſſor<lb/><hi rendition="#g">Marchet,</hi> ſo ſchnöde fallen zu laſſen. 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Freilich, ein einziges Werk war es<lb/> nur, welches Marchet am Ausgange ſeiner Thätigkeit<lb/> als Abgeordneter als abgeſchloſſen ſeinen Wählern<lb/> hinterlaſſen konnte, die Weinbaufrage. Aber daſs ihm<lb/> die Löſung ſo mancher anderen Frage nicht gelang,<lb/> das war nicht ſeine Schuld, daran verhinderte ihn<lb/> der Ausfall der Neuwahlen. Die Frage der Haus-<lb/> zinsſteuer in Baden war nahezu ſpruchreif, in der<lb/> Gewerbegeſetznovelle hatte Marchet in einer Reihe<lb/> von eingehenden Beſprechungen die Wünſche und<lb/> Beſchwerden der Gewerbetreibenden ſeines Wahlbe-<lb/> zirkes zur Kenntnis genommen und hatte ſich für<lb/> ihre Durchſetzung ein reiches Materiale zurechtgelegt;<lb/> zahlreiche Anliegen einzelner Wähler in Gewerbe-<lb/> und Steuerſachen hatte er in aller Stille, aber mit<lb/> dem Aufgebote ſeines Einfluſſes bei den maßgebenden<lb/> Behörden zu Gunſten der Beſchwerdeführer erledigt.<lb/> Was Wunder, daſs allerorten, nachdem die erſte Auf-<lb/> regung nach den Wahlen vorüber war, und ruhigere<lb/> Ueberlegung dem Parteihaſſe Platz gemacht hatte, ſo<lb/> mancher ſeiner Widerſacher ſich mit Bedauern des<lb/> Mannes erinnerte, der trotz ſeiner Verdienſte um die<lb/> Wählerſchaft, wie ſie kaum ein zweiter Abgeordneter<lb/> aufzuweiſen haben dürfte, dem blinden Parteihaſſe<lb/> zum Opfer fallen muſste.</p><lb/> <p>Aus allen dieſen Gründen hat die von uns<lb/> gebrachte Nachricht, daſs Marchet dem Drängen der<lb/> freiheitlich geſinnten Vertrauensmänner aller ſieben<lb/> Wahlorte nach langem und begreiflichen Zögern nach-<lb/> gegeben und die Candidatur für den Reichsrath an-<lb/> genommen habe, in allen Kreiſen der Bevölkerung<lb/> lebhafte und auch unverhohlen zur Schau getragene<lb/> Befriedigung hervorgerufen. Wie die Dinge heute<lb/> liegen, iſt die Candidatur eine ſichere; ſie iſt es ſchon<lb/> deshalb, weil diesmal ſowohl die Parteifreunde des<lb/> Candidaten, als auch viele ſeiner politiſchen Gegner<lb/> ſich in dem Wunſche treffen, Marchet wieder als Ver-<lb/> treter des Bezirkes begrüßen zu können. Die loyalen<lb/> politiſchen Gegner — und es gibt deren erfreulicher<lb/> Weiſe — ſagen zwar ganz offen, Marchet ſei in<lb/> politiſcher Beziehung nicht ihr Mann; allein ſie ver-<lb/> hehlen auch nicht im geringſten das Vertrauen, das<lb/> ſie in ſeine wirtſchaftliche Leiſtungsfähigkeit ſetzen<lb/> und erwarten von ſeiner Wiederwahl das Beſte für<lb/> den Bezirk. Wir haben Gelegenheit gehabt, diesfalls<lb/> die Meinung von Männern aus allen Berufskreiſen,<lb/><cb/> aus den handwerksmäßigen Gewerben, aus der Kauf-<lb/> mannsſchaft, aus der Lehrer- und Beamtenſchaft zu<lb/> hören; die Argumente, welche für die Wiederwahl<lb/> Marchet’s geltend gemacht werden, ſind überall dieſelben:<lb/> Wir kennen Marchet als einen überzeugungstreuen<lb/> Fortſchrittler, wir kennen ihn aber auch als einen<lb/> tüchtigen, in die Bedürfniſſe aller Berufskreiſe ein-<lb/> geweihten Mann, als einen Mann von eiſerner That-<lb/> kraft und Arbeitsfreudigkeit, der ſelbſt den ſcheinbar<lb/> größten Hinderniſſen ſpielend zu begegnen weiß, wir<lb/> kennen ihn vor allem als wackeren Ehrenmann, der<lb/> in ungezählten Fällen während ſeiner Thätigkeit als<lb/> Abgeordneter ſelbſt ſeinen politiſchen Widerſachern<lb/> als uneigennütziger Helfer zur Seite geſtanden iſt.<lb/> Darum, weil wir wiſſen, was wir an Marchet haben<lb/> werden, falls er aus der Wahl als unſer Vertreter<lb/> hervorgeht, darum wollen wir, die wir ihm einſt<lb/> entgegenſtanden, unſere Stimme geben, überzeugt,<lb/> daſs er, unbeſchadet ſeiner politiſchen Anſchauungen,<lb/> das wirtſchaftliche Wohl Aller, einerlei, ob Partei-<lb/> freunde oder nicht, zu wahren trachten wird. Das iſt<lb/> ſo ungefähr der Succus aus den vielen Meinungs-<lb/> äußerungen, welche bisher über die Wiedercandidatur<lb/> Marchet’s laut wurden. Sie ehren den Mann, wie<lb/> er es verdient und jedermann wird ihm dieſe nach-<lb/> trägliche Anerkennung ſeiner perſönlichen Vorzüge aus<lb/> vollem Herzen gönnen, Sie ehren aber auch in dem-<lb/> ſelben Maße jene Männer, welche von blinder Partei-<lb/> leidenſchaft geheilt, offen und rückhaltslos ſeine Ver-<lb/> dienſte anerkennen und für ihn einzutreten ſich ver-<lb/> pflichten. Der Tag des Jahres 1897, an welchem Marchet<lb/> ſich ſo ſchmählich geſchlagen fühlte, am ſchmählichſten in<lb/> ſeiner Vaterſtadt ſelbſt, war für ihn ein bitterer und<lb/> wird ihm ſicherlich durch ſein ganzes Leben in herber Er-<lb/> innerung bleiben; aber wenn etwas imſtande iſt, das Leid<lb/> wett zu machen, das er damals erfahren, ſo iſt es<lb/> die Kundgebung der lange ſchon im Stillen gehegten<lb/> Sympathien, die jetzt beim Bekanntwerden ſeiner<lb/> Wiedercandidatur ſo ſpontan, wir möchten ſagen, aus<lb/> vollem Herzen, hervorgetreten ſind. Freilich, die Schlacht<lb/> iſt ja noch lange nicht gewonnen; es wird großer<lb/> Anſtrengungen bedürfen, um den Sieg zu erringen.<lb/> Aber eine gewiſſe frohe Zuverſicht erfüllt uns und<lb/> alle, die wir Marchet kennen und hochſchätzen gelernt<lb/> haben; hoffen wir, daſs ſich der Erfolg an die Fahne<lb/> hefte, die wir für Marchet entrollen und daſs ihn der<lb/> Badener Bezirk wieder zurückgewinne!</p><lb/> <p>Wir haben in unſerer letzten Nummer über<lb/> den Ingenier <hi rendition="#g">Raunig</hi> berichtet, der von den<lb/> Induſtriellen des Städte-Wahlbezirkes Baden-Bruck<lb/> als Candidat aufgeſtellt worden ſein ſoll. Verleitet<lb/> wurden wir zu dieſer Nachricht durch eine uns zur<lb/> Verfügung geſtellte hectographierte Notiz, in der es<lb/> wörtlich heißt: „Wie verlautet, candidieren die<lb/> Induſtriellen des <hi rendition="#g">Städtebezirkes Baden</hi> Herrn<lb/> Ingenieur Raunig, Secretär ꝛc.“ Dieſe Form der<lb/> Verlautbarung iſt nun, wie man uns mittheilt, un-<lb/> richtig und hat unter den Induſtriellen des Bezirkes</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#erreicht3" xml:id="erreicht2" prev="#erreicht1" type="jArticle" n="2"> <p>„Ah — nein — aber ich bitte Sie — ich er-<lb/> kenne Sie ja wieder — wenn ich Sie auch nur ein<lb/> einzigesmal früher geſehen, nur wenige Worte mit<lb/> Ihnen gewechſelt — ich habe ein gutes Phyſiogno-<lb/> miengedächtnis und vergeſſe niemals jemanden, den<lb/> ich auch nur ein einzigesmal flüchtig geſehen oder<lb/> geſprochen habe.“</p><lb/> <p>„Aber umſo leichter Stücke, die Ihnen einge-<lb/> reicht wurden“, erwiderte der Fremde ſarkaſtiſch. Ein<lb/> furchtbarer Huſtenanfall ſchnitt ihm jedoch jedes weitere<lb/> Wort ab.</p><lb/> <p>„Um Gotteswillen, was iſt das?“ rief der<lb/> Bühnenleiter beſtürzt. „Bitte, ſetzen Sie ſich doch!“</p><lb/> <p>„Wenn Sie — geſtatten —“ und huſtend ſank<lb/> er auf einen Seſſel nieder.</p><lb/> <p>Als er ſich ſo weit erholt hatte, um wieder<lb/> ſprechen zu können, ſagte er: „Ich danke Ihnen,<lb/> muſs Ihnen aber noch mit einer weiteren Bitte<lb/> kommen. Wie Sie ſehen, geht es mir nicht zum<lb/> beſten — aber es iſt noch weit ſchlimmer als es<lb/> ausſieht. Alles, was ich beſitze, trage ich bei mir, ich<lb/> habe nicht einen Pfennig in der Taſche und ſeit<lb/> geſtern Adend einen leeren Magen —“</p><lb/> <p>„Himmel!“ rief halblaut der elegante Mann,<lb/> von ſeinem Sitze auffahrend. „Da werde ich aber<lb/> gleich —“</p><lb/> <p>„Ja“, ſagte der andere ruhig, „ich muſs wirklich<lb/> um einen kleinen Imbiſs und einen Schluck bitten —<lb/> als Vorſchuſs auf die Premiere, ſo viel wird wohl<lb/> noch dabei abfallen“, fügte er mit bitterem Lächeln<lb/> noch hinzu.</p><lb/> <p>„Aber, ich bitte Sie, verehrter Meiſter, Sie<lb/> wollen mich doch nicht kränken! Und nun kommen<lb/> Sie, kommen Sie.“</p><lb/> <p>Er drückte auf einen Knopf. Das Mädchen trat<lb/><cb/> ein, er gab ihr einige kurze Weiſungen und führte<lb/> dann den Fremden ins Speiſezimmer.</p><lb/> <p>„Greifen Sie zu“, bat der Director artig, „es<lb/> iſt mir eine Ehre, den Mann zu bewirten, in dem<lb/> Deutſchland morgen einen neuen Dramatiker be-<lb/> grüßen wird.“</p><lb/> <p>„Und der vor einer Stunde am Wege faſt ver-<lb/> hungert liegen geblieben wäre“, ergänzte der Dichter<lb/> mit beißendem Spott.</p><lb/> <p>„Ja, aber — ich habe doch, nachdem Ihr Stück<lb/> angenommen war, in einer ganzen Reihe von Blättern<lb/> an Sie die Bitte richten laſſen, mir Ihren Aufent-<lb/> haltsort bekanntzugeben, um das nähere mit Ihnen<lb/> zu beſprechen. Wie iſt es nur möglich, daſs Sie das<lb/> nicht geleſen haben?“</p><lb/> <p>„Das war vor einem halben Jahre“, ſagte der<lb/> Dichter, den Schätzen, die das Buffet in Geſtalt von<lb/> kaltem Braten, Schinken, italieniſchem Salat ꝛc. her-<lb/> gegeben, mit wahrem Heißhunger zuſprechend, und<lb/> den Portwein in dürftigen Zügen trinkend, „wie iſt<lb/> es möglich, daſs ein Stück drei und ein halbes Jahr<lb/> im Theaterarchiv verſtaubt und dann doch noch ans<lb/> Licht gezogen wird?“</p><lb/> <p>„Ja, ſehen Sie“, entgegnete der Director etwas<lb/> verlegen, während das Mädchen vor den Gaſt eine<lb/> Schale mit gekochten Eiern hinſtellte und ihm aus<lb/> dem brodelnden Samovar eine Taſſe Thee füllte,<lb/> „mein lieber Freund, der langjährige Dramaturg<lb/> meines Theaters, Dr. Hillger, ſtarb ungefähr vor<lb/> Jahresfriſt. Dem guten Alten war die Arbeit zuletzt<lb/> über den Kopf gewachſen, und er hat ſie ſich ein<lb/> wenig vereinfacht. Er hatte ſich die bekannten Schrift-<lb/> ſteller in verſchiedene Klaſſen eingetheilt, je nach<lb/> ihrem literariſchen Rufe und las die Eingänge<lb/> „claſſenweiſe“, nicht in der Reihenfolge wie ſie ein-<lb/><cb/> liefen. Alle Manuſcripte von unbekannten Autoren<lb/> legte er in einen Winkel ſeines Bureaus, wo ſie ſich<lb/> zu einem ganze Berge anhäuften. War das Reper-<lb/> toire auf Monate hinaus feſtgelegt, ſo begann er<lb/> mit dieſen ſich zu beſchäftigen, das heißt, er legte<lb/> vier Manuſcripte auf ſeinen Schreibtiſch, las davon<lb/> eines, ließ es retournieren, während er die übrigen<lb/> drei ungeleſen zurückgehen ließ —“. Ein ſchneidendes<lb/> Lachen unterbrach hier den harmlos Plaudernden.</p><lb/> <p>„Das iſt ja recht heiter, recht erbaulich“, ſtieß<lb/> der Dichter dann in äußerſter Erregung hervor.</p><lb/> <p>„Aber nicht zu ändern“, fiel ihm der Bühnen-<lb/> leiter ruhig ins Wort, „hätten ſie eine Ahnung, welche<lb/> Stöße von Manuſcripten täglich bei uns einlaufen!<lb/> Ich engagierte einen neuen Dramaturgen, einen Lite-<lb/> rarhiſtoriker und Idealiſten vom reinſten Waſſer, der<lb/> ſeinen Lauf mit Feuereifer aufnahm. Drei Stücke<lb/> hat der Aermſte täglich geleſen und drei andere von<lb/> einigen ſeiner Freunde und Geſinnungsgenoſſen prüfen<lb/> laſſen. Da wurde endlich einmal ein wenig unter dem<lb/> Wuſt aufgeräumt! Unter den Arbeiten, die er mir<lb/> zur näheren Prüfung unterbreitete, befand ſich auch<lb/> Ihre „Fredegundis“. Ich las ſie und während ich ſie<lb/> las, erinnerte ich mich auch Ihrer Perſon, ich ſchrieb<lb/> Ihnen, ich erkundigte mich nach Ihnen — ich erließ<lb/> die Aufforderung in den Zeitungen — alles ver-<lb/> geblich — — aber bitte, greifen Sie doch zu —“</p><lb/> <p>„Ich danke beſtens, ich bin vollkommen ſatt“.</p><lb/> <p>„Nun, anſcheinend hat es Ihnen geſchmeckt, das<lb/> freut mich! Und nun bitte, erzählen Sie mir doch,<lb/> wie es Ihnen ergangen iſt und wie es möglich war,<lb/> daſs man Sie nicht fand.“</p><lb/> <p>„Die Geſchichte iſt einfach genug“, entgegnete<lb/> der andere, „ich war ein armer Teufel von Philo-<lb/> loge, der die drei oder vier Jahre bis zu ſeiner</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Mittwoch Badener Zeitung 14. November 1900. Nr. 91.
Compromiſſes Herrn v. Körber aufs äußerſte zu
compromittieren wiſſen. Ja, wenn jetzt die Re-
gierung Körber, für die Herr Biehlohlawek und
neueſteus der Confuſionsprofeſſor Schleſinger in
die Breſche treten, nicht gerettet iſt, dann iſt der
„weithin ſichtbar unparteiiſchen“ Regierung, deren
Statthalter ſoeben ſich durch eine famoſe Erle-
digung von Wahlbeſchwerden um die chriſtlich-
ſocialen Schooßkinder der Regierung hoch ver-
dient gemacht hat, auf keinen Fall mehr zu helfen.
Der ſteiriſche Großgrundbeſitz möchte gerne
allen, auch den bisher außerhalb der deutſchen
Gemeinbürgſchaft Stehenden, an welcher der
Großgrundbeſitz in deutſcher Treue feſtzuhalten
erklärt, die Hand reichen zur deutſchen Streit-
genoſſenſchaft, vorausgeſetzt, daſs dieſe ſich nur
ehrlich und aufrichtig gewillt zeigen, für die er-
erbte Stellung des deutſchen Volkes in Oeſter-
reich einzutreten. Nun iſt das recht ſchön gedacht;
vielleicht könnte man, was das ehrlich und auf-
richtig anbelangt, bei einem Kathrein und Schöpfer
nicht ganz verzweifeln, denn dieſe gehören zu den
wenigen perſönlich ehrenhaften Erſcheinungen
unter den Clericalen. Allein bei einem Ebenhoch,
einem Treuinfels oder gar bei einem Dipauli
wäre in dieſer Beziehung Hopfen und Malz ver-
loren. Ehrlich und aufrichtig, das ſind kautſchuck-
artig dehnbare Begriffe bei einem Ebenhoch, der
ſeine Geſinnung wohl eben ſo oft wechſelt, als
ſeine Wäſche. Daran kann auch der jüngſt vom
Papſte an Dipauli geſchickte Gregoriusorden
nichts ändern; der Kalterer Baron kann es eben
in der Politik noch nicht laſſen, das zu treiben,
was ihm von den Bauern im Weinkeller nach
gerühmt wird, zu pantſchen und zu fälſchen,
natürlich für das Volkswohl. Wohl wird dieſer
Mann auf dem Schaubrette der Feudalen noch
eine wichtige Figur abgeben, denn Herr v. Körber
will ihm, den die Bauern verwerfen, wieder in
den Sattel helfen. Auch das kennzeichnet die
künftige Richtung des Cabinettes Körber.
Zur Wahlbewegung.
Der Umſtand, daſs der Städte-Wahlbezirk
Baden—Bruck während einer completten Seſſions-
periode des Reichsrathes ſo gut wie verwaist war,
hat der geſammten Wählerſchaft oder wenigſtens
ihrer überwiegenden Majorität die bittere Erkenntnis
nahegebracht, wie undankbar und gegen die eigenen
Intereſſen verſtoßend es war, den früheren verdienſt-
vollen Abgeordneten dieſes Bezirkes, Profeſſor
Marchet, ſo ſchnöde fallen zu laſſen. Nicht nur der
Weinbauer hatte an ihm einen treuen Berather und
Helfer verloren, ſondern alle Berufsſtände ohne Aus-
nahme erblickten ſich dadurch ſchwer geſchädigt, daſs
ſie in der Reichsvertretung niemanden hatten, denen
ſie ihre dringenden und gewiſs berechtigten Wünſche
anvertrauen konnten. Erſt nachdem Marchet gefallen
und ſeine unermüdliche Schaffenskraft durch die negative
Thätigkeit ſeines Nachfolgers abgelöst worden war,
fand ſich eine große Anzahl von Landwirten und
Gewerbetreibenden aller Branchen, welche nicht genug
zu rühmen wuſsten, was der ſo ſchmählich hinaus-
geſtoßene Marchet für ſie geweſen, was er für ſie
gethan, wie er zu jeder Stunde bereit war, ihre
Wünſche entgegenzunehmen, entgegen der mehr abge-
ſchmackten als witzigen Behauptung ſeiner Gegner,
daſs man zu ihm nur in Frack und Handſchuhen
kommen dürfe. Freilich, ein einziges Werk war es
nur, welches Marchet am Ausgange ſeiner Thätigkeit
als Abgeordneter als abgeſchloſſen ſeinen Wählern
hinterlaſſen konnte, die Weinbaufrage. Aber daſs ihm
die Löſung ſo mancher anderen Frage nicht gelang,
das war nicht ſeine Schuld, daran verhinderte ihn
der Ausfall der Neuwahlen. Die Frage der Haus-
zinsſteuer in Baden war nahezu ſpruchreif, in der
Gewerbegeſetznovelle hatte Marchet in einer Reihe
von eingehenden Beſprechungen die Wünſche und
Beſchwerden der Gewerbetreibenden ſeines Wahlbe-
zirkes zur Kenntnis genommen und hatte ſich für
ihre Durchſetzung ein reiches Materiale zurechtgelegt;
zahlreiche Anliegen einzelner Wähler in Gewerbe-
und Steuerſachen hatte er in aller Stille, aber mit
dem Aufgebote ſeines Einfluſſes bei den maßgebenden
Behörden zu Gunſten der Beſchwerdeführer erledigt.
Was Wunder, daſs allerorten, nachdem die erſte Auf-
regung nach den Wahlen vorüber war, und ruhigere
Ueberlegung dem Parteihaſſe Platz gemacht hatte, ſo
mancher ſeiner Widerſacher ſich mit Bedauern des
Mannes erinnerte, der trotz ſeiner Verdienſte um die
Wählerſchaft, wie ſie kaum ein zweiter Abgeordneter
aufzuweiſen haben dürfte, dem blinden Parteihaſſe
zum Opfer fallen muſste.
Aus allen dieſen Gründen hat die von uns
gebrachte Nachricht, daſs Marchet dem Drängen der
freiheitlich geſinnten Vertrauensmänner aller ſieben
Wahlorte nach langem und begreiflichen Zögern nach-
gegeben und die Candidatur für den Reichsrath an-
genommen habe, in allen Kreiſen der Bevölkerung
lebhafte und auch unverhohlen zur Schau getragene
Befriedigung hervorgerufen. Wie die Dinge heute
liegen, iſt die Candidatur eine ſichere; ſie iſt es ſchon
deshalb, weil diesmal ſowohl die Parteifreunde des
Candidaten, als auch viele ſeiner politiſchen Gegner
ſich in dem Wunſche treffen, Marchet wieder als Ver-
treter des Bezirkes begrüßen zu können. Die loyalen
politiſchen Gegner — und es gibt deren erfreulicher
Weiſe — ſagen zwar ganz offen, Marchet ſei in
politiſcher Beziehung nicht ihr Mann; allein ſie ver-
hehlen auch nicht im geringſten das Vertrauen, das
ſie in ſeine wirtſchaftliche Leiſtungsfähigkeit ſetzen
und erwarten von ſeiner Wiederwahl das Beſte für
den Bezirk. Wir haben Gelegenheit gehabt, diesfalls
die Meinung von Männern aus allen Berufskreiſen,
aus den handwerksmäßigen Gewerben, aus der Kauf-
mannsſchaft, aus der Lehrer- und Beamtenſchaft zu
hören; die Argumente, welche für die Wiederwahl
Marchet’s geltend gemacht werden, ſind überall dieſelben:
Wir kennen Marchet als einen überzeugungstreuen
Fortſchrittler, wir kennen ihn aber auch als einen
tüchtigen, in die Bedürfniſſe aller Berufskreiſe ein-
geweihten Mann, als einen Mann von eiſerner That-
kraft und Arbeitsfreudigkeit, der ſelbſt den ſcheinbar
größten Hinderniſſen ſpielend zu begegnen weiß, wir
kennen ihn vor allem als wackeren Ehrenmann, der
in ungezählten Fällen während ſeiner Thätigkeit als
Abgeordneter ſelbſt ſeinen politiſchen Widerſachern
als uneigennütziger Helfer zur Seite geſtanden iſt.
Darum, weil wir wiſſen, was wir an Marchet haben
werden, falls er aus der Wahl als unſer Vertreter
hervorgeht, darum wollen wir, die wir ihm einſt
entgegenſtanden, unſere Stimme geben, überzeugt,
daſs er, unbeſchadet ſeiner politiſchen Anſchauungen,
das wirtſchaftliche Wohl Aller, einerlei, ob Partei-
freunde oder nicht, zu wahren trachten wird. Das iſt
ſo ungefähr der Succus aus den vielen Meinungs-
äußerungen, welche bisher über die Wiedercandidatur
Marchet’s laut wurden. Sie ehren den Mann, wie
er es verdient und jedermann wird ihm dieſe nach-
trägliche Anerkennung ſeiner perſönlichen Vorzüge aus
vollem Herzen gönnen, Sie ehren aber auch in dem-
ſelben Maße jene Männer, welche von blinder Partei-
leidenſchaft geheilt, offen und rückhaltslos ſeine Ver-
dienſte anerkennen und für ihn einzutreten ſich ver-
pflichten. Der Tag des Jahres 1897, an welchem Marchet
ſich ſo ſchmählich geſchlagen fühlte, am ſchmählichſten in
ſeiner Vaterſtadt ſelbſt, war für ihn ein bitterer und
wird ihm ſicherlich durch ſein ganzes Leben in herber Er-
innerung bleiben; aber wenn etwas imſtande iſt, das Leid
wett zu machen, das er damals erfahren, ſo iſt es
die Kundgebung der lange ſchon im Stillen gehegten
Sympathien, die jetzt beim Bekanntwerden ſeiner
Wiedercandidatur ſo ſpontan, wir möchten ſagen, aus
vollem Herzen, hervorgetreten ſind. Freilich, die Schlacht
iſt ja noch lange nicht gewonnen; es wird großer
Anſtrengungen bedürfen, um den Sieg zu erringen.
Aber eine gewiſſe frohe Zuverſicht erfüllt uns und
alle, die wir Marchet kennen und hochſchätzen gelernt
haben; hoffen wir, daſs ſich der Erfolg an die Fahne
hefte, die wir für Marchet entrollen und daſs ihn der
Badener Bezirk wieder zurückgewinne!
Wir haben in unſerer letzten Nummer über
den Ingenier Raunig berichtet, der von den
Induſtriellen des Städte-Wahlbezirkes Baden-Bruck
als Candidat aufgeſtellt worden ſein ſoll. Verleitet
wurden wir zu dieſer Nachricht durch eine uns zur
Verfügung geſtellte hectographierte Notiz, in der es
wörtlich heißt: „Wie verlautet, candidieren die
Induſtriellen des Städtebezirkes Baden Herrn
Ingenieur Raunig, Secretär ꝛc.“ Dieſe Form der
Verlautbarung iſt nun, wie man uns mittheilt, un-
richtig und hat unter den Induſtriellen des Bezirkes
„Ah — nein — aber ich bitte Sie — ich er-
kenne Sie ja wieder — wenn ich Sie auch nur ein
einzigesmal früher geſehen, nur wenige Worte mit
Ihnen gewechſelt — ich habe ein gutes Phyſiogno-
miengedächtnis und vergeſſe niemals jemanden, den
ich auch nur ein einzigesmal flüchtig geſehen oder
geſprochen habe.“
„Aber umſo leichter Stücke, die Ihnen einge-
reicht wurden“, erwiderte der Fremde ſarkaſtiſch. Ein
furchtbarer Huſtenanfall ſchnitt ihm jedoch jedes weitere
Wort ab.
„Um Gotteswillen, was iſt das?“ rief der
Bühnenleiter beſtürzt. „Bitte, ſetzen Sie ſich doch!“
„Wenn Sie — geſtatten —“ und huſtend ſank
er auf einen Seſſel nieder.
Als er ſich ſo weit erholt hatte, um wieder
ſprechen zu können, ſagte er: „Ich danke Ihnen,
muſs Ihnen aber noch mit einer weiteren Bitte
kommen. Wie Sie ſehen, geht es mir nicht zum
beſten — aber es iſt noch weit ſchlimmer als es
ausſieht. Alles, was ich beſitze, trage ich bei mir, ich
habe nicht einen Pfennig in der Taſche und ſeit
geſtern Adend einen leeren Magen —“
„Himmel!“ rief halblaut der elegante Mann,
von ſeinem Sitze auffahrend. „Da werde ich aber
gleich —“
„Ja“, ſagte der andere ruhig, „ich muſs wirklich
um einen kleinen Imbiſs und einen Schluck bitten —
als Vorſchuſs auf die Premiere, ſo viel wird wohl
noch dabei abfallen“, fügte er mit bitterem Lächeln
noch hinzu.
„Aber, ich bitte Sie, verehrter Meiſter, Sie
wollen mich doch nicht kränken! Und nun kommen
Sie, kommen Sie.“
Er drückte auf einen Knopf. Das Mädchen trat
ein, er gab ihr einige kurze Weiſungen und führte
dann den Fremden ins Speiſezimmer.
„Greifen Sie zu“, bat der Director artig, „es
iſt mir eine Ehre, den Mann zu bewirten, in dem
Deutſchland morgen einen neuen Dramatiker be-
grüßen wird.“
„Und der vor einer Stunde am Wege faſt ver-
hungert liegen geblieben wäre“, ergänzte der Dichter
mit beißendem Spott.
„Ja, aber — ich habe doch, nachdem Ihr Stück
angenommen war, in einer ganzen Reihe von Blättern
an Sie die Bitte richten laſſen, mir Ihren Aufent-
haltsort bekanntzugeben, um das nähere mit Ihnen
zu beſprechen. Wie iſt es nur möglich, daſs Sie das
nicht geleſen haben?“
„Das war vor einem halben Jahre“, ſagte der
Dichter, den Schätzen, die das Buffet in Geſtalt von
kaltem Braten, Schinken, italieniſchem Salat ꝛc. her-
gegeben, mit wahrem Heißhunger zuſprechend, und
den Portwein in dürftigen Zügen trinkend, „wie iſt
es möglich, daſs ein Stück drei und ein halbes Jahr
im Theaterarchiv verſtaubt und dann doch noch ans
Licht gezogen wird?“
„Ja, ſehen Sie“, entgegnete der Director etwas
verlegen, während das Mädchen vor den Gaſt eine
Schale mit gekochten Eiern hinſtellte und ihm aus
dem brodelnden Samovar eine Taſſe Thee füllte,
„mein lieber Freund, der langjährige Dramaturg
meines Theaters, Dr. Hillger, ſtarb ungefähr vor
Jahresfriſt. Dem guten Alten war die Arbeit zuletzt
über den Kopf gewachſen, und er hat ſie ſich ein
wenig vereinfacht. Er hatte ſich die bekannten Schrift-
ſteller in verſchiedene Klaſſen eingetheilt, je nach
ihrem literariſchen Rufe und las die Eingänge
„claſſenweiſe“, nicht in der Reihenfolge wie ſie ein-
liefen. Alle Manuſcripte von unbekannten Autoren
legte er in einen Winkel ſeines Bureaus, wo ſie ſich
zu einem ganze Berge anhäuften. War das Reper-
toire auf Monate hinaus feſtgelegt, ſo begann er
mit dieſen ſich zu beſchäftigen, das heißt, er legte
vier Manuſcripte auf ſeinen Schreibtiſch, las davon
eines, ließ es retournieren, während er die übrigen
drei ungeleſen zurückgehen ließ —“. Ein ſchneidendes
Lachen unterbrach hier den harmlos Plaudernden.
„Das iſt ja recht heiter, recht erbaulich“, ſtieß
der Dichter dann in äußerſter Erregung hervor.
„Aber nicht zu ändern“, fiel ihm der Bühnen-
leiter ruhig ins Wort, „hätten ſie eine Ahnung, welche
Stöße von Manuſcripten täglich bei uns einlaufen!
Ich engagierte einen neuen Dramaturgen, einen Lite-
rarhiſtoriker und Idealiſten vom reinſten Waſſer, der
ſeinen Lauf mit Feuereifer aufnahm. Drei Stücke
hat der Aermſte täglich geleſen und drei andere von
einigen ſeiner Freunde und Geſinnungsgenoſſen prüfen
laſſen. Da wurde endlich einmal ein wenig unter dem
Wuſt aufgeräumt! Unter den Arbeiten, die er mir
zur näheren Prüfung unterbreitete, befand ſich auch
Ihre „Fredegundis“. Ich las ſie und während ich ſie
las, erinnerte ich mich auch Ihrer Perſon, ich ſchrieb
Ihnen, ich erkundigte mich nach Ihnen — ich erließ
die Aufforderung in den Zeitungen — alles ver-
geblich — — aber bitte, greifen Sie doch zu —“
„Ich danke beſtens, ich bin vollkommen ſatt“.
„Nun, anſcheinend hat es Ihnen geſchmeckt, das
freut mich! Und nun bitte, erzählen Sie mir doch,
wie es Ihnen ergangen iſt und wie es möglich war,
daſs man Sie nicht fand.“
„Die Geſchichte iſt einfach genug“, entgegnete
der andere, „ich war ein armer Teufel von Philo-
loge, der die drei oder vier Jahre bis zu ſeiner
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(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
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