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Badener Zeitung. Nr. 50, Baden (Niederösterreich), 21.06.1916.

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Badener Zeitung
Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

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nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaus an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mitteilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. -- Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 50. Baden bei Wien, Mittwoch, den 21. Juni 1916. 37. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Die Neubildung des itali-
enischen Kabinetts.

Unter argen Geburtswehen ist die Neubil-
dung des italienischen Ministeriums vor sich ge-
gangen. Die Schwierigkeiten, welche sich der
Kabinettsbildung in den Weg stellten, waren
vorauszusehen und sind vollauf begreiflich. Bei
einem Haar hätte es auch der kommende Minister-
präsident Boselli abgelehnt, die ihm übertragene
wenig angenehme Mission durchzuführen. Erst
als es der persönlichen Intervention des Königs
gelang, den Schatzminister Carcano zu bestimmen,
seinen bisherigen Posten beizubehalten, erklärte
sich Boselli bereit, die Bildung des Ministeriums
durchzuführen. Dem neuen Kabinett Boselli wer-
den -- daraus erkennt man die Verlegenheiten
der Regierung -- drei bis sechs Minister ohne
Portefeuille angehören. Außerdem werden zwei
neue Ministerien geschaffen. Eines für Eisenbahn
und Handelsschiffahrt und eines für Industrie,
Handel und Arbeit. Das Ministerium des Innern
wird nun vom bisherigen Justizminister Orlando
geleitet werden. Die bisherigen Minister Sonnino,
Carcano, ferner der Kriegsminister Morrone und
der Marineminister Corsi behalten auch im neuen
Ministerium ihre bisher verwalteten Portefeuilles
bei.

Betrachtet man das neue italienische Mini-
sterium, welches sich wahrscheinlich schon in den
nächsten Tagen der Kammer vorstellen wird, nach
der parteipolitischen Zugehörigkeit der einzelnen
Minister, so wird man unschwer die Absicht
Bosellis verkennen, die Verantwortung auf
alle Kammerparteien zu verteilen. Es gehören
dem neuen Ministerium an fünf Konservativ, Li-
berale, vier Demokraten, zwei Radikale, zwei
Reformsozialisten, ein Klerikaler und ein Repu-
blikaner. Was die Stärke betrifft, auf die sich
das neue Ministerium in der Kammer stützen
kann, so ist sie nicht größer, als es jene war,
auf die Salandra rechnen konnte. Eine unbedingte
Mehrheit zusammenzubringen, ist auch Boselli
nicht gelungen. Daraus ist auch hauptsächlich das
lange Zaudern zu verstehen, welches Boselli der
Uebernahme des Portefeuilles eines Minister-
präsidenten entgegensetzte. Aus diesem Grunde
wird man auch von dem neuen Ministerium, dem
wahrscheinlich kein besonders langes Leben be-
schieden sein wird, keine besonderen Ueberraschun-
gen erwarten dürfen. Das Vertrauen des Volkes
besitzt die neue Regierung nicht. Darüber können
nicht die leisesten Zweifel obwalten.

Die neue Regierung ist nichts anderes als
das Produkt der politischen Diktatur, welche die
Entente heute über Italien ausübt. Zu allem
übrigen Unglück muß das italienische Volk nun
wahrnehmen, daß es auch die politische Frei-
zügigkeit, seine politische Selbständigkeit verloren
hat. Die "Befreier" haben das italienische Volk
unter die Botmäßigkeit des Ententewillens ge-
bracht. Italien darf sein Haus nicht mehr nach
den von den eigenen Bedürfnissen diktierten
Gesichtspunkten bestellen. Es muß so tun, wie
es diejenigen wollen, an die das Land um einen
Judaslohn verraten und verkauft worden ist.
Die Kriegshetzerpresse wird bei der ihr eigenen
[Spaltenumbruch] Wahrheitsliebe, verbunden mit der Kunst, jegliche
Vernunft und Wirklichkeit auf den Kopf zu
stellen, das zustandegekommene Ministerium Boselli
als einen glorreichen Sieg des italienischen
Kriegsgedankens ausschreien. Und so gewiß, als
zwei mal zwei vier ist, wird in der ersten Kammer-
rede Bosellis, die wahrscheinlich schon bei der
Zensur in London und Paris liegt, das berühmte
"heilige Feuer der Kriegsbegeisterung", an dem
der Ruhm des vom heiligen Egoismus erfüllten
Italien festgeschmiedet werden soll, gewaltig
rauchen. Derartige Feuerwerke sind jetzt allent-
halben furchtbar beliebt. Herr Boselli wird seinen
Zuhörern dieses Vergnügen gewiß nicht versagen
Er wird sich dabei keinenfalls von dem Bewußt-
sein beirren lassen, das dieses "heilige Feuer der
Kriegsbegeisterung" eigentlich nur eine Fata
Morgana ist, die nur von Ministerstühlen aus
sichtbar ist. Sei es aber wie immer, die itali-
enischen Kriegshetzer haben Dank ihrer hohen
und mächtigen Protektion, die aus den königlichen
Schlafgemächern kommt, einen Sieg errungen,
mit dem es sich in einer Zeit, die wie die jetzige
nur auf den Bluff eingestellt ist, ganz gut Parade
machen läßt. Der alte Kurs wird vorläufig bei-
behalten, das Strafgericht über die Kriegshetzer
scheint wieder auf eine Zeitlang hinausgeschoben.
Freilich, wie lange, das vermag kein Mensch zu
sagen. Doch eine Lotterwirtschaft freut sich schon
darüber, wenn Aussicht vorhanden ist, dieselbe
auch nur um einen Tag länger fortsetzen zu
dürfen. Den Schaden davon haben am Ende ja
doch nicht diejenigen, die heute die hohe italie-
nische Politik machen. Der einzig Leidtragende
ist das Volk, dem weitere Riesenopfer an Blut
und Gut auferlegt werden, damit sich eine Hand-
voll bezahlter und bestochener Kreaturen noch
weiter ober Wasser halten können.




Graf Tisza für die Freiheit der
Einfuhr von Lebensmitteln?

Graf Tisza hat an die Budapester Selcherver-
einigung ein Schreiben gerichtet, in dem er die
Festsetzung von Höchstpreisen von lebenden Schweinen
ankündigt. Graf Tisza schreibt da:

Das Wesen des Uebels liegt im Mangel an
Kraftfutter und infolgedessen im Mangel an ge-
mästetem Vieh. Dem abzuhelfen können wir erst
nach der bevorstehenden Ernte beginnen. Bis
dahin kann bloß von der Linderung des Uebels
die Rede sein. Darum sind wir mit ganzer Kraft
bestrebt und wir beschäftigen uns auch ernstlich
mit der Festsetzung von Höchstpreisen für Lebend-
vieh. Nicht als ob wir von dieser Maßnahme
sehr viel erwarten würden, sondern weil wir das
Publikum beruhigen wollen, daß alles mögliche
geschieht. Wir sind in einer belagerten Festung.
Wir stehen der in der ganzen Weltgeschichte
beispiellosen Erscheinung gegenüber, daß unsere
Feinde 150 Millionen Menschen, wehrlose Frauen,
Kinder und Greise, durch Hungersnot bezwingen
wollen. Diese abscheuliche Absicht wird nicht
durchgeführt werden. Sie können Uebel und
Leiden verursachen, aber das Schrecklichste haben
wir bereits hinter uns. Denn im laufenden Jahre
wird unsere Ernte immer reicher, es wird uns
[Spaltenumbruch] zur Ernte ein größeres Gebiet zur Verfügung
stehen als im vorigen Jahre. Die Verpflegung
können uns die Feinde nicht unmöglich machen.

Unsere Feinde wollen uns dadurch aushungern,
indem sie es verhindern, daß wir Lebensmittel
einführen.
Mit Genugtung sehen wir daher, daß
der ungarische Ministerpräsident das eine "abscheuliche
Absicht" nennt, und wir können daher wohl er-
warten, daß er sich allen Plänen, diese Aushungerung
etwa so nach dem Kriege fortsetzen zu wollen, daß
man die Einfuhr von Lebensmitteln durch hohe
Zölle
unmöglich macht oder erschwert, mit der
Energie entgegenstellen wird, die er hier gegenüber
den Aushungerungsplänen der Engländer betätigt.




Lokal-Nachrichten.



-- Fronleichnamsfest.

Der Kirchenmusik-
verein (Leitung: Chordirektor Nefzger) bringt zu
Fronleichnam (Donnerstag) zur Aufführung: Messe
in D-Dur K. V. 194, von W. A. Mozart, Gra-
duale u. Sequenz
von Kristinus, "Ave verum" von
Mozart, Prozessionsgesänge von Josef Gruber. Das
Hochamt beginnt um 8 Uhr, die Prozession geht
um 9 Uhr aus.

-- Personalnachricht.

Akademischer Maler
Max Schödl, seit Dezennien ein treuer Besucher
Badens, ist mit seiner Gemahlin zum Sommer-
aufenthalte eingetroffen und in Sukfülls Hotel "Grüner
Baum" abgestiegen.

-- Ein ehrendes Wort.

Die "Freie
Lehrerstimme" schreibt vom 18. d. M.: "Dr. Gustav
Marchet, der Unterrichtsminister des Wahlrechts-
ministeriums, wurde jüngst in Baden begraben. Die
kurze Zeit seiner Ministerschaft kam besonders der
Universität zugute, denn Marchet sorgte für den Aus-
bau der wissenschaftlichen Institute. Auch die Ver-
staatlichung des Konservatoriums hat er durchgeführt.
Im Parlament hat er als Minister die Angriffe auf
Professor Wahrmund abzuwehren gehabt und auch
bei der Erledigung der die Einreihung der Wiener
Lehrerschaft eingebrachten Rekurse hat er dem Rechte
zum Siege verholfen. Marchet war ein Mann des
Fortschrittes und hat sich als solcher stets betätigt.
Bezeichnend für ihn ist, daß er sich in der Kriegszeit
der "Kriegsfürsorge" widmete und für die Versendung
von Büchern ins Feld eintrat. Marchet gehört zu
den besten Unterrichtsministern, die Osterreich ge-
habt hat".

-- Vom Badener Kurorchester.

Herr
Musikdirektor Anton Konrath hat auf sein An-
suchen einen längeren Erholungsurlaub erhalten
und tritt denselben am 1. Juli an. Gleichzeitig
übernimmt Kapellmeister Anton Max Wichtl die
Leitung sämtlicher Konzerte des Kurorchesters.

-- Kunstverein in Baden.

In der am
Montag stattgefundenen Ausschußsitzung des Kunst-
vereines in Baden gelangten alle Einzelheiten über
die am 15. Juli zu eröffnende erste Ausstellung
zur Verhandlung. Vizepräsident Herr Dr. Julius
Brunner, welcher an Stelle des verreisten Prä-
sidenten Freiherr v. Lasser den Vorsitz führte, teilt
mit, daß die Anmeldungen ausstellender Künstler
unerwartet zahlreich eingelaufen sind. Außer den
sechs größten Vereinigungen haben sich 59 keiner
Körperschaft angehörige Künstler angemeldet und

Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.

[Spaltenumbruch] Redaktionsſchluß:
Dienstag und Freitag früh.
[Spaltenumbruch] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.
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werden nicht zurückgeſendet.
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Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
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Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 50. Baden bei Wien, Mittwoch, den 21. Juni 1916. 37. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Die Neubildung des itali-
eniſchen Kabinetts.

Unter argen Geburtswehen iſt die Neubil-
dung des italieniſchen Miniſteriums vor ſich ge-
gangen. Die Schwierigkeiten, welche ſich der
Kabinettsbildung in den Weg ſtellten, waren
vorauszuſehen und ſind vollauf begreiflich. Bei
einem Haar hätte es auch der kommende Miniſter-
präſident Boſelli abgelehnt, die ihm übertragene
wenig angenehme Miſſion durchzuführen. Erſt
als es der perſönlichen Intervention des Königs
gelang, den Schatzminiſter Carcano zu beſtimmen,
ſeinen bisherigen Poſten beizubehalten, erklärte
ſich Boſelli bereit, die Bildung des Miniſteriums
durchzuführen. Dem neuen Kabinett Boſelli wer-
den — daraus erkennt man die Verlegenheiten
der Regierung — drei bis ſechs Miniſter ohne
Portefeuille angehören. Außerdem werden zwei
neue Miniſterien geſchaffen. Eines für Eiſenbahn
und Handelsſchiffahrt und eines für Induſtrie,
Handel und Arbeit. Das Miniſterium des Innern
wird nun vom bisherigen Juſtizminiſter Orlando
geleitet werden. Die bisherigen Miniſter Sonnino,
Carcano, ferner der Kriegsminiſter Morrone und
der Marineminiſter Corſi behalten auch im neuen
Miniſterium ihre bisher verwalteten Portefeuilles
bei.

Betrachtet man das neue italieniſche Mini-
ſterium, welches ſich wahrſcheinlich ſchon in den
nächſten Tagen der Kammer vorſtellen wird, nach
der parteipolitiſchen Zugehörigkeit der einzelnen
Miniſter, ſo wird man unſchwer die Abſicht
Boſellis verkennen, die Verantwortung auf
alle Kammerparteien zu verteilen. Es gehören
dem neuen Miniſterium an fünf Konſervativ, Li-
berale, vier Demokraten, zwei Radikale, zwei
Reformſozialiſten, ein Klerikaler und ein Repu-
blikaner. Was die Stärke betrifft, auf die ſich
das neue Miniſterium in der Kammer ſtützen
kann, ſo iſt ſie nicht größer, als es jene war,
auf die Salandra rechnen konnte. Eine unbedingte
Mehrheit zuſammenzubringen, iſt auch Boſelli
nicht gelungen. Daraus iſt auch hauptſächlich das
lange Zaudern zu verſtehen, welches Boſelli der
Uebernahme des Portefeuilles eines Miniſter-
präſidenten entgegenſetzte. Aus dieſem Grunde
wird man auch von dem neuen Miniſterium, dem
wahrſcheinlich kein beſonders langes Leben be-
ſchieden ſein wird, keine beſonderen Ueberraſchun-
gen erwarten dürfen. Das Vertrauen des Volkes
beſitzt die neue Regierung nicht. Darüber können
nicht die leiſeſten Zweifel obwalten.

Die neue Regierung iſt nichts anderes als
das Produkt der politiſchen Diktatur, welche die
Entente heute über Italien ausübt. Zu allem
übrigen Unglück muß das italieniſche Volk nun
wahrnehmen, daß es auch die politiſche Frei-
zügigkeit, ſeine politiſche Selbſtändigkeit verloren
hat. Die „Befreier“ haben das italieniſche Volk
unter die Botmäßigkeit des Ententewillens ge-
bracht. Italien darf ſein Haus nicht mehr nach
den von den eigenen Bedürfniſſen diktierten
Geſichtspunkten beſtellen. Es muß ſo tun, wie
es diejenigen wollen, an die das Land um einen
Judaslohn verraten und verkauft worden iſt.
Die Kriegshetzerpreſſe wird bei der ihr eigenen
[Spaltenumbruch] Wahrheitsliebe, verbunden mit der Kunſt, jegliche
Vernunft und Wirklichkeit auf den Kopf zu
ſtellen, das zuſtandegekommene Miniſterium Boſelli
als einen glorreichen Sieg des italieniſchen
Kriegsgedankens ausſchreien. Und ſo gewiß, als
zwei mal zwei vier iſt, wird in der erſten Kammer-
rede Boſellis, die wahrſcheinlich ſchon bei der
Zenſur in London und Paris liegt, das berühmte
„heilige Feuer der Kriegsbegeiſterung“, an dem
der Ruhm des vom heiligen Egoismus erfüllten
Italien feſtgeſchmiedet werden ſoll, gewaltig
rauchen. Derartige Feuerwerke ſind jetzt allent-
halben furchtbar beliebt. Herr Boſelli wird ſeinen
Zuhörern dieſes Vergnügen gewiß nicht verſagen
Er wird ſich dabei keinenfalls von dem Bewußt-
ſein beirren laſſen, das dieſes „heilige Feuer der
Kriegsbegeiſterung“ eigentlich nur eine Fata
Morgana iſt, die nur von Miniſterſtühlen aus
ſichtbar iſt. Sei es aber wie immer, die itali-
eniſchen Kriegshetzer haben Dank ihrer hohen
und mächtigen Protektion, die aus den königlichen
Schlafgemächern kommt, einen Sieg errungen,
mit dem es ſich in einer Zeit, die wie die jetzige
nur auf den Bluff eingeſtellt iſt, ganz gut Parade
machen läßt. Der alte Kurs wird vorläufig bei-
behalten, das Strafgericht über die Kriegshetzer
ſcheint wieder auf eine Zeitlang hinausgeſchoben.
Freilich, wie lange, das vermag kein Menſch zu
ſagen. Doch eine Lotterwirtſchaft freut ſich ſchon
darüber, wenn Ausſicht vorhanden iſt, dieſelbe
auch nur um einen Tag länger fortſetzen zu
dürfen. Den Schaden davon haben am Ende ja
doch nicht diejenigen, die heute die hohe italie-
niſche Politik machen. Der einzig Leidtragende
iſt das Volk, dem weitere Rieſenopfer an Blut
und Gut auferlegt werden, damit ſich eine Hand-
voll bezahlter und beſtochener Kreaturen noch
weiter ober Waſſer halten können.




Graf Tisza für die Freiheit der
Einfuhr von Lebensmitteln?

Graf Tisza hat an die Budapeſter Selcherver-
einigung ein Schreiben gerichtet, in dem er die
Feſtſetzung von Höchſtpreiſen von lebenden Schweinen
ankündigt. Graf Tisza ſchreibt da:

Das Weſen des Uebels liegt im Mangel an
Kraftfutter und infolgedeſſen im Mangel an ge-
mäſtetem Vieh. Dem abzuhelfen können wir erſt
nach der bevorſtehenden Ernte beginnen. Bis
dahin kann bloß von der Linderung des Uebels
die Rede ſein. Darum ſind wir mit ganzer Kraft
beſtrebt und wir beſchäftigen uns auch ernſtlich
mit der Feſtſetzung von Höchſtpreiſen für Lebend-
vieh. Nicht als ob wir von dieſer Maßnahme
ſehr viel erwarten würden, ſondern weil wir das
Publikum beruhigen wollen, daß alles mögliche
geſchieht. Wir ſind in einer belagerten Feſtung.
Wir ſtehen der in der ganzen Weltgeſchichte
beiſpielloſen Erſcheinung gegenüber, daß unſere
Feinde 150 Millionen Menſchen, wehrloſe Frauen,
Kinder und Greiſe, durch Hungersnot bezwingen
wollen. Dieſe abſcheuliche Abſicht wird nicht
durchgeführt werden. Sie können Uebel und
Leiden verurſachen, aber das Schrecklichſte haben
wir bereits hinter uns. Denn im laufenden Jahre
wird unſere Ernte immer reicher, es wird uns
[Spaltenumbruch] zur Ernte ein größeres Gebiet zur Verfügung
ſtehen als im vorigen Jahre. Die Verpflegung
können uns die Feinde nicht unmöglich machen.

Unſere Feinde wollen uns dadurch aushungern,
indem ſie es verhindern, daß wir Lebensmittel
einführen.
Mit Genugtung ſehen wir daher, daß
der ungariſche Miniſterpräſident das eine „abſcheuliche
Abſicht“ nennt, und wir können daher wohl er-
warten, daß er ſich allen Plänen, dieſe Aushungerung
etwa ſo nach dem Kriege fortſetzen zu wollen, daß
man die Einfuhr von Lebensmitteln durch hohe
Zölle
unmöglich macht oder erſchwert, mit der
Energie entgegenſtellen wird, die er hier gegenüber
den Aushungerungsplänen der Engländer betätigt.




Lokal-Nachrichten.



Fronleichnamsfeſt.

Der Kirchenmuſik-
verein (Leitung: Chordirektor Nefzger) bringt zu
Fronleichnam (Donnerstag) zur Aufführung: Meſſe
in D-Dur K. V. 194, von W. A. Mozart, Gra-
duale u. Sequenz
von Kriſtinus, »Ave verum« von
Mozart, Prozeſſionsgeſänge von Joſef Gruber. Das
Hochamt beginnt um 8 Uhr, die Prozeſſion geht
um 9 Uhr aus.

Perſonalnachricht.

Akademiſcher Maler
Max Schödl, ſeit Dezennien ein treuer Beſucher
Badens, iſt mit ſeiner Gemahlin zum Sommer-
aufenthalte eingetroffen und in Sukfülls Hotel „Grüner
Baum“ abgeſtiegen.

Ein ehrendes Wort.

Die „Freie
Lehrerſtimme“ ſchreibt vom 18. d. M.: „Dr. Guſtav
Marchet, der Unterrichtsminiſter des Wahlrechts-
miniſteriums, wurde jüngſt in Baden begraben. Die
kurze Zeit ſeiner Miniſterſchaft kam beſonders der
Univerſität zugute, denn Marchet ſorgte für den Aus-
bau der wiſſenſchaftlichen Inſtitute. Auch die Ver-
ſtaatlichung des Konſervatoriums hat er durchgeführt.
Im Parlament hat er als Miniſter die Angriffe auf
Profeſſor Wahrmund abzuwehren gehabt und auch
bei der Erledigung der die Einreihung der Wiener
Lehrerſchaft eingebrachten Rekurſe hat er dem Rechte
zum Siege verholfen. Marchet war ein Mann des
Fortſchrittes und hat ſich als ſolcher ſtets betätigt.
Bezeichnend für ihn iſt, daß er ſich in der Kriegszeit
der „Kriegsfürſorge“ widmete und für die Verſendung
von Büchern ins Feld eintrat. Marchet gehört zu
den beſten Unterrichtsminiſtern, die Oſterreich ge-
habt hat“.

Vom Badener Kurorcheſter.

Herr
Muſikdirektor Anton Konrath hat auf ſein An-
ſuchen einen längeren Erholungsurlaub erhalten
und tritt denſelben am 1. Juli an. Gleichzeitig
übernimmt Kapellmeiſter Anton Max Wichtl die
Leitung ſämtlicher Konzerte des Kurorcheſters.

Kunſtverein in Baden.

In der am
Montag ſtattgefundenen Ausſchußſitzung des Kunſt-
vereines in Baden gelangten alle Einzelheiten über
die am 15. Juli zu eröffnende erſte Ausſtellung
zur Verhandlung. Vizepräſident Herr Dr. Julius
Brunner, welcher an Stelle des verreiſten Prä-
ſidenten Freiherr v. Laſſer den Vorſitz führte, teilt
mit, daß die Anmeldungen ausſtellender Künſtler
unerwartet zahlreich eingelaufen ſind. Außer den
ſechs größten Vereinigungen haben ſich 59 keiner
Körperſchaft angehörige Künſtler angemeldet und

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[[1]/0001] Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. Redaktionsſchluß: Dienstag und Freitag früh. Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. ——— Telephon-Anſchluß Dr. 229. ——— Unverlangt eingeſandte Manuſkripte werden nicht zurückgeſendet. Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—, ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 50. Baden bei Wien, Mittwoch, den 21. Juni 1916. 37. Jahrg. Die Neubildung des itali- eniſchen Kabinetts. Unter argen Geburtswehen iſt die Neubil- dung des italieniſchen Miniſteriums vor ſich ge- gangen. Die Schwierigkeiten, welche ſich der Kabinettsbildung in den Weg ſtellten, waren vorauszuſehen und ſind vollauf begreiflich. 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Graf Tisza hat an die Budapeſter Selcherver- einigung ein Schreiben gerichtet, in dem er die Feſtſetzung von Höchſtpreiſen von lebenden Schweinen ankündigt. Graf Tisza ſchreibt da: Das Weſen des Uebels liegt im Mangel an Kraftfutter und infolgedeſſen im Mangel an ge- mäſtetem Vieh. Dem abzuhelfen können wir erſt nach der bevorſtehenden Ernte beginnen. Bis dahin kann bloß von der Linderung des Uebels die Rede ſein. Darum ſind wir mit ganzer Kraft beſtrebt und wir beſchäftigen uns auch ernſtlich mit der Feſtſetzung von Höchſtpreiſen für Lebend- vieh. Nicht als ob wir von dieſer Maßnahme ſehr viel erwarten würden, ſondern weil wir das Publikum beruhigen wollen, daß alles mögliche geſchieht. Wir ſind in einer belagerten Feſtung. Wir ſtehen der in der ganzen Weltgeſchichte beiſpielloſen Erſcheinung gegenüber, daß unſere Feinde 150 Millionen Menſchen, wehrloſe Frauen, Kinder und Greiſe, durch Hungersnot bezwingen wollen. Dieſe abſcheuliche Abſicht wird nicht durchgeführt werden. 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V. 194, von W. A. Mozart, Gra- duale u. Sequenz von Kriſtinus, »Ave verum« von Mozart, Prozeſſionsgeſänge von Joſef Gruber. Das Hochamt beginnt um 8 Uhr, die Prozeſſion geht um 9 Uhr aus. — Perſonalnachricht. Akademiſcher Maler Max Schödl, ſeit Dezennien ein treuer Beſucher Badens, iſt mit ſeiner Gemahlin zum Sommer- aufenthalte eingetroffen und in Sukfülls Hotel „Grüner Baum“ abgeſtiegen. — Ein ehrendes Wort. Die „Freie Lehrerſtimme“ ſchreibt vom 18. d. M.: „Dr. Guſtav Marchet, der Unterrichtsminiſter des Wahlrechts- miniſteriums, wurde jüngſt in Baden begraben. Die kurze Zeit ſeiner Miniſterſchaft kam beſonders der Univerſität zugute, denn Marchet ſorgte für den Aus- bau der wiſſenſchaftlichen Inſtitute. Auch die Ver- ſtaatlichung des Konſervatoriums hat er durchgeführt. 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Vizepräſident Herr Dr. Julius Brunner, welcher an Stelle des verreiſten Prä- ſidenten Freiherr v. Laſſer den Vorſitz führte, teilt mit, daß die Anmeldungen ausſtellender Künſtler unerwartet zahlreich eingelaufen ſind. Außer den ſechs größten Vereinigungen haben ſich 59 keiner Körperſchaft angehörige Künſtler angemeldet und

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 50, Baden (Niederösterreich), 21.06.1916, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener050_1916/1>, abgerufen am 21.11.2024.