Badener Zeitung. Nr. 38, Baden (Niederösterreich), 12.05.1909. Badener Zeitung Deutsch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsschluß: Nr. 38 Mittwoch, den 12. Mai 1909 30. Jahrg. [Spaltenumbruch] Die ungarische Krise scheint nach den neuesten aus Pest einge- Wir wissen nicht, ob die Gruppe Justh Die ungarischen Politiker Andrassy, Der Name Kossuth hat einmal in ganz Wir halten die Stellung der Krone unter [Spaltenumbruch] Feuilleton. Briefe, Stammbücher und Erzählungen. Wenn heutzutage, wo wir alle von dem Lärm Man schreibt dem Adressaten, daß er morgen War das immer so? Auf unserem Büchermarkte Wäre dies aber möglich, wenn jene Briefe in Aber, seien wir aufrichtig, jener eigentümliche Darum war aber das Schreiben unserer Vor- Man lächle nicht über den naiven Charakter, Und wie wunderbar erscheint uns nach vielen Badener Zeitung Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ. [Spaltenumbruch]
Redaktionsſchluß: Nr. 38 Mittwoch, den 12. Mai 1909 30. Jahrg. [Spaltenumbruch] Die ungariſche Kriſe ſcheint nach den neueſten aus Peſt einge- Wir wiſſen nicht, ob die Gruppe Juſth Die ungariſchen Politiker Andraſſy, Der Name Koſſuth hat einmal in ganz Wir halten die Stellung der Krone unter [Spaltenumbruch] Feuilleton. Briefe, Stammbücher und Erzählungen. Wenn heutzutage, wo wir alle von dem Lärm Man ſchreibt dem Adreſſaten, daß er morgen War das immer ſo? Auf unſerem Büchermarkte Wäre dies aber möglich, wenn jene Briefe in Aber, ſeien wir aufrichtig, jener eigentümliche Darum war aber das Schreiben unſerer Vor- Man lächle nicht über den naiven Charakter, Und wie wunderbar erſcheint uns nach vielen <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Badener Zeitung</hi><lb/> Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition"> <p><cb/><hi rendition="#b">Redaktionsſchluß:<lb/> Dienstag und Freitag früh.<lb/><cb/> Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.<lb/> ——— Telephon-Anſchluß Nr. 229. ———<lb/><cb/> Anverlangt eingeſandte Manuſkripte<lb/> werden nicht zurückgeſendet.<lb/> Abonnement Baden:</hi> Zum Abholen vierteljährig <hi rendition="#aq">K</hi> 2·50, halbjährig <hi rendition="#aq">K</hi> 5·—, ganzjährig <hi rendition="#aq">K</hi> 10·—. 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Das eben Geſagte gilt nicht nur für jene<lb/> Korreſpondenzen, welche wir aus konventionellen<lb/> Rückſichten mit uns mehr oder minder fremden Per-<lb/> ſonen zuweilen führen müſſen, ſondern direkte für<lb/> den brieflichen Verkehr mit Freunden und engſten<lb/> Verwandten. Ja, ich kann ſagen, daß keinerlei Ver-<lb/> hältnis zweier Perſonen beſteht, welches — was den<lb/> Briefwechſel anbelangt — heute völlig frei wäre von<lb/> der eben gekennzeichneten Oberflächlichkeit und Schleu-<lb/> derhaftigkeit.</p><lb/> <p>Man ſchreibt dem Adreſſaten, daß er morgen<lb/> zu uns kommen möge, daß wir demnächſt abreiſen,<lb/> ſich dieſes und jenes zugetragen habe oder, daß wir<lb/> ihm zu irgendwelchem Feſte gratulieren. Immer aber<lb/> befleißigt man ſich der größten Kürze, ſagt nicht mehr,<lb/> als um was es ſich eben handelt und läßt jegliche<lb/> perſönlichen Reflexionen beiſeite.</p><lb/> <p>War das immer ſo? 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Lächelnd könnte jetzt allerdings<lb/> jemand ſagen: „Es handelt ſich doch ſoeben von den<lb/> Briefen hervorragender Leute, welche naturgemäß in<lb/> einem anderen Geiſte gehalten ſind, wie die der<lb/> Durchſchnittsmenſchen, von denen zuerſt die Rede war“.</p><lb/> <p>Aber, ſeien wir aufrichtig, jener eigentümliche<lb/> Hauch, welcher uns bei der Lektüre aller Briefſchaften<lb/> umweht, entſpringt nicht allein aus dem unerſchütter-<lb/> lichen Nimbus der Verfaſſer, ſondern, vielleicht in<lb/> viel höherem Maße aus der ſanften Anmut des Stiles<lb/> und dem einfach traulichen Gedankenreichtum, welchen<lb/> man in früheren Zeiten überhaupt für ſeine Briefe<lb/> verwendete. Wir finden einen lieblichen Zauber auch<lb/> in den hinterlaſſenen Schriften unſerer Großeltern<lb/> und deren Freunden, wenngleich dieſe niemals eine<lb/> hervorragende Stellung auf geiſtigem Gebiete einge-<lb/> nommen haben. 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Mühſam ſparten ſie ſich<lb/> oft die Zeit dazu ab, denn es war ihnen Erholung;<lb/> andachtsvoll waren ſie bei der Sache, wenn ſie<lb/> ſchrieben, denn ſie wollten dem Freunde ihre beſten<lb/> Gedanken geben. Da wurde nun erzählt, was im<lb/> Städtchen alles vorgefallen war, kleine, intime Er-<lb/> eigniſſe wurden wie die größten erwähnt. Aber<lb/> keineswegs wurden die Ereigniſſe bloß erzählt, o nein,<lb/> ſie wurden auch betrachtet, ſo wie man ſie wohl bei<lb/> mündlicher Unterhaltung zu betrachten pflegt, nur<lb/> mühte man ſich, mit Rückſicht auf den begrenzten<lb/> Raum eines Briefes, ſeine Ideen möglichſt bündig<lb/> aber formvollendet auszudrücken. So gut es eben<lb/> jeder konnte, tat er das und es gelang auch ſehr oft<lb/> vortrefflich.</p><lb/> <p>Man lächle nicht über den naiven Charakter,<lb/> über die manchmal kräftige Urwüchſigkeit ſolcher Do-<lb/> kumente aus der guten alten Zeit. Was je ein Men-<lb/> ſchenwerk wertvoll machen kann, das iſt die gute<lb/> Originalität, ſeine Eigenſchaft die Seele des Urhebers<lb/> in einem intereſſanten Lichte wiederzuſpiegeln.</p><lb/> <p>Und wie wunderbar erſcheint uns nach vielen<lb/> Dezennien das Bild eines unſerer Voreltern: lebens-<lb/> friſch, gefühlsreich, ehrfurchtgebietend und in allem,<lb/> allem doch ſo ewig menſchlich. Wir leſen die Brief-<lb/> leins, die einſt ein junger Studio aus der Univer-<lb/> ſitätsſtadt flattern ließ und wir fühlen mit ihm, wenn<lb/> er ſeinen geſtrengen Verwandten vielleicht etwas re-<lb/> ſigniert Bericht erſtattet von dem Zuſtande ſeiner<lb/> Effekten; wir empfinden unendlich vieles, wenn er<lb/> ſeinen daheimgebliebenen Ingendgenoſſen von dem<lb/> luſtigen Treiben der Studentenſchaft mitteilt. Das<lb/> ganze alte Städtchen mit ſeinen traulichen Gäßleins,<lb/> ſeinen ſonnigen Glacien, ſeinen kühlen Lauben und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Badener Zeitung
Deutſch-freiheitliches und unabhängiges Organ.
Redaktionsſchluß:
Dienstag und Freitag früh.
Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.
——— Telephon-Anſchluß Nr. 229. ———
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werden nicht zurückgeſendet.
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h, Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaus an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)
Nr. 38 Mittwoch, den 12. Mai 1909 30. Jahrg.
Die ungariſche Kriſe
ſcheint nach den neueſten aus Peſt einge-
laufenen Nachrichten eine günſtige Wendung
nehmen zu wollen und die Vernunft ſoll
endlich einmal wirklich ihren ewig berechtigten
Einfluß zur Geltung bringen können. Welchen
Unſinn man in einer Wählerverſammlung in
Ungarn mit Erfolg und großer Zuſtimmung
vertreten kann, hat das jüngſte Auftreten des
zurückgeſtellten Politikers Herrn v. Banffy
bewieſen. Die Hauptgruppe jener Politik in
Ungarn, welche jeglicher Vernunft den Hand-
ſchuh hinwirft, iſt die Gruppe, die ſich um
die Firma Juſth & Hollo ſchart. Dieſe
Politiker glauben, daß jetzt der Moment ge-
kommen ſei, die Perſonalunion herbeizuführen
und wollen deswegen ihr Vaterland dem
größten wirtſchaftlichen Niedergange und die
Exiſtenz des Stammes der Magyaren einem
va banque-Spiel ausſetzen. Dieſe Gruppe,
die ſich erſt unlängſt bei einer Demonſtration
zugunſten der Politik des Deutſchen Reiches
bei dem letzten, man kann wohl heute ſagen
europäiſchen Konflikte beteiligte, hält den
Augenblick für gekommen, gegen die ganze
Konſtellation des europäiſchen Konzertes eine
für deſſen Beſtand äußerſt gefährliche Politik
zu inaugurieren. Der Schwerpunkt des heu-
tigen Friedens liegt in der Waffenbrüderſchaft
Deutſchlands und Oeſterreichs, das weiß doch
heute jedes politiſche Kind. Die Perſonal-
union bedeutet jedoch eine derartige Schwä-
chung Oeſterreichs, daß hiedurch dieſer Schwer-
punkt ſofort ſeine unermeßliche Bedeutung
verliert.
Wir wiſſen nicht, ob die Gruppe Juſth
& Hollo ihre Politik mit Kenntnis dieſer
internationalen Gefahr betreibt. Sollte es
nur Unkenntnis ſein, ſo wäre dies damit zu
entſchuldigen, daß es auch ſonſt noch geiſtig
beſchränkte Politiker gibt. Sollte man dieſe
Politik aber nicht mit geiſtiger Beſchränktheit
entſchuldigen können, dann läge freilich ein
ganz anderes Beſtreben vor, über welches
ſich das richtige zu denken wir dem Leſer
überlaſſen.
Die ungariſchen Politiker Andraſſy,
Koſſuth, Apponyi und Wekerle ſtehen
allem Anſcheine nach auf einem entgegenge-
ſetzten Standpunkte. Nachdem dieſe vier
Namen heute als die wichtigſten im Ungar-
lande von uns angeſehen werden, ſo glauben
wir an eine günſtige Wendung in der un-
gariſchen Kriſe hoffen zu können. Der ſoge-
nannten Entwirrung ſcheint uns die neuerlich
gemeldete Erkrankung Koſſuth’s hinderlich zu
ſein.
Der Name Koſſuth hat einmal in ganz
Ungarn eine geradezu ausſchlaggebende Be-
deutung und von deſſen Haltung hängt im
Augenblick alles ab. Wir wollen hoffen, daß
es ſich nur um ein vorübergehendes Uebel
handelt, wenn man auch in den ſich wieder-
holenden Krankheitserſcheinungen kaum ein
beſonders günſtiges Sympton ſehen kann.
Wir halten die Stellung der Krone unter
den heutigen internationalen Verhältniſſen
der intranſigenten Magyarengruppe gegen-
über für beſonders günſtig und hoffen, daß
kein Beſchwichtigungshofrat dieſe günſtige
Poſition zu ſchädigen wagen wird.
Feuilleton.
Briefe, Stammbücher und Erzählungen.
Wenn heutzutage, wo wir alle von dem Lärm
der Großſtadt oder überhaupt von der Unraſt des
modernen Lebens erſchüttert ſind, ſich jemand dazu
anſchickt, einen Brief zu ſchreiben, ſo geſchieht dies
meiſtens mit kalter Geſchäftsmäßigkeit und der Inhalt
der Zeilen wird zu nichts weiterem, als zu der
knappſten Darſtellung des notgedrungen zu Sagenden.
Dem Gros der Menſchen unſerer Zeit iſt das Brief-
ſchreiben eine langweilige Arbeit, die man gerne
aufſchiebt, die einem läſtig wird, weil man immer
daran denken muß, einen pflichtmäßigen Brief endlich
einmal abzuſenden und die man ſchließlich mit einem
möglichſt geringen Aufwande von Zeit und Mühe
erledigt. Das eben Geſagte gilt nicht nur für jene
Korreſpondenzen, welche wir aus konventionellen
Rückſichten mit uns mehr oder minder fremden Per-
ſonen zuweilen führen müſſen, ſondern direkte für
den brieflichen Verkehr mit Freunden und engſten
Verwandten. Ja, ich kann ſagen, daß keinerlei Ver-
hältnis zweier Perſonen beſteht, welches — was den
Briefwechſel anbelangt — heute völlig frei wäre von
der eben gekennzeichneten Oberflächlichkeit und Schleu-
derhaftigkeit.
Man ſchreibt dem Adreſſaten, daß er morgen
zu uns kommen möge, daß wir demnächſt abreiſen,
ſich dieſes und jenes zugetragen habe oder, daß wir
ihm zu irgendwelchem Feſte gratulieren. Immer aber
befleißigt man ſich der größten Kürze, ſagt nicht mehr,
als um was es ſich eben handelt und läßt jegliche
perſönlichen Reflexionen beiſeite.
War das immer ſo? Auf unſerem Büchermarkte
mehren ſich die Ausgaben gedruckter Briefe von be-
kannten Perſönlichkeiten, das Intereſſe an ſolchen
Sammlungen wächſt, je mehr wir darauf ausgehen,
den Geiſt menſchlicher Berühmtheiten nicht allein aus
ihren Werken, ſondern auch aus ihren kleinen Lebens-
verhältniſſen zu ſtudieren. Wie reizt es uns, die Ge-
ſchehniſſe, welche einſt unſeren Lieblingshelden be-
wegten, in den damals gewechſelten Briefen als
etwas von geſtern beſprochen zu hören. Wir leben
noch einmal mit ihm die Ereigniſſe durch und fühlen
uns für Augenblicke ganz in ſeine Seele verſunken.
Wäre dies aber möglich, wenn jene Briefe in
dem gleichen Genre geſchrieben wären wie die unſerer
modernen Zeit? Lächelnd könnte jetzt allerdings
jemand ſagen: „Es handelt ſich doch ſoeben von den
Briefen hervorragender Leute, welche naturgemäß in
einem anderen Geiſte gehalten ſind, wie die der
Durchſchnittsmenſchen, von denen zuerſt die Rede war“.
Aber, ſeien wir aufrichtig, jener eigentümliche
Hauch, welcher uns bei der Lektüre aller Briefſchaften
umweht, entſpringt nicht allein aus dem unerſchütter-
lichen Nimbus der Verfaſſer, ſondern, vielleicht in
viel höherem Maße aus der ſanften Anmut des Stiles
und dem einfach traulichen Gedankenreichtum, welchen
man in früheren Zeiten überhaupt für ſeine Briefe
verwendete. Wir finden einen lieblichen Zauber auch
in den hinterlaſſenen Schriften unſerer Großeltern
und deren Freunden, wenngleich dieſe niemals eine
hervorragende Stellung auf geiſtigem Gebiete einge-
nommen haben. Es war eben die ganze Art, in
welcher die Vorwelt ihre Briefleins verfaßte, eine
durchaus andere; eine Art, die nicht nur den augen-
blicklichen Zwecken zu genügen ſuchte, die vielmehr
auch für fremde Gemüter und fernere Epochen ihre
anziehende Kraft bewahrte. Der „Brief“ war in
Form und Weſen etwas anderes. Heute teilen wir
dem Nächſten einen nackten Sachverhalt mit, einſt-
mals übergab man ihm ſein Herz.
Darum war aber das Schreiben unſerer Vor-
fahren auch eine liebe und für ihren Geiſt bedeutungs-
volle Arbeit. Sie freuten ſich darauf, alles, ſobald
ſie es erlebt hatten, ihren fernen Lieben mitzuteilen
und wußten ſich für einſame Winterabende keinen
herzinnigeren Genuß, wie einem vertrauten Herzen
ein Blättchen zu widmen. Mühſam ſparten ſie ſich
oft die Zeit dazu ab, denn es war ihnen Erholung;
andachtsvoll waren ſie bei der Sache, wenn ſie
ſchrieben, denn ſie wollten dem Freunde ihre beſten
Gedanken geben. Da wurde nun erzählt, was im
Städtchen alles vorgefallen war, kleine, intime Er-
eigniſſe wurden wie die größten erwähnt. Aber
keineswegs wurden die Ereigniſſe bloß erzählt, o nein,
ſie wurden auch betrachtet, ſo wie man ſie wohl bei
mündlicher Unterhaltung zu betrachten pflegt, nur
mühte man ſich, mit Rückſicht auf den begrenzten
Raum eines Briefes, ſeine Ideen möglichſt bündig
aber formvollendet auszudrücken. So gut es eben
jeder konnte, tat er das und es gelang auch ſehr oft
vortrefflich.
Man lächle nicht über den naiven Charakter,
über die manchmal kräftige Urwüchſigkeit ſolcher Do-
kumente aus der guten alten Zeit. Was je ein Men-
ſchenwerk wertvoll machen kann, das iſt die gute
Originalität, ſeine Eigenſchaft die Seele des Urhebers
in einem intereſſanten Lichte wiederzuſpiegeln.
Und wie wunderbar erſcheint uns nach vielen
Dezennien das Bild eines unſerer Voreltern: lebens-
friſch, gefühlsreich, ehrfurchtgebietend und in allem,
allem doch ſo ewig menſchlich. Wir leſen die Brief-
leins, die einſt ein junger Studio aus der Univer-
ſitätsſtadt flattern ließ und wir fühlen mit ihm, wenn
er ſeinen geſtrengen Verwandten vielleicht etwas re-
ſigniert Bericht erſtattet von dem Zuſtande ſeiner
Effekten; wir empfinden unendlich vieles, wenn er
ſeinen daheimgebliebenen Ingendgenoſſen von dem
luſtigen Treiben der Studentenſchaft mitteilt. Das
ganze alte Städtchen mit ſeinen traulichen Gäßleins,
ſeinen ſonnigen Glacien, ſeinen kühlen Lauben und
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(2018-01-26T13:38:42Z)
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