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Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 46. Bremen, 8. Juni 1852.

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[Beginn Spaltensatz] ist bedeutend angepflanzt und kommt gut fort; im vorigen Jahre kam
nordamerikanischer Baumwollensamen nach Santa Cruz.

Als Oelfrucht paßt am besten die Cultur der Mammonenstaude. Reis
ist bis jetzt fast gar nicht gebaut, wird aber wohl später mehr berücksichtigt werden.

Die deutschen Getreidearten, Sommerroggen, Hafer und Gerste, ferner
alle Futterkräuter und Rübenarten gedeihen und lohnen auffallend reich,
ebenso findet man in Santa Cruz alle deutschen Gemüse in der größten
Ueppigkeit. Für Weizen ist der neu cultivirte Boden zu frisch=üppig; erst
durch 4 oder 6 Ernten geschwächt, wird die Pflanze gehörig gedeihen,
dann aber hat sich in San Leopoldo der Körnerertrag auf fast unglaubliche
Weise eingestellt. Bis jetzt wird der größte Theil des für die Provinz
nöthigen Weizenmehls zu enorm hohen Preisen aus Nordamerika bezogen;
der Weizenbau ist daher eine dem Kolonisten in nächster Zeit nicht dringend
genug zu empfehlende Sache.

Mit dem Weinbau soll jetzt, da kundige Winzer aus der Moselgegend
in Santa Cruz ansäßig sind, ein Versuch gemacht werden, und steht
nach Ansicht und Aussage jener Leute, ein günstiges Resultat zu hoffen.

Der Kolonist findet in Santa Cruz alle zum Haus=, Mühlen= und
Schiffbau, ferner zu Tischler=, Böttcher= und Stellmacherarbeit nöthigen
Hölzer in größter Auswahl. Von den feinern Holzarten habe ich 7 Blöcke
hierhergebracht, um zu versuchen, ob es den Kolonisten als Handelsartikel
anzuempfehlen sein dürfte.

Das Vieh ist drüben ausgezeichnet schön und sehr billig:

    1 gutes Pferd... 7-10 span. Thlr.
    1 Maulthier.... 10-12 "     "
    1 Schlachtochse... 6-8 "     "
    1 Zugochse.... 8-9 "     "
    1 Kuh mit Kalb.. 8-9 "     "

Die Zucht der Schweine und deren Mästung ist ein besonders guter
Erwerbzweig der Kolonisten in Santa Cruz, da das fette Vieh unge-
mein hoch bezahlt wird.

Die Kolonieen liegen zusammenhängend an beiden Seiten der sie
durchschneidenden Straßen und messen 100 Ruthen in der Breite, so daß
die Kolonisten nahe beisammenwohnen. Schönes trinkbares Wasser findet
sich in jeder Kolonie. Der Fluß Pardo eignet sich sehr gut zur Anlage
von Schiffsmühlen."

Abweichend von dem in Nr. 29 uns. Bl. enthaltenen kurzen Berichte
über Santa Cruz wird die Zahl der ansässigen Kolonisten von Hrn.
Kleudgen bedeutender, nämlich auf fast 400 Köpfe in 93 Kolonieen
angegeben; auch lauten hier die Nachrichten über ihr Fortkommen günsti-
ger, als dort, wo gesagt wurde, daß die Bewohner noch mit allen Schwie-
rigkeiten eines neuen Etabilssements zu kämpfen hätten. "Es sind dort",
bemerkt Hr. Kleudgen, "Schlesier, Pommern, Mecklenburger und Rheinlän-
der, die sich gut befinden und fortkommen. An Handwerkern sind daselbst
Zimmerleute, zwei Schmiede, Böttcher, Schuhmacher und ein Schlachter,
die neben ihrer Profession den Ackerbau betreiben. Das Tagelohn ist
nicht so sehr hoch, man zahlt den Eingebornen und freien Schwarzen 6,
auch 8 spanische Thaler per Monat, und giebt ihnen die Beköstigung, die
nur sehr einfach ist. Jn Accord=Arbeit zahlt man für 5000 Quadrat-
ruthen Wald zu hauen 20 bis 24 span. Thaler, und vollbringt der Ein-
geborne diese Arbeit in 38 bis 40 Tagen. Der Handwerker verdient per
Tag ungefähr 1 span. Thaler."

Mag nun die eine oder die andere Lesart die richtige sein, soviel
dürfte unbestritten sein, daß die Boden= und Witterungsbeschaffenheit der
Kolonie an sich für Deutsche nicht ungeeignet ist, und daß bereits manch
einzelner Kolonist, wie aus den, als Anlage der Schrift beigegebenen, mit
Namensunterschrift versehenen Briefen erhellt, dort Aussicht auf eine
behagliche Existenz erlangt hat. Der Punkt, welcher uns aber gegen eine
zahlreiche Uebersiedelung von Deutschen dahin die erheblichsten Bedenken
einflößt, ist die weite Entfernung von der See. Leider bietet zu
einer genauen Angabe derselben die Schrift des Hrn. Kl. keinen Anhalts-
punkt, was in der That den unbefangenen Leser stutzig machen muß. Ein
Vergleich aber der 5 Leguas weiten Entfernung San Leopoldo's von
Porto Alegre mit dem der Stadt Rio Pardo und die Hinzurechnung
von 4 Meilen zu letzterer lehrt, daß 13 bis 15 span. Meilen der wirklichen
Entfernung zwischen Santa Cruz und Porto Alegre nahe kommen dürften.
Nun ist aber auch Porto Alegre an der Mündung des Jacuhy flusses
in den Dos Patos- See kein eigentlicher Seehafen, sondern die Seeschiffe
gehen nur bis Nio Grande, einem am Eingange dieses See's oder
Lagune gelegenen Hafenorts, von wo immerhin nahe an 20 span. Meilen
bis nach Porto Alegre in kleinern Schiffen zurückzulegen sind. Demnach
darf also die Reise von Santa Cruz bis an die See wohl auf nahe
an 35 Leguas taxirt werden == 26 - 27 deutschen Meilen. Eine solche
Entfernung kann freilich durch gute Communicationsmittel in ihren schäd-
lichen Wirkungen sehr beschränkt werden; allein es liegt doch auf der
Hand, daß sowohl die seewärts einzuführenden Fabrikate, als die seewärts
auszuführenden Produkte um die Transportkosten dieser Strecke vertheuert
werden, und dadurch für Santa Cruz in Vergleich zu andern näher oder auch
unmittelbar an der Seeküste gelegenen Kolonieen ein Nachtheil entsteht, der
sich für den Ankauf aller seewärts importirten Bedürfnißmittel sogleich,
für den Verkauf der eigenen Produkte aber, und also für das auf einen
internationalen Verkehr sich stützende commercielle Aufblühen der Kolonie
alsdann fühlbar macht, wenn ihre Produktion die Grenzen des innern
[Spaltenumbruch] Bedarfs erreicht hat. Wir ersehen allerdings aus den Mittheilungen des
Hrn. Kl., daß bis Rio Pardo schon ein Dampfschiffsverkehr auf dem
Jacuhy flusse besteht. Daß er aber nicht bedeutend sein kann, erhellt
einmal aus der geringen Einwohnerzahl des letztern Orts, der circa 4000
Bewohner hat, sodann aus andern Berichten, wonach das Flußbett des
Jacuhy für einen regelmäßigen Schiffsverkehr von Rio Pardo abwärts
erst von den dasselbe verengenden Baumstämmen gesäubert werden muß,
und diese auf 3 Jahre und 8000 Milreis veranschlagte Arbeit erst im
Sommer v. J. begonnen wurde. Der Nebenfluß Rio Pardo, an dem
4 Leguas aufwärts von seiner Mündung die Kolonie Santa Cruz
liegt, ist nach dem eigenen Bericht des Hrn. Kl. in seinem gegenwärtigen
Zustande nur für ganz kleine Böte fahrbar; auch wird sowohl in dem
Berichte selbst, als in den Briefen der Kolonisten immer nur eines Trans-
ports zu Wagen zwischen Santa Cruz und Rio Pardo Erwähnung
gethan. Nun führt freilich eine neue, von Porto Alegre nach der südlich
gelegenen Provinz San Paulo angelegte Straße durch die Kolonie; aber
nach andern Mittheilungen muß dieselbe theilweise sehr schlecht sein. Dazu
kommt, daß, je weiter die neue Kolonie sich ausdehnt, um so weiter die
einzelnen Ansiedlungen vom Flusse und von der Landstraße ab sich wenden
müssen, und daß also jeder später Kommende sich für seinen Kauf= und
Tauschverkehr in einer schlechtern Lage befindet. Derselbe Uebelstand, der
jetzt die Kolonie San Leopoldo bedrückt, daß nämlich die Produkte der
vom Flusse am entferntesten liegenden Ansiedlungen durch die Schwierigkeit
des Transports ihren Tauschwerth einbüßen, ist nach unserer Ansicht auch
bei Santa Cruz, und zwar um so eher zu erwarten, als ihr Rio Pardo
keinen so bedeutenden Markt bietet, wie Porto Alegre für San Leopoldo
und als die Entfernung von der See eine soviel größere ist. Das ist eben
die Schattenseite aller Ansiedlungen ohne reich bevölkertes und leicht zugäng-
liches Hinterland, daß nach einem glänzenden Anfange, wenn die Produktion
die geringe innere Vegehr befriedigt, plötzlich ein Stillstand eintritt, indem
weder ein weiterer Verkehr nach dem Jnnern zu, noch ein regelmäßiger
Absatz zur See wegen der unbedeutenden Handelsverbindung mit den
größern Weltmärkten möglich ist. Letzterer entsteht freilich nach und nach,
aber doch nur da mit Erfolg, wo in der Bevölkerung selbst ein reger
Drang nach Entwickelung, nach Bewältigung des ganzen eigenen Gebietes,
ein rastloses Vorwärtstreiben in die Welt der Gebirge und des Urwalds
stets neue Produktion erschließt und neue Bedürfnisse schafft, wo Stoß auf
Stoß ein zweiter Haufen Ansiedler sofort in die Spuren der rastlos weiter-
dringenden Vorgänger eintritt. Diesen Prozeß sehen wir nirgends lebhafter
sich entwickeln, als unter den kühnen Yankees der Vereinigten Staa-
ten,
weßhalb dort auch die entfernteste Ansiedlung, sobald sie nur an
einer guten Wasserstraße angelegt ist, in kurzer Frist die Vermittlerin
einer noch entfernteren wird, und Handel und Jndustrie in raschem Stei-
gen in ihr pulsiren. Ein solches Bild bieten uns die bisherigen Versuche
deutscher Kolonisation in Brasilien im Entferntesten nicht, und wie
sollten sie auch, wo die eingeborne Bevölkerung in angeborner Trägheit
dumpf stagnirt und die Kolonisation weniger das Werk eigenen freien,
von allen Seiten herströmenden Antriebs, als der künstlichen Beförderung
durch die Regierung und der auf Jahre hinaus rechnenden Spekulation ist?
Der Deutsche ist zweifelsohne ein guter, und was Beharrlichkeit und Fleiß
anlangt, der beste Kolonist; aber jener kühne, abenteuernde Trieb, der sich
durch rastloses Eindringen in die Wildniß große Länderstrecken rasch unter-
wirft, der ist ihm längst nicht so eigen, wie dem Nordamerikaner, und deß-
halb eignet er sich besser, das begonnene Werk eines Vorgängers mit Fleiß
weiter zu führen, als selbstständig ein blühendes Reich auf dem Wege der
Ansiedlung zu schaffen. Auch dürfen wir wohl dabei in Anschlag bringen,
daß das wärmere, durch keinen erfrischenden Winter unterbrochene Klima
Brasiliens der Energie des Nordländers immerhin einigen Abbruch thut.

Wenn wir aus allem Diesen den Schluß ziehen, daß die deutschen
Kolonieen Brasiliens kein so rasches, kein so glänzendes Resultat ergeben
können, als die deutschen Ansiedlungen in den Vereinigten Staaten,
so steht uns dabei die jetzt in San Leopoldo gemachte Erfahrung zur
Seite, wo bereits mehrere Kolonisten fortgezogen sind, weil die Begehr
nach ihren Produkten nicht mehr stark genug war, um den zu ihrer Herbei-
schaffung erforderlichen Aufwand an Zeit, Geld und Arbeitskraft zu beloh-
nen. Santa Cruz, als so viel weiter im Jnnern hinein liegend, wird,
sobald seine Produktion den eigenen und den Bedarf der Nachbarorte erreicht,
wahrscheinlich einen ähnlichen Zeitpunkt erleben und vermuthlich schwerer
überstehen. Daß es für die nächste Zeit und die nächsten Ansiedler lohnende
Aussichten bietet, wollen wir nach den Mittheilungen des Hrn. Kleudgen nicht
in Abrede stellen, auch zugeben, daß bei den großen Vortheilen, die von
der Regierung geboten werden, eine unbemittelte Familie dort für jetzt
mit weniger Kosten zu eigener Selbstständigkeit kommen mag, als in den
Vereinigten Staaten. Je schneller darum Einer zur Auswanderung dahin
sich entschließt, desto mehr Wahrscheinlichkeit des Gelingens hat er. Wie viele
Kolonisten dort ihr Auskommen finden mögen, um Das zu bestimmen, bedürfte
es einer genauern Kenntniß der dortigen Marktverhältnisse und Transport-
wege und Kosten, als wir sie besitzen, oder aus der vorliegenden Broschüre
schöpfen können. Wer darum auf die Anerbietungen des Hrn. Kl. eingehen
will, möge sich über die näheren Verhältnisse und namentlich über die Lage
der ihm bestimmten Parzelle erst näher mit ihm verständigen. Die Zukunft
dieser Kolonie, das dürfen wir aber unsern Lesern nicht verhehlen, erscheint
uns aus den angedeuteten Gründen durchaus nicht in einem so günstigen
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ist bedeutend angepflanzt und kommt gut fort; im vorigen Jahre kam
nordamerikanischer Baumwollensamen nach Santa Cruz.

Als Oelfrucht paßt am besten die Cultur der Mammonenstaude. Reis
ist bis jetzt fast gar nicht gebaut, wird aber wohl später mehr berücksichtigt werden.

Die deutschen Getreidearten, Sommerroggen, Hafer und Gerste, ferner
alle Futterkräuter und Rübenarten gedeihen und lohnen auffallend reich,
ebenso findet man in Santa Cruz alle deutschen Gemüse in der größten
Ueppigkeit. Für Weizen ist der neu cultivirte Boden zu frisch=üppig; erst
durch 4 oder 6 Ernten geschwächt, wird die Pflanze gehörig gedeihen,
dann aber hat sich in San Leopoldo der Körnerertrag auf fast unglaubliche
Weise eingestellt. Bis jetzt wird der größte Theil des für die Provinz
nöthigen Weizenmehls zu enorm hohen Preisen aus Nordamerika bezogen;
der Weizenbau ist daher eine dem Kolonisten in nächster Zeit nicht dringend
genug zu empfehlende Sache.

Mit dem Weinbau soll jetzt, da kundige Winzer aus der Moselgegend
in Santa Cruz ansäßig sind, ein Versuch gemacht werden, und steht
nach Ansicht und Aussage jener Leute, ein günstiges Resultat zu hoffen.

Der Kolonist findet in Santa Cruz alle zum Haus=, Mühlen= und
Schiffbau, ferner zu Tischler=, Böttcher= und Stellmacherarbeit nöthigen
Hölzer in größter Auswahl. Von den feinern Holzarten habe ich 7 Blöcke
hierhergebracht, um zu versuchen, ob es den Kolonisten als Handelsartikel
anzuempfehlen sein dürfte.

Das Vieh ist drüben ausgezeichnet schön und sehr billig:

    1 gutes Pferd... 7–10 span. Thlr.
    1 Maulthier.... 10–12 „     „
    1 Schlachtochse... 6–8 „     „
    1 Zugochse.... 8–9 „     „
    1 Kuh mit Kalb.. 8–9 „     „

Die Zucht der Schweine und deren Mästung ist ein besonders guter
Erwerbzweig der Kolonisten in Santa Cruz, da das fette Vieh unge-
mein hoch bezahlt wird.

Die Kolonieen liegen zusammenhängend an beiden Seiten der sie
durchschneidenden Straßen und messen 100 Ruthen in der Breite, so daß
die Kolonisten nahe beisammenwohnen. Schönes trinkbares Wasser findet
sich in jeder Kolonie. Der Fluß Pardo eignet sich sehr gut zur Anlage
von Schiffsmühlen.“

Abweichend von dem in Nr. 29 uns. Bl. enthaltenen kurzen Berichte
über Santa Cruz wird die Zahl der ansässigen Kolonisten von Hrn.
Kleudgen bedeutender, nämlich auf fast 400 Köpfe in 93 Kolonieen
angegeben; auch lauten hier die Nachrichten über ihr Fortkommen günsti-
ger, als dort, wo gesagt wurde, daß die Bewohner noch mit allen Schwie-
rigkeiten eines neuen Etabilssements zu kämpfen hätten. „Es sind dort“,
bemerkt Hr. Kleudgen, „Schlesier, Pommern, Mecklenburger und Rheinlän-
der, die sich gut befinden und fortkommen. An Handwerkern sind daselbst
Zimmerleute, zwei Schmiede, Böttcher, Schuhmacher und ein Schlachter,
die neben ihrer Profession den Ackerbau betreiben. Das Tagelohn ist
nicht so sehr hoch, man zahlt den Eingebornen und freien Schwarzen 6,
auch 8 spanische Thaler per Monat, und giebt ihnen die Beköstigung, die
nur sehr einfach ist. Jn Accord=Arbeit zahlt man für 5000 Quadrat-
ruthen Wald zu hauen 20 bis 24 span. Thaler, und vollbringt der Ein-
geborne diese Arbeit in 38 bis 40 Tagen. Der Handwerker verdient per
Tag ungefähr 1 span. Thaler.“

Mag nun die eine oder die andere Lesart die richtige sein, soviel
dürfte unbestritten sein, daß die Boden= und Witterungsbeschaffenheit der
Kolonie an sich für Deutsche nicht ungeeignet ist, und daß bereits manch
einzelner Kolonist, wie aus den, als Anlage der Schrift beigegebenen, mit
Namensunterschrift versehenen Briefen erhellt, dort Aussicht auf eine
behagliche Existenz erlangt hat. Der Punkt, welcher uns aber gegen eine
zahlreiche Uebersiedelung von Deutschen dahin die erheblichsten Bedenken
einflößt, ist die weite Entfernung von der See. Leider bietet zu
einer genauen Angabe derselben die Schrift des Hrn. Kl. keinen Anhalts-
punkt, was in der That den unbefangenen Leser stutzig machen muß. Ein
Vergleich aber der 5 Leguas weiten Entfernung San Leopoldo's von
Porto Alegre mit dem der Stadt Rio Pardo und die Hinzurechnung
von 4 Meilen zu letzterer lehrt, daß 13 bis 15 span. Meilen der wirklichen
Entfernung zwischen Santa Cruz und Porto Alegre nahe kommen dürften.
Nun ist aber auch Porto Alegre an der Mündung des Jacuhy flusses
in den Dos Patos- See kein eigentlicher Seehafen, sondern die Seeschiffe
gehen nur bis Nio Grande, einem am Eingange dieses See's oder
Lagune gelegenen Hafenorts, von wo immerhin nahe an 20 span. Meilen
bis nach Porto Alegre in kleinern Schiffen zurückzulegen sind. Demnach
darf also die Reise von Santa Cruz bis an die See wohl auf nahe
an 35 Leguas taxirt werden == 26 – 27 deutschen Meilen. Eine solche
Entfernung kann freilich durch gute Communicationsmittel in ihren schäd-
lichen Wirkungen sehr beschränkt werden; allein es liegt doch auf der
Hand, daß sowohl die seewärts einzuführenden Fabrikate, als die seewärts
auszuführenden Produkte um die Transportkosten dieser Strecke vertheuert
werden, und dadurch für Santa Cruz in Vergleich zu andern näher oder auch
unmittelbar an der Seeküste gelegenen Kolonieen ein Nachtheil entsteht, der
sich für den Ankauf aller seewärts importirten Bedürfnißmittel sogleich,
für den Verkauf der eigenen Produkte aber, und also für das auf einen
internationalen Verkehr sich stützende commercielle Aufblühen der Kolonie
alsdann fühlbar macht, wenn ihre Produktion die Grenzen des innern
[Spaltenumbruch] Bedarfs erreicht hat. Wir ersehen allerdings aus den Mittheilungen des
Hrn. Kl., daß bis Rio Pardo schon ein Dampfschiffsverkehr auf dem
Jacuhy flusse besteht. Daß er aber nicht bedeutend sein kann, erhellt
einmal aus der geringen Einwohnerzahl des letztern Orts, der circa 4000
Bewohner hat, sodann aus andern Berichten, wonach das Flußbett des
Jacuhy für einen regelmäßigen Schiffsverkehr von Rio Pardo abwärts
erst von den dasselbe verengenden Baumstämmen gesäubert werden muß,
und diese auf 3 Jahre und 8000 Milreis veranschlagte Arbeit erst im
Sommer v. J. begonnen wurde. Der Nebenfluß Rio Pardo, an dem
4 Leguas aufwärts von seiner Mündung die Kolonie Santa Cruz
liegt, ist nach dem eigenen Bericht des Hrn. Kl. in seinem gegenwärtigen
Zustande nur für ganz kleine Böte fahrbar; auch wird sowohl in dem
Berichte selbst, als in den Briefen der Kolonisten immer nur eines Trans-
ports zu Wagen zwischen Santa Cruz und Rio Pardo Erwähnung
gethan. Nun führt freilich eine neue, von Porto Alegre nach der südlich
gelegenen Provinz San Paulo angelegte Straße durch die Kolonie; aber
nach andern Mittheilungen muß dieselbe theilweise sehr schlecht sein. Dazu
kommt, daß, je weiter die neue Kolonie sich ausdehnt, um so weiter die
einzelnen Ansiedlungen vom Flusse und von der Landstraße ab sich wenden
müssen, und daß also jeder später Kommende sich für seinen Kauf= und
Tauschverkehr in einer schlechtern Lage befindet. Derselbe Uebelstand, der
jetzt die Kolonie San Leopoldo bedrückt, daß nämlich die Produkte der
vom Flusse am entferntesten liegenden Ansiedlungen durch die Schwierigkeit
des Transports ihren Tauschwerth einbüßen, ist nach unserer Ansicht auch
bei Santa Cruz, und zwar um so eher zu erwarten, als ihr Rio Pardo
keinen so bedeutenden Markt bietet, wie Porto Alegre für San Leopoldo
und als die Entfernung von der See eine soviel größere ist. Das ist eben
die Schattenseite aller Ansiedlungen ohne reich bevölkertes und leicht zugäng-
liches Hinterland, daß nach einem glänzenden Anfange, wenn die Produktion
die geringe innere Vegehr befriedigt, plötzlich ein Stillstand eintritt, indem
weder ein weiterer Verkehr nach dem Jnnern zu, noch ein regelmäßiger
Absatz zur See wegen der unbedeutenden Handelsverbindung mit den
größern Weltmärkten möglich ist. Letzterer entsteht freilich nach und nach,
aber doch nur da mit Erfolg, wo in der Bevölkerung selbst ein reger
Drang nach Entwickelung, nach Bewältigung des ganzen eigenen Gebietes,
ein rastloses Vorwärtstreiben in die Welt der Gebirge und des Urwalds
stets neue Produktion erschließt und neue Bedürfnisse schafft, wo Stoß auf
Stoß ein zweiter Haufen Ansiedler sofort in die Spuren der rastlos weiter-
dringenden Vorgänger eintritt. Diesen Prozeß sehen wir nirgends lebhafter
sich entwickeln, als unter den kühnen Yankees der Vereinigten Staa-
ten,
weßhalb dort auch die entfernteste Ansiedlung, sobald sie nur an
einer guten Wasserstraße angelegt ist, in kurzer Frist die Vermittlerin
einer noch entfernteren wird, und Handel und Jndustrie in raschem Stei-
gen in ihr pulsiren. Ein solches Bild bieten uns die bisherigen Versuche
deutscher Kolonisation in Brasilien im Entferntesten nicht, und wie
sollten sie auch, wo die eingeborne Bevölkerung in angeborner Trägheit
dumpf stagnirt und die Kolonisation weniger das Werk eigenen freien,
von allen Seiten herströmenden Antriebs, als der künstlichen Beförderung
durch die Regierung und der auf Jahre hinaus rechnenden Spekulation ist?
Der Deutsche ist zweifelsohne ein guter, und was Beharrlichkeit und Fleiß
anlangt, der beste Kolonist; aber jener kühne, abenteuernde Trieb, der sich
durch rastloses Eindringen in die Wildniß große Länderstrecken rasch unter-
wirft, der ist ihm längst nicht so eigen, wie dem Nordamerikaner, und deß-
halb eignet er sich besser, das begonnene Werk eines Vorgängers mit Fleiß
weiter zu führen, als selbstständig ein blühendes Reich auf dem Wege der
Ansiedlung zu schaffen. Auch dürfen wir wohl dabei in Anschlag bringen,
daß das wärmere, durch keinen erfrischenden Winter unterbrochene Klima
Brasiliens der Energie des Nordländers immerhin einigen Abbruch thut.

Wenn wir aus allem Diesen den Schluß ziehen, daß die deutschen
Kolonieen Brasiliens kein so rasches, kein so glänzendes Resultat ergeben
können, als die deutschen Ansiedlungen in den Vereinigten Staaten,
so steht uns dabei die jetzt in San Leopoldo gemachte Erfahrung zur
Seite, wo bereits mehrere Kolonisten fortgezogen sind, weil die Begehr
nach ihren Produkten nicht mehr stark genug war, um den zu ihrer Herbei-
schaffung erforderlichen Aufwand an Zeit, Geld und Arbeitskraft zu beloh-
nen. Santa Cruz, als so viel weiter im Jnnern hinein liegend, wird,
sobald seine Produktion den eigenen und den Bedarf der Nachbarorte erreicht,
wahrscheinlich einen ähnlichen Zeitpunkt erleben und vermuthlich schwerer
überstehen. Daß es für die nächste Zeit und die nächsten Ansiedler lohnende
Aussichten bietet, wollen wir nach den Mittheilungen des Hrn. Kleudgen nicht
in Abrede stellen, auch zugeben, daß bei den großen Vortheilen, die von
der Regierung geboten werden, eine unbemittelte Familie dort für jetzt
mit weniger Kosten zu eigener Selbstständigkeit kommen mag, als in den
Vereinigten Staaten. Je schneller darum Einer zur Auswanderung dahin
sich entschließt, desto mehr Wahrscheinlichkeit des Gelingens hat er. Wie viele
Kolonisten dort ihr Auskommen finden mögen, um Das zu bestimmen, bedürfte
es einer genauern Kenntniß der dortigen Marktverhältnisse und Transport-
wege und Kosten, als wir sie besitzen, oder aus der vorliegenden Broschüre
schöpfen können. Wer darum auf die Anerbietungen des Hrn. Kl. eingehen
will, möge sich über die näheren Verhältnisse und namentlich über die Lage
der ihm bestimmten Parzelle erst näher mit ihm verständigen. Die Zukunft
dieser Kolonie, das dürfen wir aber unsern Lesern nicht verhehlen, erscheint
uns aus den angedeuteten Gründen durchaus nicht in einem so günstigen
[Ende Spaltensatz]

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[184/0002] 184 ist bedeutend angepflanzt und kommt gut fort; im vorigen Jahre kam nordamerikanischer Baumwollensamen nach Santa Cruz. Als Oelfrucht paßt am besten die Cultur der Mammonenstaude. Reis ist bis jetzt fast gar nicht gebaut, wird aber wohl später mehr berücksichtigt werden. Die deutschen Getreidearten, Sommerroggen, Hafer und Gerste, ferner alle Futterkräuter und Rübenarten gedeihen und lohnen auffallend reich, ebenso findet man in Santa Cruz alle deutschen Gemüse in der größten Ueppigkeit. Für Weizen ist der neu cultivirte Boden zu frisch=üppig; erst durch 4 oder 6 Ernten geschwächt, wird die Pflanze gehörig gedeihen, dann aber hat sich in San Leopoldo der Körnerertrag auf fast unglaubliche Weise eingestellt. Bis jetzt wird der größte Theil des für die Provinz nöthigen Weizenmehls zu enorm hohen Preisen aus Nordamerika bezogen; der Weizenbau ist daher eine dem Kolonisten in nächster Zeit nicht dringend genug zu empfehlende Sache. Mit dem Weinbau soll jetzt, da kundige Winzer aus der Moselgegend in Santa Cruz ansäßig sind, ein Versuch gemacht werden, und steht nach Ansicht und Aussage jener Leute, ein günstiges Resultat zu hoffen. Der Kolonist findet in Santa Cruz alle zum Haus=, Mühlen= und Schiffbau, ferner zu Tischler=, Böttcher= und Stellmacherarbeit nöthigen Hölzer in größter Auswahl. Von den feinern Holzarten habe ich 7 Blöcke hierhergebracht, um zu versuchen, ob es den Kolonisten als Handelsartikel anzuempfehlen sein dürfte. Das Vieh ist drüben ausgezeichnet schön und sehr billig: 1 gutes Pferd... 7–10 span. Thlr. 1 Maulthier.... 10–12 „ „ 1 Schlachtochse... 6–8 „ „ 1 Zugochse.... 8–9 „ „ 1 Kuh mit Kalb.. 8–9 „ „ Die Zucht der Schweine und deren Mästung ist ein besonders guter Erwerbzweig der Kolonisten in Santa Cruz, da das fette Vieh unge- mein hoch bezahlt wird. Die Kolonieen liegen zusammenhängend an beiden Seiten der sie durchschneidenden Straßen und messen 100 Ruthen in der Breite, so daß die Kolonisten nahe beisammenwohnen. Schönes trinkbares Wasser findet sich in jeder Kolonie. Der Fluß Pardo eignet sich sehr gut zur Anlage von Schiffsmühlen.“ Abweichend von dem in Nr. 29 uns. Bl. enthaltenen kurzen Berichte über Santa Cruz wird die Zahl der ansässigen Kolonisten von Hrn. Kleudgen bedeutender, nämlich auf fast 400 Köpfe in 93 Kolonieen angegeben; auch lauten hier die Nachrichten über ihr Fortkommen günsti- ger, als dort, wo gesagt wurde, daß die Bewohner noch mit allen Schwie- rigkeiten eines neuen Etabilssements zu kämpfen hätten. „Es sind dort“, bemerkt Hr. Kleudgen, „Schlesier, Pommern, Mecklenburger und Rheinlän- der, die sich gut befinden und fortkommen. An Handwerkern sind daselbst Zimmerleute, zwei Schmiede, Böttcher, Schuhmacher und ein Schlachter, die neben ihrer Profession den Ackerbau betreiben. Das Tagelohn ist nicht so sehr hoch, man zahlt den Eingebornen und freien Schwarzen 6, auch 8 spanische Thaler per Monat, und giebt ihnen die Beköstigung, die nur sehr einfach ist. Jn Accord=Arbeit zahlt man für 5000 Quadrat- ruthen Wald zu hauen 20 bis 24 span. Thaler, und vollbringt der Ein- geborne diese Arbeit in 38 bis 40 Tagen. Der Handwerker verdient per Tag ungefähr 1 span. Thaler.“ Mag nun die eine oder die andere Lesart die richtige sein, soviel dürfte unbestritten sein, daß die Boden= und Witterungsbeschaffenheit der Kolonie an sich für Deutsche nicht ungeeignet ist, und daß bereits manch einzelner Kolonist, wie aus den, als Anlage der Schrift beigegebenen, mit Namensunterschrift versehenen Briefen erhellt, dort Aussicht auf eine behagliche Existenz erlangt hat. Der Punkt, welcher uns aber gegen eine zahlreiche Uebersiedelung von Deutschen dahin die erheblichsten Bedenken einflößt, ist die weite Entfernung von der See. Leider bietet zu einer genauen Angabe derselben die Schrift des Hrn. Kl. keinen Anhalts- punkt, was in der That den unbefangenen Leser stutzig machen muß. Ein Vergleich aber der 5 Leguas weiten Entfernung San Leopoldo's von Porto Alegre mit dem der Stadt Rio Pardo und die Hinzurechnung von 4 Meilen zu letzterer lehrt, daß 13 bis 15 span. Meilen der wirklichen Entfernung zwischen Santa Cruz und Porto Alegre nahe kommen dürften. Nun ist aber auch Porto Alegre an der Mündung des Jacuhy flusses in den Dos Patos- See kein eigentlicher Seehafen, sondern die Seeschiffe gehen nur bis Nio Grande, einem am Eingange dieses See's oder Lagune gelegenen Hafenorts, von wo immerhin nahe an 20 span. Meilen bis nach Porto Alegre in kleinern Schiffen zurückzulegen sind. Demnach darf also die Reise von Santa Cruz bis an die See wohl auf nahe an 35 Leguas taxirt werden == 26 – 27 deutschen Meilen. Eine solche Entfernung kann freilich durch gute Communicationsmittel in ihren schäd- lichen Wirkungen sehr beschränkt werden; allein es liegt doch auf der Hand, daß sowohl die seewärts einzuführenden Fabrikate, als die seewärts auszuführenden Produkte um die Transportkosten dieser Strecke vertheuert werden, und dadurch für Santa Cruz in Vergleich zu andern näher oder auch unmittelbar an der Seeküste gelegenen Kolonieen ein Nachtheil entsteht, der sich für den Ankauf aller seewärts importirten Bedürfnißmittel sogleich, für den Verkauf der eigenen Produkte aber, und also für das auf einen internationalen Verkehr sich stützende commercielle Aufblühen der Kolonie alsdann fühlbar macht, wenn ihre Produktion die Grenzen des innern Bedarfs erreicht hat. Wir ersehen allerdings aus den Mittheilungen des Hrn. Kl., daß bis Rio Pardo schon ein Dampfschiffsverkehr auf dem Jacuhy flusse besteht. Daß er aber nicht bedeutend sein kann, erhellt einmal aus der geringen Einwohnerzahl des letztern Orts, der circa 4000 Bewohner hat, sodann aus andern Berichten, wonach das Flußbett des Jacuhy für einen regelmäßigen Schiffsverkehr von Rio Pardo abwärts erst von den dasselbe verengenden Baumstämmen gesäubert werden muß, und diese auf 3 Jahre und 8000 Milreis veranschlagte Arbeit erst im Sommer v. J. begonnen wurde. Der Nebenfluß Rio Pardo, an dem 4 Leguas aufwärts von seiner Mündung die Kolonie Santa Cruz liegt, ist nach dem eigenen Bericht des Hrn. Kl. in seinem gegenwärtigen Zustande nur für ganz kleine Böte fahrbar; auch wird sowohl in dem Berichte selbst, als in den Briefen der Kolonisten immer nur eines Trans- ports zu Wagen zwischen Santa Cruz und Rio Pardo Erwähnung gethan. Nun führt freilich eine neue, von Porto Alegre nach der südlich gelegenen Provinz San Paulo angelegte Straße durch die Kolonie; aber nach andern Mittheilungen muß dieselbe theilweise sehr schlecht sein. Dazu kommt, daß, je weiter die neue Kolonie sich ausdehnt, um so weiter die einzelnen Ansiedlungen vom Flusse und von der Landstraße ab sich wenden müssen, und daß also jeder später Kommende sich für seinen Kauf= und Tauschverkehr in einer schlechtern Lage befindet. Derselbe Uebelstand, der jetzt die Kolonie San Leopoldo bedrückt, daß nämlich die Produkte der vom Flusse am entferntesten liegenden Ansiedlungen durch die Schwierigkeit des Transports ihren Tauschwerth einbüßen, ist nach unserer Ansicht auch bei Santa Cruz, und zwar um so eher zu erwarten, als ihr Rio Pardo keinen so bedeutenden Markt bietet, wie Porto Alegre für San Leopoldo und als die Entfernung von der See eine soviel größere ist. Das ist eben die Schattenseite aller Ansiedlungen ohne reich bevölkertes und leicht zugäng- liches Hinterland, daß nach einem glänzenden Anfange, wenn die Produktion die geringe innere Vegehr befriedigt, plötzlich ein Stillstand eintritt, indem weder ein weiterer Verkehr nach dem Jnnern zu, noch ein regelmäßiger Absatz zur See wegen der unbedeutenden Handelsverbindung mit den größern Weltmärkten möglich ist. Letzterer entsteht freilich nach und nach, aber doch nur da mit Erfolg, wo in der Bevölkerung selbst ein reger Drang nach Entwickelung, nach Bewältigung des ganzen eigenen Gebietes, ein rastloses Vorwärtstreiben in die Welt der Gebirge und des Urwalds stets neue Produktion erschließt und neue Bedürfnisse schafft, wo Stoß auf Stoß ein zweiter Haufen Ansiedler sofort in die Spuren der rastlos weiter- dringenden Vorgänger eintritt. Diesen Prozeß sehen wir nirgends lebhafter sich entwickeln, als unter den kühnen Yankees der Vereinigten Staa- ten, weßhalb dort auch die entfernteste Ansiedlung, sobald sie nur an einer guten Wasserstraße angelegt ist, in kurzer Frist die Vermittlerin einer noch entfernteren wird, und Handel und Jndustrie in raschem Stei- gen in ihr pulsiren. Ein solches Bild bieten uns die bisherigen Versuche deutscher Kolonisation in Brasilien im Entferntesten nicht, und wie sollten sie auch, wo die eingeborne Bevölkerung in angeborner Trägheit dumpf stagnirt und die Kolonisation weniger das Werk eigenen freien, von allen Seiten herströmenden Antriebs, als der künstlichen Beförderung durch die Regierung und der auf Jahre hinaus rechnenden Spekulation ist? Der Deutsche ist zweifelsohne ein guter, und was Beharrlichkeit und Fleiß anlangt, der beste Kolonist; aber jener kühne, abenteuernde Trieb, der sich durch rastloses Eindringen in die Wildniß große Länderstrecken rasch unter- wirft, der ist ihm längst nicht so eigen, wie dem Nordamerikaner, und deß- halb eignet er sich besser, das begonnene Werk eines Vorgängers mit Fleiß weiter zu führen, als selbstständig ein blühendes Reich auf dem Wege der Ansiedlung zu schaffen. Auch dürfen wir wohl dabei in Anschlag bringen, daß das wärmere, durch keinen erfrischenden Winter unterbrochene Klima Brasiliens der Energie des Nordländers immerhin einigen Abbruch thut. Wenn wir aus allem Diesen den Schluß ziehen, daß die deutschen Kolonieen Brasiliens kein so rasches, kein so glänzendes Resultat ergeben können, als die deutschen Ansiedlungen in den Vereinigten Staaten, so steht uns dabei die jetzt in San Leopoldo gemachte Erfahrung zur Seite, wo bereits mehrere Kolonisten fortgezogen sind, weil die Begehr nach ihren Produkten nicht mehr stark genug war, um den zu ihrer Herbei- schaffung erforderlichen Aufwand an Zeit, Geld und Arbeitskraft zu beloh- nen. Santa Cruz, als so viel weiter im Jnnern hinein liegend, wird, sobald seine Produktion den eigenen und den Bedarf der Nachbarorte erreicht, wahrscheinlich einen ähnlichen Zeitpunkt erleben und vermuthlich schwerer überstehen. Daß es für die nächste Zeit und die nächsten Ansiedler lohnende Aussichten bietet, wollen wir nach den Mittheilungen des Hrn. Kleudgen nicht in Abrede stellen, auch zugeben, daß bei den großen Vortheilen, die von der Regierung geboten werden, eine unbemittelte Familie dort für jetzt mit weniger Kosten zu eigener Selbstständigkeit kommen mag, als in den Vereinigten Staaten. Je schneller darum Einer zur Auswanderung dahin sich entschließt, desto mehr Wahrscheinlichkeit des Gelingens hat er. Wie viele Kolonisten dort ihr Auskommen finden mögen, um Das zu bestimmen, bedürfte es einer genauern Kenntniß der dortigen Marktverhältnisse und Transport- wege und Kosten, als wir sie besitzen, oder aus der vorliegenden Broschüre schöpfen können. Wer darum auf die Anerbietungen des Hrn. Kl. eingehen will, möge sich über die näheren Verhältnisse und namentlich über die Lage der ihm bestimmten Parzelle erst näher mit ihm verständigen. Die Zukunft dieser Kolonie, das dürfen wir aber unsern Lesern nicht verhehlen, erscheint uns aus den angedeuteten Gründen durchaus nicht in einem so günstigen

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Zitationshilfe: Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 46. Bremen, 8. Juni 1852, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung046_1852/2>, abgerufen am 06.06.2024.