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Badener Zeitung. Nr. 25, Baden (Niederösterreich), 25.03.1908.

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Mittwoch Badener Zeitung 25. März 1908. Nr. 25.

[Spaltenumbruch]

die gleiche Antwort, die ungefähr folgender-
maßen lautete: "So lange die Badener
Bürgerschaft es ruhig dulden wird, daß sich
Katilinarier in Baden herausnehmen dürfen,
jeden, der sich der öffentlichen Tätigkeit widmen
will, mit Kot zu bewerfen, so lange werden
sich wirklich ernste Vertreter der Stadt-
interessen Badens nicht finden lassen".
Jeder Badener kennt diese Schädlinge und
jedem muß dieses Unglück Badens auch be-
kannt sein. Das christlichsoziale "Badener
Volksblatt" ist nach diesen Vorwürfen zu
diesen Schädlingen zu rechnen.

In dem Berichte muß natürlich auch stehen:
Die Juden waren auch dabei. Die Existenz
der christlichsozialen Partei beruht auf der
Judenhetze; es ist also ganz selbstverständlich,
daß in diesem Berichte auch der Jud vor-
kommen muß. Das Christentum der christlich-
sozialen Partei muß freilich auf schwachen
Füßen stehen, wenn immer der Jude zuhilfe
gerufen werden muß. Wir glauben, einige
Worte über die Judenfrage im gegenwärtigen
Falle sagen zu sollen.

Es wäre lächerlich, die Judenfrage leugnen
zu wollen; sie existiert und sie wird vom
ernsten wirtschaftlichen Standpunkte auch heute
gründlich behandelt. Zur Völkerpsychologie und
Ethnographie sind in den letzten Jahrzehnten
zwei neue wissenschaftliche Richtungen hinzu-
getreten: Die Soziologie und die Biologie.
Wenn wir den Erfolg dieser wissenschaftlichen
Tätigkeit zusammenfassen, so stellt sich die
Judenfrage als eine wichtige Kulturfrage
heraus. Je geringer die Kultur in einem Lande
ist, desto schlechter ist es mit der Qualität
der Juden daselbst bestellt; mit der Steige-
rung der Kultur nimmt die Qualität der Juden
zu und dort, wo die höchste Kultur erreicht
wurde, gibt es keine Judenfrage mehr. Mit dem
Niedergang der Kultur in Oesterreich infolge
der Herrschaft der schwarzen Internationale
mußte sich auch die Qualität der Juden ver-
schlechtern und deshalb gibt es heute schon
Strömungen unter den Juden, welche für die
konfessionelle Schule eintreten. Diese Strö-
mung beruht auf einem egoistischen und auch er-
[Spaltenumbruch] klärlichen Interesse, die Judenkinder von dem
schädlichen Einflusse auf die geistige und ge-
mütliche Erziehung in der allgemeinen Volks-
schule zu befreien. Die Judenkinder sollen nach
dieser Ansicht schon in der Volksschule auf
einen modernen Standpunkt gestellt werden.
Die Juden, die an der letzten Versammlung
der hiesigen Ortsgruppe des Vereines "Freie
Schule" teilnahmen, stehen nicht auf diesem
egoistischen Standpunkte und deshalb haben
wir uns über ihre Anwesenheit sehr erfreut.

Wer ein geliebtes Kind erzogen hat, weiß
die Qualität des Lehrers zu schätzen, hängt
doch von den vorzüglichen Eigenschaften des
Lehrers ein großer Teil der Zukunft dieses
Wesens ab, das ihm über alles geht. Für
die Qualität des Lehrers gibt es bei der
christlichsozialen Partei einen ganz anderen
Maßstab. Der Lehrer kommt mit dem Publi-
kum in mannigfachen Verkehr, das Publikum
ist für die herrschende Partei die Wählerschaft.
Bekennt sich der Lehrer zur christlichsozialen
Partei und ist er für sie tätig, dann hat er die
einzig richtige Qualität, die ihm unter den
heutigen Verhältnissen nützen kann. Hat er
diese Qualität nicht, so bekommt er eine
schwarze Note und sein Schicksal ist besiegelt.
Zu diesem Zwecke hat die christlichsoziale
Partei eine große Denunziationsmaschine in
Tätigkeit gesetzt und es ist ihr auch gelungen,
einen großen Teil der Lehrerschaft zu demorali-
sieren. Das Denunzieren ist die niederträchtigste
Eigenschaft des Menschen und selbst der ab-
gefeimteste Verbrecher empfindet eine Scham,
seinen Helfershelfer zu verraten. Für eine
Partei, welche von einem Orden kommandiert
wird, dessen Hauptgrundsatz in dem Ausspruche:
Der Zweck heiligt die Mittel, liegt, gibt es
solche Empfindungen nicht. Die heilige
Dreifaltigkeit der öffentlichen Moral
dieser modernen christlichen Partei
ist die Judenfrage, die Denunziation
und die Aemtergier.
Als Johannes Huß
in Constanz deshalb verbrannt wurde, weil
er ein Charakter war, nahte sich ein altes
Mütterchen, um den Holzstoß mit einem
Bündel Reisig zu vergrößern. Johannes Huß
[Spaltenumbruch] machte die Bemerkung: O sancta simplicitas!

Das hiesige christlichsoziale Organ glaubt
nun, auch in diesem Sinne wirken zu sollen
und fixiert die Namen der Lehrer, welche an
der letzten Versammlung der "Freien Schule"
teilnahmen, mit etwas Druckerschwärze. Es
soll die Denunziation dieser Lehrer, daß sie
an einer solchen Versammlung teilgenommen,
für alle Fälle sichergestellt und ermöglicht
werden. Das sind wohl eigenartige Schlag-
lichter, welche auf dieses moderne Christentum
geworfen werden. Wir haben einmal gesagt,
daß derjenige, welcher einen der hehren Aus-
sprüche unseres Heilands suchen würde, der
auf diese Partei passen könnte, einen solchen
nicht finden wird. Heute kennen wir ein
solches Wort Christi, aber da wir es nieder-
schreiben wollen, fällt uns ein anderer Aus-
spruch ein, der vor der Verschwendung der
göttlichen Perlen warnt. Wir werden uns
dieser Profanation nicht schuldig machen.






Fromme Volksretter.

Geehrter Herr Redakteur!

Im Anschluß finden Sie den Ausschnitt einer
großen, auffallenden Ankündigung einer italienischen
Zeitung. Das Brustbild eines sehr feisten, verschmitzt
lächelnden Paters sehen Sie als Schmuck und darunter
lesen Sie: "Padre Salvatore da Giugliano. Da una
fotografia del cav. Durante".
Die großgedruckte
Titelzeile des ganzen lautet: "E tempo di finirla",
auf deutsch: "Es ist Zeit, sie zu endigen!" Mit dem
"sie" ist die Misere der Menschheit gemeint. Und
nun wollen Sie lesen, wie Elend und Not der
Menschheit zu endigen wäre nach Pater Salvatore.

Aber Sie verstehen vielleicht gar nicht italienisch?
Dann erlaube ich mir eine Uebersetzung anzufügen.
Der Ausschnitt entstammt der "Gazzetta del Popolo
della Domanica"
(Sonntags-Volkszeitung) Turin,
17. November 1907.*)

Patre Salvatore schreibt, vielmehr läßt von
einem nichtgeistlichen Helfer schreiben:

"Einer der machtvollsten Mathematiker und Ka-
balisten, deren Italien sich rühmt, ist durch Proben
im Lotto und durch Bezeugung der ganzen Welt
ohne Zweifel der Patre Salvatore da Giugliano, der




Der alte Hanna.
Ein wahrer Studenienstreich.

Vor vier bis fünf Jahrzehnten lebte in der
Nähe von Amonsgrün, einem kleinen Orte bei Königs-
wart, ein alter Mann, welcher allgemein unter dem
Namen "der alte Hanna" bekannt war. Derselbe
machte um diese Zeit herum durch sein Gesundbeten
viel von sich zu reden und erfreute sich seitens der
ländlichen Bevölkerung in der ganzen Umgebung
großen Ansehens.

Ein ganzer Sagenkreis wob sich mit der Zeit
um das, zwischen Baumgruppen und Sträucherwerk
versteckt gelegene Hüttchen, in welchem der alte Hanna,
seit seiner Pensionierung als Schaffer auf einem
kleinen Landgute, eine hübsche Reihe von Jahren
hauste. Gar oft war das kleine Häuschen das Ziel
der Spaziergänge von Königswarter und auch Marien-
bader Kurgästen, die, durch Erzählungen anderer
neugierig gemacht, den Alten und seine Umgebung
kennen lernen wollten; für Neugierige hatte dieser
aber keine Zeit und, durchs Fenster lugend, konnte
er genau unterscheiden, wer Rat und Hilfe suchte
oder wer aus bloßer Neugier kam.

Wenn die Landbewohner die Einsiedelei nicht
aufsuchen mußten, wichen sie derselben lieben aus,
mehr aus Ehrfurcht, als aus Scheu und machten
früher einen Umweg, um nur an derselben nicht
direkt vorbeikommen zu müssen. Alte Weiber schlugen
sogar ein Kreuz, wenn sie in noch so weiter Ent-
fernung an der Hütte vorübergingen, weil in deren
Einfalt der alte Hanna die Kraft hatte, den Todes-
tag eines jeden Menschen im voraus zu bestimmen.

Der alte Hanna, der weder Familie noch sonstige
Verwandte besaß, war in Wirklichkeit ein ganz ge-
wöhnlicher, harmloser Mann, der zu seinem geheimen
Rufe als Wundermann jedenfalls viel weniger beitrug
[Spaltenumbruch] als die Leute. Diese erblickten in dem patriarchalischen
Aussehen und einsiedlermäßigem Leben des Alten
etwas Ueberirdisches und schrieben seinem Gesund-
beten große Wirkung zu. Nebenbei erzählte man von
seinem Reichtum, den er durch seinen sprichwörtlich
gewordenen Geiz -- welcher soweit gegangen sein
soll, daß er eine ihm zum Geschenke gemachte Katze
tötete und ausstopfte, um das Futter zu ersparen --
immer mehr vergrößerte.

Die dortigen Aerzte sahen dem geheimen Treiben
Hnnna's zwar mit schelen Blicken zu, wollten aber
gegen ihn als Kurpfuscher doch nicht einschreiten, weil
sie dessen nicht zu unterschätzenden Anhang respek-
tierten und sich schließlich sagen mußten, daß seine
aus verschiedenen Kräutern und Pflanzen zur besseren
Wirkung des Gesundbetens zubereiteten und verab-
reichten harmlosen Tränklein weder etwas helfen, noch
schaden konnten. Dafür ärgerten sie sich aber über
die Dummheit der Leute, aus denen überdies über
Hanna und seine Krankenbehandlung nichts genaues
herauszubringen war. Das wußte der Alte ganz gut.
Er brachte seine Tränklein, unter Auftrag des vollsten
Schweigens, damit sie von Wirkung sind, gut an und
besorgte dafür das Gesundbeten etwas billiger.

Es war einmal an einem heißen Julinachmittag,
als ein junges Bürschchen von zirka 16 Jahren, in
welchem man auf den ersten Blick einen Studenten
erkannte, auf die Hütte des alten Hanna zuging. Je
näher er derselben kam, desto geheimnisvoller war die
Stille ringsumher. Plötzlich hörte er die Hüttentur
zuschlagen und bald darauf Schritte.

"Das ist ja gar unser Schmied, der daher-
kommt. Der tut immer so aufgeklärt und geht doch
heimlich zum Hanna; es ist gut, daß er mich nicht
bemerkt hat".

Der Schmied hatte den jungen Mann aber doch
auch gesehen und dachte wieder für sich:


[Spaltenumbruch]

"Was mag nur der Doktorbub da wollen, der
wird doch nicht auch den alten Hanna ampumpen?
Dem ist alles zuzutrauen".

Die Schritte des Studenten stockten sehr oft
und einige Male umkreiste er das Häuschen, bis er
sich endlich entschloß, vor die Tür zu treten; er
mußte ein paar Mal kräftig an dieselbe klopfen, bis
er schlürfende Schritte hörte und die Tür aufgemacht
wurde.

Es lief ihm etwas kalt über den Rücken, als
er einen alten, ehrwürdigen Menschen mit bis auf
die Schulter herabwallenden weißen Haaren und be-
kleidet mit allerhand färbigen Tüchern vor sich sah,
welcher ihn durch eine Handbewegung einlud, weiter
zu kommen.

Aber rasch faßte sich der junge Mann und
schritt hinter dem Alten in eine rauchgeschwärzte
Stube, wo sich dieser auf einem zerschlissenen, divan-
ähnlichen Möbel niederließ und seinen Besuch wieder
durch eine Handbewegung aufforderte, platzzunehmen.
Ein morsches, wurmstichiges Bettgestell mit blauem,
schmutzigem Bettzeug, ein alter Kasten, drei abge-
sessene Stühle, sowie ein wiederholt verschmierter
Kachelherd bildeten die Haupteinrichtung. Auffallend
war ein, in einem Winkel hängendes Kruzifix, welches
über und über mit heiligen Bildchen und Kränzchen
geschmückt war. Ueber dem alten Kachelherd hingen
an einer Schnur verschiedene Kräuter, Wurzeln und
Rinden; von den Wänden schauten ausgestopfte
Nachtvögel, wie Eulen, Uhus und Käuzlein herab.

"Was führt dich hieher und was fehlt dir, mein
Sohn?" begann der Alte in langsamen, salbungs-
vollen Tone das Gespräch, als er seinen Besucher
mit mißtrauischen Blicken gemustert hatte, der ihm
aber ganz harmlos zu sein schien und immer wieder
die sonderbare Stubenausstattung neugierig betrachtete.

"Ja, wissen Sie, ich hab' mich verirrt, bin ein


*) Das Originale befindet sich in unseren Händen und
kann von jedermann eingesehen werden. Die Schriftleitung.
Mittwoch Badener Zeitung 25. März 1908. Nr. 25.

[Spaltenumbruch]

die gleiche Antwort, die ungefähr folgender-
maßen lautete: „So lange die Badener
Bürgerſchaft es ruhig dulden wird, daß ſich
Katilinarier in Baden herausnehmen dürfen,
jeden, der ſich der öffentlichen Tätigkeit widmen
will, mit Kot zu bewerfen, ſo lange werden
ſich wirklich ernſte Vertreter der Stadt-
intereſſen Badens nicht finden laſſen“.
Jeder Badener kennt dieſe Schädlinge und
jedem muß dieſes Unglück Badens auch be-
kannt ſein. Das chriſtlichſoziale „Badener
Volksblatt“ iſt nach dieſen Vorwürfen zu
dieſen Schädlingen zu rechnen.

In dem Berichte muß natürlich auch ſtehen:
Die Juden waren auch dabei. Die Exiſtenz
der chriſtlichſozialen Partei beruht auf der
Judenhetze; es iſt alſo ganz ſelbſtverſtändlich,
daß in dieſem Berichte auch der Jud vor-
kommen muß. Das Chriſtentum der chriſtlich-
ſozialen Partei muß freilich auf ſchwachen
Füßen ſtehen, wenn immer der Jude zuhilfe
gerufen werden muß. Wir glauben, einige
Worte über die Judenfrage im gegenwärtigen
Falle ſagen zu ſollen.

Es wäre lächerlich, die Judenfrage leugnen
zu wollen; ſie exiſtiert und ſie wird vom
ernſten wirtſchaftlichen Standpunkte auch heute
gründlich behandelt. Zur Völkerpſychologie und
Ethnographie ſind in den letzten Jahrzehnten
zwei neue wiſſenſchaftliche Richtungen hinzu-
getreten: Die Soziologie und die Biologie.
Wenn wir den Erfolg dieſer wiſſenſchaftlichen
Tätigkeit zuſammenfaſſen, ſo ſtellt ſich die
Judenfrage als eine wichtige Kulturfrage
heraus. Je geringer die Kultur in einem Lande
iſt, deſto ſchlechter iſt es mit der Qualität
der Juden daſelbſt beſtellt; mit der Steige-
rung der Kultur nimmt die Qualität der Juden
zu und dort, wo die höchſte Kultur erreicht
wurde, gibt es keine Judenfrage mehr. Mit dem
Niedergang der Kultur in Oeſterreich infolge
der Herrſchaft der ſchwarzen Internationale
mußte ſich auch die Qualität der Juden ver-
ſchlechtern und deshalb gibt es heute ſchon
Strömungen unter den Juden, welche für die
konfeſſionelle Schule eintreten. Dieſe Strö-
mung beruht auf einem egoiſtiſchen und auch er-
[Spaltenumbruch] klärlichen Intereſſe, die Judenkinder von dem
ſchädlichen Einfluſſe auf die geiſtige und ge-
mütliche Erziehung in der allgemeinen Volks-
ſchule zu befreien. Die Judenkinder ſollen nach
dieſer Anſicht ſchon in der Volksſchule auf
einen modernen Standpunkt geſtellt werden.
Die Juden, die an der letzten Verſammlung
der hieſigen Ortsgruppe des Vereines „Freie
Schule“ teilnahmen, ſtehen nicht auf dieſem
egoiſtiſchen Standpunkte und deshalb haben
wir uns über ihre Anweſenheit ſehr erfreut.

Wer ein geliebtes Kind erzogen hat, weiß
die Qualität des Lehrers zu ſchätzen, hängt
doch von den vorzüglichen Eigenſchaften des
Lehrers ein großer Teil der Zukunft dieſes
Weſens ab, das ihm über alles geht. Für
die Qualität des Lehrers gibt es bei der
chriſtlichſozialen Partei einen ganz anderen
Maßſtab. Der Lehrer kommt mit dem Publi-
kum in mannigfachen Verkehr, das Publikum
iſt für die herrſchende Partei die Wählerſchaft.
Bekennt ſich der Lehrer zur chriſtlichſozialen
Partei und iſt er für ſie tätig, dann hat er die
einzig richtige Qualität, die ihm unter den
heutigen Verhältniſſen nützen kann. Hat er
dieſe Qualität nicht, ſo bekommt er eine
ſchwarze Note und ſein Schickſal iſt beſiegelt.
Zu dieſem Zwecke hat die chriſtlichſoziale
Partei eine große Denunziationsmaſchine in
Tätigkeit geſetzt und es iſt ihr auch gelungen,
einen großen Teil der Lehrerſchaft zu demorali-
ſieren. Das Denunzieren iſt die niederträchtigſte
Eigenſchaft des Menſchen und ſelbſt der ab-
gefeimteſte Verbrecher empfindet eine Scham,
ſeinen Helfershelfer zu verraten. Für eine
Partei, welche von einem Orden kommandiert
wird, deſſen Hauptgrundſatz in dem Ausſpruche:
Der Zweck heiligt die Mittel, liegt, gibt es
ſolche Empfindungen nicht. Die heilige
Dreifaltigkeit der öffentlichen Moral
dieſer modernen chriſtlichen Partei
iſt die Judenfrage, die Denunziation
und die Aemtergier.
Als Johannes Huß
in Conſtanz deshalb verbrannt wurde, weil
er ein Charakter war, nahte ſich ein altes
Mütterchen, um den Holzſtoß mit einem
Bündel Reiſig zu vergrößern. Johannes Huß
[Spaltenumbruch] machte die Bemerkung: O sancta simplicitas!

Das hieſige chriſtlichſoziale Organ glaubt
nun, auch in dieſem Sinne wirken zu ſollen
und fixiert die Namen der Lehrer, welche an
der letzten Verſammlung der „Freien Schule“
teilnahmen, mit etwas Druckerſchwärze. Es
ſoll die Denunziation dieſer Lehrer, daß ſie
an einer ſolchen Verſammlung teilgenommen,
für alle Fälle ſichergeſtellt und ermöglicht
werden. Das ſind wohl eigenartige Schlag-
lichter, welche auf dieſes moderne Chriſtentum
geworfen werden. Wir haben einmal geſagt,
daß derjenige, welcher einen der hehren Aus-
ſprüche unſeres Heilands ſuchen würde, der
auf dieſe Partei paſſen könnte, einen ſolchen
nicht finden wird. Heute kennen wir ein
ſolches Wort Chriſti, aber da wir es nieder-
ſchreiben wollen, fällt uns ein anderer Aus-
ſpruch ein, der vor der Verſchwendung der
göttlichen Perlen warnt. Wir werden uns
dieſer Profanation nicht ſchuldig machen.






Fromme Volksretter.

Geehrter Herr Redakteur!

Im Anſchluß finden Sie den Ausſchnitt einer
großen, auffallenden Ankündigung einer italieniſchen
Zeitung. Das Bruſtbild eines ſehr feiſten, verſchmitzt
lächelnden Paters ſehen Sie als Schmuck und darunter
leſen Sie: „Padre Salvatore da Giugliano. Da una
fotografia del cav. Durante“.
Die großgedruckte
Titelzeile des ganzen lautet: „È tempo di finirla“,
auf deutſch: „Es iſt Zeit, ſie zu endigen!“ Mit dem
„ſie“ iſt die Miſere der Menſchheit gemeint. Und
nun wollen Sie leſen, wie Elend und Not der
Menſchheit zu endigen wäre nach Pater Salvatore.

Aber Sie verſtehen vielleicht gar nicht italieniſch?
Dann erlaube ich mir eine Ueberſetzung anzufügen.
Der Ausſchnitt entſtammt der „Gazzetta del Popolo
della Domanica“
(Sonntags-Volkszeitung) Turin,
17. November 1907.*)

Patre Salvatore ſchreibt, vielmehr läßt von
einem nichtgeiſtlichen Helfer ſchreiben:

„Einer der machtvollſten Mathematiker und Ka-
baliſten, deren Italien ſich rühmt, iſt durch Proben
im Lotto und durch Bezeugung der ganzen Welt
ohne Zweifel der Patre Salvatore da Giugliano, der




Der alte Hanna.
Ein wahrer Studenienſtreich.

Vor vier bis fünf Jahrzehnten lebte in der
Nähe von Amonsgrün, einem kleinen Orte bei Königs-
wart, ein alter Mann, welcher allgemein unter dem
Namen „der alte Hanna“ bekannt war. Derſelbe
machte um dieſe Zeit herum durch ſein Geſundbeten
viel von ſich zu reden und erfreute ſich ſeitens der
ländlichen Bevölkerung in der ganzen Umgebung
großen Anſehens.

Ein ganzer Sagenkreis wob ſich mit der Zeit
um das, zwiſchen Baumgruppen und Sträucherwerk
verſteckt gelegene Hüttchen, in welchem der alte Hanna,
ſeit ſeiner Penſionierung als Schaffer auf einem
kleinen Landgute, eine hübſche Reihe von Jahren
hauſte. Gar oft war das kleine Häuschen das Ziel
der Spaziergänge von Königswarter und auch Marien-
bader Kurgäſten, die, durch Erzählungen anderer
neugierig gemacht, den Alten und ſeine Umgebung
kennen lernen wollten; für Neugierige hatte dieſer
aber keine Zeit und, durchs Fenſter lugend, konnte
er genau unterſcheiden, wer Rat und Hilfe ſuchte
oder wer aus bloßer Neugier kam.

Wenn die Landbewohner die Einſiedelei nicht
aufſuchen mußten, wichen ſie derſelben lieben aus,
mehr aus Ehrfurcht, als aus Scheu und machten
früher einen Umweg, um nur an derſelben nicht
direkt vorbeikommen zu müſſen. Alte Weiber ſchlugen
ſogar ein Kreuz, wenn ſie in noch ſo weiter Ent-
fernung an der Hütte vorübergingen, weil in deren
Einfalt der alte Hanna die Kraft hatte, den Todes-
tag eines jeden Menſchen im voraus zu beſtimmen.

Der alte Hanna, der weder Familie noch ſonſtige
Verwandte beſaß, war in Wirklichkeit ein ganz ge-
wöhnlicher, harmloſer Mann, der zu ſeinem geheimen
Rufe als Wundermann jedenfalls viel weniger beitrug
[Spaltenumbruch] als die Leute. Dieſe erblickten in dem patriarchaliſchen
Ausſehen und einſiedlermäßigem Leben des Alten
etwas Ueberirdiſches und ſchrieben ſeinem Geſund-
beten große Wirkung zu. Nebenbei erzählte man von
ſeinem Reichtum, den er durch ſeinen ſprichwörtlich
gewordenen Geiz — welcher ſoweit gegangen ſein
ſoll, daß er eine ihm zum Geſchenke gemachte Katze
tötete und ausſtopfte, um das Futter zu erſparen —
immer mehr vergrößerte.

Die dortigen Aerzte ſahen dem geheimen Treiben
Hnnna’s zwar mit ſchelen Blicken zu, wollten aber
gegen ihn als Kurpfuſcher doch nicht einſchreiten, weil
ſie deſſen nicht zu unterſchätzenden Anhang reſpek-
tierten und ſich ſchließlich ſagen mußten, daß ſeine
aus verſchiedenen Kräutern und Pflanzen zur beſſeren
Wirkung des Geſundbetens zubereiteten und verab-
reichten harmloſen Tränklein weder etwas helfen, noch
ſchaden konnten. Dafür ärgerten ſie ſich aber über
die Dummheit der Leute, aus denen überdies über
Hanna und ſeine Krankenbehandlung nichts genaues
herauszubringen war. Das wußte der Alte ganz gut.
Er brachte ſeine Tränklein, unter Auftrag des vollſten
Schweigens, damit ſie von Wirkung ſind, gut an und
beſorgte dafür das Geſundbeten etwas billiger.

Es war einmal an einem heißen Julinachmittag,
als ein junges Bürſchchen von zirka 16 Jahren, in
welchem man auf den erſten Blick einen Studenten
erkannte, auf die Hütte des alten Hanna zuging. Je
näher er derſelben kam, deſto geheimnisvoller war die
Stille ringsumher. Plötzlich hörte er die Hüttentur
zuſchlagen und bald darauf Schritte.

„Das iſt ja gar unſer Schmied, der daher-
kommt. Der tut immer ſo aufgeklärt und geht doch
heimlich zum Hanna; es iſt gut, daß er mich nicht
bemerkt hat“.

Der Schmied hatte den jungen Mann aber doch
auch geſehen und dachte wieder für ſich:


[Spaltenumbruch]

„Was mag nur der Doktorbub da wollen, der
wird doch nicht auch den alten Hanna ampumpen?
Dem iſt alles zuzutrauen“.

Die Schritte des Studenten ſtockten ſehr oft
und einige Male umkreiſte er das Häuschen, bis er
ſich endlich entſchloß, vor die Tür zu treten; er
mußte ein paar Mal kräftig an dieſelbe klopfen, bis
er ſchlürfende Schritte hörte und die Tür aufgemacht
wurde.

Es lief ihm etwas kalt über den Rücken, als
er einen alten, ehrwürdigen Menſchen mit bis auf
die Schulter herabwallenden weißen Haaren und be-
kleidet mit allerhand färbigen Tüchern vor ſich ſah,
welcher ihn durch eine Handbewegung einlud, weiter
zu kommen.

Aber raſch faßte ſich der junge Mann und
ſchritt hinter dem Alten in eine rauchgeſchwärzte
Stube, wo ſich dieſer auf einem zerſchliſſenen, divan-
ähnlichen Möbel niederließ und ſeinen Beſuch wieder
durch eine Handbewegung aufforderte, platzzunehmen.
Ein morſches, wurmſtichiges Bettgeſtell mit blauem,
ſchmutzigem Bettzeug, ein alter Kaſten, drei abge-
ſeſſene Stühle, ſowie ein wiederholt verſchmierter
Kachelherd bildeten die Haupteinrichtung. Auffallend
war ein, in einem Winkel hängendes Kruzifix, welches
über und über mit heiligen Bildchen und Kränzchen
geſchmückt war. Ueber dem alten Kachelherd hingen
an einer Schnur verſchiedene Kräuter, Wurzeln und
Rinden; von den Wänden ſchauten ausgeſtopfte
Nachtvögel, wie Eulen, Uhus und Käuzlein herab.

„Was führt dich hieher und was fehlt dir, mein
Sohn?“ begann der Alte in langſamen, ſalbungs-
vollen Tone das Geſpräch, als er ſeinen Beſucher
mit mißtrauiſchen Blicken gemuſtert hatte, der ihm
aber ganz harmlos zu ſein ſchien und immer wieder
die ſonderbare Stubenausſtattung neugierig betrachtete.

„Ja, wiſſen Sie, ich hab’ mich verirrt, bin ein


*) Das Originale befindet ſich in unſeren Händen und
kann von jedermann eingeſehen werden. Die Schriftleitung.
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[2/0002] Mittwoch Badener Zeitung 25. März 1908. Nr. 25. die gleiche Antwort, die ungefähr folgender- maßen lautete: „So lange die Badener Bürgerſchaft es ruhig dulden wird, daß ſich Katilinarier in Baden herausnehmen dürfen, jeden, der ſich der öffentlichen Tätigkeit widmen will, mit Kot zu bewerfen, ſo lange werden ſich wirklich ernſte Vertreter der Stadt- intereſſen Badens nicht finden laſſen“. Jeder Badener kennt dieſe Schädlinge und jedem muß dieſes Unglück Badens auch be- kannt ſein. Das chriſtlichſoziale „Badener Volksblatt“ iſt nach dieſen Vorwürfen zu dieſen Schädlingen zu rechnen. In dem Berichte muß natürlich auch ſtehen: Die Juden waren auch dabei. Die Exiſtenz der chriſtlichſozialen Partei beruht auf der Judenhetze; es iſt alſo ganz ſelbſtverſtändlich, daß in dieſem Berichte auch der Jud vor- kommen muß. Das Chriſtentum der chriſtlich- ſozialen Partei muß freilich auf ſchwachen Füßen ſtehen, wenn immer der Jude zuhilfe gerufen werden muß. Wir glauben, einige Worte über die Judenfrage im gegenwärtigen Falle ſagen zu ſollen. Es wäre lächerlich, die Judenfrage leugnen zu wollen; ſie exiſtiert und ſie wird vom ernſten wirtſchaftlichen Standpunkte auch heute gründlich behandelt. Zur Völkerpſychologie und Ethnographie ſind in den letzten Jahrzehnten zwei neue wiſſenſchaftliche Richtungen hinzu- getreten: Die Soziologie und die Biologie. Wenn wir den Erfolg dieſer wiſſenſchaftlichen Tätigkeit zuſammenfaſſen, ſo ſtellt ſich die Judenfrage als eine wichtige Kulturfrage heraus. Je geringer die Kultur in einem Lande iſt, deſto ſchlechter iſt es mit der Qualität der Juden daſelbſt beſtellt; mit der Steige- rung der Kultur nimmt die Qualität der Juden zu und dort, wo die höchſte Kultur erreicht wurde, gibt es keine Judenfrage mehr. 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Wer ein geliebtes Kind erzogen hat, weiß die Qualität des Lehrers zu ſchätzen, hängt doch von den vorzüglichen Eigenſchaften des Lehrers ein großer Teil der Zukunft dieſes Weſens ab, das ihm über alles geht. Für die Qualität des Lehrers gibt es bei der chriſtlichſozialen Partei einen ganz anderen Maßſtab. Der Lehrer kommt mit dem Publi- kum in mannigfachen Verkehr, das Publikum iſt für die herrſchende Partei die Wählerſchaft. Bekennt ſich der Lehrer zur chriſtlichſozialen Partei und iſt er für ſie tätig, dann hat er die einzig richtige Qualität, die ihm unter den heutigen Verhältniſſen nützen kann. Hat er dieſe Qualität nicht, ſo bekommt er eine ſchwarze Note und ſein Schickſal iſt beſiegelt. Zu dieſem Zwecke hat die chriſtlichſoziale Partei eine große Denunziationsmaſchine in Tätigkeit geſetzt und es iſt ihr auch gelungen, einen großen Teil der Lehrerſchaft zu demorali- ſieren. 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Es ſoll die Denunziation dieſer Lehrer, daß ſie an einer ſolchen Verſammlung teilgenommen, für alle Fälle ſichergeſtellt und ermöglicht werden. Das ſind wohl eigenartige Schlag- lichter, welche auf dieſes moderne Chriſtentum geworfen werden. Wir haben einmal geſagt, daß derjenige, welcher einen der hehren Aus- ſprüche unſeres Heilands ſuchen würde, der auf dieſe Partei paſſen könnte, einen ſolchen nicht finden wird. Heute kennen wir ein ſolches Wort Chriſti, aber da wir es nieder- ſchreiben wollen, fällt uns ein anderer Aus- ſpruch ein, der vor der Verſchwendung der göttlichen Perlen warnt. Wir werden uns dieſer Profanation nicht ſchuldig machen. Baden, am 24. März 1908. X. Y. Z. Fromme Volksretter. Geehrter Herr Redakteur! Im Anſchluß finden Sie den Ausſchnitt einer großen, auffallenden Ankündigung einer italieniſchen Zeitung. Das Bruſtbild eines ſehr feiſten, verſchmitzt lächelnden Paters ſehen Sie als Schmuck und darunter leſen Sie: „Padre Salvatore da Giugliano. Da una fotografia del cav. Durante“. Die großgedruckte Titelzeile des ganzen lautet: „È tempo di finirla“, auf deutſch: „Es iſt Zeit, ſie zu endigen!“ Mit dem „ſie“ iſt die Miſere der Menſchheit gemeint. Und nun wollen Sie leſen, wie Elend und Not der Menſchheit zu endigen wäre nach Pater Salvatore. Aber Sie verſtehen vielleicht gar nicht italieniſch? Dann erlaube ich mir eine Ueberſetzung anzufügen. Der Ausſchnitt entſtammt der „Gazzetta del Popolo della Domanica“ (Sonntags-Volkszeitung) Turin, 17. November 1907. *) Patre Salvatore ſchreibt, vielmehr läßt von einem nichtgeiſtlichen Helfer ſchreiben: „Einer der machtvollſten Mathematiker und Ka- baliſten, deren Italien ſich rühmt, iſt durch Proben im Lotto und durch Bezeugung der ganzen Welt ohne Zweifel der Patre Salvatore da Giugliano, der Der alte Hanna. Ein wahrer Studenienſtreich. Vor vier bis fünf Jahrzehnten lebte in der Nähe von Amonsgrün, einem kleinen Orte bei Königs- wart, ein alter Mann, welcher allgemein unter dem Namen „der alte Hanna“ bekannt war. Derſelbe machte um dieſe Zeit herum durch ſein Geſundbeten viel von ſich zu reden und erfreute ſich ſeitens der ländlichen Bevölkerung in der ganzen Umgebung großen Anſehens. Ein ganzer Sagenkreis wob ſich mit der Zeit um das, zwiſchen Baumgruppen und Sträucherwerk verſteckt gelegene Hüttchen, in welchem der alte Hanna, ſeit ſeiner Penſionierung als Schaffer auf einem kleinen Landgute, eine hübſche Reihe von Jahren hauſte. Gar oft war das kleine Häuschen das Ziel der Spaziergänge von Königswarter und auch Marien- bader Kurgäſten, die, durch Erzählungen anderer neugierig gemacht, den Alten und ſeine Umgebung kennen lernen wollten; für Neugierige hatte dieſer aber keine Zeit und, durchs Fenſter lugend, konnte er genau unterſcheiden, wer Rat und Hilfe ſuchte oder wer aus bloßer Neugier kam. Wenn die Landbewohner die Einſiedelei nicht aufſuchen mußten, wichen ſie derſelben lieben aus, mehr aus Ehrfurcht, als aus Scheu und machten früher einen Umweg, um nur an derſelben nicht direkt vorbeikommen zu müſſen. Alte Weiber ſchlugen ſogar ein Kreuz, wenn ſie in noch ſo weiter Ent- fernung an der Hütte vorübergingen, weil in deren Einfalt der alte Hanna die Kraft hatte, den Todes- tag eines jeden Menſchen im voraus zu beſtimmen. Der alte Hanna, der weder Familie noch ſonſtige Verwandte beſaß, war in Wirklichkeit ein ganz ge- wöhnlicher, harmloſer Mann, der zu ſeinem geheimen Rufe als Wundermann jedenfalls viel weniger beitrug als die Leute. Dieſe erblickten in dem patriarchaliſchen Ausſehen und einſiedlermäßigem Leben des Alten etwas Ueberirdiſches und ſchrieben ſeinem Geſund- beten große Wirkung zu. Nebenbei erzählte man von ſeinem Reichtum, den er durch ſeinen ſprichwörtlich gewordenen Geiz — welcher ſoweit gegangen ſein ſoll, daß er eine ihm zum Geſchenke gemachte Katze tötete und ausſtopfte, um das Futter zu erſparen — immer mehr vergrößerte. Die dortigen Aerzte ſahen dem geheimen Treiben Hnnna’s zwar mit ſchelen Blicken zu, wollten aber gegen ihn als Kurpfuſcher doch nicht einſchreiten, weil ſie deſſen nicht zu unterſchätzenden Anhang reſpek- tierten und ſich ſchließlich ſagen mußten, daß ſeine aus verſchiedenen Kräutern und Pflanzen zur beſſeren Wirkung des Geſundbetens zubereiteten und verab- reichten harmloſen Tränklein weder etwas helfen, noch ſchaden konnten. Dafür ärgerten ſie ſich aber über die Dummheit der Leute, aus denen überdies über Hanna und ſeine Krankenbehandlung nichts genaues herauszubringen war. Das wußte der Alte ganz gut. Er brachte ſeine Tränklein, unter Auftrag des vollſten Schweigens, damit ſie von Wirkung ſind, gut an und beſorgte dafür das Geſundbeten etwas billiger. Es war einmal an einem heißen Julinachmittag, als ein junges Bürſchchen von zirka 16 Jahren, in welchem man auf den erſten Blick einen Studenten erkannte, auf die Hütte des alten Hanna zuging. Je näher er derſelben kam, deſto geheimnisvoller war die Stille ringsumher. Plötzlich hörte er die Hüttentur zuſchlagen und bald darauf Schritte. „Das iſt ja gar unſer Schmied, der daher- kommt. Der tut immer ſo aufgeklärt und geht doch heimlich zum Hanna; es iſt gut, daß er mich nicht bemerkt hat“. Der Schmied hatte den jungen Mann aber doch auch geſehen und dachte wieder für ſich: „Was mag nur der Doktorbub da wollen, der wird doch nicht auch den alten Hanna ampumpen? Dem iſt alles zuzutrauen“. Die Schritte des Studenten ſtockten ſehr oft und einige Male umkreiſte er das Häuschen, bis er ſich endlich entſchloß, vor die Tür zu treten; er mußte ein paar Mal kräftig an dieſelbe klopfen, bis er ſchlürfende Schritte hörte und die Tür aufgemacht wurde. Es lief ihm etwas kalt über den Rücken, als er einen alten, ehrwürdigen Menſchen mit bis auf die Schulter herabwallenden weißen Haaren und be- kleidet mit allerhand färbigen Tüchern vor ſich ſah, welcher ihn durch eine Handbewegung einlud, weiter zu kommen. Aber raſch faßte ſich der junge Mann und ſchritt hinter dem Alten in eine rauchgeſchwärzte Stube, wo ſich dieſer auf einem zerſchliſſenen, divan- ähnlichen Möbel niederließ und ſeinen Beſuch wieder durch eine Handbewegung aufforderte, platzzunehmen. Ein morſches, wurmſtichiges Bettgeſtell mit blauem, ſchmutzigem Bettzeug, ein alter Kaſten, drei abge- ſeſſene Stühle, ſowie ein wiederholt verſchmierter Kachelherd bildeten die Haupteinrichtung. Auffallend war ein, in einem Winkel hängendes Kruzifix, welches über und über mit heiligen Bildchen und Kränzchen geſchmückt war. Ueber dem alten Kachelherd hingen an einer Schnur verſchiedene Kräuter, Wurzeln und Rinden; von den Wänden ſchauten ausgeſtopfte Nachtvögel, wie Eulen, Uhus und Käuzlein herab. „Was führt dich hieher und was fehlt dir, mein Sohn?“ begann der Alte in langſamen, ſalbungs- vollen Tone das Geſpräch, als er ſeinen Beſucher mit mißtrauiſchen Blicken gemuſtert hatte, der ihm aber ganz harmlos zu ſein ſchien und immer wieder die ſonderbare Stubenausſtattung neugierig betrachtete. „Ja, wiſſen Sie, ich hab’ mich verirrt, bin ein *) Das Originale befindet ſich in unſeren Händen und kann von jedermann eingeſehen werden. Die Schriftleitung.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 25, Baden (Niederösterreich), 25.03.1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener025_1908/2>, abgerufen am 23.11.2024.