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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 37. Rudolstadt, 14. Juni 1847.

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[Spaltenumbruch] die die schöne Pfalz mit Pennsylvaniens Wildnissen vertauschten.
Auf diese Weise darf es uns nicht befremden, daß in Nordamerika
so vielerlei Religionsparteien friedlich bei einander wohnen, indem
die ersten Einwanderer, als Abweichende von den Staatskirchen,
vor deren Drucke geflohen waren, um in dem neuen Welttheile
Duldung und Milde zu erleben, und in ihren Nachkommen nach
her selbst zu üben gegen Andersdenkende. Wie in vielen Sachen,
so leuchtet auch hierin Nordamerika dem Mutterlande vor, das
nach so manchen blutigen Religionsstürmen noch immer nicht den
Hafen der reinen Vernunft, der wahren Duldung und ächten
christlichen Liebe erreicht hat.

Ganze Gemeinden vom Rhein und aus der Pfalz verließen
1709 die Heimath, und im selbigen Jahre erschienen in London
32,468 Deutsche, um auszuwandern nach dem verheißenen Lande.
Trügerische Verheißungen hatten diese unerfahrenen Leute aus
Mitteldeutschland getrieben; lange hatten sie mit Mangel und
Elend zu kämpfen, bis die britische Großmuth sie vor dem Hun-
gertode schützte, sie nach Jrland, 4000 an der Zahl, schickte, 1600
nach den Klippen der Scilly-Jnseln brachte und viele Tausende
zurücksandte, nachdem mehre Tausend im Elende gestorben waren;
wenige nur erreichten im Jahre 1710 Newyork. Bald nach-
her, im Jahre 1716, begann die Kolonisirung Louisiana's
durch Deutsche aus dem Würtembergischen, welche ein schwe-
discher Officier, Namens von Aronsburg, dahin geführt und
sich mit ihnen sechs Meilen oberhalb Neworleans ansiedelte,
und gleich nachher wollte Law besonders in der Pfalz 9000
Deutsche zur Auswanderung werben.* )

Mit Ruhe darf die Germanische Nation hinüberblicken auf
ihre Brüder jenseits des atlantischen Weltmeers; sie zeichnen sich
auch dort aus durch Fleiß im Ackerbaue, durch Freiheitsliebe und
Achtung der Menschenrechte, selbst im geringsten Neger = Sclaven,
und durch die Anlage vieler Fabriken, besonders der Leinen=Ma-
nufactur haben sie Großes zu dem blühenden Wohlstande der
Union beigetragen. Dennoch mahnte England zu öfteren Malen
die Deutschen am Rheine von den Auswanderungen ab, indem
man durch deren zu große Anhäufungen in politischer Hinsicht
Befürchtungen hegte. Eine kurzsichtige Staatsweisheit; der arme,
fügsame Deutsche, zu Hause an so manchen Gehorsam gewöhnt,
hätte niemals Veranlassung zu Revolutionen gegeben, und selbst
als im Jahre 1776 der Abfallkrieg begann gegen England, be-
fanden sich unter den ersten Aufwieglern, unter den Jnsurgenten-
Häuptlingen keine dieses Volkes; hätte die britische Regierung
ihre Vortheile eingesehen, die deutsche Auswanderung befördert,
ein deutsches Princip in Nordamerika heimisch, vielleicht vorherr-
schend gemacht, es wäre möglich gewesen, daß die Revolution
nie ausgebrochen.

Trotz diesen stattgehabten Abmahnungen ließen die deutschen
Auswanderungen nicht nach, indem im Jahre 1729 allein nach
Pennsylvanien 6200 Ansiedler, meistens Deutsche, kamen, und
als 1742 der Graf von Zinzendorf nach Philadelphia
kam, um die dortigen Brüdergemeinden mit Rath und That zu
unterstützen, war die Zahl der seit 1683 eingewanderten Deutschen
bereits auf 100,000 Seelen gestiegen. Das berühmte Halle' sche
Waisenhaus, des großen Franke's Stiftung, sandte nun die
ersten Prediger Augsburger Confession hin.

[Spaltenumbruch]

Dann führte der Oberst Johann Peter Purg eine neue
Schaar Deutscher, auch Schweizer, im Jahre 1733 nach den Ufern
des Savannah, in Südcarolina. Die Amerikaner nahmen
diese Einwanderer gern auf, indem sie von ihrer Ansiedlung eine
Vormauer gegen die Einbrüche der Creeks hofften, und den
Bau des Weins eingeführt sahen. Eine noch größere Zahl folgte
unter der Leitung des Landhauptmanns Gobler und des Pre-
digers Zuberbühler nach Nordcarolina. Vertriebene Salz-
burger
führte 1732 der Baron von Reck nach Georgien.* )

Jm Jahre 1749 kamen aber mit einem Male, unter schwellen-
den Segeln 25 Schiffe mit 7049 Deutschen in Philadelphia an,
die froh die neue Welt begrüßten. Jm Herbste des folgenden
Jahres wanderten eben so viele aus dem mittleren Deutschland
wieder und immer aufs Neue dorthin, wo die Gebirge Alleghany
mit unermeßlichen Wäldern die fruchtbarsten Ebenen begränzen.** )
Neue und größere Züge folgten bald; das neue Land war einmal
den deutschen Blicken aufgeschlossen, und mit dem Jahre 1754
wanderten aus dem Durlach'schen, aus Würtemberg und der Pfalz
22,000 Deutsche, bloß in Philadelphia landend, ein, geschweige
der vielen andern, die sich Newyork und Neuschottland zum Ziele
ihrer Meerfahrt gesteckt hatten.*** )

Wer von den deutschen Auswanderern den glücklichen Ent-
schluß gefaßt hatte, dorthin seine Schritte zu lenken, wo auf
Amerikas Prärien der Boden mit jugendlicher Kraft Unterhalt
und Nahrung die Fülle verhieß, der ging zwar tausend Müh-
seligkeiten einer damals noch langen Seereise, tausend Gefahren
bei seinen Zügen zur Aufsuchung neuer Wohnsitze entgegen, aber
gewöhnlich auch einem sichern Lebensglücke; andere aber, verleitet
von Abenteurern nach den unwirthlichsten Gegenden, fanden sich
in ihren Hoffnungen, in ihren auch beschwerlichen Wanderungen
bitter getäuscht. Nicht allein nach Amerika's fruchtbaren Gestaden
zogen die Deutschen; verleitet von dem Schwindler Thürriegel
aus Bayern, gingen 6000 derselben nach Spanien, um die Sierra
Morena,
eine 25 Meilen lange Wüste cultiviren zu helfen,
welches vergebliche Bemühen Paul Olavides unternommen
hatte. Es waren dieses meistens Schwaben und Rheinländer,
die dort kümmerlich ihr Leben fristeten, vom Könige zwar be-
günstigt und unterstützt, doch endlich den Seuchen und der heißen
Sonne Spaniens unterlagen.

So lange das Vaterland Lebensunterhalt bietet, erwacht der
Sinn zur Auswanderung nicht so leicht; wenn aber Unglücksjahre,
wie die 1770 und 1771 in Deutschland es waren, kommen, wo
Mißernten den Hunger und sein schreckliches Gefolge verheerend
einziehen lassen, da richtet sich mehr das Auge nach den Gegen-
den, wo der Vater Brod für sich und seine jammernden Kinder
findet. Die Kartoffeln, diese segensreiche Frucht, von der nun
die Gärten und Fluren angebaut sind, hatten zu jener Zeit erst eine
geringe Ausbreitung gefunden, und so wuchs die Noth in diesen
beiden Schreckensjahren zu einer solchen Höhe, daß allein in
Chursachsen 150,000 Menschen des Hungertodes starben und in
Böhmen die Zahl der Verhungerten auf 180,000 stieg. 20,000
Böhmen wanderten in die Staaten des großen Königs Fried-
rich
II., der mit weiser Vorsicht den Anbau der Kartoffeln schon
hatte in seinem Lande befördern lassen. Dieß schreckte die Deutschen
auf und von dieser Zeit an, bis zum Ausbruche des Abfallkrieges

* ) Mit dem Jahre 1717 beginnen die ersten großen Würtembergischen
Auswanderungen nach Nordamerika, als ein arges Hungerjahr die Menschen
ängstigte; die Verschwendungen, Schwelgereien, üppigen Hoffeste des Herzogs
Eberhard Ludwig, verbunden mit seinen ungeheuren Jagden das Land
drückten, das Fräulein Grävenitz, als erklärte Maitresse des Herzogs, und
der Jude Süß, welcher das Ruder führte, den Staat aussogen; seit dieser
Zeit haben sich besonders von Würtemberg her die Auswanderungen nach Ame-
rika oft erneuert.
* ) Der Erzbischof Anton Leopold von Firmian wüthete im eigenen
Lande gegen seine andersdenkenden Salzburger Bauern, gegen die er 6000
Soldaten in die Gebirge sandte, welche solche unerhörte Grausamkeiten begingen,
unter andern alle Kinder raubten von den Pretestanten, daß diese in großer
Zahl auswanderten nach Nordamerika und Holland, und 16,300 Vertriebene
Schutz in Preußen fanden.
** ) Jm Jahre 1749 gingen 7000 Deutsche fort; ebenso viele im folgenden.
*** ) 1767 wanderten 6000 Schwaben nach Nordamerika aus.

[Spaltenumbruch] die die schöne Pfalz mit Pennsylvaniens Wildnissen vertauschten.
Auf diese Weise darf es uns nicht befremden, daß in Nordamerika
so vielerlei Religionsparteien friedlich bei einander wohnen, indem
die ersten Einwanderer, als Abweichende von den Staatskirchen,
vor deren Drucke geflohen waren, um in dem neuen Welttheile
Duldung und Milde zu erleben, und in ihren Nachkommen nach
her selbst zu üben gegen Andersdenkende. Wie in vielen Sachen,
so leuchtet auch hierin Nordamerika dem Mutterlande vor, das
nach so manchen blutigen Religionsstürmen noch immer nicht den
Hafen der reinen Vernunft, der wahren Duldung und ächten
christlichen Liebe erreicht hat.

Ganze Gemeinden vom Rhein und aus der Pfalz verließen
1709 die Heimath, und im selbigen Jahre erschienen in London
32,468 Deutsche, um auszuwandern nach dem verheißenen Lande.
Trügerische Verheißungen hatten diese unerfahrenen Leute aus
Mitteldeutschland getrieben; lange hatten sie mit Mangel und
Elend zu kämpfen, bis die britische Großmuth sie vor dem Hun-
gertode schützte, sie nach Jrland, 4000 an der Zahl, schickte, 1600
nach den Klippen der Scilly-Jnseln brachte und viele Tausende
zurücksandte, nachdem mehre Tausend im Elende gestorben waren;
wenige nur erreichten im Jahre 1710 Newyork. Bald nach-
her, im Jahre 1716, begann die Kolonisirung Louisiana's
durch Deutsche aus dem Würtembergischen, welche ein schwe-
discher Officier, Namens von Aronsburg, dahin geführt und
sich mit ihnen sechs Meilen oberhalb Neworleans ansiedelte,
und gleich nachher wollte Law besonders in der Pfalz 9000
Deutsche zur Auswanderung werben.* )

Mit Ruhe darf die Germanische Nation hinüberblicken auf
ihre Brüder jenseits des atlantischen Weltmeers; sie zeichnen sich
auch dort aus durch Fleiß im Ackerbaue, durch Freiheitsliebe und
Achtung der Menschenrechte, selbst im geringsten Neger = Sclaven,
und durch die Anlage vieler Fabriken, besonders der Leinen=Ma-
nufactur haben sie Großes zu dem blühenden Wohlstande der
Union beigetragen. Dennoch mahnte England zu öfteren Malen
die Deutschen am Rheine von den Auswanderungen ab, indem
man durch deren zu große Anhäufungen in politischer Hinsicht
Befürchtungen hegte. Eine kurzsichtige Staatsweisheit; der arme,
fügsame Deutsche, zu Hause an so manchen Gehorsam gewöhnt,
hätte niemals Veranlassung zu Revolutionen gegeben, und selbst
als im Jahre 1776 der Abfallkrieg begann gegen England, be-
fanden sich unter den ersten Aufwieglern, unter den Jnsurgenten-
Häuptlingen keine dieses Volkes; hätte die britische Regierung
ihre Vortheile eingesehen, die deutsche Auswanderung befördert,
ein deutsches Princip in Nordamerika heimisch, vielleicht vorherr-
schend gemacht, es wäre möglich gewesen, daß die Revolution
nie ausgebrochen.

Trotz diesen stattgehabten Abmahnungen ließen die deutschen
Auswanderungen nicht nach, indem im Jahre 1729 allein nach
Pennsylvanien 6200 Ansiedler, meistens Deutsche, kamen, und
als 1742 der Graf von Zinzendorf nach Philadelphia
kam, um die dortigen Brüdergemeinden mit Rath und That zu
unterstützen, war die Zahl der seit 1683 eingewanderten Deutschen
bereits auf 100,000 Seelen gestiegen. Das berühmte Halle' sche
Waisenhaus, des großen Franke's Stiftung, sandte nun die
ersten Prediger Augsburger Confession hin.

[Spaltenumbruch]

Dann führte der Oberst Johann Peter Purg eine neue
Schaar Deutscher, auch Schweizer, im Jahre 1733 nach den Ufern
des Savannah, in Südcarolina. Die Amerikaner nahmen
diese Einwanderer gern auf, indem sie von ihrer Ansiedlung eine
Vormauer gegen die Einbrüche der Creeks hofften, und den
Bau des Weins eingeführt sahen. Eine noch größere Zahl folgte
unter der Leitung des Landhauptmanns Gobler und des Pre-
digers Zuberbühler nach Nordcarolina. Vertriebene Salz-
burger
führte 1732 der Baron von Reck nach Georgien.* )

Jm Jahre 1749 kamen aber mit einem Male, unter schwellen-
den Segeln 25 Schiffe mit 7049 Deutschen in Philadelphia an,
die froh die neue Welt begrüßten. Jm Herbste des folgenden
Jahres wanderten eben so viele aus dem mittleren Deutschland
wieder und immer aufs Neue dorthin, wo die Gebirge Alleghany
mit unermeßlichen Wäldern die fruchtbarsten Ebenen begränzen.** )
Neue und größere Züge folgten bald; das neue Land war einmal
den deutschen Blicken aufgeschlossen, und mit dem Jahre 1754
wanderten aus dem Durlach'schen, aus Würtemberg und der Pfalz
22,000 Deutsche, bloß in Philadelphia landend, ein, geschweige
der vielen andern, die sich Newyork und Neuschottland zum Ziele
ihrer Meerfahrt gesteckt hatten.*** )

Wer von den deutschen Auswanderern den glücklichen Ent-
schluß gefaßt hatte, dorthin seine Schritte zu lenken, wo auf
Amerikas Prärien der Boden mit jugendlicher Kraft Unterhalt
und Nahrung die Fülle verhieß, der ging zwar tausend Müh-
seligkeiten einer damals noch langen Seereise, tausend Gefahren
bei seinen Zügen zur Aufsuchung neuer Wohnsitze entgegen, aber
gewöhnlich auch einem sichern Lebensglücke; andere aber, verleitet
von Abenteurern nach den unwirthlichsten Gegenden, fanden sich
in ihren Hoffnungen, in ihren auch beschwerlichen Wanderungen
bitter getäuscht. Nicht allein nach Amerika's fruchtbaren Gestaden
zogen die Deutschen; verleitet von dem Schwindler Thürriegel
aus Bayern, gingen 6000 derselben nach Spanien, um die Sierra
Morena,
eine 25 Meilen lange Wüste cultiviren zu helfen,
welches vergebliche Bemühen Paul Olavides unternommen
hatte. Es waren dieses meistens Schwaben und Rheinländer,
die dort kümmerlich ihr Leben fristeten, vom Könige zwar be-
günstigt und unterstützt, doch endlich den Seuchen und der heißen
Sonne Spaniens unterlagen.

So lange das Vaterland Lebensunterhalt bietet, erwacht der
Sinn zur Auswanderung nicht so leicht; wenn aber Unglücksjahre,
wie die 1770 und 1771 in Deutschland es waren, kommen, wo
Mißernten den Hunger und sein schreckliches Gefolge verheerend
einziehen lassen, da richtet sich mehr das Auge nach den Gegen-
den, wo der Vater Brod für sich und seine jammernden Kinder
findet. Die Kartoffeln, diese segensreiche Frucht, von der nun
die Gärten und Fluren angebaut sind, hatten zu jener Zeit erst eine
geringe Ausbreitung gefunden, und so wuchs die Noth in diesen
beiden Schreckensjahren zu einer solchen Höhe, daß allein in
Chursachsen 150,000 Menschen des Hungertodes starben und in
Böhmen die Zahl der Verhungerten auf 180,000 stieg. 20,000
Böhmen wanderten in die Staaten des großen Königs Fried-
rich
II., der mit weiser Vorsicht den Anbau der Kartoffeln schon
hatte in seinem Lande befördern lassen. Dieß schreckte die Deutschen
auf und von dieser Zeit an, bis zum Ausbruche des Abfallkrieges

* ) Mit dem Jahre 1717 beginnen die ersten großen Würtembergischen
Auswanderungen nach Nordamerika, als ein arges Hungerjahr die Menschen
ängstigte; die Verschwendungen, Schwelgereien, üppigen Hoffeste des Herzogs
Eberhard Ludwig, verbunden mit seinen ungeheuren Jagden das Land
drückten, das Fräulein Grävenitz, als erklärte Maitresse des Herzogs, und
der Jude Süß, welcher das Ruder führte, den Staat aussogen; seit dieser
Zeit haben sich besonders von Würtemberg her die Auswanderungen nach Ame-
rika oft erneuert.
* ) Der Erzbischof Anton Leopold von Firmian wüthete im eigenen
Lande gegen seine andersdenkenden Salzburger Bauern, gegen die er 6000
Soldaten in die Gebirge sandte, welche solche unerhörte Grausamkeiten begingen,
unter andern alle Kinder raubten von den Pretestanten, daß diese in großer
Zahl auswanderten nach Nordamerika und Holland, und 16,300 Vertriebene
Schutz in Preußen fanden.
** ) Jm Jahre 1749 gingen 7000 Deutsche fort; ebenso viele im folgenden.
*** ) 1767 wanderten 6000 Schwaben nach Nordamerika aus.
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Bald nach- her, im Jahre 1716, begann die Kolonisirung Louisiana's durch Deutsche aus dem Würtembergischen, welche ein schwe- discher Officier, Namens von Aronsburg, dahin geführt und sich mit ihnen sechs Meilen oberhalb Neworleans ansiedelte, und gleich nachher wollte Law besonders in der Pfalz 9000 Deutsche zur Auswanderung werben. * ) Mit Ruhe darf die Germanische Nation hinüberblicken auf ihre Brüder jenseits des atlantischen Weltmeers; sie zeichnen sich auch dort aus durch Fleiß im Ackerbaue, durch Freiheitsliebe und Achtung der Menschenrechte, selbst im geringsten Neger = Sclaven, und durch die Anlage vieler Fabriken, besonders der Leinen=Ma- nufactur haben sie Großes zu dem blühenden Wohlstande der Union beigetragen. Dennoch mahnte England zu öfteren Malen die Deutschen am Rheine von den Auswanderungen ab, indem man durch deren zu große Anhäufungen in politischer Hinsicht Befürchtungen hegte. Eine kurzsichtige Staatsweisheit; der arme, fügsame Deutsche, zu Hause an so manchen Gehorsam gewöhnt, hätte niemals Veranlassung zu Revolutionen gegeben, und selbst als im Jahre 1776 der Abfallkrieg begann gegen England, be- fanden sich unter den ersten Aufwieglern, unter den Jnsurgenten- Häuptlingen keine dieses Volkes; hätte die britische Regierung ihre Vortheile eingesehen, die deutsche Auswanderung befördert, ein deutsches Princip in Nordamerika heimisch, vielleicht vorherr- schend gemacht, es wäre möglich gewesen, daß die Revolution nie ausgebrochen. Trotz diesen stattgehabten Abmahnungen ließen die deutschen Auswanderungen nicht nach, indem im Jahre 1729 allein nach Pennsylvanien 6200 Ansiedler, meistens Deutsche, kamen, und als 1742 der Graf von Zinzendorf nach Philadelphia kam, um die dortigen Brüdergemeinden mit Rath und That zu unterstützen, war die Zahl der seit 1683 eingewanderten Deutschen bereits auf 100,000 Seelen gestiegen. Das berühmte Halle' sche Waisenhaus, des großen Franke's Stiftung, sandte nun die ersten Prediger Augsburger Confession hin. Dann führte der Oberst Johann Peter Purg eine neue Schaar Deutscher, auch Schweizer, im Jahre 1733 nach den Ufern des Savannah, in Südcarolina. Die Amerikaner nahmen diese Einwanderer gern auf, indem sie von ihrer Ansiedlung eine Vormauer gegen die Einbrüche der Creeks hofften, und den Bau des Weins eingeführt sahen. Eine noch größere Zahl folgte unter der Leitung des Landhauptmanns Gobler und des Pre- digers Zuberbühler nach Nordcarolina. Vertriebene Salz- burger führte 1732 der Baron von Reck nach Georgien. * ) Jm Jahre 1749 kamen aber mit einem Male, unter schwellen- den Segeln 25 Schiffe mit 7049 Deutschen in Philadelphia an, die froh die neue Welt begrüßten. Jm Herbste des folgenden Jahres wanderten eben so viele aus dem mittleren Deutschland wieder und immer aufs Neue dorthin, wo die Gebirge Alleghany mit unermeßlichen Wäldern die fruchtbarsten Ebenen begränzen. ** ) Neue und größere Züge folgten bald; das neue Land war einmal den deutschen Blicken aufgeschlossen, und mit dem Jahre 1754 wanderten aus dem Durlach'schen, aus Würtemberg und der Pfalz 22,000 Deutsche, bloß in Philadelphia landend, ein, geschweige der vielen andern, die sich Newyork und Neuschottland zum Ziele ihrer Meerfahrt gesteckt hatten. *** ) Wer von den deutschen Auswanderern den glücklichen Ent- schluß gefaßt hatte, dorthin seine Schritte zu lenken, wo auf Amerikas Prärien der Boden mit jugendlicher Kraft Unterhalt und Nahrung die Fülle verhieß, der ging zwar tausend Müh- seligkeiten einer damals noch langen Seereise, tausend Gefahren bei seinen Zügen zur Aufsuchung neuer Wohnsitze entgegen, aber gewöhnlich auch einem sichern Lebensglücke; andere aber, verleitet von Abenteurern nach den unwirthlichsten Gegenden, fanden sich in ihren Hoffnungen, in ihren auch beschwerlichen Wanderungen bitter getäuscht. Nicht allein nach Amerika's fruchtbaren Gestaden zogen die Deutschen; verleitet von dem Schwindler Thürriegel aus Bayern, gingen 6000 derselben nach Spanien, um die Sierra Morena, eine 25 Meilen lange Wüste cultiviren zu helfen, welches vergebliche Bemühen Paul Olavides unternommen hatte. Es waren dieses meistens Schwaben und Rheinländer, die dort kümmerlich ihr Leben fristeten, vom Könige zwar be- günstigt und unterstützt, doch endlich den Seuchen und der heißen Sonne Spaniens unterlagen. So lange das Vaterland Lebensunterhalt bietet, erwacht der Sinn zur Auswanderung nicht so leicht; wenn aber Unglücksjahre, wie die 1770 und 1771 in Deutschland es waren, kommen, wo Mißernten den Hunger und sein schreckliches Gefolge verheerend einziehen lassen, da richtet sich mehr das Auge nach den Gegen- den, wo der Vater Brod für sich und seine jammernden Kinder findet. Die Kartoffeln, diese segensreiche Frucht, von der nun die Gärten und Fluren angebaut sind, hatten zu jener Zeit erst eine geringe Ausbreitung gefunden, und so wuchs die Noth in diesen beiden Schreckensjahren zu einer solchen Höhe, daß allein in Chursachsen 150,000 Menschen des Hungertodes starben und in Böhmen die Zahl der Verhungerten auf 180,000 stieg. 20,000 Böhmen wanderten in die Staaten des großen Königs Fried- rich II., der mit weiser Vorsicht den Anbau der Kartoffeln schon hatte in seinem Lande befördern lassen. Dieß schreckte die Deutschen auf und von dieser Zeit an, bis zum Ausbruche des Abfallkrieges * ) Mit dem Jahre 1717 beginnen die ersten großen Würtembergischen Auswanderungen nach Nordamerika, als ein arges Hungerjahr die Menschen ängstigte; die Verschwendungen, Schwelgereien, üppigen Hoffeste des Herzogs Eberhard Ludwig, verbunden mit seinen ungeheuren Jagden das Land drückten, das Fräulein Grävenitz, als erklärte Maitresse des Herzogs, und der Jude Süß, welcher das Ruder führte, den Staat aussogen; seit dieser Zeit haben sich besonders von Würtemberg her die Auswanderungen nach Ame- rika oft erneuert. * ) Der Erzbischof Anton Leopold von Firmian wüthete im eigenen Lande gegen seine andersdenkenden Salzburger Bauern, gegen die er 6000 Soldaten in die Gebirge sandte, welche solche unerhörte Grausamkeiten begingen, unter andern alle Kinder raubten von den Pretestanten, daß diese in großer Zahl auswanderten nach Nordamerika und Holland, und 16,300 Vertriebene Schutz in Preußen fanden. ** ) Jm Jahre 1749 gingen 7000 Deutsche fort; ebenso viele im folgenden. *** ) 1767 wanderten 6000 Schwaben nach Nordamerika aus.

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 37. Rudolstadt, 14. Juni 1847, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer37_1847/2>, abgerufen am 28.04.2024.