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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 64. Rudolstadt, 20. Dezember 1847.

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[Spaltenumbruch] gefahren bis den 8. Juni, dann waren wir auf der großen "See",
und in 4 Stunden lag alles beisammen bis auf fünf "ledige Bursche",
welche die Seekrankheit bekamen Jch selbst hatte sie fünf Tage lang,
dann war ich wieder auf. Diese Krankheit ist nicht gefährlich und
nur Schwindel und Kopfweh. Jch habe nie gewußt, was Pumper-
nickel ist, aber auf dem Schiffe habe ich es erfahren. Den 26. Juli
kamen wir in Newyork an, und wurden hier 2 Tage aufgehalten.
Wir kamen dann 3 Stunden auf ein Dampfschiff und 2 Stunden lang
auf eine Eisenbahn, dann nach Philadelphia. Hier traf ich einen Lands-
mann, der mir sagte, daß der junge Strohm und der Schuhmacher-
gesell Hermann aus Tiefenort da wären, aber ich konnte sie nicht
aufsuchen, weil wir schnell weiter reisten. Wir kamen nun wieder
1 Tag auf die Eisenbahn und dann auf einen Canal bis nach Pitts-
burg. Von hier fuhren wir mit einem Dampfschiff bis nach Louis-
ville,
wo wir am 15. Aug. v. J. ankamen. Hier war aber guter
Rath theuer! Die Sprache verstanden wir nicht, keine Freunde und
Verwandten hatten wir, wohl aber 70 Thaler Schulden. Dennoch
haben mich mein Vetter und meine Base, mit denen ich nach Amerika
reiste, gut behandelt und gehalten wie ihr eigenes Kind. Meine erste
Arbeit war in einem Garten außerhalb der Stadt, da bekam ich 10
Dollars des Monats, oder 17 Thlr. deutsches Geld, nebst freier Wäsche
und Kost. Hier blieb ich2 1 / 2 Monat. Dann trat ich in ein Schlacht-
haus in Dienste, wo ich freie Kost und täglich 1 Doll. Lohn erhielt.
Es wurden hier täglich 1150 ( ? ) Stück Schweine geschlachtet. Jch
blieb hier 20 Tage, und ging dann wieder in einen Garten, wo ich
gleichfalls 10 Doll. monatlich bekam; ich arbeitete hier 3 Monate lang,
ging dann wieder in die Stadt. Liebe Mutter! Hier ist es nicht,
wie in Deutschland, daß man so lange auf einem Platze bleiben muß.
Hier bekommt ein jeder des Sonnabends sein Geld, dann kann er thun
was er will. Jch blieb bei meinem Vetter und gab ihm auch all'
mein Geld, welches ich verdiente, jede Woche fünf Dollar. Fünf Mo-
nate arbeitete ich so, und da war auch alles gut, denn der Vetter war
9 Monate lang krank und sie brauchten das Geld nothwendig. Als
er wieder gesund war, wollte ich mir Kleider kaufen und hatte mir
jede Woche etwas Geld zurückbehalten. Da sie sahen, daß ich nicht
alles Geld hergab, wurden mir böse Gesichter geschnitten, was mich
natürlich sehr verdroß. Als ich nun merkte, daß mir für alles, was
ich ihnen Gutes gethan hatte und noch that, kein Dank wurde, ging
ich von ihnen weg und ging in die Kost bei die Marthe Gratz von
Tiefenort, welche mit uns auswanderte und nun geheirathet hat. Jch
bezahlte ihr wöchentlich 2 Doll. Kostgeld und kaufte mir einen Anzug
für 35 Thlr. preuß.; nun war mir dieß auch zu viel Kostgeld, ich
dachte daher nach, wie ich es anfangen sollte. Da kam mir der Ge-
danke in den Kopf, noch das Schmiedehandwerk zu erlernen, denn das
ist das beste Geschäft in diesem Lande, welches im Sommer und Winter
geht. Jch trat bei einem Schmied ein, dessen Name Heinrich Seng ist.
Die Leute sind aus Rheinbayern und sehr honett. Wir sind unserer
3 Burschen in der Werkstätte, ein Nassauer, ein Rheinbaier und ich,
alle in gleichem Alter und lauter lustige Kerle. Jch muß2 1 / 2 Jahr
als Schmied lernen, bekomme freie Kost und Wäsche und noch oben-
drein 136 Doll. oder 225 pr. Thlr. Lohn. Jch habe recht viel Ver-
gnügen auf hiesigem Platze. Neuigkeiten weiß ich weiter keine als
etwa die, daß Johannes Schlothauer -- mein oben erwähnter Vetter
-- am 16. August hier gestorben ist. Was meine Gesundheit anbe-
langt, so war ich, Gott sei Dank, bisher gesund und an meinem Ge-
sicht habe ich noch nichts gespürt.

Liebe Mutter! wenn Leute aus Tiefenort und Umgegend, was
ich glaube, nach Amerika auswandern wollen in die hiesigen schönen
und nahrungsreichen Gegenden, so mögen sie die Reise nach New-
Orleans machen; da es aber in Neworleans im Sommer zu heiß ist,
so mögen sie im August oder September von Deutschland abreisen.
Viele Leute im alten Vaterlande glauben, in Amerika könne man sich
keine Kleider kaufen. Hier kann man schönere Kleider kaufen als dort,
[Spaltenumbruch] und sie auch eher bezahlen, wenn sie auch theuer sind; denn hier ver-
dient man mehr Geld, und wer sparsam ist, kann hier in einem Jahre
mehr ersparen, als dort in zehn Jahren. Jn Louisville sind 52 Kirchen
und gegen 40,000 Einwohner. Es sind überhaupt in Amerika so
schöne und große Städte, als in Deutschland, und was noch das Beste
ist, man lebt hier in einem freien Lande, man darf denken und sprechen,
was man will, die Leute fressen sich doch nicht, und die Gesetze, deren
es nicht so unzählige und verwickelte gibt als bei Euch, werden besser
gehalten. An Essen und Trinken fehlt es mir nicht, denn hier hat
man alle Tage, was man dort nicht einmal an den Feiertagen hat.
Jch könnte noch vieles schreiben, aber ich muß schließen. Grüße an
Euch alle, auch an alle meine Kameraden und alle Mädchen Sagt
den Mädchen, daß es ihnen hier besser gehe als dort, und daß sie
nach Amerika kommen sollten.

Jch verbleibe Euer gehorsamer Sohn
und Bruder
   Heinrich Blaufuß.
Deutsches Leben in Brasilien.
( Fortsetzung. )

Unter den Culturpflanzen nimmt der Mais die erste Stelle ein,
er wird von allen Ansiedlern angebaut. Neben ihm sind die Mandiok-
wurzel und Bohnen die wichtigsten Producte des Landbaus. Die
Mandiokwurzel, ein Brasilien eigenthümliches Gewächs, 20 Zoll lang
und 4 Zoll dick, wird gemahlen und dann wiederholt unter die Presse
gebracht, bis aller Saft, welcher giftige Bestandtheile enthält, heraus-
gedrückt ist. Nach gehöriger Trocknung bildet das Mandiok dann ein
grobes Mehl, das zu allen Speisen verwandt werden kann. Die
Brasilianer gebrauchen es täglich zu ihren Fleischgerichten, theils zum
Gemüse. Ein Ansiedler kann mit Hülfe seiner Familie leicht 150 bis
200 Sack Mandiokmehl jährlich herstellen, und zwar während des
Winters, wenn der Regen die Feldarbeiten unterbricht. Der Durch-
schnittspreis für den Sack Mandiokmehl ist 8 bis 10 Patacas, oder
4 bis 5 Thaler preuß. Cour. Die Mandiokwurzel wird im August
gesäet und im Juni des zweiten Jahres geerntet; aber obwohl sie 20
Monate zur Reife bedarf, ist doch ihr Anbau äußerst lohnend.

Die Bohnen, welche in die Zwischenfurchen der Maisfelder ge-
säet werden, bedürfen fast gar keiner Pflege; man läßt sie am Erd-
boden hinwuchern und sammelt sie zweimal des Jahres. Sie geben
eine gesunde Nahrung und verkaufen sich zu 4 bis 5 Milreis pr. Sack.
-- Die Kartoffel ist zuerst von den Deutschen in Brasilien ange-
pflanzt worden; sie giebt zwei Ernten jährlich und wird nun auch von
den Brasilianern sehr geschätzt, obwohl sie selten die Güte und Größe
der europäischen Kartoffel erreicht. Unter den andern Producten nen-
nen wir die süße kastanienartige Batatenwurzel; den Mandoubi, eine
kleine Pistazienart, aus der man ein gutes Oel bereitet; den kürbiß-
artigen Pober, zur Viehmast vortrefflich; das Zuckerrohr, aus dem
die Ansiedler Branntwein gewinnen; die Melone; den Ricin, dessen
Frucht zu Oel ausgekocht wird; den Reis, welcher nur wenig gebaut
wird, aber auf den fruchtbaren Strecken der Kolonie vollkommen ge-
deiht; Baumwolle und Tabak, die sehr gut anschlagen, aber bis jetzt
nur noch für den Hausgebrauch angebaut werden. Die einzigen Frucht-
bäume sind bis jetzt der Orangen =, der Pfirsich = und der Feigenbaum,
doch haben einzelne Versuche bewiesen, daß auch die europäischen Obst-
arten fortkommen. Der Weinstock hat bis jetzt nicht anschlagen wollen,
da die zahlreichen Jnsecten, namentlich die Ameisen ihn nicht auf-
kommen lassen. Uebrigens kommen auch alle europäischen Getreide-
und Gemüsearten, obwohl sie bis jetzt noch nicht Gegenstand sorgfäl-
tiger Pflege gewesen sind, auf dem unerschöpflichen Boden vortrefflich fort.

Alle diese Vorzüge sind nicht ohne Schattenseiten, welche den
Aufenthalt in diesem Lande namentlich für Neuangekommene, bis-
weilen höchst beschwerlich machen. Die Fremden sind fast alle lästi-

[Spaltenumbruch] gefahren bis den 8. Juni, dann waren wir auf der großen „See“,
und in 4 Stunden lag alles beisammen bis auf fünf „ledige Bursche“,
welche die Seekrankheit bekamen Jch selbst hatte sie fünf Tage lang,
dann war ich wieder auf. Diese Krankheit ist nicht gefährlich und
nur Schwindel und Kopfweh. Jch habe nie gewußt, was Pumper-
nickel ist, aber auf dem Schiffe habe ich es erfahren. Den 26. Juli
kamen wir in Newyork an, und wurden hier 2 Tage aufgehalten.
Wir kamen dann 3 Stunden auf ein Dampfschiff und 2 Stunden lang
auf eine Eisenbahn, dann nach Philadelphia. Hier traf ich einen Lands-
mann, der mir sagte, daß der junge Strohm und der Schuhmacher-
gesell Hermann aus Tiefenort da wären, aber ich konnte sie nicht
aufsuchen, weil wir schnell weiter reisten. Wir kamen nun wieder
1 Tag auf die Eisenbahn und dann auf einen Canal bis nach Pitts-
burg. Von hier fuhren wir mit einem Dampfschiff bis nach Louis-
ville,
wo wir am 15. Aug. v. J. ankamen. Hier war aber guter
Rath theuer! Die Sprache verstanden wir nicht, keine Freunde und
Verwandten hatten wir, wohl aber 70 Thaler Schulden. Dennoch
haben mich mein Vetter und meine Base, mit denen ich nach Amerika
reiste, gut behandelt und gehalten wie ihr eigenes Kind. Meine erste
Arbeit war in einem Garten außerhalb der Stadt, da bekam ich 10
Dollars des Monats, oder 17 Thlr. deutsches Geld, nebst freier Wäsche
und Kost. Hier blieb ich2 1 / 2 Monat. Dann trat ich in ein Schlacht-
haus in Dienste, wo ich freie Kost und täglich 1 Doll. Lohn erhielt.
Es wurden hier täglich 1150 ( ? ) Stück Schweine geschlachtet. Jch
blieb hier 20 Tage, und ging dann wieder in einen Garten, wo ich
gleichfalls 10 Doll. monatlich bekam; ich arbeitete hier 3 Monate lang,
ging dann wieder in die Stadt. Liebe Mutter! Hier ist es nicht,
wie in Deutschland, daß man so lange auf einem Platze bleiben muß.
Hier bekommt ein jeder des Sonnabends sein Geld, dann kann er thun
was er will. Jch blieb bei meinem Vetter und gab ihm auch all'
mein Geld, welches ich verdiente, jede Woche fünf Dollar. Fünf Mo-
nate arbeitete ich so, und da war auch alles gut, denn der Vetter war
9 Monate lang krank und sie brauchten das Geld nothwendig. Als
er wieder gesund war, wollte ich mir Kleider kaufen und hatte mir
jede Woche etwas Geld zurückbehalten. Da sie sahen, daß ich nicht
alles Geld hergab, wurden mir böse Gesichter geschnitten, was mich
natürlich sehr verdroß. Als ich nun merkte, daß mir für alles, was
ich ihnen Gutes gethan hatte und noch that, kein Dank wurde, ging
ich von ihnen weg und ging in die Kost bei die Marthe Gratz von
Tiefenort, welche mit uns auswanderte und nun geheirathet hat. Jch
bezahlte ihr wöchentlich 2 Doll. Kostgeld und kaufte mir einen Anzug
für 35 Thlr. preuß.; nun war mir dieß auch zu viel Kostgeld, ich
dachte daher nach, wie ich es anfangen sollte. Da kam mir der Ge-
danke in den Kopf, noch das Schmiedehandwerk zu erlernen, denn das
ist das beste Geschäft in diesem Lande, welches im Sommer und Winter
geht. Jch trat bei einem Schmied ein, dessen Name Heinrich Seng ist.
Die Leute sind aus Rheinbayern und sehr honett. Wir sind unserer
3 Burschen in der Werkstätte, ein Nassauer, ein Rheinbaier und ich,
alle in gleichem Alter und lauter lustige Kerle. Jch muß2 1 / 2 Jahr
als Schmied lernen, bekomme freie Kost und Wäsche und noch oben-
drein 136 Doll. oder 225 pr. Thlr. Lohn. Jch habe recht viel Ver-
gnügen auf hiesigem Platze. Neuigkeiten weiß ich weiter keine als
etwa die, daß Johannes Schlothauer -- mein oben erwähnter Vetter
-- am 16. August hier gestorben ist. Was meine Gesundheit anbe-
langt, so war ich, Gott sei Dank, bisher gesund und an meinem Ge-
sicht habe ich noch nichts gespürt.

Liebe Mutter! wenn Leute aus Tiefenort und Umgegend, was
ich glaube, nach Amerika auswandern wollen in die hiesigen schönen
und nahrungsreichen Gegenden, so mögen sie die Reise nach New-
Orleans machen; da es aber in Neworleans im Sommer zu heiß ist,
so mögen sie im August oder September von Deutschland abreisen.
Viele Leute im alten Vaterlande glauben, in Amerika könne man sich
keine Kleider kaufen. Hier kann man schönere Kleider kaufen als dort,
[Spaltenumbruch] und sie auch eher bezahlen, wenn sie auch theuer sind; denn hier ver-
dient man mehr Geld, und wer sparsam ist, kann hier in einem Jahre
mehr ersparen, als dort in zehn Jahren. Jn Louisville sind 52 Kirchen
und gegen 40,000 Einwohner. Es sind überhaupt in Amerika so
schöne und große Städte, als in Deutschland, und was noch das Beste
ist, man lebt hier in einem freien Lande, man darf denken und sprechen,
was man will, die Leute fressen sich doch nicht, und die Gesetze, deren
es nicht so unzählige und verwickelte gibt als bei Euch, werden besser
gehalten. An Essen und Trinken fehlt es mir nicht, denn hier hat
man alle Tage, was man dort nicht einmal an den Feiertagen hat.
Jch könnte noch vieles schreiben, aber ich muß schließen. Grüße an
Euch alle, auch an alle meine Kameraden und alle Mädchen Sagt
den Mädchen, daß es ihnen hier besser gehe als dort, und daß sie
nach Amerika kommen sollten.

Jch verbleibe Euer gehorsamer Sohn
und Bruder
   Heinrich Blaufuß.
Deutsches Leben in Brasilien.
( Fortsetzung. )

Unter den Culturpflanzen nimmt der Mais die erste Stelle ein,
er wird von allen Ansiedlern angebaut. Neben ihm sind die Mandiok-
wurzel und Bohnen die wichtigsten Producte des Landbaus. Die
Mandiokwurzel, ein Brasilien eigenthümliches Gewächs, 20 Zoll lang
und 4 Zoll dick, wird gemahlen und dann wiederholt unter die Presse
gebracht, bis aller Saft, welcher giftige Bestandtheile enthält, heraus-
gedrückt ist. Nach gehöriger Trocknung bildet das Mandiok dann ein
grobes Mehl, das zu allen Speisen verwandt werden kann. Die
Brasilianer gebrauchen es täglich zu ihren Fleischgerichten, theils zum
Gemüse. Ein Ansiedler kann mit Hülfe seiner Familie leicht 150 bis
200 Sack Mandiokmehl jährlich herstellen, und zwar während des
Winters, wenn der Regen die Feldarbeiten unterbricht. Der Durch-
schnittspreis für den Sack Mandiokmehl ist 8 bis 10 Patacas, oder
4 bis 5 Thaler preuß. Cour. Die Mandiokwurzel wird im August
gesäet und im Juni des zweiten Jahres geerntet; aber obwohl sie 20
Monate zur Reife bedarf, ist doch ihr Anbau äußerst lohnend.

Die Bohnen, welche in die Zwischenfurchen der Maisfelder ge-
säet werden, bedürfen fast gar keiner Pflege; man läßt sie am Erd-
boden hinwuchern und sammelt sie zweimal des Jahres. Sie geben
eine gesunde Nahrung und verkaufen sich zu 4 bis 5 Milreis pr. Sack.
-- Die Kartoffel ist zuerst von den Deutschen in Brasilien ange-
pflanzt worden; sie giebt zwei Ernten jährlich und wird nun auch von
den Brasilianern sehr geschätzt, obwohl sie selten die Güte und Größe
der europäischen Kartoffel erreicht. Unter den andern Producten nen-
nen wir die süße kastanienartige Batatenwurzel; den Mandoubi, eine
kleine Pistazienart, aus der man ein gutes Oel bereitet; den kürbiß-
artigen Pober, zur Viehmast vortrefflich; das Zuckerrohr, aus dem
die Ansiedler Branntwein gewinnen; die Melone; den Riçin, dessen
Frucht zu Oel ausgekocht wird; den Reis, welcher nur wenig gebaut
wird, aber auf den fruchtbaren Strecken der Kolonie vollkommen ge-
deiht; Baumwolle und Tabak, die sehr gut anschlagen, aber bis jetzt
nur noch für den Hausgebrauch angebaut werden. Die einzigen Frucht-
bäume sind bis jetzt der Orangen =, der Pfirsich = und der Feigenbaum,
doch haben einzelne Versuche bewiesen, daß auch die europäischen Obst-
arten fortkommen. Der Weinstock hat bis jetzt nicht anschlagen wollen,
da die zahlreichen Jnsecten, namentlich die Ameisen ihn nicht auf-
kommen lassen. Uebrigens kommen auch alle europäischen Getreide-
und Gemüsearten, obwohl sie bis jetzt noch nicht Gegenstand sorgfäl-
tiger Pflege gewesen sind, auf dem unerschöpflichen Boden vortrefflich fort.

Alle diese Vorzüge sind nicht ohne Schattenseiten, welche den
Aufenthalt in diesem Lande namentlich für Neuangekommene, bis-
weilen höchst beschwerlich machen. Die Fremden sind fast alle lästi-

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[507/0003] gefahren bis den 8. Juni, dann waren wir auf der großen „See“, und in 4 Stunden lag alles beisammen bis auf fünf „ledige Bursche“, welche die Seekrankheit bekamen Jch selbst hatte sie fünf Tage lang, dann war ich wieder auf. Diese Krankheit ist nicht gefährlich und nur Schwindel und Kopfweh. Jch habe nie gewußt, was Pumper- nickel ist, aber auf dem Schiffe habe ich es erfahren. Den 26. Juli kamen wir in Newyork an, und wurden hier 2 Tage aufgehalten. Wir kamen dann 3 Stunden auf ein Dampfschiff und 2 Stunden lang auf eine Eisenbahn, dann nach Philadelphia. Hier traf ich einen Lands- mann, der mir sagte, daß der junge Strohm und der Schuhmacher- gesell Hermann aus Tiefenort da wären, aber ich konnte sie nicht aufsuchen, weil wir schnell weiter reisten. Wir kamen nun wieder 1 Tag auf die Eisenbahn und dann auf einen Canal bis nach Pitts- burg. Von hier fuhren wir mit einem Dampfschiff bis nach Louis- ville, wo wir am 15. Aug. v. J. ankamen. Hier war aber guter Rath theuer! Die Sprache verstanden wir nicht, keine Freunde und Verwandten hatten wir, wohl aber 70 Thaler Schulden. Dennoch haben mich mein Vetter und meine Base, mit denen ich nach Amerika reiste, gut behandelt und gehalten wie ihr eigenes Kind. Meine erste Arbeit war in einem Garten außerhalb der Stadt, da bekam ich 10 Dollars des Monats, oder 17 Thlr. deutsches Geld, nebst freier Wäsche und Kost. Hier blieb ich2 1 / 2 Monat. Dann trat ich in ein Schlacht- haus in Dienste, wo ich freie Kost und täglich 1 Doll. Lohn erhielt. Es wurden hier täglich 1150 ( ? ) Stück Schweine geschlachtet. Jch blieb hier 20 Tage, und ging dann wieder in einen Garten, wo ich gleichfalls 10 Doll. monatlich bekam; ich arbeitete hier 3 Monate lang, ging dann wieder in die Stadt. Liebe Mutter! Hier ist es nicht, wie in Deutschland, daß man so lange auf einem Platze bleiben muß. Hier bekommt ein jeder des Sonnabends sein Geld, dann kann er thun was er will. Jch blieb bei meinem Vetter und gab ihm auch all' mein Geld, welches ich verdiente, jede Woche fünf Dollar. Fünf Mo- nate arbeitete ich so, und da war auch alles gut, denn der Vetter war 9 Monate lang krank und sie brauchten das Geld nothwendig. Als er wieder gesund war, wollte ich mir Kleider kaufen und hatte mir jede Woche etwas Geld zurückbehalten. Da sie sahen, daß ich nicht alles Geld hergab, wurden mir böse Gesichter geschnitten, was mich natürlich sehr verdroß. Als ich nun merkte, daß mir für alles, was ich ihnen Gutes gethan hatte und noch that, kein Dank wurde, ging ich von ihnen weg und ging in die Kost bei die Marthe Gratz von Tiefenort, welche mit uns auswanderte und nun geheirathet hat. Jch bezahlte ihr wöchentlich 2 Doll. Kostgeld und kaufte mir einen Anzug für 35 Thlr. preuß.; nun war mir dieß auch zu viel Kostgeld, ich dachte daher nach, wie ich es anfangen sollte. Da kam mir der Ge- danke in den Kopf, noch das Schmiedehandwerk zu erlernen, denn das ist das beste Geschäft in diesem Lande, welches im Sommer und Winter geht. Jch trat bei einem Schmied ein, dessen Name Heinrich Seng ist. Die Leute sind aus Rheinbayern und sehr honett. Wir sind unserer 3 Burschen in der Werkstätte, ein Nassauer, ein Rheinbaier und ich, alle in gleichem Alter und lauter lustige Kerle. Jch muß2 1 / 2 Jahr als Schmied lernen, bekomme freie Kost und Wäsche und noch oben- drein 136 Doll. oder 225 pr. Thlr. Lohn. Jch habe recht viel Ver- gnügen auf hiesigem Platze. Neuigkeiten weiß ich weiter keine als etwa die, daß Johannes Schlothauer -- mein oben erwähnter Vetter -- am 16. August hier gestorben ist. Was meine Gesundheit anbe- langt, so war ich, Gott sei Dank, bisher gesund und an meinem Ge- sicht habe ich noch nichts gespürt. Liebe Mutter! wenn Leute aus Tiefenort und Umgegend, was ich glaube, nach Amerika auswandern wollen in die hiesigen schönen und nahrungsreichen Gegenden, so mögen sie die Reise nach New- Orleans machen; da es aber in Neworleans im Sommer zu heiß ist, so mögen sie im August oder September von Deutschland abreisen. Viele Leute im alten Vaterlande glauben, in Amerika könne man sich keine Kleider kaufen. Hier kann man schönere Kleider kaufen als dort, und sie auch eher bezahlen, wenn sie auch theuer sind; denn hier ver- dient man mehr Geld, und wer sparsam ist, kann hier in einem Jahre mehr ersparen, als dort in zehn Jahren. Jn Louisville sind 52 Kirchen und gegen 40,000 Einwohner. Es sind überhaupt in Amerika so schöne und große Städte, als in Deutschland, und was noch das Beste ist, man lebt hier in einem freien Lande, man darf denken und sprechen, was man will, die Leute fressen sich doch nicht, und die Gesetze, deren es nicht so unzählige und verwickelte gibt als bei Euch, werden besser gehalten. An Essen und Trinken fehlt es mir nicht, denn hier hat man alle Tage, was man dort nicht einmal an den Feiertagen hat. Jch könnte noch vieles schreiben, aber ich muß schließen. Grüße an Euch alle, auch an alle meine Kameraden und alle Mädchen Sagt den Mädchen, daß es ihnen hier besser gehe als dort, und daß sie nach Amerika kommen sollten. Jch verbleibe Euer gehorsamer Sohn und Bruder Heinrich Blaufuß. Deutsches Leben in Brasilien. ( Fortsetzung. ) Unter den Culturpflanzen nimmt der Mais die erste Stelle ein, er wird von allen Ansiedlern angebaut. Neben ihm sind die Mandiok- wurzel und Bohnen die wichtigsten Producte des Landbaus. Die Mandiokwurzel, ein Brasilien eigenthümliches Gewächs, 20 Zoll lang und 4 Zoll dick, wird gemahlen und dann wiederholt unter die Presse gebracht, bis aller Saft, welcher giftige Bestandtheile enthält, heraus- gedrückt ist. Nach gehöriger Trocknung bildet das Mandiok dann ein grobes Mehl, das zu allen Speisen verwandt werden kann. Die Brasilianer gebrauchen es täglich zu ihren Fleischgerichten, theils zum Gemüse. Ein Ansiedler kann mit Hülfe seiner Familie leicht 150 bis 200 Sack Mandiokmehl jährlich herstellen, und zwar während des Winters, wenn der Regen die Feldarbeiten unterbricht. Der Durch- schnittspreis für den Sack Mandiokmehl ist 8 bis 10 Patacas, oder 4 bis 5 Thaler preuß. Cour. Die Mandiokwurzel wird im August gesäet und im Juni des zweiten Jahres geerntet; aber obwohl sie 20 Monate zur Reife bedarf, ist doch ihr Anbau äußerst lohnend. Die Bohnen, welche in die Zwischenfurchen der Maisfelder ge- säet werden, bedürfen fast gar keiner Pflege; man läßt sie am Erd- boden hinwuchern und sammelt sie zweimal des Jahres. Sie geben eine gesunde Nahrung und verkaufen sich zu 4 bis 5 Milreis pr. Sack. -- Die Kartoffel ist zuerst von den Deutschen in Brasilien ange- pflanzt worden; sie giebt zwei Ernten jährlich und wird nun auch von den Brasilianern sehr geschätzt, obwohl sie selten die Güte und Größe der europäischen Kartoffel erreicht. Unter den andern Producten nen- nen wir die süße kastanienartige Batatenwurzel; den Mandoubi, eine kleine Pistazienart, aus der man ein gutes Oel bereitet; den kürbiß- artigen Pober, zur Viehmast vortrefflich; das Zuckerrohr, aus dem die Ansiedler Branntwein gewinnen; die Melone; den Riçin, dessen Frucht zu Oel ausgekocht wird; den Reis, welcher nur wenig gebaut wird, aber auf den fruchtbaren Strecken der Kolonie vollkommen ge- deiht; Baumwolle und Tabak, die sehr gut anschlagen, aber bis jetzt nur noch für den Hausgebrauch angebaut werden. Die einzigen Frucht- bäume sind bis jetzt der Orangen =, der Pfirsich = und der Feigenbaum, doch haben einzelne Versuche bewiesen, daß auch die europäischen Obst- arten fortkommen. Der Weinstock hat bis jetzt nicht anschlagen wollen, da die zahlreichen Jnsecten, namentlich die Ameisen ihn nicht auf- kommen lassen. Uebrigens kommen auch alle europäischen Getreide- und Gemüsearten, obwohl sie bis jetzt noch nicht Gegenstand sorgfäl- tiger Pflege gewesen sind, auf dem unerschöpflichen Boden vortrefflich fort. Alle diese Vorzüge sind nicht ohne Schattenseiten, welche den Aufenthalt in diesem Lande namentlich für Neuangekommene, bis- weilen höchst beschwerlich machen. Die Fremden sind fast alle lästi-

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 64. Rudolstadt, 20. Dezember 1847, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer64_1847/3>, abgerufen am 24.04.2024.