Badener Zeitung. Nr. 47, Baden (Niederösterreich), 10.06.1908. Badener Zeitung Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsschluß: Nr. 47. Mittwoch, den 10. Juni 1908. 29. Jahrg. [Spaltenumbruch] Was nun? Seit Jahrhunderten leben die Wiener Was sich in unseren Tagen da abspielt, Aber wer Wind säet, muß Sturm ernten. Haben wir denn wirklich Ursache, in diesem Durch die jesuitische Gegenreformation, [Spaltenumbruch] Feuilleton. Ein Büchlein von der Reise. *) Ungebunden und aufgeschnitten von --au-- --au--. II. Kaput. Ich kombinier' sehr gerne und Gieng drum zu Cook und "reiste rund"; Die Folge war bei dem Geschäft Ein perforiertes Fahrscheinheft. Ist man noch (gottseidank!) so ledig Wie unsereins, wählt man Venedig, Denn wenn ich einst vermählt, dann geh' Ich weiter nicht als -- Jedlesee. Am theuersten, das ist doch klar, Reist man zu zweit als Hochzeitspaar, Wenn gleich die Liebe, die nicht rostet, Auch ziemlich ein Vermögen kostet. Wer hat mit Weibern noch kein Gspusi? Doch besser ist's, man läßt in Ruh' sie: Es sind zuviele "gut" und "willig" Und ist dies weder recht noch -- billig! [Spaltenumbruch] Ich reiste rund, drum von zuhaus' Fuhr ich im Anfang gradeaus, Genoß der II. Klasse Leder (Am liebsten möchte dieses Jeder!) Durchflog per Dampf die grünen Lande Und schlief zumeist zu meiner Schande;*) Ich weiß nur soviel, daß bei Bruck Ein wenig beutelte der Zug Und daß in Laibach, statt zu schlasen, Ich dachte der Saismographen, Die hoffentlich mein Wonnebeben Pflichtschuldigst zu Papier gegeben. Dem Kondukteur ein feistes Backschisch Bewirkte, daß er einen Backfisch Und eine fesche Gouvernante In mein Coupe schob, die ich kannte, Und als ich morgens früh erwacht, Da lag sie da in voller Pracht -- Die Adria! Sie war so schlau Und macht an jedem Montag "blau": [Spaltenumbruch] Ein ganz grandios gelung'ner Streik, Für den ich mich erkenntlich zeig'. Der Gönner edelste, ja schöner Als diese sind die Schlafwaggöner; Man ließ auch sie (Undank der Wohlthat!) Im Stich, nachdem man sich erholt hatt' Und stieg nun nach des Fahrens Müh' Aus in Triest um 6 Uhr früh. Ich aß zuerst im Grand Cafe Ein Ei in nächster Meeresnäh', Wo dann ein Droschkengaul per Achse (Er schlug drei Kronen noch zur Taxe) Von Süd nach Nord, von Ost nach West Mir demonstrierte sein Triest. Zum Schlusse demonstriert ich auch Und sprach zum Rosselenkergauch: "Mein lieber Herr, ich bin hier fremd: 10 Kronen ist doch unverschämt ..." Dann zahlt' ich (sehr!) und selbstbewußt Bestieg den Thurm ich von San Giust', Entzifferte oben Runenlettern Und durfte hinab dann wieder klettern. *) Vergl. "Badener Zeitung" vom 3. Juni d. J. *) Dies deshalb schon, weil in der Nacht
Gewöhnlich man nichts Andres macht. Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsſchluß: Nr. 47. Mittwoch, den 10. Juni 1908. 29. Jahrg. [Spaltenumbruch] Was nun? Seit Jahrhunderten leben die Wiener Was ſich in unſeren Tagen da abſpielt, Aber wer Wind ſäet, muß Sturm ernten. Haben wir denn wirklich Urſache, in dieſem Durch die jeſuitiſche Gegenreformation, [Spaltenumbruch] Feuilleton. Ein Büchlein von der Reiſe. *) Ungebunden und aufgeſchnitten von —au— —au—. II. Kaput. Ich kombinier’ ſehr gerne und Gieng drum zu Cook und „reiſte rund“; Die Folge war bei dem Geſchäft Ein perforiertes Fahrſcheinheft. Iſt man noch (gottſeidank!) ſo ledig Wie unſereins, wählt man Venedig, Denn wenn ich einſt vermählt, dann geh’ Ich weiter nicht als — Jedleſee. Am theuerſten, das iſt doch klar, Reiſt man zu zweit als Hochzeitspaar, Wenn gleich die Liebe, die nicht roſtet, Auch ziemlich ein Vermögen koſtet. Wer hat mit Weibern noch kein Gſpuſi? Doch beſſer iſt’s, man läßt in Ruh’ ſie: Es ſind zuviele „gut“ und „willig“ Und iſt dies weder recht noch — billig! [Spaltenumbruch] Ich reiſte rund, drum von zuhauſ’ Fuhr ich im Anfang gradeaus, Genoß der II. Klaſſe Leder (Am liebſten möchte dieſes Jeder!) Durchflog per Dampf die grünen Lande Und ſchlief zumeiſt zu meiner Schande;*) Ich weiß nur ſoviel, daß bei Bruck Ein wenig beutelte der Zug Und daß in Laibach, ſtatt zu ſchlaſen, Ich dachte der Saïsmographen, Die hoffentlich mein Wonnebeben Pflichtſchuldigſt zu Papier gegeben. Dem Kondukteur ein feiſtes Backſchiſch Bewirkte, daß er einen Backfiſch Und eine feſche Gouvernante In mein Coupé ſchob, die ich kannte, Und als ich morgens früh erwacht, Da lag ſie da in voller Pracht — Die Adria! Sie war ſo ſchlau Und macht an jedem Montag „blau“: [Spaltenumbruch] Ein ganz grandios gelung’ner Streik, Für den ich mich erkenntlich zeig’. Der Gönner edelſte, ja ſchöner Als dieſe ſind die Schlafwaggöner; Man ließ auch ſie (Undank der Wohlthat!) Im Stich, nachdem man ſich erholt hatt’ Und ſtieg nun nach des Fahrens Müh’ Aus in Trieſt um 6 Uhr früh. Ich aß zuerſt im Grand Café Ein Ei in nächſter Meeresnäh’, Wo dann ein Droſchkengaul per Achſe (Er ſchlug drei Kronen noch zur Taxe) Von Süd nach Nord, von Oſt nach Weſt Mir demonſtrierte ſein Trieſt. Zum Schluſſe demonſtriert ich auch Und ſprach zum Roſſelenkergauch: „Mein lieber Herr, ich bin hier fremd: 10 Kronen iſt doch unverſchämt ...“ Dann zahlt’ ich (ſehr!) und ſelbſtbewußt Beſtieg den Thurm ich von San Giuſt’, Entzifferte oben Runenlettern Und durfte hinab dann wieder klettern. *) Vergl. „Badener Zeitung“ vom 3. Juni d. J. *) Dies deshalb ſchon, weil in der Nacht
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Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.
Redaktionsſchluß:
Dieustag und Freitag früh.
Erſcheint Wittwoch und Samstag früh.
Telephon-Anſchluß Nr. 229.
Anverlangt eingeſandte Mannſkripte
werden nicht zurückgeſendet.
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)
Nr. 47. Mittwoch, den 10. Juni 1908. 29. Jahrg.
Was nun?
Seit Jahrhunderten leben die Wiener
Machthaber in der Vorſtellungswelt der
Magyaren nicht mit Unrecht als die Ver-
körperung der Reaktion und der Volksfeind-
lichkeit. Dieſe Empfindung ward in der Aera
des „Ausgleiches“ geradezu zu einem not-
wendigen Requiſit der magyariſchen Politik.
Um die zur Regierungsmaxime erhobene
Willkür des magyariſchen Herrenſtammes zu
decken, wurde der Hort der Rückwärtſerei
nach Wien verlegt und der Kampf gegen
die „Wiener Hand“ organiſiert. So konnte
man den Sturmlauf von der Budapeſter
Plutokratie auf Wien ablenken, der nun
glücklich zu einem Sturmlauf einer Bauern-
rotte auf die Hochburgen der Wiſſenſchaft
geführt hat.
Was ſich in unſeren Tagen da abſpielt,
iſt ein Schauſpiel von welthiſtoriſcher Be-
deutung. Während überall um uns ſich die
Völker auf ihre Werte beſinnen, überall ſich
der Wille zur Ehrlichkeit regt, die Götzen
der von Rom gepredigten Religionsheuchelei
zertrümmert werden, ſchleicht bei uns der
Geiſt der Römlinge um und predigt das
finſtere Mittelalter. Kein Warnungsruf der
Geſchichte, keiue Enttäuſchung iſt ſtark genug,
die Glutgläubigkeit zu brechen, die Ueber-
zeugung von Roms Treuloſigkeit durchgreifen
zu laſſen.
Aber wer Wind ſäet, muß Sturm ernten.
Dem rückſichtsloſen Losſtürmen mit dem
katholiſchen Dreſchflegel, der Politik des zag-
haften Wollens und des furchtſamen Zurück-
weichens, der leeren Worte und halben Taten,
hat die Studentſchaft eine nicht mindere
rückſichtsloſere Antwort erteilt: ſie iſt in den
Streik getreten. Doch der Enthuſiasmus der
ſtudierenden Jugend prallt an der bleiernen
Gleichgültigkeit der Bürgerſchaft ab.
Haben wir denn wirklich Urſache, in dieſem
ſpannenden Kampf zweier Weltanſchauungen
ſolch ſtoiſche Ruhe zu bewahren? Werfen wir
einen Blick in die Geſchichte!
Durch die jeſuitiſche Gegenreformation,
die auf dem italianiſierten Konzil von Trient
den lebenſprühenden Geiſt der ſchönen Renaiſ-
ſanze mit ſteinharten Dogmen todwarf, wurde
das Paſttum endgültig aus dem Leben der
Kultur, der Wiſſenſchaft und Kunſt hinaus
in die geiſtige Erſtarrung gedrängt. Damit
ſoll nicht geſagt ſein, daß es vorher — außer
ſeiner Begünſtigung der bildenden Künſte
und höfiſchen Dichtung aus Prachtliebe —
viel übrig gehabt habe. Im Gegenteil. Vor
der Mathematik und Aſtronomie, vor den
Naturwiſſenſchaften, vor der Medizin- und
Geſchichtsforſchung und endlich vor den
Kentniſſen von dem internationalen Güter-
tauſch durch den Handel empfanden die meiſten
Päpſte in Rom ein Mißtrauen als „gefähr-
liches“ Wiſſensgebiet, vor deren Betreten ſie
zu warnen nie müde wurden. Von der
Himmelskunde wußten ſie nicht einmal ſo
viel als die Prieſter der Chaldäer. Wohl
hatte ſchon das Konzil von Nizäa im Jahre
325 die Regel aufgeſtellt: Oſtern ſolle von
allen Chriſten am erſten Sonntage nach dem
erſten Vollmond nach der Tag- und Nacht-
gleiche des Frühjahres gefeiert werden; aber
die römiſche Kirche ſah ſich gänzlich außer
Stande, ſelbſt den Kalender zu berechnen
und ihre eigenen Feſtzeiten zu beſtimmen.
Die Kurie mußte nach Spanien zu den
Arabern Boten entſenden, um von den moha-
medaniſchen Aſtronomen und Mathematikern
Aufklärung zu erhalten, wie ihre Feſte von
Chriſti Auferſtehung und Himmelfahrt und
der Ausgießung des heiligen Geiſtes über
alle Völker in jedem Jahre alten ſolle. So
oft die Päpſte ſich in geſundheitlicher und finan-
zieller Bedrängnis fühlten, vertrauten ſie ihren
Feuilleton.
Ein Büchlein von der Reiſe. *)
Ungebunden und aufgeſchnitten von —au— —au—.
II. Kaput.
Ich kombinier’ ſehr gerne und
Gieng drum zu Cook und „reiſte rund“;
Die Folge war bei dem Geſchäft
Ein perforiertes Fahrſcheinheft.
Iſt man noch (gottſeidank!) ſo ledig
Wie unſereins, wählt man Venedig,
Denn wenn ich einſt vermählt, dann geh’
Ich weiter nicht als — Jedleſee.
Am theuerſten, das iſt doch klar,
Reiſt man zu zweit als Hochzeitspaar,
Wenn gleich die Liebe, die nicht roſtet,
Auch ziemlich ein Vermögen koſtet.
Wer hat mit Weibern noch kein Gſpuſi?
Doch beſſer iſt’s, man läßt in Ruh’ ſie:
Es ſind zuviele „gut“ und „willig“
Und iſt dies weder recht noch — billig!
Ich reiſte rund, drum von zuhauſ’
Fuhr ich im Anfang gradeaus,
Genoß der II. Klaſſe Leder
(Am liebſten möchte dieſes Jeder!)
Durchflog per Dampf die grünen Lande
Und ſchlief zumeiſt zu meiner Schande; *)
Ich weiß nur ſoviel, daß bei Bruck
Ein wenig beutelte der Zug
Und daß in Laibach, ſtatt zu ſchlaſen,
Ich dachte der Saïsmographen,
Die hoffentlich mein Wonnebeben
Pflichtſchuldigſt zu Papier gegeben.
Dem Kondukteur ein feiſtes Backſchiſch
Bewirkte, daß er einen Backfiſch
Und eine feſche Gouvernante
In mein Coupé ſchob, die ich kannte,
Und als ich morgens früh erwacht,
Da lag ſie da in voller Pracht —
Die Adria! Sie war ſo ſchlau
Und macht an jedem Montag „blau“:
Ein ganz grandios gelung’ner Streik,
Für den ich mich erkenntlich zeig’.
Der Gönner edelſte, ja ſchöner
Als dieſe ſind die Schlafwaggöner;
Man ließ auch ſie (Undank der Wohlthat!)
Im Stich, nachdem man ſich erholt hatt’
Und ſtieg nun nach des Fahrens Müh’
Aus in Trieſt um 6 Uhr früh.
Ich aß zuerſt im Grand Café
Ein Ei in nächſter Meeresnäh’,
Wo dann ein Droſchkengaul per Achſe
(Er ſchlug drei Kronen noch zur Taxe)
Von Süd nach Nord, von Oſt nach Weſt
Mir demonſtrierte ſein Trieſt.
Zum Schluſſe demonſtriert ich auch
Und ſprach zum Roſſelenkergauch:
„Mein lieber Herr, ich bin hier fremd:
10 Kronen iſt doch unverſchämt ...“
Dann zahlt’ ich (ſehr!) und ſelbſtbewußt
Beſtieg den Thurm ich von San Giuſt’,
Entzifferte oben Runenlettern
Und durfte hinab dann wieder klettern.
*) Vergl. „Badener Zeitung“ vom 3. Juni d. J.
*) Dies deshalb ſchon, weil in der Nacht
Gewöhnlich man nichts Andres macht.
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